BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Doctor Johann Faust

Ende des 17. Jahrunderts

 

Doctor Johann Faust

Schauspiel in zwei Theilen

 

Zweiter Theil

 

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Actus VI.

 

Faust. – Wagner und Mephistopheles.

 

faust: Nun sind wir wieder in Wittenberg angelangt. Sag mir, Wagner, wie hast du dich und Pickelhäring seit meiner Abreise verhalten? [800]

wagner: Hochgeehrtester Herr Doctor, was mich anbelangt, so soll keine Klag kommen, beim Pickelhäring hätts wohl bester seyn können. (Ab.)

faust: Mephistopheles, lege dich zu meinen Füßen, denn ich habe dich nothwendige Sachen zu fragen.

mephistopheles: Hier lieg ich schon.

faust: Sage mir vo[n] dem Gefängniß der Hölle, von dem Abgrund der Verdammten und von der Qual der Verstoßenen.

mephistopheles: Du fragst, was die Hölle sey? Sie wird auch die brennende Höll genannt, da Alles brennet und glühet, und verzehret sich doch nicht. So heißt die Hölle auch eine ewige Pein, die weder Hoffnung, noch Ende hat, da man weder die Herrlichkeit Gottes, noch die Sonne erblicken kann.

faust: Ist denn ganz und gar keine Erlösung?

mephistopheles: Nein, ganz und gar nicht. Diejenigen, so einmal von Gottes Gnade verstoßen sind, müssen ewig brennen.

faust: Wenn du an meiner Statt von Gott als ein Mensch erschaffen wärest, was wolltest du thun, daß du Gott und den Menschen gefielest?

mephistopheles: Ich wollte mich gegen Gott biegen, so lang als ich einen menschlichen Athem in mir hätte; ich wollte mich befleißen, meinen Schöpfer nicht zum Zorn gegen mich zu reitzen; seine Gebote wollt ich halten so viel möglich, daß ich nach meinem Absterben die ewige Seligkeit gewiß erlangen möchte.

faust: So sage mir auch vom Himmel und von den Auserwählten.

mephistopheles: Es ist mir verboten, dir solches zu offenbaren. [801]

faust: Dieses verlange ich am meisten von dir zu wissen.

mephistopheles: Ich kann es aber nicht thun.

faust: Du sollst es aber thun.

mephistopheles: So flieh ich. (Ab.)

faust: Fliehest du? O erbarmenswürdiger Fauste; hast du Gnade nicht, die Seligkeit zu wissen! So bin ich denn verloren mit meiner Kunst? O meiner armen Seele! Ich will Gnade bei dem Himmel suchen und die gelernte Kunst sammt allen Teufeln verfluchen; ich will auf meine Kniee niederfallen und Gott um Verzeihung bitten. (Geht ab.)

mephistopheles: Es ist in unsrem Reich erschollen, daß Faust umkehrt und auf dem Weg der Bußfertigkeit meinen Klauen entgehen will; – da, hier liegt er auf seinen Knieen. Pfui, schäme dich!

faust: Weiche von mir, Höllengespenst, vermaledeite Furie!

mephistopheles: Wie? soll denn alle meine Müh, so ich mit dir gehabt, vergeblich seyn? O Pluto, komme zu Hülf! Faust, hier hast du Kron und Scepter! Man wird dir mehr Reverenz erzeigen als Alexandro magno und Julio Caesari.

faust: Meinest du, weil ich die heilige Theologie verlassen, ich müßte bei dir verharren? Nein, du kannst bei mir nichts richten, darum verlasse mich!

mephistopheles: Wie? will nichts helfen? Durch Schönheit der Weiber sind schon oft tapfere Helden gefallen; es soll dir auch also ergehen. (Zu Faust.) Sieh her, Faust, die griechische Schönheit Helena, um welcher willen Troja ist zerstöret worden!

faust: Ist das die Helena aus Griechenland? [802]

mephistopheles: Sie winkt dir. (Faust umarmt sie.)

faust: Was für eine wunderschöne Creatur!

mephistopheles: Ach, Fauste! sie macht dich glückselig.

faust: Macht sie mich glückselig?

mephistopheles: Ja, Faust, und über alle Menschen glückselig.

faust: Ist das die schöne Helena. Komm her, ich will dein Paris seyn! (Geht mit ihr ab.)