BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Fischart

1546/47 - 1590

 

Affentheurlich Naupengeheurliche

Geschichtklitterung von Thaten und

Rhaten der vor kurtzen Langen und je

weilen vollenwolbeschreiten Helden und

Herren Grandgoschier Gorgellantua

 

1575/1582/1590

 

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Das Achtzehend Capitel.

 

Wie Gargantua andern Lehrmeistern

ward vntergeben, die vber einen

andern Leyst jhm richteten

sein Leben.

 

 

DES Gargantuwalds Vatter sahe wol, daß sein schöner Filius an jhm nichts ließ erwinden allen fleiß fürzuwenden vnnd kein stund hinschleichen ließ, darinn er nit ein Lini zog, vnd solt er auch schon mit dem 'Rastro' sechs gemacht haben: aber das er gleichwol nichts zu höherer künst verstand fortstieg, sonder nur wuchse wie ein Eselsohr in eim Negelinhafen, jhe lenger jhe Närrischer, ward mit gewalt zu eim Stockfisch, Plateisel, Tölpel, Fantasten, vnnd sonst nichts fast. Dessen beklagt sich der gut Mann auff ein zeit bey dem Dom Philippo von Marach, Vicekönig inn Papeligosse, der gab jhm zuverstehen, daß jhm schier nutzer wer nichts zulehrnen, als zulehrnen das jhm nichts nutz wer: Dann sprach er, was sind diser Fretter Künst als Kuntzenwerck vnnd Kühdunst, jhr Weißheit ist Schmeißheit, jr klugheit Lugheit, damit sie die Kinder, wie mit den Winterhändschuhen schrecken, die gute Edele Geyster verbastarten, vnd die gantze Blühe der Jugend vergifften, ersticken, der flor defloriren erfroren vnnd versehren. Daß jhm also, nempt mir einen jungen Knaben von diser jetzigen jungen Welt, der allein zwen Monat gestudiert, da wett ich, wa er nicht ein besser Vrtheil, bessere Gesprechlichkeit vnd bessere Zuberclausische zufäll in eim Jtem, als euwer Son inn vielen summarum hab, auch baßgeberdiger vnnd ehrenerbietiger seie: vnnd wa es nicht war, will ich mein Lebenlang ein Mechelburgischer Schunckenmadenfresser vnd Speckhecker auß Engern bleiben. Welchs dem Grandgusier mächtig wol geful, vnnd befahl alsbald, daß mans versuchte.

Auff den Abend zu dem Nachtjmbiß, fürt der von Marais seiner Jungen einen von Gongewiler genannt Eudemon Wolbegeist hinzu, so wol begnadet, guts Kopffs, so Bossenschicklich, so schön rein abgestäubet, vnd inn seinen Geberden so holdselig, das er viel meher einem kleinen Engelchen vom Fron Altar als eim Menschen änlichet. Sprach darnach zu dem Grandgoscher, Secht jhr das jung Kind? es trägt noch nicht gar zwölff Jar auff jhm: Nun laßt vns, wann es euch gelust, ein versuchens vnderstehen, was vnderscheyds sey zwischen eueren Matheologischen Künsthümplern, Weißheitverkauffern vnnd Fantasten auß der alten Welt, vnd den jungen Leuten dises vnseren Neuen wesens. Diß fürnemmen geful vnserm Herrn von der Großgoschen, vnd hieß den jungen Knaben gleich sein Sach vortragen. Hierauff bat Eudemon zuforderst seinen Herren den Königlichen Statthalter vmb erlaubnuß solches zuthun, sein Hütlin inn der Hand stätt haltend, mit auffrechtem sittigem Antlitz, doch etwas jugendgemäser schamerrötung, mit vnerschrockenen stäten augen, sein gesicht vff den Gargantua rich- tend, nicht daß er sich vom ort verwendt, oder die füß, nach Storcken art, wie die Schmid die Blasbälg, abgewechsselt hette.

