B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Albrecht von Eyb
1420 - 1475
     
   


D a s   E h e b ü c h l e i n

D r i t t e r   T e i l ,   1 .   K a p i t e l

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Das dritte teýl, wie die male vnd
wirtſchafft ſein zuhalten.

     SO nun ein man hat genumen ein weýb, iſt ein frỏliche hochzeýt mit einem kỏſtperlichen male vnd wirtſchafft zumachen, das dann das dritt vnd letzte teýl diſes půchleins weſen ſoll. Stoýci haben veracht große wirtſchafft mit wolluſt; So haben die Epicuri das hỏchſt gut in wolluſt geſatzt. Aber wir ſollen in wirtſchefften frỏlich ſein mit meßigkeit vnd zýmlichkeit nach auffſatzung vnſer elteren, Als Valerius maximus ſchreibt: So vnſer elteren ein wirtſchaft haben wollten, ward nýmant dar zu gepeten, dann die geſýpten freůnd, auff das, ob manncherleý irrung, zwýtracht vnd krieg zwiſchen in erſtanden were, das ſie durch die freůnde in ſollcher wirtſchafft vnd frỏlicheit hingelegt mỏchten werden, vnd warden auch alda geſagt vnd geſungen redliche vnd tugenthafftige werck der elteren, dadurch die iungen zu guten wercken warden geraitzet vnd geůbet, die alten gaben den iungen gute beýſpil vnd vndterweýſung, vnd die iungen lobten vnd erten die alten. Sỏlliche wirtſchafft ward mit offner thůre gehalten, das die augen des volckes mỏchten aller erberkeit gezeůgen ſein. Es ſchreibt Macrobius, das auch in ſollicher wirtſchafft warden fůrgenomen gutt, leicht, nůtz, frỏlich vnd genem rede vnd frage den geſten, vnd ſo ſich das zýmet, ward auch von den weýßen vnd gelerten von weißheit der phýlozophia vnd von andern kůnſten geredt vnd gehandelt: wann auch dieſelbe phýlozophia leret wirtſchafft vnd alle meßigkeit zuhalten, vnd waren [41a] da vermeiden ſchwere, tieffe red vnd ſchedliche, verdeckte, ſpitzige wortt: wann verdeckte wortt, ſo du ettwas mit wortten redeſt vnd anders mit den wercken meineſt, dieſelben peýßen vnd raitzen vnd werden offt zu betriegen, offt zu ſchýmpffen vnd hůbſcheit geredt vnd auff genumen, wie ein ietzlicher will vnd er ſie verſtienende iſt, vnd ziehen leicht zu zoren, zu neid, zu krieg vnd zu vnwillen. darumb iſt beſſer, ſich ſolcher wort zumaßen; nemlich ſo die leůte wol mit wein beſprennget ſein, iſt gar ein kleiner ſchmertz, der bekůmert vnd zuhertzen get; gleýcherweýs ſo der menſch in der hỏhe vnd ſchmale ſtet, mag er leicht gerůrt werden, das er fellet. Doch můgen weýs, verſtanden leůte ſollicher verdeckten, hůbſchen wortten gen einander geprauchen, die alle ding zum peſten verſtien. Wer ſich aber gen ýederman mit hůbſchen worten vnd kůnſten will erzaigen, der wirt gehaſſet, gleicherweýß als geſchicht mit den vechtern, ſpringern, hofierern vnd anderen behennden leůten: wellicher ſich am baſten vnd meiſten ůbet, der wirt von anderen geſellen ſeins gleichen abgeworffen vnd verſchmehet. Darumb ob du ettwas in der wirtſchafft reden biſt, gedenncke, das dein rede geneme ſeý vnd ſich zýme der ſtat vnd zeit zureden, wann geneme, zýmliche wortt nit mýnder erfreůen die leůte der wirtſchafft, dann die ſůßigkeit des weins. Socrates wart in einer wirtſchafft gebeten, das er ettwas wolt reden auß dem prunnen ſeiner weýßheit. Antwurt er, was er wurde reden, zýmet ſich weder der ſtat noch der zeit: ſo wỏlt er auch nit reden, was ſich zýmen mỏcht. Fůrbaß ſchreibt Macrobius, das ein ýeder in der wirtſchafft ſoll fragen den andern, das er kůnne vnd im leicht iſt zu