BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Germaine de Staël

1766 -1817

 

Über Deutschland

 

Dritter Theil. II. Abtheilung.

 

___________________________________________________________

 

 

 

Zweites Capitel.

 

――――――

 

Von dem Protestantismus.

 

Nur bei den Deutschen sollte eine durch Ideen bewirkte Revolution Statt finden; denn der hervorspringende Zug dieser sinnigen Nation ist die Stärke der innern Ueberzeugung. Wenn eine Meinung sich einmal der deutschen Köpfe bemächtigt hat, so machen ihre Geduld und Beharrlichkeit der Willenskraft im Menschen ungemeine Ehre.

Lieset man die Geschichte des Todes von Johann Huß und Hieronymus von Prag, diesen Vorläufern der Reformation, so sieht man ein auffallendes [218] Beispiel von dem, was die Urheber des Protestantismus in Deutschland charakterisirt, ich meine die Vereinigung eines lebendigen Glaubens mit dem Geiste der Forschung. Ihre Vernunft hat weder ihrem Glauben, noch der Glaube ihrer Vernunft Abbruch gethan, und ihre sittlichen Fähigkeiten haben immer beisammen gewirkt.

Allenthalben findet man in Deutschland Spuren von verschiedenen Religionskämpfen, welche, mehrere Jahrhunderte hindurch, die ganze Nation beschäftigt haben. In der Kathedralkirche von Prag zeigt man noch halberhobene Arbeit, wodurch die von den Hussiten verübten Zerstörungen dargestellt werden, und der Theil der Kirche, den die Schweden während des dreißigjährigen Krieges in Brand steckten, ist noch jetzt nicht wieder aufgebaut. Nicht fern von da, auf der Brücke, steht die Bildsäule des heiligen Johann Nepomuck, der lieber in den Wellen sterben, als die Fehltritte, welche eine unglückliche Königin ihm gebeichtet hatte, bekannt werden lassen wollte. Die Denkmäler, und selbst die Trümmer, welche den Einfluß der Religion auf die Menschen bestätigen, nehmen unser Gemüth lebhaft in Anspruch; denn die Meinungskriege bringen den Nationen weit mehr Ehre, als die Kriege aus Eigennutz.

Von allen großen Männern, welche Deutschland hervorgebracht hat, ist Luther gerade der, dessen Charakter am meisten deutsch war: seine Festigkeit hatte etwas Rohes; seine Ueberzeugung reichte bis zum Eigensinn; sein Geistesmuth war in ihm das Princip des Muths zum Handeln; die Leidenschaftlichkeit seines Gemüths zog ihn nicht ab von abstracten Studien, und ob er gleich gewisse Misbräuche und gewisse Dogmen als Vorurtheile angriff, [219] so war es doch nicht sowohl eine philosophische Ungläubigkeit, als ein ihm eigenthümlicher Fanatismus, was ihn begeisterte.

Gleichwohl hat die Reformation die Forschung in Sachen der Religion zur Welt gebracht. Entstanden ist daraus für Einige die Zweifelsucht, für Andere aber eine festere Ueberzeugung von religiösen Wahrheiten. Der menschliche Geist hatte einen Zeitpunkt erreicht, wo er, um zu glauben, nothwendig untersuchen mußte. Die Entdeckung der Buchdruckerei, die Vervielfältigung der Einsichten, die philosophische Aufsuchung der Wahrheit, gestatteten nicht länger den blinden Glauben, bei welchem man sich sonst so wohl befunden hatte. Nur durch Forschung und Nachdenken konnte die religiöse Begeisterung wieder angefrischt werden. Luther war es, der die Bibel und das Evangelium in Jedermanns Hände brachte. Er gab den Antrieb zum Studium des Alterthums; denn indem man Hebräisch lernte, um die Bibel, und Griechisch, um das neue Testament zu lesen, bearbeitete man die alten Sprachen, wendeten sich die Geister nach historischen Untersuchungen.

