BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Oswald von Wolkenstein

um 1376 - 1445

 

Handschrift B

 

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VIII

(HS A 2v-3r, HS B 3rv, HS c 8rv, Klein 8)

 

I

DV armer mentzſch las dich dein ſünd hie rewuen ſer/

 O haliger gaiſt gib uns deins heiligen uatters ler/

das ich bedenck ein klain die macht und wirdig er/

jnmeim geſangk uon got dem nicht geleichet/

 

5

Newn kör der engel die loben got an underlaſt/

jn lobt die ſunn der man und aller ſterne glaſt/

jn lobt der himel der alles wesen umbetaſt/

und was dorjnn regniert ſein namen reichet/

 

Perg und ouch tal/ des uoglin ſchal/ der uiſch jm wag/

10

all würm und tyer/ geloubet mir/ was ich ew ſag/

laub gras geuild/ das waſſer wild/ die nacht der tag/

erkennt und lobt got dem der teufel weichet/

3v

 

II

SEyd wir nu hören aus aller maiſt' kunſt behend/

das yetz geſchefft jnseinem weſen got erkent/

15

des hat ſich mancher hertter ſtain enzway entrennt/

do er emphand ſeins ſchepf fers not und ſterben/

 

Vil frucht auf erd und die doch unenpfintlich iſt/

noch ert ſy got durch hübſch geplüt und kennet criſt/

ein yeczs gewächs nach ſeiner zeit als jm die friſt/

20

iſt auf geſaczt uon got ſein frucht zuerwerben/

 

Das alle kunſt/ mit reichem gunſt/ ein mentzſch beſaß/

der minſten blum/ und wër ſein rüm/ noch ainßt ſo räß/

möcht er nicht gantz/ nach jren glancz/ natürlich häß/

posnieren ſchon/ ſolt er des leibs werderben/

 

III

NV alle creatur die got beſchaffen hat/

ſy ſind jn waſſer jnwind oder auf der erden phat/

ye danckper iſt dem herren jnder maieſtat/

newr umb die gnad das er ſy hat formieret/

 

Ach tumm' menczſch wie iſt dein hercz dann gar ſo wild/

30

ſeyd du wol waißt das dich got nach jm hat gebildt/

und dir uerlihen hat ſein groſſe gnad ſo milt/

gar manigualtiklichen vntzelieret/

 

Er hat dir geben/ leib und leben/ ſel uernunfft/

dir dient die erd fewr waſſer wirdiklicher luft/

35

all tier wild zam/ der früchte tam/ aus tieffer grufft/

iſt dir als underteniklich gezieret.

 

IV

DEr wölken krafft das firmament mit klarem ſchein/

und all die freud als ſy zu himel mag geſein/

mentzſch die genad uon got uolgt all dem dinſte dein/

40

dannocht well wir jn denklich nicht erkennē/

 

Mit ſeinem leib hat er uns aus der hell erloſt/

des ſich der lucifer daſelben übel troſt/

noch wirt ſein heilig' nam mit ſweren dick beroßt/

uon manchem man der ich ew uil wolt nennen/

 

45

Ach adams kind/ wie iſt ſo plind/ dein ſwacher müt/

das du nicht kenſt/ und vebernenſt/ dein herren güt/

der dich mag nemen geben haiſſer helle glüt/

und alle freud mag er dir pald entrennen/

 

V

O Heilger criſt ſeyt das dein macht iſt ungezalt/

50

ſo wundert mich ob allem wunder manigualt/

das wir nicht fürchten ſer dein zorniklich geſtalt/

und große plag die du uns macht beweyſen/

 

Des frewt ſich manger gaiſt der dort uerſtoſſen ward/

uon höch der himel hrab zu tal umb ſein hochfart/

55

die uns uorlaiten tëglich jnden ſünden gart/

uon irem rat wayß ich nicht lobs zu breyſen/

 

Weib und ouch man/ ir ſchowet an/ ewr miſſetat/

ſnell büßt ewr ſünd/ und nicht enzünt/ euch uon dem rat/

der böſe wicht/ mänlichen uicht/ got frü und ſpat/

60

den nym zu hilff für ſtahel und für [e]yſen.