BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clara Hätzlerin

um 1430 - 1476/77

 

 

Das Liederbuch

 

Bl. 294r-294v (I, 42)

 

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Die lieb die frät lieplichen

In hochen fräden mich;

Mein trauren můsz hin weichen,

Wann ich sy ane sich.

5

Die vein die scheinet als die sunn

In frädenreiche‹r› wunn;

Mein hertz in fräden wüte

Nach irer werden güte,

So mich ir mündlin lachet an,

10

Dardurch sy mein gemüte

Wol frölich machen kan.

 

Die lieb die ward gemenget,

Darunder laid gemischet;

Ain claffer yrrt vnd enget,

15

Das lieb gen lieb erlischet.

Das reche preche one mich

Ain Arangk an seinem halsz,

So pleibt manig hertz by fräden.

Noch bin ich vngeschaiden,

20

Wieuil ettlich zungen sein,

So mag mirs nyemant laiden

Bis vff das ende mein.

 

Darzů hatt mich bezwungen

Die rain, die tugenthafft,

25

Das mir ist fräd entsprungn.

Was man schwatzt vnde clafft,

Nit mer so cher ich mich daran.

Den getrawen ich zu ir havn,

Sy lasz mich nit verclagen,

30

Was claffer fingen oder sagen.

So trag ich fräd, frölichen můt!

Hin trauren will ich iagen!

Fräd wol dem hertzen tůt!

 

Nach fräden will ich ringen,

35

Sorg, laid ist vngesund!

Was möcht mir fräden pringn,

Dann liebes roter mund?

Ir stymm in grymme laide wendt

Die durch mein hertze gëndt;

40

Das ist für gold ze schetzen.

Ach claffer, was hilfft dein schwetzen?

Dein liegen acht ich als den windt;

In fräden will ich tretzen,

Das dich ain sack verschlindt.

 

45

Was acht ich claffer mere?

Möcht es gesein mit fůg,

Das ich by liebe wäre,

So hett ich fräden genůg.

Nach allem geuallen meiner ger

50

Wunst ich nit fräden mer.

Solt ich ir wänglen rüren,

‹Jre› he‹nn›dlen weisz vff schnyeren,

Vnd friuntlich schmucken an mein prust;

Mein synn des wol geswüren,

55

Es wär chain grösser lust!