Die Forschung mag jenen Gewohnheitsglauben schwächen, den die Menschen wohlthun, so lange beizubehalten, als sie können; aber wenn der Mensch aus der Forschung religiöser hervortritt, als er vorher war, nur dann wird die Religion auf eine unveränderliche Weise begründet, dann ist Friede zwischen ihr und der Aufklärung, dann dienen sie sich gegenseitig.

Einige Schriftsteller haben gegen die Lehre von der Vervollkommnungsfähigkeit geeifert, und wenn sie Recht hätten, so würde dieser Glaube eine wahre [220] Abscheulichkeit seyn. In Frankreich braucht nur Der und Der eine gewisse Meinung zu behaupten, und es ist sogleich gegen den guten Geschmack, ihr beizutreten; alle Schäfchen von derselben Heerde kommen dann nach einander, den Ideen den Garaus zu machen, die aber deshalb nicht weniger blieben was sie gewesen sind. Es ist höchst wahrscheinlich, daß das menschliche Geschlecht eben so einer Erziehung fähig ist, als der einzelne Mensch, und daß es auf der ewigen Bahn der Zeiten für die Fortschritte des Gedankens bestimmte Epochen giebt. Die Reformation war die Aera der Forschung und der aufgeklärten Ueberzeugung, die auf jene folgte. Das Christenthum ist erst gegründet, dann verderbt, dann untersucht und zuletzt begriffen worden, und diese verschiedenen Perioden waren nöthig für seine Entwickelung. Sie haben bisweilen ein Jahrhundert, bisweilen ein Jahrtausend gedauert; das höchste Wesen, das aus der Ewigkeit schöpft, hält mit der Zeit nicht nach unserer Weise Haus.

Als Luther auftrat, war die Religion nur noch eine politische Macht, die wie ein weltliches Interesse angegriffen und vertheidigt wurde. Luther führte sie auf den Boden des Gedankens zurück. Der historische Gang des menschlichen Geistes ist in Deutschland in dieser Hinsicht bemerkenswerth. Als jene, durch die Reformation verursachte Kriege ausgetobt und die französischen Flüchtlinge sich in den verschiedenen Staaten des nördlichen Deutschlands niedergelassen hatten: da wendeten sich die philosophischen Studien, welche immer das Innere des Gemüths zum Gegenstande hatten, sehr natürlich nach der Religion hin, und im achtzehnten [221] Jahrhunderte giebt es keine Literatur, worin man über diesen Vorwurf eine so große Zahl von Büchern anträfe, wie in der deutschen Literatur.

Lessing, einer von den kräftigsten Geistern Deutschlands, hat nie aufgehört, die ganze Stärke seiner Logik gegen die so oft wiederholte Maxime zu richten: daß es gefährliche Wahrheiten giebt. In Wahrheit, es ist eine seltsame Anmaßung einiger Individuen, zu glauben, daß sie berechtigt seyen, ihren Mitmenschen die Wahrheit zu verbergen, und sich das Vorrecht beizulegen, wie Alexander vor den Diogenes zu treten, um uns ewige Strahlen der alten gemeinschaftlichen Sonne zu entziehen. Diese angebliche Klugheit ist nur die Theorie des Charlatanismus; man will Ideen auf die Seite bringen, um die Menschen desto biegsamer zu machen. Die Wahrheit ist Gottes Werk; die Lügen sind das Werk der Menschen. Studirt man die Epochen der Geschichte, wo man die Wahrheit fürchtete, so wird man immer sehen; daß es dann geschah, wenn der besondere Vortheil auf irgend eine Weise gegen die allgemeine Tendenz ankämpfte.

