BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Walther von der Vogelweide

nach 1170 - um 1230

 

Sprüche und Lieder

in chronologischer Anordnung

 

Der Wiener Hofton

etwa 1202/05

 

Mir ist verspart der sælden tor (20,31)

Der hof ze Wiene sprach ze mir (24,33)

Ob ieman spreche, der nû lebe (25,26)

Sô wê dir werlt, wie übel dû stêst (21,10)

Nû wachet, uns gêt zuo der tac (21,25)

Swer âne vorhte, hêrre got (22,3)

Waz wunders in der werlte vert (20,16)

Swer houbet sünde und schande tuot (22,18)

Junc man in swelher aht dû bist (22,33)

Ez troumte, des ist manic jâr (23,11)

Die veter hânt ir kint erzogen (23,26)

Wer zieret nû der êren sal (24,3)

Mit sælden müeze ich hiute ûf stên (24,18)

Künig Konstantîn der gab sô vil (25,11)

 

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XII

Wer zieret nû der êren sal?

(Verfall höfischer Zucht)

L 24,3

Wer zieret nû der êren sal?

der jungen ritter zuht ist smal,

sô pflegent die knehte gar unhövescher dinge,

mit worten, und mit werken ouch.

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swer zühte hât, der ist ir gouch,

nemt war, wie gar unfuoge für sich dringe.

hie vor dô berte man die jungen,

die dâ pflâgen frecher zungen.

nû ist ez ir werdekeit.

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si schallent unde scheltent reine frouwen.

wê ir hiuten und ir hâren,

die niht kunnen frô gebâren

sunder wîbe herzeleit.

dâ mac man sünde bî der schande schouwen,

15

die maniger ûf sich selben leit.