Minnereden

Quelle:

Cod. Pal. germ. 313

(Die Blattangaben führen jeweils zu den

Originalseiten der Heidelberger Handschrift)

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1.

Das Wesen der Minne

Fassung I

[250v]

O mynn, du hochster hort,

Venus, fraw, aller selden port.

dich nach wird kan ich nit czieren,

du dust sich selb mangem man verlieren.

5

doch durch geselschafft ich begynn

bruefen dich, werde mynn,

uß dummen synn und swacher kunst.

er heist wol selig dem wirt din gunst!

mich wondert was mynn müg sin,

10

das sie dut mangem luestlich pin.

sie durch wuetett bluewend jugent

und erswecht all ir mugent.

mynn, den du zu diener nemen wilt,

den man kein ding bevilt.

15

von mynn ein teil wil ich schriben,

sagen was der mynnent mus liden.

ich schlieff einer nacht, und wachet das hercze myn,

von jamer leid ich gros pin,

ich gund dencken was mynn wer;

[251r]

uß einem draum ret ich dies mer.

Mynn heist ein stete gir,

mynn enpfremdt mich selber mir

und bildet den mynnenden yn das er mynt;

myn gros jamer bringt,

25

mynn dut das bekennen

das nieman mit lieb noch mit leid mag erwenden;

mynn dut bywilen lieb und leit,

mynn ist grym so lieb von lieb scheit,

mynn ist ein lustlich wort,

30

mynn schint hie und wonet dort,

mynn dut nit heim wesen,

mynn lat komerlich genesen,

mynn lert stetlich angedencken,

mynn dut ynniclich sich sencken,

35

mynn doert mangen wisen man,

mynn dut leit durch lieb han,

mynn ingrimt zeherczen icht,

mynn czorn entwicht,

mynn uebersicht ungedat,

40

mynn thut wesen frw und spat,

mynn blendt gsehend augen,

mynn lert ein stetlich logen,

mynn lert lust und macht frewd;

mynn sich gen menglich zu sehen erzeugd

45

(da liebi, da aug,

mich selten das ie bedrog);

mynn lieblich murdet,

von iedem mynnenden man das spüret;

mynn machet siennlos,

[251v]

mynn kan nit maß, das sie ist so gros;

mynn erczaget gern,

doch der stet wolt sin enbern;

mynn leert zucht und dugent,

die mynnenden alli ding vermugent,

55

mynn schaffet singen und sagen,

mynn lert sich lieplich clagen.

Sid, werd mynn, din ist der gewalt,

so ergib ich mich an din behalt,

wan in dym dinst bin ich verpflicht.

60

steter drẅ myn hercz dir gicht

bis an myn lestes end

on all miswend &c.

Amen.