B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Albrecht von Eyb
1420 - 1475
     
   


D a s   E h e b ü c h l e i n

Z w e i t e r   T e i l ,   3 .   K a p i t e l

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[28a]

Widerwerttigkeit in der Ee
vnd ſunſt zudulden.

     OB ſich widerwerttigkeit zuzeitten in der ee begibet, dieſelbe iſt gedultigklich zuleýden: wann wo vil freůd vnd luſt iſt ſam in der ee, do muß auch zuzeiten ſein trawren vnd widerwertigkeit. Als plautus ſchreibt: wo hỏnig iſt, do iſt auch die galle, vnd kein glůck oder freůde wart nie ſo groß, es wer auch mit trawren vnd widerwertigkeit gemiſchet. Darumb ſollen die eeleůte eins dem anderen ůberſehen vnd gedult gen einander haben, Ob auch ir eines auß zoren oder poßheit wůrd beweget, Als Socrates der philozophus hat gethan. derſelbe het zwu frawen nach gewonheit des landes, die kriegten teglich miteinander vmb den alten man; do ſpotet er der frawen, das ſie vmb in kriegten, alſo vertrugen ſich die frawen ob dem manne vnd kriegten fůrbaß mit im: das leýd er gedultigklich. Eines mals hetten ſie großen krieg mit im vnd gaben im vil ſchentlicher pỏſer rede; do gieng er auß dem haws. do begoßen ſie in mit vnreinem waſſer von oben herab; do wiſchet der gedultig man ſein hawbt vnd ſprach: «Ich weſt wol, das nach einem ſollichen dondern kumen wurd ein regen.» Derſelb Socrates, do er faſt alt was, do lernet er ſingen vnd auff ſaiten ſpilen vnd ließ ſich beduncken, ſo er daſſelbe nit kůnt, er het mangel an kůnſten vnd weißheit. Do ſprach einer ſchmelich zu im: «du alter narre vnd beſtia, wiltu dich nit ſchemen, das du in deinem alter wilt lernen ſingen vnd auff ſaiten ſpilen?» Antwurt der weis man gar gedultigklich: «Es iſt ein grỏßere ſchande, ſo einer im alter nichts kan, dann ſo er etwas will lernen.» Aber derſelb Socrates ward von einem mit dem fuße geſtoßen; do verwundert ýederman ſein gedult, ſprach er: «So mich nun ein pferd [28b] oder eſel het geſchlagen, ſolt ich darumb mit im fůr gericht kumen? warumb wolt ichs nit leýden, ſo mich ein menſch hat geſtoßen, ſo ichs von eim thýer leiden můſt?» Mere derſelbe Socrates wart von einem mit vil worten geſchendet vnd gehandelt; das leid er vnd ſprach: «Diſer menſch muß ſchelten vnd ůbelreden, wann er kein guts vnd wolreden nit gelernet hat.» Deßgleichen iſt Dýogenes philozophus gedultig geweſt: als er von einem mit vil worten beſchmehet vnd geleſtert ward, ſchwaig er ſtille. da wart er gefragt, wie er alſo ſtille ſchwig. Antwurt er: «Was ſoll ich vil mit im kriegen? in diſem krieg wirt der ůberwinder fůr den ſchnỏdeſten geachtet; auch kan ich im ſouil vneren nit zumeſſen, als er imſelbſt mit ſeiner rede zugemeſſen hat.» Ein ander wart deßgleichen Dýogenem vneren mit worten. Do ſprach er: «diſer menſch ſagt ware oder leůget. So es war iſt, ſoll nýemant zůrnen von der warheit wegen; iſt es aber erlogen, ſoll ich es leiden mit gedult: wann er weiß nit, was er reden ſoll.» Do dýogeni ward geſagt, wie im vil leůt ůbel retten vnd in ſchelten, Sprach er: «die weißheit muß von den thoren angefochten werden; kein pỏſe zungen mag ýemant pỏß gemachen.» Solliche vnd anndre gedult iſt in den alten, weiſen vettern geweſt; Als auch Valerius ſchreibt