B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Georg Wickram
um 1505 - vor 1562
     
   



V o n   g û t e n   u n n d
b ö s e n   N a c h b a u r e n .


Vorrede

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‹Aiijv› [9]

      Von gûter Nachbaurschafft /
      zûm Leser.


      ES habend sich unsere vorälteren früntlicher lieber Leser / vil und fast beflissen / das sie sich inn den Nachbaurschafften fein früntlich zûsamen gehalten / unnd etlich tag im jar sunderlich darzû bestimpt / an offenen strassen / tisch und bänck auffgericht / ire speisen zûsamen getragen / und also tugentlich miteinander gessen / in zucht und ehren beieinander gesessen / Wo dann etwo gemeine brunnen gewesen so sie erschöpfft / ists dero geleichen auch zûgangen. Es haben auch zûzeiten die nächsten nachbauren (so mit ihren heuseren an einander gestossen) solche freuntschafft und liebe zûsamen gehabt / als wann sie blûtverwante freund gewesen / Inn aller widerwertigkeit / kranckheitten und trúbsal / sind sie nimer von einander gewichen / Nit solche mûsfründ (wie man der leider vil wider und fúr findet) gewesen / Die selbigen sind nimer liebere freund dann wann man schwein unnd kälber metzget / Da man nit vil krancken warten unnd tröstens darff / der selbigen bauch freund sind yetzunder sehr viel auff erdt / Welches dann ist ein sundere ursach diss meines gedichts / darinn ich dann die beyden Gattungen (so viel mir ye müglichen sein mag) abmalen will.
      Zûm andren ursachet mich auch der gros unfleiss der Teutschen Lehrmeister / und Guldinschreiber / Dann ‹A4r› ob sie gleich die kinder auff schreiben / rechnen und lesen wol abrichten / Werdend sie doch gar keiner mores / zucht noch geberdiger sitten / von inen underwisen. Und so sie dann zû handtwercken kumen / wissen sie weder har noch dar / wie sie ein meister / frawen oder gesellen halten sollen. Künnend oder [10] wissend auch nit / wie sie eim biderman zûsprechen / antworten oder fragen sollen. Als dann sind ihre meister gleich als hinlessig als die anderen / wann sie nur waidlich hudlen und sudlen bey inen / mögendt sie sunst leicht zucht unnd hofligkeit künden. Wann sie dann ausgelert haben / lauffen sie dahin wie das liebe vieh / meinen sie habend ihre jar der lehr schon überkummen / so mússend sie erst von newem anheben. Bey keinem rechtgeschaffnen meister mögen sie bleyben / ziehen also von einem fretter unnd sudler zû dem anderen / unnd kummend also umb die zerung so ihn ire älteren / vögt oder vormünder geben haben. Darnach greiffen sie die büntel an / yetzund ein hembd / darnach ein par stümpff / Unnd wann wir dann nichts mehr haben / nemmen wir den ausgesognen / lären büntelsack in rockermel (so wir anderst nit umb den rock auch kumen sind) in das vatterland eylend / ander provision zû holen / etwan bleiben wir gar daheymen / wissend mehr und haben mehr erfaren / dann alte und gewanderte gesellen / so wol alters halben unsere vätter weren. Desshalben / lieber leser oder zûhörer / euwer baider ungunst zû vermeiden / hab ich mich zû forderst entschuldigen wöllen / wo dir villeicht allemal dises búchlin an das mäntelin würde greiffen / oder sagen das dir vor wissend wer / wie ‹A4v‹ es dir vor jaren in disem oder jenem land wer gangen / da dann brot heischen dein best handtwerck war / sunst hettest du dich bettlens nit erweren mögen / Hey so gedenck doch das dir diss búchlin zû keinem tratz noch nachtheil gemacht / Dann wie dirs gangen ist / so mags iren noch mehr gangen sein. Hiemit lieber leser bewar dich Gott. ‹Br = j›