BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Spervogel/Herger

um 1180/90

 

 

Spervogel II

 

1190

 

Text:

Minnesangs Frühling (MF)

Hrsg.: K. Lachmann/M. Haupt u.a.,

Leipzig/Stuttgart 1875/1959

Digitale Edition: Jean L.C. Putmans

 

_________________________________________________________________________________________

 

 

 

AC-Überlieferung

J-Überlieferung

 

 

AC-Überlieferung

 

Minnesangs Frühling VI. I. I

 

1.1

Swer in vremeden landen vil der tugende hât,

1.2

der solde niemer komen hein, daz waere mîn rât,

1.3

erne héte dâ den selben muot.

1.4

ez enwárt nie mannes lop sô guot

1.5

sô daz von sînem hûse vert,  dâ man in wol erkennet.

1.6

waz hilfet, daz man traegen esel  mit snellem marke rennet?

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. II

 

2.1

Wan sol die jungen hunde lâzen zuo dem bern

2.2

und den rôten habech zem reiger, welle ers gern,

2.3

†und elliu ros zurstun slahen,†

2.4

mit linden wazzern hende twahen,

2.5

mit rehten triuwen minnen got,  und al die welt wol êren,

2.6

und neme ze wîsem manne rât  und volge ouch sîner lêre.

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. III

 

3.1

Swer suochet rât und volget des, der habe danc,

3.2

alse mîn geselle Spérvògel sanc.

3.3

und sold er leben tûsent jâr,

3.4

sîn êre stîgent, daz ist wâr.

3.5

ist danne, daz er triuwen pfliget  und den niht wil entwenken,

3.6

sô er ín der erde ervûlet ist,  sô muoz man sîn gedenken.

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. IV

 

4.1

Ez zimt wol helden, daz si vrô nâch leide sîn.

4.2

kein ungelücke wart nie sô grôz, dâ waere bî

4.3

ein heil. des suln wir uns versehen.

4.4

uns mac wol vrome nâch schaden geschehen.

4.5

wir haben verlorn ein veigez guot.  vil stolzen helde, enruochet!

4.6

dar umbe suln wir niht verzagen.  ez wirt noch baz versuochet.

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. V

 

5.1

Waz vromt dem rosse, daz ez bî dem vuoter stât,

5.2

und einem wolve, daz er bî den schâfen gât,

5.3

der in diu beide tiure tuot?

5.4

sô ist ez jenem alsô guot,

5.5

der veile vindet, swaz er wil,  und des niht mac vergelten.

5.6

ein lieht in vremedes mannes hant  <daz vröit den blinden selten.>

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. VI

 

6.1

Swer einen vriunt wil suochen, dâ er sîn niht enhât,

6.2

und vert ze wáldè spürn, sô der snê zergât,

6.3

und koufet ungeschouwet vil,

6.4

und haltet gerne verlorniu spil,

6.5

und dienet einem boesen man,  dâ ez ân lôn belîbet,

6.6

dem wirt wol afterriuwe kunt,  ob erz die lenge trîbet.

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. VII

 

7.1

Swer lange dienet, dâ man díenst níht verstât,

7.2

und einen ungetriuwen miteslüzzel hât,

7.3

und einen valschen nâchgebûr,

7.4

dem wirt sîn spîse harte sûr.

7.5

obe er sich wil alsô betragen,  daz er árman niht verdirbet,

7.6

daz muoz von gotes helfe komen,  wan er mit triuwen wirbet.

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. VIII

 

8.1

Diu saelde dringet vür die kunst, daz ellen gât

8.2

vil dicke nâch dem rîchen zagen in swacher wât.

8.3

erst tump, swer guot vor êren spart.

8.4

zuht diu wellet grâwen bart.

8.5

triuwe machent werden man  und wîse schoene vrâge.

8.6

liebe meistert wol den kouf,  sô scheidet schade die mâge.

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. IX

 

9.1

Wan sol einen biderben man wol drîzic jâr

9.2

dar ûf behalten – daz ich iu sage, daz ist wâr –,

9.3

obe man dem hêrren widersage,

9.4

daz er ime holdez herze trage.

9.5

swem daz guot ze herzen gât,  der gewínnet niemer êre.

9.6

jô enrede ich ez niht dur mînen vromen,  wan daz ich ez alle lêre.

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. X

 

10.1

Sô wê dir, armuot! dû benimest dem man

10.2

beide witze und ouch den sin, daz er niht kan.

10.3

die vriunt getuont sîn lîhten rât,

10.4

swenne er des guotes niht enhât.

10.5

si kêrent ime den rugge zuo  und grüezent in wol trâge.

10.6

die wîle daz er mit vollen lebet,  sô hât er [volle] holde mâge.

