BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Der Tanhuser

um 1200/10 - nach 1266

 

Hofzucht

 

Textgrundlage:

Der Dichter Tannhäuser

Leben - Gedichte - Sage

Hrsg. Johannes Siebert

Halle: Max Niemeyer 1934

 

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Daz ist des tanhausers getiht und ist guot hofzuht.

 

Er dünket mich ein zühtic man,

der alle zuht erkennen kan,

der keine unzuht nie gewan

und im der zühte nie zeran.

5

Der zühte der ist also vil

und sint ze manegen dingen guot;

nu wizzent, der in volgen wil,

daz er vil selten missetuot.

Die sprüche sint von grozer zuht,

10

die halten sol der edele man,

und sint von manger ungenuht,

die man dar an erkennen kan.

Diu zuht ist sicherlichen guot,

und swer der zühte rehte tuot,

15

der sich vor unzuht hat behuot,

den machet got vil hochgemuot.

Da von rate ich minen friunden daz,

daz si der unzuht wesen gehaz.

der siner zühte nie vergaz,

20

wie selten rot er ie gesaz!

Ze dem ezzen sult ir sprechen sus,

als ir dar zuo gesezzen sit:

„gesegene uns Jesus Christus!“

gedenkt an got ze aller zit.

25

Swenne ir ezzt, so sit gemant,

daz ir vergezzt der armen niht;

so wert ir gote vil wol erkant,

ist daz den wol von iu geschiht.

Gedenket an die grozen not

30

der weisen, swa die sin da bi;

durch got so gebt in iuwer brot,

so wert ir vor der helle fri.

Kein edeler man selbander sol

mit einem leffel sufen niht;

35

daz zimet hübschen liuten wol,

den dicke unedellich geschiht.

Mit schüzzeln sufen niemen zimt,

swie des unfuor doch maneger lobe,

der si frevellichen nimt

40

und in sich giuzet, als er tobe,

Und der sich über die schüzzel habet,

so er izzet, als ein swin,

und gar unsuberliche snabet

und smatzet mit dem munde sin.

45

Sümliche bizent ab der sniten

und stozents in die schüzzel wider

nach geburischen siten;

sülh unzuht legent die hübschen nider.

Etlicher ist also gemuot,

50

swenn er daz bein genagen hat,

daz erz wider in die schüzzel tuot;

daz habet gar für missetat.

Die senf und salsen ezzent gern,

die sulen des vil flizic sin,

55

daz si den unflat verbern

und stozen niht die vinger drin.

Der riuspet, swenne er ezzen sol,

und in daz tischlach sniuzet sich,

diu beide ziment niht gar wol,

60

als ich des kan versehen mich.

Swer snudet als ein wazzerdahs,

so er izzet, als etlicher phliget,

und smatzet als ein Beiersahs,

wie gar der sich der zuht verwiget!

65

Der beide reden und ezzen wil,

diu zwei werc mit einander tuon,

und in dem slaf wil reden vil,

der kan vil selten wol geruon.

Ob dem tische lat daz brehten sin,

70

so ir ezzent, daz sümliche tuont.

dar an gedenkent, friunde min,

daz nie kein site so übele stuont,

swelh man daz brot legt an den lip

75

und snidet sam diu kranken wip.

Und werde iu braht ein empelin

mit salze, swenne ir ezzen get,

so sület ir niht grifen drin

80

mit blozer hant, daz übele stet.

Ez dünket mich groz missetat,

an sweme ich die unzuht sihe,

der daz ezzen in dem munde hat

und die wile trinket als ein vihe.

85

Ir sült niht blasen in den tranc,

des spulgent sümeliche gern;

daz ist ein ungewizzen danc,

der unzuht solte man enbern.

Etlicher über den becher siht,

90

so er trinket, daz enstet niht wol;

den habet für einen degen niht,

da man den besten haben sol.

E daz ir trinkt, so wischt den munt,

daz ir besmalzet niht den tranc;

95

diu hovezuht wol zimt alle stunt

und ist ein hovelich gedanc.

Zwischen den trahten mac ein man

wol trinken, ob im not beschiht,

ob er daz tranc gehaben kan,

100

daz allen liuten füeget niht.

Swer den vinger uf daz mezzer leget,

so er snidet, als ein kürsner phliget,

wie selten sich der wol gereget,

da man den heiden an gesiget!

105

Und die sich uf den tisch legent,

so si ezzent, daz enstet niht wol;

wie selten die die helme wegent,

da man frouwen dienen sol!

Ir sült die kel ouch jucken niht,

110

so ir ezzt, mit blozer hant;

ob ez aber also geschiht,

so nemet hovelich daz gewant

Und jucket da mit, daz zimt baz,

denn iu diu hant unsuber wirt;

115

die zuokapher merkent daz,

swer sülhe unzuht niht verbirt.

Ir sült die zende stüren niht

mit mezzern, als etlicher tuot,

und als mit manegem noch geschiht;

120

swer des phliget, daz ist niht guot.

Swer mit leffeln ezze gern,

kan er da mit niht heben uf,

der sol den unflat verbern,

daz erz iht schieb mit vingern druf.

125

Swer ob dem tisch des wenet sich,

daz er die gürtel witer lat,

so wartent sicherliche uf mich,

er ist niht visch biz an den grat.