Nach dem er sich also inn den Bossen geschickt, fieng er an mit züchtiger geberdung, wie seinem Alter gezimmet, den halb verzuckten Gargantubald höchlich zuloben vnnd zuerheben, (wie man dann pflegt, wann man ein trägen will wacker wecken) erstlich wegen seiner hohen tugend, demnach seines von Natur hoch erleuchten, vnd durch ergreiffung guter Künst vnd vieler erfahrenheit gemehrten vnd außbalierten verstands, nachgehends seines Adels, folgends seiner anmütigen freundlichen schöner gestallt. Vnnd nach allem ermanet er jhn mit sanfften worten, seinem Vatter inn aller Kind gebürlicher erherbietung vorzugahn, weil er jn wol zu vnterrichten kein fleiß noch müh spare. Beschließlich bat er dienstlich, vnter seine geringste Diener jhn zurechenen vnnd auffzunemmen, dann grösser gnad köndt jm für dißmal nicht widerfaren, als wan er so viel gnaden bei seiner Durchleuchtigkeit köndt erheben, daß er dero wolgefällige dienst köndt erweisen. Diß alles ward von jm mit so artlichen vnd sachgemäsen geberden dargethan, mit so deitlicher red fürgebracht, beredfertiger Zung außgesprochen, mit zierlichem gutem Teutsch vnd Latin erkleret, dz er sich eher einem Gracho, einem Cicero, einem Päpstlichen oder Königlichen 'Oratori', Sadoleto, Bembo, Longolio, Mureto, als eim jungen Knabatzen diser neulicheren zeit het mögenvergleichen. Hingegen wußt sich Gargantua nicht anders zustellen, als dz er, all dieweyl der redet, greinet vnnd weynet wie ein sieche Kuh, vnnd das gesicht hinder sein Hütlein verbarg. Vnnd war vnmöglich ein einiges wörtlin von jhm zubringen, vil minder als ein furtz von eim todten Esel.

Darab sein Vatter also erzörnet, daß er kurtzum den Meister Jobelin wolt vmbbringen, oder auffs gelindest mit jm zufahren, jn von den Schulknaben lassen mit Ruten außstreichen wie die Römer dem Schulmeister thaten, der die vnschuldige Jugend inn der Belägerung wolt dem Feind verrhaten: Sintemal solche Jugendverterber, welche manche gute Art verkeren vnnd hindern, eben so wol der Jugend, Ja einer gantzen Policei verrhäter seind, als der so sie auff die Fleischbanck opffert: Aber der von Marais hielt jhn durch bescheidene wort dauon ab, jhm fürbildend, man könne solche Murmelthier nicht besser abfertigen, dann man werff jhnen den Sack für die Thür, vnnd laß sie stampen.

Darauff befahl er dem Tropffen seine Besoldung zuzalen, vnd ein guts Sophistisch Trüncklein zugeben, vnd für alle Teuffel fortzu­schicken. Auff solche weiß, sprach er, wann er also gecapaunenpfropfft ist, kan er seinen Wirt nicht vil kosten, wann er also voll wie ein Engelländische Zeck daruon stirbet.

Als nun Meister Gobelin abgeschiden, berhatschlug Grandgosier mit gedachtem Vicekönig, was man jhm für ein Preceptor solt zuordnen, da ward vnter jnen beschlossen, zu solchem Ampt den Ehrenbrecht Kundlob von Arbeitsteig, sonst genant Ponocrates, des erwöhnten Eudemons Glutgeists Pedagog zuerforderen: dann der verstund sich vmb Politisch leben? was wolten dise Schlapphaubige 'cape tibi asinum' vnd Calamarius am gürtel wissen? sie thun jm recht, daß sie die Ohren decken, damit man sie nicht kenne: oder diese newe Lectoriabrillen, die mit sonderm Namen getrente Heyligen, die Zuchtgleißnende Farre­seychische Quadricornuten: die entweders die Jungen zu vnsittlichen erschrockenen Augensperrigen Stierköpffen machen, oder zu hoch tra­benden rhumsüchtigen, neidigen vnd frefeln Schreiern vnd plauderern: oder zu Schalckverbergenden Schleichern, Schlüssel­suchern, Ver­hetzern, Verrhetschern, Lockvögeln, Duckmäusern, vnd Ertzarchibuben im busem, wie sie sind. Solche Teuffeley zuverhüten, schickt Grand­mulier sein Sönlin sampt seim Lehrweiser Herrn Lockhund gehn Pariß auff die Hohe Schul, zuerfahren was daselbst der Jugend studieren für ein gelegenheit habe: Dann was soll er zu Hauß verschimmelen? in der Frembde lehret er neben seinen Ordinarylehren, auch die Sprachen, welcher wann er vier kan, mag er vermög der Gulden Bull dises Punctens halben wol Keyser werden: Es ziehe dann der Bron­nenschöpffer nicht recht am Rad, wann er lehre für volle tauschet: Dann das Glück ist rund, eim lauffts inn Arß, dem andern in Mund.