BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Minnereden

1300 - 1500

 

Minnereden

 

Quelle:

Cod. Pal. germ. 313

(Die Blattangaben führen jeweils zu den

Originalseiten der Heidelberger Handschrift)

 

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10.

Die Beichte einer Frau

 

[466r]

Eins dags da fugt sich das

das ich ußganngen was

inein kirchen an myn gebet.

da ich das gar uß gesprochen hett,

5

umb kurczwil ging ich wider uß

unnd kam fur des pferrers huß.

ungeferlich sich da schickt

das ich zu eym venster ynnblickt

in des pfarrers gemach;

10

ein frawen ich da knüwen sach,

die verjach eim herrn ir schuld.

wa mit sie dann gottes huld

verwurckt het, seit sie gar.

da gedacht ich mir furwar:

15

«ich will an dem venster stan

bis das ich vernomen han

der frawenn bicht ein end,»

[466v]

wen sie ducht mich gar behennd.

da ich die bicht also vernam:

20

der briester dett als im geczam,

er sprach: «fraw dugenthafft,

pflegt ir nit heimlicher bulschafft?»

sie sprach: «herr, ja ich.

was solt ich da von bichten mich,

25

wan ich sund mit nie bejagt?»

der brister sprach: «fraw, das bedagt,

wen bulschafft mag on sund nit wesen.»

sie sprach: «her, ir hann nit recht gelesen.

was mocht ich sund da mit began

30

ob ich mir ußerwelt han

eynen gesellen gutt,

der annders nit dut

dan das er lebt zu willen mir?

so stat auch myns herczen begir

35

das ich im zuwillen leb

unnd im hochgemüt geb,

das er durch mich nach brisen ring.

ich hoff, myn drost yn dar zu zwing

das noch vonn im werd volbracht

40

das sust nymer wurd gedacht.

darumb ich gott nit furchten bin,

der weist wol unnser beyder syn.

die valschen welt ich furchten müs,

der wirt mir sorgen nummer bus,

45

wan es ist leyder dar zu komen:

wo ein bulschafft wirt vernomenn,

das yderman zum boesten wigt.

[467r]

wie wol mann rechter lieb pfligt,

so ist es arg an irn synnen.

50

ach gott, mocht ich die wicz gewynnen

das ich mich vor der welt bewart!

darumb forcht ich mich gegen got nit hart,

der weis wol das an argen list

unnser beider geselschafft ist.»

55

der brister sprach: «fraw, wissent das

das ir darumb dragent gottes has,

wen das gebot dar uber gat

das gott selb gesprochenn hatt:

du solt in allein lieben unnd mynnen

60

in herczen unnd in synnen!

daran soll nyeman wencken.

so stant alles uwer gedencken

zu uwerm büll zu aller czitt.

wie vil es uch zu schaffen gitt

65

das ir gottes vergessent gar,

wie uwer sel darumb gefar,

der werdenn ir wol innen.

der welt lieb solt ir erwinnen,

unnd wollent ir genesen,

70

so land uch gott das libst wesen!»

die fraw sprach: «herr, ir redt wol.

gottes nyeman vergessenn sol,

der uber unns all hatt gewalt.

das selb gebot ich auch gern halt.

75

her, wissent ir auch das ander gebott,

das auch geschriben stett vonn got?

das halt ich unnzerbrochen.

[467v]

gott selb der hatt gesprochenn:

halt din neben mensch lieb als dich!

80

das selb gebott halt auch ich,

ich halt es stett on argen sin,

wan ich mir selbs als lieb nit bin

als mir ist myn lieber gesell,

unnd wen es wer das got nit well,

85

das ich an schuld in muß begeben,

so wolt ich furbas unngern leben.

on in mich nit erfrewen kan.

die will aber gott gan

des glucks unns beyden

90

das wir sind ungescheiden,

so macht er mich in frewden geil,

wie selten er mir wirt zuteil.

sin lieplich blick went mir pin,

wenn ich gedennck das er ist myn.

95

wie ferr er fert mit gutem mut,

durch mynen willen er das dutt

in druewen unnd in steter begir.

das gitt also vil frewden mir

das ich keins ungemuts pflig

100

und alles das dest ringer wig

das mir zugemach geschicht.

ich mag auch dick zürnen nicht

so es mir dutt ein widerdries,

da ich sust umb nicht enlies,

105

ich erczügt darumb myn has.

so wendts der des ich nye vergas

in herczenn unnd insynnen,

das ich keins czornns mag begynnen.