Von aller Beschäftigung ist die Untersuchung der Wahrheit die edelste, und ihre Bekanntmachung ist eine Pflicht. Ist die Untersuchung aufrichtig, so ist von ihr nichts, weder für die Religion noch für die Gesellschaft zu fürchten; ist sie es nicht, so ist es nicht die Wahrheit, sondern die Lüge, die das Uebel hervorbringt. In dem Menschen giebt es kein Gefühl, von welchem man nicht den philosophischen Grund auffinden könnte; keine Meinung, sogar kein noch so allgemein verbreitetes Vorurtheil, das seine Wurzel nicht in der Natur hätte. Man muß also forschen, nicht um den Glauben zu zerstören, [222] sondern um ihn auf die innere, nicht erschlichene Ueberzeugung zu stützen,

Irrthümer dauern bisweilen sehr lange; aber sie verursachen immer eine sehr schmerzliche Unruhe. Betrachtet man den Thurm von Pisa, der nach seiner Grundfläche hinneigt, so stellt man sich vor, er werde einstürzen, ob er gleich Jahrhunderte vorgehalten hat; die Einbildungskraft beruhigt sich erst in Gegenwart von festen und regelmäßigen Gebäuden. Auf dieselbe Weise verhält es sich mit dem Glauben an zuverläßige Grundsätze; was auf Vorurtheile gegründet ist, beunruhigt, und mit Vergnügen sieht man die Vernunft die erhabensten Anschauungen des Gemüths mit ihrer ganzen Macht unterstützen.

Die Intelligenz schließt in sich das Princip für Alles, was sie durch die Erfahrung erwirbt, und mit großem Recht, sagte Fontenelle: man glaube die Wahrheit zu erkennen, sobald sie nur angekündigt würde. Wie könnte man sich also einbilden, daß richtige Ideen und die innere Ueberzeugung, die sie hervorbringen, sich nicht früher oder später begegnen sollten? Zwischen der Wahrheit und der menschlichen Vernunft giebt es eine zum Voraus festgestellte Harmonie, welche bewirkt, daß sie sich einander immer näher kommen.

Den Leuten vorschlagen, daß sie sich nicht ihre Gedanken mittheilen sollen, heißt ungefähr eben so viel, als was man gemeinhin: das Geheimniß der Comödien bewahren, nennt. In der Unwissenheit beharrt man nur, weil man nicht weiß, was es damit auf sich hat; aber von dem Augenblick an, wo das Schweigen anbefohlen ist, hat schon Jemand gesprochen, und um die Gedanken, welche die [223] Worte angeregt haben, zu ersticken, muß man die Vernunft herabsetzen. Es giebt Menschen voll Thatkraft und Treuherzigkeit, die gewisse philosophische Wahrheiten nie geahnet haben; die sie aber wissen und verheimlichen, sind Heuchler, oder wenigstens sehr anmaßende und irreligiöse Wesen. Sehr anmaßend; denn mit welchem Rechte bilden sie sich ein, zur Classe der Eingeweihten zu gehören, während die Uebrigen nur Profane genannt werden können? Sehr irreligiös; denn gäbe es eine philosophische oder natürliche Wahrheit, kurz eine Wahrheit, welche mit der Religion in Widerspruch stände, so würde diese nicht seyn, was sie ist: das höchste Licht.

Um Solchen, die an das Christenthum, d. h. an eine Offenbarung der sittlichen Gesetze des Menschen und des Universums glauben wollen, die Unwissenheit, das Geheimniß und die Dunkelheit zu empfehlen, muß man es schlecht kennen. Oeffnet die Thore des Tempels; ruft zu eurem Beistande die schönen Künste, die Wissenschaften, die Philosophie auf; sammelt alles in demselben Lichtheerd, um den Urheber der Schöpfung zu ehren und zu begreifen; und wenn die Liebe gesagt hat, der Name des geliebten Gegenstandes scheine auf den Blättern jeder Blume geschrieben: wie sollte denn nicht die Gottheit in allen den Ideen seyn, die sich an die ewige Kette knüpfen!

Die Grundlage des Protestantismus ist das Recht zu untersuchen, was man glauben soll. So verstanden es freilich nicht die ersten Reformatoren; sie glaubten die Herkules-Säulen des menschlichen Geistes an den Gränzen ihrer eigenen Einsichten aufstellen zu können. Aber mit Unrecht erwarteten sie, daß man sich ihren Entscheidungen als untrüglich unterwerfen [224] würde, sie, die jede Autorität dieser Art in der katholischen Religion verwarfen. Der Protestantismus musste also der Entwickelung und den Fortschritten der Aufklärung folgen, während der Katholicismus sich rühmte, mitten unter den Wogen der Zeit unveränderlich zu seyn.