Swer ob dem tische sniuzet sich,

130

ob er ez ribet an die hant,

der ist ein gouch, versihe ich mich,

dem ist niht bezzer zuht bekant.

Ob daz geschihet, daz man muoz

drin setzen ein schüzzelin,

135

in wirdet aller zühte buoz,

grifents mit einander drin.

Swer mit brote ezzen sol,

der mit dem andern ezzen wil,

der sol daz behüeten wol,

140

ob er tugent hat so vil.

Ich hoere von sümlichen sagen

(ist daz war, daz zimet übel),

daz si ezzen ungetwagen;

den selben müezen erlamen die knübel!

145

Etliche sint so vrazlich gar,

si ezzent, also dünket mich,

daz si niht nement ir mundes war

und bizent in die vinger sich

und in die zunge, hoere ich sagen.

wem wil der den schaden klagen?

Nu phlige wol der zühte din:

als din gemazze trinken sol,

155

ungaz solt du die wile sin;

daz ist hovelich und zimet wol.

In diu oren grifen niht enzimt

und ougen, als etlicher tuot,

swer den unflat von der nasen nimt,

160

so er izzet, diu driu sint niht guot.

Ez ist selten nimmer guot,

der mit dem andern ezzen sol,

daz er dem gemazzen unrehte tuot

mit überezzen, daz zimt niht wol.

165

Gen der naht sol niemen ezzen vil,

der wol des morgens gezzen hat;

swer sich dick überezzen wil,

dem wirt des soten selten rat.

Von überezzen kumt vergiht

170

und überic krankheit, hoere ich jehen;

von fraze sünden vil geschiht,

von trinken ist arges vil geschehen.

Ein hunger der ist bezzer wol

dan der spise ezzen alze vil;

175

ez ist waeger, daz man hunger dol,

der niht siech werden wil.

Von überezzen kumt vil not

ze vasnaht unde ze ostertagen;

manic tusent sint von ezzen tot,

180

daz in verdurben gar die magen.

Swer dar umbe versalzt sin brot,

daz er vertrinket sin gewant,

kumt er da von in groze not,

der muoz ein tore sin genant.

185

Swer ane durst wil trinken vil,

der naehent wol dem tode sich,

und vil an hunger ezzen wil,

der lebt niht lange, dünket mich.

Swer ouch lützel schiubet in den munt,

190

als grozer hunger in bestet,

er wirt vil selten wol gesunt,

dem ez die lenge also get.

Vil liute sint an hunger tot,

und waz des selben noch geschiht.

195

von durste lident manege not,

die doch von durste sterbent niht.

Got gesegene uns den tranc!

der nie gewan anevanc

und nimmer mac ende nemen,

200

der laze uns den tranc wol zemen!

Hie vor sprach her Fridanc,

guot win si der beste tranc,

des noch der Tanhusaere giht;

vil heiden des geloubent niht.

205

Ir sült die heizen spise

vermiden, sit ir wise,

swie groz ein hunger iuch beste;

diu bite tuot vil manegem we.

Diu wirtschaft ist gar enwiht,

210

swa diu spise ist kranc;

ez mac ein wirtschaft heizen niht,

ist da niht brot noch tranc.

Swer machet eine hochzit,

swie manege traht man git,

215

da mac kein wirtschaft sin,

da ensi guot brot unde win.

Swa man des schachzabels gert

und swa manz von hunger mert,

da mac kurzwile gevallen niht

220

und ist diu wirtschaft gar enwiht.

Diu lazheit reizet manegen man,

daz er guotes niht enkan;

daz wirt ein ewiger tot

und bringet manege sele in not.

225

Nu lat iu die zuht behagen!

e daz si komen zuo ir tagen,

den kinden sol mans niht versagen.

Swer alle zuht behalten kan

230

und lat die unzuht under wegen,

der wirt vor gote ein lieber man,

mag ers an sinen tot gephlegen.

Swer alle zuht kan bewarn

und volget nach der zühte wol,

235

des sele mac vil wol gevarn,

so der lip sterben sol.

Vlorn wirt kein wolgezogen man;

kein ungezogen man der kan

ze himelriche nimmer komen,

240

also han ich vernomen.

Kein slunt wirt nimmer wise gar,

des nemt an mangem fraze war.

niht guotes sinnes hat der sluch,

der niht aht wan uf den buch.

245

Überic spise und trunkenheit,

swer ez in der jugent üeben wil,

ez wirt im an dem alter leit

und machet tumber liute vil.

Swer in der jugent wirt ein sluch

250

und mit fraze an sin alter kumt,

wirt im da von ein grozer buch,

wie lützel daz der sele frumt!

Ein man sol guot und arc vertragen

und da bi zühteclichen leben,

255

und sol da von niht gar verzagen,

gat ez im under wilen niht eben.

Dem nie wart we, dem wart nie wol;

der frume ez allez liden sol,

als ime liep od leit geschach,

260

beide liep und ungemach.

Der Tanhusaere gemachet hat

die rede mit sümlicher rat.

ez leret wol für missetat,

der niht ist visch biz an den grat.

265

Dise guot ler hat ein end;

got an uns alle unzuht wend! amen.