BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Max Herrmann-Neiße

1886 - 1941

 

Empörung, Andacht, Ewigkeit

 

1918

 

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Verirrt in dieser Fremdheit Not

 

Was hab' ich noch mit euch zu tun:

mit dir, du Frau,

mit dir, du Mann;

der ich mich selbst nicht trösten kann,

vergrämt und grau

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muß fremd in fremdem Bette ruhn.

 

Wie bang ich dann verloren bin

in fremdem Zug zu fremder Zeit

und ohne Sinn getragen hin

von jeder Heimat weit, so weit –

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kein Haus hält still,

kein Waldrand will

den Weg zurück Gefährte sein,

und Sterne stehn auf Bergen stumm –

ich aber muß, vor Angst ganz klein,

in einen fremden Raum hinein;

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der wächst wie Dornen rings herum.

 

Und bin mit keinem Ding vereint,

so schlaflos fremd in fremdem Bette

und noch den eignen Füßen feind,

und warte, daß mich Gott errette . . .

 

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Die Wagen rollen immerzu

hin durch mein Herz, die ganze Nacht,

auf falschem Gleis zu falscher Ruh,

und bang am Wagenfenster wacht,

der sich verirrte – Bruder du

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im gleichen Bann,

daß nichts, daß nichts ihn trösten kann,

verängstet fremd in fremdem Bett

und schlummerlos als wie geschnürt

auf das verhaßte Henkers-Brett,

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von dem kein Flügel ihn entführt –

Groß Tore drohn. Spitz schielt ein Licht

mit bösem Auge unerlöst.

Der Morgen wie ein Grab aufbricht,

in das ein fremder Tod mich stößt.