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. XI

 

11.1

Sô wol dir, wirt, wie wol dû doch dem hûse zimst!

11.2

an dem worte niemer mê dû abe genimst.

11.3

swie kleine man gebresten hât,

11.4

wol dich der wirt imme hûse stât.

11.5

der wirt der kan des hûses reht  wol mezzen nâch der snüere.

11.6

waz solde ein wîselôses her,  daz âne meister vüere?

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. XII

 

12.1

Wan sol den mantel kêren, als daz weter gât.

12.2

ein vrömder man der habe sîn dinc, als ez danne stât.

12.3

sîns leides sî er niht ze dol,

12.4

sîn liep er schône haben sol.

12.5

ez ist hiute mîn, morne dîn:  sô teilet man die huoben.

12.6

vil dicke er selbe drinne lît,  der dem ándern grebt die gruoben.

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. XIII

 

13.1

Swer mir nû verwîzet, daz ich niht enhân,

13.2

gelebe ich iemer, daz ich wol berâten gân,

13.3

der muoz ouch mir der boeser sîn.

13.4

ich hôrte sagen, daz der Rîn

13.5

hie vor in engen vürten vlôz.  des muoz ich lônes bîten.

13.6

nu ist er worden alsô grôz,  daz in nieman mac gerîten.

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. XIV

 

14.1

Mich wundert dicke, daz ein wol gerâten man

14.2

under sînen vríundèn niht werben kan,

14.3

si sîn im âne schulde gehaz

14.4

und gunden einem vrömden baz

14.5

der êren, sô er solde pflegen  bî in in den landen.

14.6

sô sî des vriundes nien enhant,  si trüegen in ûf den handen.

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. XV

 

15.1

Daz ich ungelücke hân, daz tuot mir wê.

15.2

des muos ich ungetrunken gân von einem sê,

15.3

dar ûz ein schoener brunne vlôz,

15.4

der was michel unde grôz.

15.5

dar kam vil der vremden diet,  die wurden hôh gesetzet.

15.6

ich bôt dar dicke mînen napf,  der wart mir nie genetzet.

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. XVI

 

16.1

Swer den wolf ze hirten nimt, der vât sîn schaden.

16.2

ein wîser man der sol sîn schif niht überladen.

16.3

daz ich iu sage, daz ist wâr:

16.4

swer sînem wîbe dur daz jâr

16.5

volget und er ir richiu kleit  über réhte mâze koufet,

16.6

dâ mac ein hôchvart von geschehen,  daz sîm ein stiefkint toufet.

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. XVII

 

17.1

Treit ein rein wîp niht guoter kleider an,

17.2

sô kleidet doch ir tugent, als ich mich kan entstân,

17.3

daz sî vil wol geblüemet gât,

17.4

alsam der liehte sunne hât

17.5

an einem tage sînen schîn  lûter unde reine.

17.6

swie vil ein valsche kleider treit,  doch sint ir êre kleine.

 

 

Minnesangs Frühling VI. I. XVIII

 

18.1

Wir loben alle disen halm, wand er uns truoc.

18.2

vernet was ein schoener sumer und korns genuoc.

18.3

des was elliu diu werlt ouch vrô.

18.4

wer gesach ie schoener strô?

18.5

ez vüllèt dem rîchen man  die schiure und ouch die kiste.

18.6

swanne ez gedienet, dar ez sol,  sô wirt éz aber dan ze miste.

 

 

J-Überlieferung

 

Minnesangs Frühling VI. II. I

 

1.1

Swâ ein vriunt dem andern vriunde bî gestât

1.2

mit ganzen trûwen gar ân alle missetât,

1.3

dâ ist des vriundes helfe guot.

1.4

dem er sie willichlîche tuot,

1.5

daz sie gelîche eim andern helen,  dem mêret sich daz kunne.

1.6

swâ vriunde einander waege sint,  daz ist ein michel wunne.

 

 

Minnesangs Frühling VI. II. II

 

2.1

Swér sînen guoten vriunt behalten wil,

2.2

den sol er vur den liuten strâfen nicht zuo vil.

2.3

er neme in besunder hin dan

2.4

unde sage im, waz er habe getân.

2.5

dâ ne hôrt ez der vrémde nicht.  und er zórne in dâ vil sêre

2.6

unde hálte in vur den liuten wol.  des hât er immer êre.

 

 

Minnesangs Frühling VI. II. III

 

3.1

Mich nimpt wunder, daz ein reine biderbe man

3.2

umme sîner vriunde hulde nicht werben kan,

3.3

sie ne trágen im âne schulde haz

3.4

unde gúnden einem vremeden baz

3.5

der êre, die er solte hân  mit den bésten in den landen.