uerantworten: wann ein ýeder freůet ſich, ſo er ſoll reden vnd fůrbringen ſein lernung vnd kunſt, die er mit [41b] arbeit gewannen hat, ſo dieſelbig kunſt noch wenig leůten wiſſende iſt vnd er dodurch gelobet mag werden an ſein ſelbs geůden vnd růmen. widerumb wirt einer beſchamet, vnd iſt im ein pein vnd pitterkeit, ſo man in etwas fraget, das er nit weýs zu verantworten noch gelernet hat: wann er wirt gezwungen, freuenlich zuantworten vnd ſein rede, ob er recht oder vnrecht ſage, dem glůcke zu befelhen oder geben zuuerſtien. wie er ſollichs nit gelernet hab, das im auch ſchande vnd ſcham bringet, das er dann dem verweiſet, der in eins ſollichen gefragt hat. Ein landtfarer freůet ſich, ſo er wirt gefragt von grawſamkeit des meres vnd von gelegenheit frembder, weýtter lennder, des er ſich hůbſch beduncket zuſagen, das die anderen nit haben geſehen noch erfaren. Ein waidman freůet ſich, ſo er wirt gefraget vnd ſagen ſoll von hunden vnd vỏgeln, von iagen vnd von ander waýdenheit; Ein můnch vnd ein geiſtlicher, ſo er ſagen ſoll von ſeinem orden vnd von geiſtlicheit; Ein hawptman, ein ritter, ein edelman, ein kauffman, ein hantwercks man – Ieglicher wirt geren von ſeinem hanndel gefragt vnd freůet ſich, ſo er dauon ſagen ſoll. Sein aber gegenwärtig in der wirtſchafft alt, erber leůte, von denſelben mag man fragen, was man will, es ſeý in zugeaýgent oder nit: wann den alten iſt wol mit vil wortten, wỏllen alle ding wiſſen, vnd mag ir nýemant geſetigen mit wortten. So einer in großen ſorgen vnd betrůbnůß iſt geweſt vnd dauon erlỏſet worden, der freůet ſich dauon zuſagen, ſo er gefragt wirt; Iſt er aber noch damit begriffen, ſo hůt dich dauon zufragen vnd frag nýemant von ſachen, die er nit geren hỏret, noch von miſſetat, die einer hat gothan, noch von pein darumb erliten. Iſt einer in großer herren potſchafft geweſt vnd hohe von in geeret vnd belonet oder hat in einem ſtreýte ůberwunden [42a] oder iſt im ſunſt glůck zugeſtanden, dieſelben wỏllen allzeit gefragt ſein vnd ſein begirlich dauon zureden. Das auch die vngelerten mit den gelerten gemeinſchafft haben, iſt zuloben, Als fůrbaß Macrobius ſchreibt, dadurch ſie kunſt vnd weýßheit von in můgen begreiffen. denſelben gelerten vnd weýſen zýmet paß, des morgens wirtſchafft zuhaben dann des abents, vnd ſollen reden von irer kunſt vnd weýßheit, von keůſcheit vnd auch ſunſt von hůbſchen, luſtigen, erberen dingen vnd nit von gemainen, wiſſentlichen ſachen, wann in ſollichs fůr leichtuertigkeit zugeſchriben mỏcht werden. Alſo ſoll ein wirtſchafft, die lỏblich ſein will, nit allein mit wolluſt der ſpeýs vnd des leibs, Als Tulius ſpricht, ſunder auch mit der ſchare der freůnd vnd gůnner vnd mit hůbſchen, lieplichen reden vnd dingen gemacht, geordent vnd geziert ſein: wann nit allein eſſen vnd trincken vnd wolluſt mit frawen zuhaben, ſunder auch gute, lỏbliche, frỏliche wort, als Epicurus ſchreibt, machen ſůß vnd lůſtig die wirtſchaft. Was aber vnnůtzer vnd verlorner wort gemeinlich in der wirtſchafft vnd darnach geredet werden, iſt zu guter maſſen wiſſent. Dauon ſchreibt Petrarcha, das dieſelben rede alſo geſchehen vnd lawten: «Das eſſen hat nit recht geſchmeckt; ſo iſt das ůbel berait geweſt, das nit geſaltzen, das verſaltzen; das nit genug geſoten, das verſoten; das iſt zukalt vnd das zuhaiß geweſt; das ſolt vergangen ſein, vnd das noch werden; der knecht hat nit gehỏrt; ſo hat der geſchwigen, der geſchrýen, der iſt nit