von der gedult, die Anaxarcus philozophus hat gehabt, der imſelbes abpeis die zungen, do im der wůtrich vnd týran in Cýppern die zungen außſchneiden wolt laßen, als er ůbel von dem wůtrich het geredt, vnd leid gedultigclich die ſchlege, die im zugefůgt vnd geben warden. Es ſchreibt auch Valerius von der gedult eins iůnglings: Als Alexander im tempel ſeiner gỏtter was vnd dieſelben nach ſeiner gewonheit eren wolt, do ſtund vor im ein edler iůngling mit einem reůchfaß vnd weýrach darinnen; do viel dem iůngling ein [29a] prýnnender kole auff den arm vnd prennet in ſo lang, biß Alexander vnd die vmbſtenden des geſchmacks warden empfinden, nit mýnder bewegt der iůngling den arm nit vnd ließ auch kein geſchreý vnd duldet den ſchmertzen, das er nit wurd hindern vnd bekumern den dinſt der gỏtter. do allexander ſolliche gedult des knaben: vername, ließ er in deſterlenger vor im ſtien vnd nam ein exempel, wie veſte, ſtarck vnd gedultig ſein ritter vnd knecht mỏchten ſein, das pillich der kůnig Darius, ein veindt Allexandri, het angeſehen. Sỏllichen ſchilt der gedult ſollen haben die eeleůte vnd ander menſchen: Wann, als Cicero ſchreibt, die gedult iſt ein große, beſundere tugent, die allzeit von den weýſen vnd dem gemein volck geeret vnd gelobet worden iſt, vnd hebt auff die gedult den ſchmertzen oder ſtillet oder mýndert in, vnd wo gedult iſt, do iſt leicht, alle ding zuleiden. Die gedult iſt auch ein geſellin vnd helfferin aller ander tugend, Als Ouidius ſchreibt, vnd welche tugent nit wirt geſterckt mit der gedult, die wirt wol ein wittbe gehaißen. Lactancius ſchreibt alſo, das die gedult ſeý ein ỏberſte tugent, vnd ſeý zuzeiten nottůrfftig, das der gerecht vnd weýſe menſch ſeý in gewalt des vngerechten vnd wůtrichs, dabeý der gerecht můg gedult haben vnd durch die gedult emphahen die tugent, Als die heilligen mertrer Criſti haben gethan: in denſelben iſt geweſt große gedult vnd weißheit, wiewol die verechter vnd verfolger der mertrer, die auß poßheit vnd vngeſtůmheit erplindet waren, hielten die mertrer fůr vnweýs vnd thoren, das ſie mỏchten die pein vermeiden vnd doch gepeinigt wolten werden vnd ſterben, vnd wolten dieſelben verechter nit anſehen vnd gedencken, das kein thorheit in den mertrern mỏcht geſein, ſo manig tawſent menſchen in aller welt von frawen vnd mannen [29b] in einem willen vnd gemůte der mertrer durch den namen Criſti ſein geweſt. Hetten allein die frawen geliten die marter, mỏchten gedacht haben die verechter, es wer auß kranckheit vnd leichtmůtigkeit des weýblichen geſchlechtes geſchehen: Aber es haben auch die menner, die do verſtentlich vnd ſtarckmůtig ſein geweſt, geliden die marter. So haben auch nit allein die kinder vnd iůngling, die vnfůrſichtig vnd vnzeitig des alters geweſt ſein, die marter geliden, ſunder auch die alten, beſtendigen, die eines ſtettes vnd volkumenlichs gemůts ſein geweſt, Vnd nit allein ein geſchlecht, ein ſtat, ein gepurt vnd ein landt, ſunder vil geſchlechte, ſtete, gepurt vnd lender haben geliten die marter vom auffgang zum nýdergang der ſunnen, got geert vnd gelobet vnd an ſich genumen das gỏtlich geſetze, die in ſolicher marter gedult gehabt vnd den tod verſchmecht vnd da durch das ewige leben mit got beſeßen haben.