Unter den deutschen Schriftstellern protestantischer Religion hat es sehr verschiedene Ansichten gegeben, die nacheinander die Aufmerksamkeit in Anspruch genommen haben. Mehrere Gelehrte haben unerhörte Untersuchungen über das alte und neue Testament angestellt. Michaelis hat die Sprachen, die Alterthümer und die Naturgeschichte Asiens studirt, um die Bibel auszulegen; und während in Frankreich der philosophische Geist das Christenthum zu einem Gegenstande des Spottes machte, war es in Deutschland der Gegenstand der Gelehrsamkeit. Wie wohl nun diese Art von Bemühung religiöse Gemüther in mancher Hinsicht verletzen kann: welche Achtung für das Buch, welches der Gegenstand einer so ernsten Forschung ist, setzt sie nicht voraus! Diese Gelehrten griffen weder die Dogmen, noch die Prophezeiungen, noch die Wunder an; aber nach ihnen kam ein ganzer Schwarm von Solchen, die der Bibel und dem neuen Testamente eine ganz natürliche Erklärung geben wollten, und, indem sie die eine wie das andere in dem Lichte guter Schriften lehrreichen Inhalts betrachteten, in den Mysterien nur orientalische Metaphern entdeckten.

Diese Theologen nannten sich vernünftig, weil sie jede Art von Dunkelheit zu zerstreuen glaubten; aber es war gewiß eine falsche Anwendung des Forschungsgeistes, welche Wahrheiten betraf, die man nur durch Erhebung und Andacht des Gemüths als [225] solche fühlt. Der Forschungsgeist soll dazu dienen, das, was über die Vernunft gehet, ungefähr ebenso zu erkennen, wie der Astronom Höhen misset, die das Auge des Menschen nicht erreichen kann: er soll also, seinem wahren Zwecke nach, unerfaßliche Regionen anzeigen, ohne sie leugnen oder der Sprache unterwerfen zu wollen; nur so bedient man sich seiner mit Erfolg.

Die gelehrte Auslegung befriedigt eben so wenig, wie die dogmatische Autorität. Die Einbildungskraft und Empfindsamkeit der Deutschen fanden also ihre Rechnung nicht bei einer Art von prosaischer Religion, welche dem Christenthum eine Achtung der Vernunft bewilligte. Herder war der Erste, welcher den Glauben durch die Poesie wieder ins Leben rief; als genauer Kenner der orientalischen Sprachen hatte er für die Bibel dieselbe Art von Verehrung, die ein geheiligter Homer einflößen würde. Die natürliche Neigung der Geister bringt in Deutschland mit sich, daß man die Poesie als eine Art von Propheten-Gabe betrachtet; es war also keine Entweihung, mit dem religiösen Glauben die Begeisterung zu verbinden, welche er einhaucht.

Streng orthodox war Herder nicht; dennoch verwarf er, wie alle seine Anhänger, jene gelehrten Commentare, welche die Bibel vereinfachen wollten und sie eben dadurch vernichteten. Eine Art poetischer Theologie, unbestimmt aber belebt, frei aber gefühlvoll, verdrängte die poetische Schule, welche sich, durch Verbannung einiger Wunder aus dem Universum, der Vernunft zu nähern glaubte, und doch ist das Wunderbare in mehreren Hinsichten bei weitem leichter zu fassen, als das, was man das Natürliche zu nennen beliebt hat. [226]

Schleiermacher, der Uebersetzer des Platon, hat über die Religion Reden von seltener Beredsamkeit geschrieben. Er bekämpft jene Gleichgültigkeit, die man Toleranz nannte, so wie die zerstörende Arbeit, die man für unpartheiische Forschung ausgab. Auch Schleiermacher ist kein orthodoxer Theolog; aber in den religiösen Dogmen, die er annimmt, zeigt er Glaubenskraft und eine große Rüstigkeit metaphysischer Anschauungen. Mit viel Wärme und eben so viel Licht hat er das Gefühl des Unendlichen, von welchem im vorhergehenden Capitel die Rede gewesen ist, entwickelt. Schleiermacher und seiner Schüler religiöse Meinungen könnte man eine philosophische Theologie nennen.

