BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clara Hätzlerin

um 1430 - 1476/77

 

 

Das Liederbuch

 

Bl. 107v-108r (II, 32)

 

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Ain vrlaub

 

Wol hin, meins hertzen kaiserin,

Ich schaid von dir mit trübtem synn,

Dein segen mich bewar.

Nun wisz, wav ich hinfar,

5

So ist dein vnuergessen,

Dein lieb hatt mich besessen,

Ich bin ze aigen dir ergeben,

Ze dienst will ich dir allzeit leben.

Ob ich by dir nit mag gesein,

10

So hast du doch das hertze mein

Lieplich mit triu gepunden,

Das ich zu allen stunden

Mein zeitt vnd weil mit dir vertreib.

Gib vrlaub, aller liebstes weib,

15

Wann ich mag nymer baitten.

Doch wisz das mich gelaiten

Senen vnd verlangen,

Die havnd mein hertz gefangen

Vnd richten das zu dir allain.

20

O lieplichs lieb, zart fraẅlin rain,

Nym mein triu recht ze hertzen,

Wie ich mich schaid mit schmertzen.

Ellend ist mein geuertt,

Fräd, lust vnd wunn hat sich verchert.

25

Gedenck allain mich neren

Vnd hoff vff widercheren,

So mich empfacht dein rotter mund

Vnd ich in deiner arm pund

Gar friuntlich wurd vmbschlossen.

30

Zart fraw, bis vnuerdrossen,

Halt mich auch stätz in triuer gir,

Zu letz lasz ich mein ‹hertz› dir.

Das sol allain dein beleiben,

O Cron ob allen weiben.

35

Halt vest, als ich dir ye getraw,

Vnd hütt wol, aller liebste fraw!