gehorſam, der zufaule vnd der zubehende geweſt; ſo hat der die gleſer nit gewaſchen; der hat zehen wein, der waýchen vnd der ſawren auff den tiſch geſatzt.» So ſprechen auch etlich, als Plautus ſchreibt: «was hat not gethan, ſo kỏſtenlich zuleben, ſouil eſſen vnd ſollichen wein zugeben? Ich maine, er ſeý vnſinnig geweſt, er hat [42b] fůr zehen geſatzt, daran ſich dreýſſig lieſſen benůgen.» das man in zu lieb hat berait, das ſtraffen vnd ſehenden ſie vnd eſſen doch daſſelbe, vnd ſpricht ir keiner: «des eſſens iſt zuuil! haýß die viſche, die rephůner, das geſoten, das gepraten, das gepachen auffheben!» ſunder ſie begeren des alles, eýlen darůber vnd eſſen das. So ſprechen etlich ander, als Vgolinus ſchreibt: «Ich wolt lieber eſſen aýer dann ponen.» «ſo wolt ich lieber eſſen mandeln dann kicheren.» «vnd ich lieber von eim kitze dann von eim ſchweinlein.» «ſo wolt ich lieber eſſen eins hunes dann einer ſchwalben.» «vnd ich lieber ein rephun dann enten.» «ſo wolt ich lieber eſſen viſch dann linſen.» Sỏllichs kriegs iſt nit allein vol der ſal, da man iſſet, ſunder das geſchraý wirt gehỏrt durch gaßen vnd ſtraffen. ſollich widerwertigkeit vnd verdrießen kumpt auß wirtſchafft. So iſt auch das ein verdroßen ding, als aber ſchreibt Petrarcha, ſo vil reich vnd weiſe leůte durch luſt der ſpeýſe zuſammen kumen vnd von hohen erberen ſachen werden genumen. Es wer lỏblicher, das dieſelben lere vnd nůchter beliben oder do heýmen ir noturfftige ſpeýs enpfiengen, dann beý den leůten ſich mit vil erdachten vnd ſchedlichen eſſen vnd trincken ůberſetigen. Doch ſo wirt nit die wirtſchafft, die do ordenlich vnd mit weſcheýdenheit iſt, beſchuldigt vnd verdampnet noch die menſchen die geren eſſen vnd trincken das beſte, ſo ſie das haben, ſunder die ſich vnmeßlich ůbereſſen vnd ůbertrincken vnd mere, dann ir natůrlich hitz mag verzeren, ſich beladen. Dieſelbigen vnmeſſigen můſſen ſein feůcht vnd hitzig, plaich vnd vngeſtalt, ſchwitzen, zitteren vnd ſchmecken, So die meſſigen ſein drucken, důrre, ſtarck, hůbſcher geſtalt vnd wolrichende. Es ſagt auch Macrobius: wer mancherlaý wein neůßet vnd trincket, wie wol des nit vil iſt, derſelb vellet in behende trunckenheit; [43a] ſo werden auch die alten balde truncken vnd werden kale vnd grae von vnmeßigkeit. das kumpt durch gebrechen natůrlicher hitze, die durch ſollich vnmeßigkeit wirt verzeret. Darumb iſt vnmeßig eſſen vnd trincken allezeit zumeýden, nemlich mancherlaý gemůs, die do mancherlaý wůrtze an ſich nemen: dieſelben beſchweren vnd krencken die natur. das hat Socrates angeſehen vnd geraten, ſollich eſſen vnd trincken zumeiden, die ůber den hunger vnd dürſt bringen begire vnd wolluſt. Wir leſen, das vnmeßigkeit des weins auch ůbergangen hab die heilligen veter. Noe, als er ging aus der archen, ſchreibt Lactancius, do pawet er mit vleýß das ertrich vnd pflantzet den erſten weingarten mit ſeinen henden. do er nu die frucht des weins wart verſuchen, do wart er frỏlich vnd trancke biß auff die trunckenheit, entſchlieffe vnd blaýbe nackend ligen. das erſache einer aus ſeinen ſỏnen, der do hieß Cham; der bedeckt nit ſeinen nackenden vater, ſunder ging herauß, fordert ſein brůder vnd zaigt in den vater. dieſelbigen ſỏne wendten abe ire antlůtze von dem vater, namen einen mantel vnd bedackten in. Da noe das erlernet, verfluchet er ſeinen ſon Cham vnd traýb in auß. da kam er flůchtig in das land Arabia; das ward von im geheýßen Chanaan vnd