Endlich haben sich Lavater und mehrere Männer von Talent zu den mystischen Meinungen bekannt, so wie Fenelon in Frankreich und verschiedene Schriftsteller in anderen Ländern sie aufgefaßt haben.

Lavater war früher da, als einige von den Männern, die ich genannt habe. Gleichwohl hat die Lehre, für deren vorzüglichsten Urheber er gehalten werden kann, erst seit sehr wenigen Jahren in Deutschland großen Beifall gefunden. Zwar ist Lavaters Werk über die Physiognomik berühmter, als seine religiösen Schriften; aber was ihn vorzüglich bemerkenswerth machte, war sein persönlicher Charakter, in welchem sich ein seltenes Gemisch von Scharfsinn und Enthusiasmus fand. Mit einer ungemeinen Feinheit des Geistes beobachtete er die Menschen, und mit unbeschränktem Vertrauen gab er sich Ideen hin, die man abergläubig nennen könnte. Es fehlte ihm nicht an Eigenliebe, und vielleicht war diese der Grund jener seltsamen Meinungen, die er über sich selbst und seinen Wunderberuf nährte; gleichwohl [227] war seine religiöse Einfalt und die Ungeschminktheit seines Gemüths ohne Gleichen; nicht ohne Erstaunen konnte man in unseren Gesellschaftszimmern einen Prediger erblicken, wie ein Apostel begeistert und als Weltmann höchst geistreich. Für Lavaters Aufrichtigkeit standen seine guten Handlungen und sein schöner Blick ein, der den Abdruck unnachahmlicher Wahrheit in sich trug.

Die religiösen Schriftsteller des gegenwärtigen Deutschlands theilen sich in zwei scharf getrennte Classen, nemlich in die Vertheidiger der Reformation und die Anhänger des Katholizismus. Ich werde die Schriftsteller dieser verschiedenen Meinungen besonders untersuchen; aber was vor allen Dingen gesagt werden muß, ist, daß, wenn das nördliche Deutschland von allen Ländern dasjenige ist, wo die theologischen Fragen am meisten erörtert worden sind, es zugleich das Land ist, wo religiöse Gesinnungen die meiste Ausbreitung haben. Der National-Charakter trägt den Stempel derselben und das Genie der Künste und der Literatur schöpft in ihr seine Begeisterung. Unter Leuten aus dem Volke hat im nördlichen Deutschland die Religion einen idealen und sanften Charakter, der in einem Lande, dessen Sitten man sich als sehr roh denkt, nur um so mehr überrascht.

Als ich einmal von Dresden nach Leipzig reisete, verweilte ich am Abend zu Meissen, einer kleinen Stadt auf einer Höhe über der Elbe gelegen, deren Kirche Grabmäler enthält, welche glänzenden Zurückerinnerungen geweiht sind. Ich gieng auf der Esplanade spatzieren, und überließ mich der Träumerei, welche die untergehende Sonne, die Aussicht auf eine ferne Landschaft und das Geräusch im Grunde [228] des Thales so leicht in unser Gemüth bringen. Da vernahm ich die Stimmen einiger gemeinen Leute und fürchtete gemeine Worte zu hören, wie man sie anderwärts auf den Straßen singt. Wie groß war mein Erstaunen, als ich am Schlusse jeder Strophe die Worte verstand: „Sie haben sich geliebt und sind in der Hoffnung gestorben, sich eines Tages wiederzufinden!“ Wohl dem Lande, wo solche Gefühle, Volksgefühle sind und der Luft, die man einathmet, ich weiß nicht, welche religiöse Brüderlichkeit sie mittheilen, die aus Liebe zum Himmel und aus Mitgefühl für den Menschen zusammengesetzt ist.