BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Süezkint der Jude von Trimperg

um 1280

 

Die Sangsprüche

 

um 1280

 

Textgrundlage:

Deutsche Liederdichter des 13. Jahrhunderts

Hrsg. C. von Kraus, Tübingen 1952

 

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I

Swer adellîchen tuot, den wil ich hân für edel,

swie, man sîns adels achtet nicht gen eime zedel:

nu sicht man doch bekomen rôsen von dem dorne

swâ sich gemischet vil untugende zuo dem adel,

5

dâ mag daz adelkleit wol werden zeinem hadel:

nicht guot wirt mel dâ vil getreffs ist under korne.

swâ adel tuot adellîche tât,

der adel liutert immer;

swâ adel arkeit vil begât,

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er houwet guot gezimmer.

swer nicht sî von hôhem namen

und sich untugende welle schamen,

dar zuo sîn selbes dinc zem besten kan gezamen,

den heize ich edel, swier nicht sî von adel der geborne.

 

2

Kein bezzer latewêrje nie gemachet wart,

dann ich iuch lêre und künde, sinneclîcher art,

gesunt ze lasters wunden und ze schanden süchten.

mit fünf bîmenten rein sol sî gemenget sîn

5

triuw unde zuht, milt unde manheit hœrt dar în;

dâ bî sol mâze et bülvern, smecken mit genüchten.

diu latewêrje ist êre genant,

ein balsme ob allen spîsen.

mit ir wirt schanden nôt entrant,

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si zimt nicht den unwîsen.

swem si wonet stæte bî,

der ist vor houbetschanden frî.

wol im des lîp der latewêrjen büchse sî:

sîn reinez lop, sîn hôher nam wirt blüejen unde früchten.

 

3

Swenn ich gedenke waz ich was ald waz ich bin

ald waz ich werden muoz, sôst al mîn fröide hin,

und wie die tage mîns lebennes loufen von mir swinde.

und ist daz niht ein jâmer siuftebernder nôt

5

daz ich von tage ze tage fürchten muoz den tôt,

wie er mich bringe in der unreinen würme gesinde?

wie solte ich dâ bî frô gesîn?

sô ich daz als betrachte,

sô hân ich an dem herzen mîn

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sîn michels grôzer achte,

wie mîn sêl dort kummer dol:

mit sünden was mir ê sô wol.

almechtig herre, dû bist aller gnâden vol:

nu hilf mir daz mîn sêle dort vor dir genâde vinde.

 

 

II

Gedenke nieman kan erwern den tôren noch den wîsen;

dar umbe sint gedenke frî ûf aller hande sache.

herz unde sinne dur gemach

dem menschen sint gegeben.

5

gedenke sliefen dur den stein, dur stahel und durch îsen.

gedanc klein achtet wie diu hant diz unde daz gemache.

swie man gedenke nie gesach,

si doch nâch horte streben.

gedanc ist sneller über velt

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denn der blic eines ougen.

gedanc glust bringt nâch minne gelt,

nâch der gesichte tougen.

gedanc kan wol ob allen arn

hôch in dien lüften sweben.

 

 

III

1

Küng herre, hôchgelopter got, waz dû vermacht!

du liuchtest mit dem tage und vinsterst mit der nacht,

dâ von diu welt vil fröiden unde ruowe hât.

küng, aller êren dir noch nie gebrast,

5

wie den tag du zierest mit der sunnen glast

und ouch die nacht, der dînes mânen liecht wol stât.

du hêrst den himel mit den stern,

sîn schônheit iemer mag gewern.

du hâst ze geben gâbe vil der nicht zergât.

 

2

Ir mannes krône ist daz vil reine kiusche wîp,

wan iemer in wol êret ir vil werder lîp.

er sælic man dem dâ diu guote sî beschert;

der mag ân zwîvel mit ir sîniu jâr

5

willeclich vertrîben stille und offenbâr.

er sich mit ir ie sünden unde schanden wert.

mit hôher stæte ist sî bedacht,

ir liecht fiur löschet nicht in nacht,

ir hôhez lop mit volge der meisten menge vert.