3.6

stirbet er, sie sênt den tac,  si truogen in of den handen.

 

 

Minnesangs Frühling VI. II. IV

 

4.1

Swer den wolb zuo hûse ladet, der nimpt sîn schaden.

4.2

ein schifman mac ein krankez schif schiere überladen.

4.3

daz ich iu sage, daz ist wâr:

4.4

swer sîme wîbe durch daz jâr

4.5

koufet guoter kleider vil  und im sélben nicht enkoufet,

4.6

deme dárb des nicht grôz wunder nemen,  ob man ím ein stiepkint toufet.

 

 

Minnesangs Frühling VI. II. V

 

5.1

Treit ein reine wîp nicht guoter kleider an,

5.2

sô zieret wol ir tugent, als ích es mich kán vurstân,

5.3

daz sie vil schône bluoet stât,

5.4

alsô die liechte sunne of gât,

5.5

die kegen den morgen schînet vruo  sô lûter unde sô reine.

5.6

swie vil ein valsche kleider treit,  sô ist dóch ir lop vil kleine.

 

 

Minnesangs Frühling VI. II. VI

 

6.1

Swer spuret hin zuo walde, swen der snê zurgât,

6.2

unde vríunde suochet, dâ her nicht enhât,

6.3

unde kóufet unbesêndez vil,

6.4

und heldet gar vurlorne spil,

6.5

unde díenet einem bôsen man,  des er âne lôn belîbet.

6.6

im wirt wol afterruwe kunt,  ob er iz die lenge trîbet.

 

 

Minnesangs Frühling VI. II. VII

 

7.1

Ein edele kunne stîget of bî einem man,

7.2

der dem vil wol gehelfen unde râten kan.

7.3

sô sîget ein hôez kunne nider

7.4

unde ríchtet sich nimmêr of wider,

7.5

swenne síe vurliesent under in,der in dâ solte râten.

7.6

er was in ie mit trûwen bî  unde súonte, was sie tâten.

 

 

Minnesangs Frühling VI. II. VIII

 

8.1

Daz ich ungeluckich bin, daz tuot mir wê.

8.2

des muost ich ungetrunken gên von eime sê,

8.3

dâ ûz ein kuole brunne vlôz,

8.4

des kraft was michel unde grôz,

8.5

dâ buozete maniger sînen dorst  unde wárt dâ wol ergetzet.

8.6

swie dicke ich mînen napf dâ bôt,  er newárt mir nie genetzet.

 

 

Minnesangs Frühling VI. II. IX

 

9.1

Sô wê dir, aremuote! dû benimst dem man ,

9.2

sinne unde witze, daz er nicht nekan.

9.3

sîne vríunt die tuont des guoten rât,

9.4

swenne er des guotes nicht nehât.

9.5

sie kêrent im den rucke zuo  unde grúozent in vil trâge.

9.6

swen der helt mit vullen vert,  sô hât er holde mâge.

 

 

Minnesangs Frühling VI. II. X

 

10.1

Waz hilfet dem rosse, daz ez bî dem vuoter stât, ,

10.2

unde ouch dem wolbe, daz er bî den schâfen gât,

10.3

unde mán ez in béiden tiure tuot?

10.4

sô hât ez einer alsô guot,

10.5

der véilè vint, des er gert,  unde des niht mac vurgelten.

10.6

ein liecht in sêndes mannes hant  daz vreuwet den blinden selten.

 

 

Minnesangs Frühling VI. II. XI

 

11.1

Swer guote witze hât, dér ist wol geborn,

11.2

swaz man éinem bôsen vurseit, daz ist gar vurlorn.

11.3

man tuot im ie den besten rât,

11.4

swie selten er daz vur guot untvât!

11.5

er newólle alle sîne sinne  an ganze tugende kêren,

11.6

sô mochte man einen wilden beren  noch sanfter harfen lêren.

 

 

Minnesangs Frühling VI. II. XII

 

12.1

Ummaere hunde sol man schupfen zuo dem beren,

12.2

unde rôten habich werfen zem reiger, tar ers geren,

12.3

altez ros zuo der stuote slân,

12.4

mit lindem wazzer hende twân,

12.5

von herzen sol man minnen got,  die werlt ein teil um êre,

12.6

wîsen mán den sol man willich haben  und volgen sîner lêre.

 

 

Minnesangs Frühling VI. II. XIII

 

13.1

Der guote gruoz der vreut den gast, swen er în gât,

13.2

vil wol dem wirte daz in sîme hûse stât,

13.3

daz er mit zuchten wese vrô

13.4

unde bíetez sîme gaste sô,

13.5

daz in der wille dunket guot,  dén er kegen im kêret.

13.6

mit lîchter kost er dienet lop,  swer vremden man wol êret.