BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Oswald von Wolkenstein

um 1376 - 1445

 

Handschrift B

 

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XI

(HS A 3v-4v, HS B 4v-5r, HS c 11v-13r, Klein 11)

 

I

O Snöde werlt/

wie lang ich leib und güt jn dir uorsliſſe/

ſo uind ich dich newr itel ſwach/

mit wort werkh und gepërde/

5

der untrew biſtu alſo uol/

das ich das ort noch end begreiffen kan/

 

Falſch böſen gelt/

fürſtu luglich truglichen gar zu fliſſe/

mit mü und arbait ungemach/

10

und gröblichem geuërde/

ſo ringſtu nach der helle hal/

das klagt jr tumen frowen und ouch man/

 

Tëglichen ſtick wir tag und nacht/

nach güt und werltlich er/

15

wirt unſer will dar jnn wolbracht/

5r

ſo hab wir doch nicht mer/

newr klaine ſpeis und ſwachs gewand/

und was wir güts by dem han fürgeſant/

 

II

Uil mancher ſpricht/

20

inrechter trew ſol ich jn allzeit uinden/

mit leib und güt zu meim gebot/

ueſt ewiklichen ſtëte/

köm ich mit armüt inſein haus/

er wolt ich wër ein fuxs jneinem hag/

 

25

Klain zuuerſicht/

wir haben ſöllen zu des Adams kindern/

newr dienen aim der haiſſet got/

die werlt fürt ungeräte/

darab ſo nym dir einen graus/

30

und hoff zu dem der dir gehelffen mag/

 

Ach mir erbarmt manger güter man/

und ich mir ſelber ouch/

der da nit recht bedenken kan/

wie gar es iſt ein rouch/

35

der werlde dienſt mit groſſer not/

was iſt der lon wenn man ſpricht er iſt tod/

 

III

Kain ermer uich/

under allen tieren kund ich nye eruaren/

newr eines haiſſt ein hofeman/

40

der geit ſich gar für aigen/

dem herren ſein umb klainen ſold/

das tët ein eſel nicht und wer er frey/

 

Reit ſlach und ſtich/

zuck rowb und brenn/ den mentzſchen tü nicht ſparen/

45

nym roſs und wagen henn vnd han/

gen nyemant tü dich naigen/

gedenck dein herr der werd dir hold /

wen er uon dir ſicht ſölche ſtampaney /

 

Du ſte uor jm tritt hinden nach/

50

vnd kapff den langen tag/

iſt er ein fürſt für jn ſo gach /

das er dich ſehen mag/

ſprech er zu dir ein freuntlich wort/

das nemſt du für des himel fürſten hort/

 

IV

IR uogelein/

und andre tier bayde wilde und die zamen/

jr traget rechte liebe gar /

geleich kieſt ſein geleichen/

gemahel ſein gemähelein/

60

jnnöten ſy bey ainander bleiben ſtän/

 

Die freunde mein/

ſolt jch vor in erkrumben und erlamen/

e das mir ain' gäb ſein nar/

und ſolt mich do mit reichen/

65

zu meim geſunt an mailes pein/

ich müßt vor jm ee als der ſne zergän/

 

Des mentzſchen lieb wer gar enwicht /

die ains dem andern tüt/

hett wir der gab nit zuuerſicht /

70

und hoffnung umb das güt /

mein aigen kind gewün vordrieß /

weſſr es die leng uon mir nicht ſeinen genieſs.

 

V

UNd ſolt ich mir/

erwünſchen gar nach meines herczen freude/

75

ein leben ſelber wie ich woll /

mir hilff aller maiſter ſynne/

ſo künd ichs doch bedencken nicht /

oder ich müßt die leng uordrieſſen darjnn han /

 

Was hilfft mein gier/

80

zu groſſem güt und nach der eren gewde/

was hilfft mich ſilber oder gold/

was hilfft der frowen mynne/

ſeyd werltlich freud pald iſt enwicht/

und wais gar wol das ich ſchier müß daruon/

 

85

Turnier und ſtich/ louff tancz und ſpring/

auf einem weyttn' placz/

mach kurczweil uil/ treib hoflich ding/

uerdrä dich als ein kacz/

und wenn der ſchimpf all da ergat/

90

gee wider dar ſo uindſt ein öde ſtat/

 

VI

ACh freunt geſell /

du zweifel nicht was ich dir hie wil ſagen/

dien got uon ganczem herczen dein /

laß dir die werlt nicht ſmecken/

95

auß irem luſt mach dir ein ſpot/

ſo haſtu freude hye und dort genüg/

 

Kain ungeuell/

las dich bekümern das dich mach verzagen/

kain trübſail las dir pringen pein/

100

ob leiden dich wil wecken/

das iſt ein ſunder gnad uon got/

dieſelbig gnad zuckt dir der helle lüg/

 

Wer ſich den zoren binden lat/

der gleicht ſich einem uich/

105

und dem got hye verlihen hat/

fünf ſynn uernünftiklich/

das iſt die höchſte wirdikait/

wer weyſlich vicht in widerwertikait/

 

VII

Mich wundert ſer/

110

das wir auf diſer werlt ſo vil entpawen/

und ſehen wol wie es ergät/

wo ſind mein freund geſellen/

wo ſein mein eldern uodern hin/

wo ſein wir all newr über hundert jar/

 

115

Mich wundert mer/

das ich mich nye kund mäſſen mein' frowen/

die mich ſo lang betrogen hat /

mit groſſem ungeuellen /

mich hat geplennt mein tumm' ſyn/

120

und nye bekant das ſy mir was gevar/

 

Wir pawen hoch auf einen tant/

an heuſern ueſten zier/

und tät doch gar ein ſlechte wand/

die leng' werdt dann wir/

125

uolg brüder ſweſter arm und reich /

paw dort ein ſloſs das dich werdt ewikleich –