 

 

IV

1

Swie vil daz mensche zuo der welte guotes habe

und ez gedenket wie ez scheiden muoz dar abe

ze leste mit dem tôd, sô mag ez trûren sêre.

dâ vor nicht frumt rîchtuom, gebulr von hôher art,

5

wîsheit, gewalt, daz müeze an des tôdes vart.

ez darf dâ für nicht suochen weder rât noch lêre.

kein meister in nigromanzî

wart nie sô wîser ræte

daz er ie wurde des tôdes frî,

10

noch heilig wîs prophête.

dur den grôzen ungewin

ich dicke gar betrüebet bin,

daz nieman weiz nu wâ diu sêle kumet hin,

sô tôt den lîp ermant daz er von leben kêre.

 

2

Vil manger muoz bescheiden wesen dur die nôt

der unbescheiden wære, wan daz im gebôt

sîn meisterschaft daz er unfuoge müeste lâzen.

dâ bî sô næme ouch menger gerne den gesuoch;

5

daz lieze er nicht dur got noch dur der liute fluoch,

wan daz er hât des houbetguotes al ze mâzen.

und daz der esel hæte horn,

die liute er nider stieze;

möcht kokedrille sînem zorn,

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nieman ez leben lieze;

stüende an wolfen gar diu kür,

vil schâfe man dar an verlür;

diep wolte daz beslozzen wurde niemer tür;

der bœse wolte daz der biderbe wær verwâzen.

 

3

Hât rîcher mel, der arme dâ bî eschen hât;

dar an gedenke ein wîser man, daz ist mîn rât,

und lâze im nicht den armen sîn ze smâch ze fründe:

vil lîchte kumt diu stunde daz er sîn bedarf;

5

dâ von sî rîcher gen dem armen nicht ze scharf.

kuo sunder hagen nicht wol getuon den sumer künde.

swie man den esel hât unwert,

doch was er ie gereite

swâ sô man sînes dienstes gert,

10

daz er in nie verseite.

het nieman zarmuote pflicht,

der rîchtuom wære ein wicht:

wer solt dann dienen, ob der arme wære nicht?

guot was ie bast, daz man den sac dâ mit verbünde.

 

 

V

1

Wâhebûf und Nichtenvint

tuot mir vil dicke leide:

her Bîgenôt von Darbîân

der ist mir vil gevære.

5

des weinent dicke mîniu kint,

bœs ist ir snabelweide.

si hât si selten sat getân,

Izzûf, diu froidenbære.

in mînem hûs her Dünnehabe

10

mir schaffet ungeræte,

er ist zer welt cin müelich knabe:

ir milten, helfent mir des bœsewichtes abe,

er swechet mich an spîse und ouch an wæte.

 

2

Ich var ûf der tôren vart

mit mîner künste zwâre,

daz mir die herren nicht went geben.

des ich ir hof wil fliehen

5

und wil mir einen langen bart

lân wachsen grîser hâre:

ich wil in alter juden leben

mich hinnân fürwert ziehen.

mîn mantel der sol wesen lanc,

10

tief under einem huote,

dêmüeteclich sol sîn mîn ganc

und selten mê ich singe in hovelîchen sanc,

sîd mich die herren scheiden von ir guote.

 

 

VI

Ein wolf vil jæmerlîchen sprach

«wâ sol ich nû belîben,

sîd ich dur mînes lîbes nar

muoz wesen in der âchte.

5

dar zuo sô bin ich her geborn, diu schult diun ist nicht mîn.

vil manic man hât guot gemach

den man sicht valscheit trîben

und guot gewinnen offenbar

mit sündeclîcher trachte.

10

der tuot vil wirser danne ob ich mir næme ein genselîn.

jon habe ich nicht des goldes rôt

ze gebenn umb mîne spîse.

des muoz ich rouben ûf den lîb durch hungers nôt.

der valsche in sîner wîse

15

ist schedelîcher vil dann ich und wil unschuldig sîn.»