[468r]

das ist denn gott von mir genem,

110

wan got dem was ye wider zem

die sund die da heisset czorn,

dardurch man dick wirt verlorn.

das ich myn lieb in herczen drag,

myn gemut uch nit volsagen mag

115

was guts recht lieb bringt.

welch jung man nit darnach ringt

das ym rein frawen huld vergehen,

von den wirt selten gesehen

das man yn hoen bris gach

120

oder yn by gutten dingen sag.

welcher aber lytt sinen vlis

..............

an reyner frawen hulden

unnd gedenckt: ‹ich wil dulden

125

sterbenn oder den bries bejagen,

das man in guttes von mir müg sagen›,

der vlist sich manheit und aller guter sachen.

herr, wend ir das zu sund machen?

dem soltent ir wol zu wis sin.

130

uch dutt doch die geschrifft schin

das kein ding hatt die krafft

als die edelt ritterschafft,

wan got selb gestifft konig unnd herrn,

das sie witwenn unnd weisen nern

135

unnd die lannd von unrecht sind bewart,

das wurd yn dick ligen hart

wenn man nit mynn pfleg.

zu dinst wer menger dreg

der sust willig ist bereyt

[468v]

do mann sol lyden arbeit

oder wer gen den finden pflegen.

so find man manchen stolczen degen

den ein fraw dut machen fro,

der sich auch lat sehenn also

145

in menlicher gestalt

das ein verczagter von im bald

von siner manheit wirt nyder geleit;

darumb ist billich bereit

herren gab unnd frawen huld.

150

so nympts auch gott fur sin schuld,

der für sin herrn lidt pin.»

der brister sprach: «ach, fraw myn,

wirt aber eyner also erschlagen,

die fraw die sund must dragen

155

die yn hett gesendet dar.

darumb nempt uwer selbs war

unnd seczent von bulschafft üwer gemut!»

die fraw sprach: «darvor mich behutt

Maria unnd der sues gott,

160

wen der da lebt in mym gebot,

dem bin ich billich underthan.

herr, wissent das an argwan:

nyemant stirbt e sinr zitt.

unns des wol ein urkunt gitt

165

das mencher wirt alt

der doch sin dag ein degen bald

gewesenn ist unnd unverczagt,

unnd lib unnd leben hatt gewagt

dick unnd nit zu eyner stund,

[469r]

dem doch got der seld gund

das er rechts dots erstarb;

unnd einer der nye erwarb

weder bris noch eer in keyner stat,

der got mengen sterben lat

175

unrechts dots by jungen dagen.

da kein gutt gesell soll verczagen.

wo man manheit soll erczeigen,

da sterben auch etwa nun die feigen,

die auch daheim solten sterben.

180

wen nyemant mag den bris erwerben

der den lib nit wagen wil.

wen es dan kumpt uff das zill

das find gen finde ist bereyt

unnd man soll liden arbeyt,

185

so sol man die gedennck für nemen:

wil got myns lebens lenger zemen

das ich lennger lebenn soll,

so kann er mich gefristen wol;

soll aber ich myn dott hie kiesen,

190

wie moecht ich dan uemer bas verliesen

denn das ich darnach wirb

das ich in grossen ern stirb?

so ist dann gottes gütt so gutt

durch sinen manlichen mut

195

und durch die manheit der er dutt pflegen,

unnd durch der selben lieben frawen segen,

der durch die wirt volendt

die yn den hatt dar gesent.

wann kein gutt fraw nit enlat

[469v]

die ein liebenn geseln hat,

die bytt got das er yn spar

unnd in vor allen dem bewar

das im sy mißczem,

davon er schand oder schaden nem.

205

herr, sol man uch wißheit gehen,

so lant euch nymer mer gesehen

das ir bulschafft weren thut.»

Der brister sprach: «ach, fraw gutt,

ich wand, ich wer gelert wol.

210

aller erst ich uch danncken sol

der wißheit die ich von uch han.

ich kenn wol das ich hann mißton

an dem das ich das wolt wern

da von all wird und die ern,

215

dir darzu alles gutt enspringt.

myn ler das noch wol widerbringt

was ich sund mit begie,

wan ich hans leyder gewert ye unnd ye.

...............

220

nun hannd uberwonden mich,

so das ich bulschafft straff nymerme

unnd sprich auch: benedicere!

unnd absolvir uch uewer schuld

unnd gib uch zu bus mit geduld

225

das ir uwer bulschafft walten

unnd drw gegen ym halten.»

do stund sie uff unnd bat yn do

das er nymerme also

bulschafft erdacht on arg list

230

denn da er arg warheit wist.

[470r]

er sprach: «das thonn ich sicherlich;

wen hett ich recht bedacht mich,

ich hett es euch auch nit getan.

darumb sollentt irs nit voruebel hann.»

