BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Germaine de Staël

1766 -1817

 

Über Deutschland

 

Dritter Theil. II. Abtheilung.

 

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Zwölftes und letztes Capitel.

 

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Einfluß des Enthusiasmus

auf das Wohlseyn.

 

Es ist Zeit, von der Glückseligkeit zu reden! Ich habe dies Wort mit großer Geflissenheit zurückgeschoben, weil man besonders seit einem Jahrhundert, die Glückseligkeit in so grobe Freuden, in ein so selbstisches Leben, in so beengte Berechnungen gesetzt hat, daß selbst ihr Bild entweiht worden ist. Aber man kann gleichwohl mit Vertrauen sagen, von allen Gefühlen sey der Enthusiasmus dasjenige, was die meiste Glückseligkeit gewährt, das einzige, das sie wahrhaft gewährt, das einzige, welches uns in Stand setzt, das menschliche Geschick in allen den Lagen zu ertragen, worein uns das Schicksal versetzen kann.

Vergebens will man sich auf blos materielle Genüsse beschränken; das Gemüth bricht allenthalben hervor. Stolz, Ehrgeiz, Eigenliebe, dies alles rührt noch vom Gemüthe her, wiewohl ein Gifthauch darin weht. Welches jammervolle Daseyn, das diejenigen haben, die sich selbst beinahe eben so sehr, wie Andere, belügend, alle großmüthigen Bewegungen, welche in ihrem Herzen aufkeimen, wie eine Krankheit der Einbildungskraft betrachten, die man in der freien Luft zerstreuen muß! Welche armselige Existenz, die so viele Andere führen, die sich damit begnügen, nichts Böses zu thun, und die Quelle, aus welcher alle schönen Handlungen und alle großen Gedanken herstammen, als Narrheit behandeln! Aus Eitelkeit ziehen sie sich in eine träge [311] Mittelmäßigkeit zurück, die sie dem äußeren Lichte hätten zugänglich machen können; sie verurtheilen sich selbst zu jener Eintönigkeit der Ideen, zu einer Kälte des Gefühls, worin die Tage dahinschwinden, ohne Früchte, ohne Fortschritte, ohne Zurückerinnerungen; und wenn die Zeit nicht ihre Züge furchte, welche Spuren würden ihnen von dem Durchgange derselben geblieben seyn? Müßte man nicht alt werden und sterben, welcher ernste Gedanke würde jemals durch ihren Kopf gehen?

Gewisse Schwätzer sagen, der Enthusiasmus mache das gemeine Leben unschmackhaft; und da man sich einmal nicht immer in dieser Stimmung befinde, so sey es besser, sie niemals kennen zu lernen. Wohlan, warum haben sie sich denn gefallen lassen, jung zu seyn, und selbst zu leben, da dies doch nicht immer dauern kann? Warum haben sie – wofern ihnen jemals dergleichen begegnet seyn sollte – geliebt, da der Tod sie trennen konnte von den Gegenständen ihres Wohlwollens? Welche traurige Wirthschaft, die man mit dem Gemüthe treibt! Es ist uns gegeben worden, damit es entwickelt, vervollkommnet und zu einem edlen Zweck sogar verschwendet werde.

Je mehr man das Leben betäubt, je mehr man sich dem blos materiellen Daseyn nähert, desto mehr, sagt man, werde die Macht zu leiden vermindert. Dies Argument verführt sehr viele Menschen. Eigentlich besteht die Kunst darin, so wenig als möglich zu leben. Indeß liegt selbst in der Herabsetzung ein Schmerz, über welchen man sich keine Rechenschaft ablegt und der unabläßig im Geheimen verfolgt. Die Langeweile, die Schaam und selbst die Beschwerde, welche er verursacht, werden durch die Eitelkeit in Frechheit und Abschätzigkeit verwandelt; aber sehr selten befindet man sich in dieser dürftigen und bedrängten [312] Lebensweise wohl, die alle Hilfsquellen abschneidet, wenn wir vom äußeren Glück verlassen werden. Der Mensch hat ein Gewissen für das Schöne, wie für das Gute, und wenn die Abweichung von dem letztern ihm Gewissensbisse verursacht, so giebt die Beraubung des erstern ihm das Gefühl der Leere.