die leůt warden gehaißen Chananei. daſſelb geſchlecht iſt das erſte geweſt, das got nit erkant hat; wann ir herr vnd fůrſt Cham ward verflucht vom vater vnd wolt nit von im nemen die erkantnuß gottes: dieſelben vnwißſenheit der gotheit hat Cham gelaßen ſeinen nachkumenden. Deßgleýchen ward Loth von ůbrigem wein ůberwunden, das er leiplich erkannt ſein tochter; vnd vil ander groß ſunde vnd miſſetat kumen auß vnmeßigkeit des weins, die ſich teglich erzeýgen vnd nit not iſt zuerzelen. Es ſchreibt Plautus, das der wein ſeý gar ein geſcheýder [43b] ringer: wann ſo er ringet mit den alten veteren, ſo heltet er in die fůß, das ſie weder gien noch ſtien můgen vnd wirffet ſie darnýder. Anaxarſis hat geſprochen, das ein weingarte bring dreýerlaý trawben: den erſten trawben der freůden, den anderen der trunckenheit vnd den dritten der not vnd angſten. So ſpricht Apuleius, das in dem pecher des weins ſeý vierlaý getranck: das getranck des durſtes, der freůden, der wolluſt vnd der vnſýnnigkeit. Pictacus, der do iſt geweſt einer auß den Sýben weýſen in grecia vnd ein geſtrenger ritter, do er hỏret, das vil weins gewachſen was in der inſelen Mitilena, do wolt er fůrkumen die trunckenheit der menſchen vnd machet ein gemaines geſetz: wer in trunkenheit ſůndet vnd vnrecht thet. der ſolt zwýfach geſtrafft vnd gepeinigt werden; vnd ſprach Pictacus, das der wein wer gut auß der natur vnd wer pỏß auß der vnmeſſigkeit. Dieſelben vnmeſſigkeit zuuermeiden, hab ich geben zuuerſtien, vnd hab nit gemacht ein wirtſchafft von mancherlaý eſſen vnd trincken, als Maro ſchreibt, do ein eſſen auff das ander wirt hergetragen, vnd magſt nit gewiſſen, was du vor dem anderen erwelen vnd eſſen ſolſt, vnd do die pecher mit mancherlaý wein vnd großem geſchraý werden geſatzt auff den tiſch, gekrỏnet vnd auß getruncken, biß der morgenſteren an den hýmel kumet: beý ſollcher vnmeßiger wirtſchafft iſt groß ſorg, můe vnd arbeit, wie man dieſelben mag weraiten, vnd iſt grỏßer pein, mancherlaý erdachte ſpeýs zuerfinden vnd haben, dann wolluſt, dieſelben zueſſen vnd nieſſen. Darumb gibt Socrates ein kurtze lere vnd ſpricht: So du gut geſt vnd freůnde haſt geladen mit dir zueſſen, was du in gibſt, dieſelben ſein benůgig; ſein ſie aber nit gut geſte, wieuil du in gibſt, ſie verachten vnd ſchelten das. Alſo iſt ůber[44a]flůßigkeit des týſches allzeit zumeiden, wann dieſelbe manchen weýſen vnd feierten von ſeiner weýßheit vnd kunſt abwendet vnd leſt in zu denſelben nit kumen, Als Valerius ſchreibt von eim iůngling zu athenis, des namen geweſt iſt Polemo. derſelb, wiewol er zu großen, hohen dingen geſchickt was, lag er doch tag vnd nacht in thaberen vnd weinheůſeren vnd achtet weder ere noch lobe. Als er eins morgens auß der thabern zu hawſe wolt gien vnd was beſchwert mit wein, trug auff dem hawpte ein krentzlein vnd was ſchentlich gekleidet, fande er offen ſtan das haws des lerers Xenocratis, gieng in die ſchule des meýſters vnd ſatzt ſich nýder, das er die hohen lere vnd weýſen gepote des meýſters mit ſeiner trunckenheit mỏcht verſpoten. Da ward xenocrates leren vnd reden von der meßigkeit, dadurch polemo alſo bewegt ward, das er hinwarffe das krentzlein des hawpts vnd ward bedecken die nackenden arme vnd hinlegen alle ſein vnmeßigkeit aus der einigen lere des meiſters vnd kam zu großen, hohen kůnſten vnd weýßheit, die do nýmant verſperret ſein, dann die ſich vnwirdig machen, der nit achten vnd verſchmehen.