 

 

Die nachred

 

235

Verholn ich da dannen gie.

sitt kunt myn hercz vergessen nye

der drẅ en unnd der steten frawen.

solt ichs vor mynem dot schawen,

als mich myn gemüt frewen det

240

durch ir unverkert stet,

die ich alldo vernam vonn ir.

ich brüff es auch zu seld mir

das ich so recht eben kam dar,

wann ich gedacht mir nye so gar

245

was hoer wird lyt an der mynn,

wer sie mit ungefelstem synn

dutt halten als dar zu gehort.

furwar sie sind an wicz bedortt

die bulschafft thund versmahenn!

250

myn hercz in frewden dutt lachenn

wenn es da vonn hört reden wol.

gott unnd die welt sie hassen sol,

die valschen klaffer, drüwen an,

die güt in gutt nit lannd bestan

[470v]

unnd all ding zum besten wegen.

doch muß bös aller bosheit pflegen,

so wirt auch guts von gut vernomen.

das ist also vonn alter komen,

so las wirs auch komen hin.

260

ich hann hercz, mut und sin

der mynnen pfleger gebenn.

zu dinst will ich ir umer leben

mit steten druwen unverkert,

ob mir der sol noch wirt beschert

265

das ich so vil verdienen kund

das ein solich wip mir auch gund

furander lutt zudienen ir.

darnach stet ie myns herczen gir

unnd wil auch furbas darnach gagen,

270

dwil ich mag by mynen dagen,

wan mich erst rechter jamer zwingt

nach frawen gunst. darzu mich dringt

die recht drẅ die da wanet mit

der steten frawen. ich wond nit

275

das frawen pflegen sin lichter drẅ.

doch muß ein sorg mir wesen nüw:

das ir nit vil uff erden sy

der hercz so gar alles falschen fry

sy als der da vonn ich sag.

280

wol im, wie gern er leben mag

an den sie ir drw hannt geleyt

so gar mit ganczer stetikeit!

ob er sie bekent als ich,

so dett er billich frewen sich

[471r]

das er dar zu ie ward geborn

das inn zu frewd hatt erkorn

die drẅst ob allen wiben.

wenn indem won wil ich bliben:

das aller frawen stetikeit

290

zu eynander wer geleyt,

der aller drẅ must wesen cleyn

gen der drw die sie alleyn

mit stet an yn hatt gewant;

unnd solt er mir wesen bekant,

295

vurwar des wolt ich frewen mich,

wen er dutt billich vlissen sich

alles des da mit eyn man

lob unnd eer erwerben kan.

des ist wol wert die falsches fry.

300

nun land in wesen wer er sy,

und wunscht im heil, das ist myn ger,

war er ker, durch das er

in rechter lieb blib an ir stat.

wan wo er uemer anders dat

305

denn alles das ir will wer,

so wer er billich unmer

gott unnd allen frawenn reyn.

ist aber er ir zudinst alleyn,

mit stetem müt ir underthon,

310

in rechter drẅ alles falschs an,

so las in gott in selden leben

und well sin hilff darzu geben,

das er bejag wirdig lob unnd er

in irm dinst, unnd das sich merr

[471v]

alczit lieb, stet, drẅ an in

unnd das ir iet weders nummer sin

noch willen gwint zuscheiden.

got frist in ir leben beyden

unnd las yn auch das heil bescheen

320

das sie noch offt ein ander sehen

in frewden unnd hoem mut,

und halt sich stet in siner hut

vor der arg brufer list.

das wünsch ich zu aller frist

325

unnd allen reynen wiben

die gerecht bulschafft driben,

unnd dar zu allen den mit yn

die in rechter drẅ an falschem sin

dar zu thond hilff unnd ratt.

330

den wonsch ich heil frw unnd spat,

wen bulschafft ist aller ern urhab.

zwar da bringt mich nymant ab

unnd wil auch wesen undertan,

dwil ich myn leben hann,

335

fraw Venus, der werden mynn,

mit hercz, mut unnd synn;

des sol sie hann myn drẅ zuhand.

wan wo mir wirt erkant

das man recht erlich dient ir,

340

da wer nit zuhert mir

was ich dar zu gehelffen kund

mit lib unnd gutt zu aller stund.

dir zu dienen wer ich ring,

als obs wer myn selbs ding;

[472r]

wan wo ein helfflich helffer ist,

der dir zu hilfft on arglist,

es sy fraw oder man,

der sich vor melden hüten kan

unnd kan auch reden unnd swigen,

350

dem soll ein keyser billich nygen.

Do mit gib ich der red ein end.

das sie gott an allen selden pfend

die guten frawen ir frewd wern

unnd lieplich bulschafft thun verkern,

355

die man mit ern in zuchten halt.

des helff mir wunschen jung unnd alt!

Amen.