Man beschuldigt den Enthusiasmus der Flüchtigkeit. Das Daseyn würde freilich allzu viel Glückseligkeit in sich tragen, wenn man so schöne Rührungen festhalten könnte; aber weil sie sich leicht zerstreuen, so muß man sie zu Rathe zu halten suchen. Poesie und schöne Künste dienen im Menschen zur Entwickelung dieser Glückseligkeit edlen Ursprunges, welche matte Herzen auffrischt und an die Stelle einer unruhigen Lebenssattheit das habituelle Gefühl der göttlichen Harmonie bringt, von welcher die Natur und wir einen Theil ausmachen. Jede Pflicht, jede Freude, jedes Gefühl erhält von dem Enthusiasmus, ich weiß nicht welchen Schein der Uebereinstimmung mit dem reinen Zauber der Wahrheit.

Fordern es die Umstände, so eilen alle Menschen ihrem Lande zu Hülfe; aber sind sie von dem Enthusiasmus des Vaterlandes begeistert – von welcher schönen Bewegung fühlen sie sich dann ergriffen! Der Boden, der sie entstehen gesehen, das Land ihrer Ahnen, das Meer, welches die Felsen bespült 1), lange Zurückerinnerungen, eine lange Hoff­nung, alles um sie her steht auf wie ein [313] Aufruf zum Kampf, und jeder Herzensschlag ist ein Gedanke der Liebe und des Stolzes. Gott hat dies Vaterland gegeben allen Männern, die es vertheidigen können, allen Weibern, die, um seinetwillen, sich die Gefahren ihrer Brüder, ihrer Gatten, ihrer Söhne gefallen lassen. Bei der Annäherung von Gefahren, die es bedrohen, beschleunigt ein Fieber, ohne Schauder, wie ohne Wahnsinn, den Lauf des Blutes in den Adern; in einem solchen Kampf kommt jede Anstrengung aus der tiefsten inneren Andacht. Auf den Gesichtern dieser hochherzigen Bürger bemerkte man Anfangs nichts, als Ruhe; in ihren Rührungen ist allzu viel Würde, als daß sie äußerlich sichtbar werden sollten. Wenn aber das Signal ertönt, wenn die National-Fahne in den Lüften flattert: so sieht man diese sonst so sanften Blicke, die es beim Anblick des Unglücks immer wieder werden, plötzlich von einem heiligen und furchtbaren Willen belebt. Weder Verwundungen noch selbst der Tod machen erbeben. Es giebt keinen Schmerz, es giebt keinen Tod mehr; alles wird zu einem Opfer für den Gott der Heerschaaren. In die verzweifeltsten Entschlüsse mischt sich keine Reue, keine Ungewißheit; und wenn das Herz ganz in Dem ist, was es will, dann genießt man auf eine bewundernswürdige Weise des Lebens. Sobald sich der Mensch in seinem Innern theilt, fühlt er das Leben nur als ein Uebel; und wenn der Enthusiasmus von allen Gefühlen das ist, das am meisten beseligt: so rührt dies daher, daß er mehr, als jedes andere, alle Kräfte des Gemüths in einem Flammenpunkt vereinigt.

Vielen Schriftstellern erscheinen die Arbeiten des Geistes als eine beinahe mechanische Beschäftigung, die ihr Leben ungefähr eben so ausfüllt, wie jede andere Profession es ausfüllen würde; ja, die letztere [314] hat wohl gar in ihren Augen den einen oder den andern Vorzug. Aber haben dergleichen Menschen eine Idee von dem erhabenen Glück des Gedankens, wenn der Enthusiasmus ihn belebt? Wissen sie, von welcher Hoffnung man sich durchdrungen fühlt, wenn man durch die Gabe der Beredsamkeit eine tiefe Wahrheit zu offenbaren glaubt, eine Wahrheit, welche ein edles Band zwischen uns und allen den Seelen stiftet, welche mit der unsrigen gleich empfinden?

Schriftsteller ohne Enthusiasmus kennen auf der literarischen Bahn nur Critiken, Nebenbuhlereien, Eifersüchtelei, kurz Alles, was die Ruhe bedroht, wenn man sich in die Leidenschaften der Menschen mischt. Dergleichen Angriffe und Ungerechtigkeiten thun bisweilen wehe; aber wie könnte der wahre innige Genuß des Talents dadurch gestört werden? Wenn ein Buch erscheint – wie viel glückliche Augenblicke hat es alsdann schon Demjenigen gewährt, der es nach seinem Herzen und als eine Handlung seines Gottesdienstes schrieb? Wie viel sanfte Thränen hat er nicht in der Einsamkeit über die Wunder des Lebens vergossen: über die Liebe, den Ruhm, die Religion? Und hat er nicht in seinen Träumereien die Lust genossen, wie der Vogel, die Wellen, wie ein lechzender Jäger, die Blüthen, wie ein Liebender, der die Düfte einzusaugen glaubt, von welche[n] seine Geliebte umgeben ist? In der Welt fühlt man sich oft niedergedrückt durch seine Fähigkeiten; man leidet durch den Gedanken, der Einzige seiner Gattung unter so Vielen zu seyn, die so wohlfeil leben. Allein das schöpferische Talent reicht, wenigstens auf Augenblicke, für alle unsere Wünsche aus; es hat seine Reichthümer und seine Kronen; es bietet unseren Blicken die lichten und reinen Bilder der idealischen Welt dar, und seine Macht reicht bisweilen so [315] weit, daß es in unserem Herzen die Stimme eines geliebten Gegenstandes ertönen macht.

Glauben Diejenigen, die nicht mit einer enthusiastischen Einbildungskraft begabt sind, die Erde zu kennen? glauben sie gereiset zu haben? – Schlägt ihr Herz für das Echo der Berge? Hat die Luft des Süden sie mit ihrer holden Abspannung berauscht? Begreifen sie die Verschiedenheit der Länder, den Accent und Charakter der fremden Sprachen? Enthüllen ihnen Volksgesänge und Nationaltänze die Sitten und den Genius der Gegend? Reicht eine einzige Sensation hin, um in ihnen eine Menge Zurückerinnerungen zu wecken?

Kann die Natur von Menschen ohne Enthusiasmus gefühlt werden? – Haben sie jemals mit ihr von ihren frostigen Angelegenheiten, ihren elenden Wünschen reden können? Was würden Meer und Sterne den kleinlichen Eitelkeiten jedes Menschen für jeden Tag antworten? Aber wenn unser Gemüth bewegt ist, wenn es einen Gott im Universum sucht, wenn es sogar noch Ruhm und Liebe will – dann sprechen die Wolken zu ihm, dann lassen reißende Wellen sich befragen, und das Gesäusel im Dornenstrauch theilt uns etwas von dem Gegenstande unserer Liebe mit.

Die Menschen ohne Enthusiasmus glauben die Genüsse zu schmecken, welche die Künste gewähren. Sie lieben die Eleganz des Luxus; sie wollen sich auf Musik und Malerei verstehen, um darüber mit Anmuth, mit Geschmack und selbst mit dem Tone der Ueberlegenheit zu sprechen, welcher dem Weltmann zukommt, wenn von der Einbildungskraft oder der Natur die Rede ist. Allein was bedeuten alle diese dürftigen Freuden neben dem wahren Enthusiasmus? Betrachtet man den Blick der Niobe, dieses ruhigen [316] und fürchterlichen Schmerzes, welcher die Götter der Eifersucht über das Glück einer Mutter anzuklagen scheint – welche Bewegung erhebt sich in unserem Busen! Welchen Trost läßt nicht der Anblick der Schönheit empfinden; denn auch Schönheit ist Gemüth, und die Bewunderung, welche sie einflößt, ist edel und rein! Bedarf es um den Apollo zu bewundern, nicht des Gefühls eines Stolzes, der alle Schlangen der Erde unter die Füße tritt? Muß man nicht Christ seyn, um die Gesichtsbildung der Jungfrauen Raphaels und des H. Hieronymus von Dominichino zu durchdringen? um denselben Ausdruck in der bezaubernden Anmuth und in einem niedergeschlagenen Gesichte, in der strahlenden Jugend und in den entstellten Zügen wiederzufinden? denselben Ausdruck, der von dem Gemüthe ausgeht, und gleich einem himmlischen Strahle, die Morgenröthe des Lebens und die Finsternisse des vorgeschrittenen Alters durchläuft?

Giebt es Musik für Die, welche des Enthusiasmus unfähig sind? Eine gewisse Gewohnheit macht ihnen die harmonischen Töne nothwendig, und sie genießen dieselben, wie den Saft der Früchte und die Ausschmückung der Farben. Aber erklang ihr ganzes Wesen, wie eine Lyra, wenn in der Mitternacht das Schweigen plötzlich durch Gesänge, oder durch jene Instrumente unterbrochen wird, welche der menschlichen Stimme gleichen? Haben sie das Geheimniß unseres Daseyns empfunden in jener Rührung, welche unsere beiden Naturen vereinigt, und die Sinne und das Gemüth in denselben Genuß verschmilzt? Haben ihre Herzensschläge den R[h]ythmus der Musik begleitet? Hat eine zaubervolle Bewegung sie jene Thränen gelehrt, die nichts Persönliches haben, die kein Mitleid fordern, wohl aber uns befreien von dem [317] unruhigen Schmerz, den das Bedürfniß zu bewundern und zu lieben, in uns anregt?

Der Geschmack an Schauspielen ist allgemein; denn die meisten Menschen haben mehr Einbildungskraft, als sie glauben, und was sie als reizendes Vergnügen betrachten, – als eine Art von Schwachheit, die mit der Kindlichkeit in Verbindung steht – ist oft das Beste in ihnen; in Gegenwart der Erdichtungen sind sie wahr, natürlich, gerührt, während sie in der Welt von Verstellung, Berechnung und Eitelkeit in Worten, Gefühlen und Handlungen geleitet werden. Allein glauben denn diese Menschen, für welche die Darstellung der tiefsten Gefühle nichts weiter ist, als eine belustigende Zerstreuung – glauben denn diese alles, was eine wahrhaft schöne Tragödie einflößt, empfunden zu haben? Haben sie auch nur eine Ahnung von der köstlichen Unruhe, in welche Leidenschaften setzen, die durch die Poesie geläutert sind? Ach! wie viel Freuden gewähren uns Dichtungen! Sie ziehen uns an, ohne in uns weder Gewissensbisse noch Furcht anzuregen, und die Empfindsamkeit, die sie entwickeln, hat nicht jene schmerzhafte Herbe, die von allen wahren Empfindungen beinahe unzertrennlich ist!

Welche Magie borgt nicht die Sprache der Liebe von der Poesie und den schönsten Künsten? Wie schön ist es, mit dem Herzen und mit dem Gedanken zu lieben! und so auf tausendfache Art ein Gefühl zu verändern, das sich durch Ein Wort ausdrücken läßt, und gegen das alle Worte der Welt doch nur eine Erbärmlichkeit sind! sich zu durchdringen mit den Meisterstücken der Einbildungskraft, welche sämmtlich die Liebe heben, und in den Wundern der Natur und des Genies einige Ausdrücke mehr zur Offenbarung des eigenen Herzens zu finden! [318]

Was können die Männer empfunden haben, die die Frau, welche sie liebten, nicht zugleich bewunderten, deren Gefühl nicht ein Hymnus des Herzens war, für die Anmuth und Schönheit nicht das himmlische Bild der rührendsten Zuneigungen waren? Was das Weib, das in dem Gegenstande ihrer Wahl nicht einen erhabenen Beschützer, einen starken und sanften Führer, erkannte, dessen Blick zugleich gebietet und fleht, und der auf seinen Knieen das Recht empfängt, über unser Schicksal zu verfügen? Welche unsägliche Entzückungen mischen nicht ernste Gedanken in die allerlebhaftesten Eindrücke! Die Zärtlichkeit des Freundes, dem unser Glück anvertraut ist, soll uns am Rande des Grabes wie in den schönen Tagen der Jugend beseligen; und alles, was das Daseyn Feierliches hat, verwandelt sich in köstliche Rührung, wenn die Liebe, wie bei den Alten, die Flamme des Lebens anzuzünden und auszulöschen berufen ist.

Wenn der Enthusiasmus die Seele mit Seligkeit berauscht, so hält er durch eigenthümliche Wunderkraft auch im Unglück empor; er läßt, ich weiß nicht welche lichte und tiefe Spur zurück, die selbst der Abwesenheit nicht gestattet, uns aus dem Herzen unserer Freunde zu vertilgen. Uns selbst dient er zum Zufluchtsort gegen die bittersten Leiden, und von allen Gefühlen ist er das einzige, welches beruhigt, ohne zu erkälten.

Die einfachsten Neigungen, die, welche alle Herzen empfinden zu können glauben, die mütterliche Liebe, die kindliche Liebe – kann man sich wohl schmeicheln, sie in ihrer ganzen Fülle gekannt zu haben, wenn sie ohne einen Zusatz von Enthusiasmus geblieben sind? Wie kann man den Sohn lieben, ohne zu denken, er werde edel und stolz seyn, ohne ihm den Ruhm zu wünschen, der sein Leben vervielfältigen, [319] der denselben Namen, den unser Herz wiederholt, von allen Seiten her ertönen lassen wird? Warum sollte man nicht die Talente eines Sohnes, den Zauber einer Tochter, mit Entzücken genießen? Welche auffallende Undankbarkeit gegen die Gottheit würde in der Gleichgültigkeit gegen ihre Gaben liegen! Stammen sie denn nicht vom Himmel, da sie es uns leichter machen, dem von uns geliebten Gegenstande zu gefallen?

Und wenn irgend ein Unglück unserem Kinde solche Vorzüge raubte, so würde dasselbe Gefühl eine andere Gestalt annehmen; es würde in uns das Mitleid, die Sympathie, das Glück, nothwendig zu seyn, erhöhen. Unter allen Umständen beseelt und tröstet der Enthusiasmus; und selbst dann, wenn der grausamste Streich uns trift, wenn wir den verlieren, der uns das Leben gegeben hat. Den, welchen wir als unseren Schutzengel liebten und der uns zugleich Achtung ohne Furcht und ein gränzenloses Vertrauen einflößte – selbst dann kommt uns der Enthusiasmus zu Hülfe; er sammelt in unserer Brust einige Funken der Seele, die zum Himmel entflohen ist; wir leben in ihrer Gegenwart und nehmen uns vor, einst die Geschichte seines Lebens zu schreiben. Niemals, glauben wir, niemals werde uns seine väterliche Hand ganz in dieser Welt verlassen, und sein gerührtes Bild sich gegen uns neigen, um uns zu stützen, ehe es uns zurückruft.

Endlich, wenn der große Kampf sich einstellt, wenn nun auch wir mit dem Tode ringen müssen: dann schmerzt ohne Zweifel die Kraftlosigkeit unserer Fähigkeiten, der Verlust unserer Hoffnungen, dies sich verfinsternde, bisher so stark gefühlte Leben, diese Menge von Gefühlen und Ideen, die in unserem Busen wohnten, und welche nun das dunkle Grab umschließen soll, diese Angelegenheiten, diese Zuneigungen, diese Existenz, die sich vor ihrem Verschwinden in ein Fantom verändert – alles das, sag' ich, schmerzt, und der gemeine Sterbliche scheint beim letzten Athemzuge weniger zu sterben. Aber Gott sey gelobt für die Hülfe, die er uns auch in diesem Augenblick angedeihen läßt! Unsere Worte werden ungewiß seyn, unsere Augen nicht mehr das Licht schauen, unsere Gedanken, sonst in Klarheit verbunden, vereinzelt auf verworrenen Spuren umherirren: aber der Enthusiasmus wird uns nicht verlassen; seine glänzenden Fittiche werden über unserm Sterbebette schweben, er selbst wird uns des Todes Schleier lüpfen, und uns die Augenblicke zurückrufen, wo wir, voll Lebenskraft, gefühlt haben, daß unser Herz unvergänglich sey, und unsere letzten Seufzer werden vielleicht wie ein edler Gedanke seyn, der zum Himmel aufsteigt.

«O Frankreich! Land des Ruhmes! Land der Liebe! Wenn je der Enthusiasmus auf deinem Boden erlöschen, die Berechnung über Alles verfügen und bloßes Raisonnement zur Verachtung der Gefahren antreiben sollte – wozu würden dann dein schöner Himmel, deine glänzenden Geister, deine so fruchtbare Natur dienen? Ein thätiger Verstand, ein geregelter Ungestüm würden dich zum Herrn der Welt machen; aber du würdest nur die Spuren von Sandwirbeln zurücklassen, fürchterlich wie Fluthen, dürr und unfruchtbar wie die Wüste!» 2)

 

Ende des dritten und letzten Bandes.

 

 

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1) Es ist nicht schwer zu sehen, daß ich durch diese Phrase und die folgenden England zu bezeichnen suchte. In Wahrheit, ich hätte von dem Kriege nicht mit Enthusiasmus reden können, ohne ihn mir als den Krieg einer freien Nation zu denken, die für ihre Unabhängigkeit kämpft. 

2) Diese letzte Phrase hat die Polizei am meisten gegen mein Buch aufgebracht; und doch meine ich, sie hätte den Franzosen nicht mißfallen sollen.