BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Gottfried Wilhelm Leibniz

1646 - 1716

 

Ermahnung an die Teutschen,

ihren Verstand und ihre Sprache

besser zu üben, samt

beigefügtem Vorschlag einer

deutschgesinnten Gesellschaft

 

1682/83

 

Text:

Leibnizens Ermahnung an die Teutsche,

ihren Verstand und Sprache beßer

zu üben samt beigefügten Vorschlag

einer Teutschgesinten Gesellschaft

herausgegeben von C. L. Grotefend

Hannover: Culemann, 1846

 

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Ermahnung an die Teutschen,

ihren Verstand und ihre Sprache beßer

zu üben, samt beigefügtem Vorschlag

einer deutschgesinnten Gesellschaft.

 

Es ist gewiß, daß nächst der Ehre Gottes einem ieden tugendhafften Menschen die Wohlfahrt seines Vaterlandes billig am meisten zu gemüthe gehen solle, welches dann sowohl unsre eigne angelegenheit (nicht allein umb der erhaltung sondern auch umb der vergnügung willen), als auch die gemeine schuldigkeit mit sich bringet. Denn was die erhaltung betrifft so ist bekand, daß eines ieden sicherheit auf der gemeinen ruhe sich gründe, deren Verstörung einem großen erdbeben oder Orkan gleich, darinn alles über und über gehet, da keiner mehr mit rath oder that sich helffen kan, sondern wer nicht zu entfliehen vermag, welches denen wenigsten wiederfähret, sich mit geschloßenen armen darein geben, und alle augenblick des Verderbens erwarten muß, wie wir in diesen Kriegsläufften gnugsam erfahren. Gleichwie aber das gemeine Unglück Unsre gefahr, also ist hingegen des Vaterlandes Wohlstand unsre vergnügung. Denn dadurch haben wir überfluß von allen dingen so das Leben angenehm machen, wir wohnen unter unsern weinstock und feigenbaum; die frembden erkennen und rühmen unser glück, und weil ieder ein glied dieses bürgerlichen Cörpers ist, so empfinden wir Kräffte von deßen gesundheit und fühlen alles, was ihn angehet, durch eine sonderbare Verordnung Gottes. Denn wo solte es sonsten hehrkommen, daß wenig gutartige Menschen zu finden, die sich nicht über ihres landes und nation, und sonderlich ihrer hohen Obrigkeit glück von ganzen Herzen freüen, oder die in der fremde nicht gleichsam ihr Herz mit einem landtsman theilen solten? Das band der sprache, der sitten, auch sogar des gemeinen Nahmens vereiniget die Menschen auf eine sehr kräfftige wiewohl unsichtbare weise, und machet gleichsam eine art der Verwandschafft. Ein brief, eine Zeitung so unsre Nation angehet, kan uns kräncken oder fröhlich machen. Das können uns fremde gleich an den augen ansehen: und dafern sie verständig seyn, müßen sie unsre Neigung loben; der aber über seines Vaterlandes unglück freude bezeugen würde, den würden auch die so sich seyn gebrauchen in ihren herzen vor einen bösen und unehrlichen Menschen halten; welche Meinung von sich kein edles gemüth mit gedult vertragen kan. Über dieß so werden solcher Landesverräther wenig in ihrer bosheit so gar verhärtet seyn, daß sie nicht auch mitten in glück und fortgang ihrer bösen anschläge einen stets nagenden Wurm fühlen solten. Dahehr zu schließen, daß die liebe des Vaterlandes nicht nur auf einfältiger leute einbildung, sondern auf der wahren Klugheit selbst gegründet sey. Welche dann durch die Schuldigkeit bestärcket wird, so Gott und Menschen uns aufgeleget, Gott, dieweil er allezeit das Beste will; nun ist aber beßer was vielen als was einem ersprießlich, die Menschen aber, in dem sie diese undanckbarkeit nicht leiden können, daß der dem Vaterland leben und aufnehmen schuldig, sich deßen Wohlfahrt nicht weiter als sie ihm einträglich angehen laßen solte.

Ist nun einiger Mensch seinem Vaterland verpflichtet, so sind es wir, die das Werthe Teutschland bewohnen. Ich will nicht ausführen, daß ihm der Himmel gewogen, der es weder mit übermäßiger hize brennet, noch zu einer unerträglichen Kälte verdammet, daß ansteckende Kranckheiten bey uns seltsam, daß wir von Erdbeben fast nichts wißen, so Asien und Welschland erschrecken, daß unser erdreich mit metallen durchzogen, mit früchten bedecket, mit thieren angefüllet, und da wir Unser glück erkennen wolten, uns fast alles zu hause giebt, was nicht nur zur nothdurfft sondern auch zur beqvemligkeit, wohllust dienet. Wachsen bey uns die Oranienäpfel nicht von sich selbsten, so haben wir auch keine Scorpionen zu fürchten. Und unsre Borstorffer laben mehr als was uns Indien schicket. Worumb solte man bey uns nicht sowohl guthe seide und zucker als herrliche weine zeugen können, die nicht weniger der Sonne bedürfftig? Wenn unsre Leinwand recht verarbeitet, können wir des schädlichen Catoens wohl entbehren. Mit Metallen haben wir den vorzug in Europa, und sind die metallischen Künste bey uns aufs höchste gestiegen. Wir haben zuerst eisen in stahl verwandelt und Kupfer in Meßing; wir haben das eisen überzinnen erfunden, und viel ander nüzliche wißenschafften entdeckt, also daß unsere Künstler in der edlen Chymie und bergwerckssachen der gantzen welt lehrmeister worden. Wir haben reiche salzquellen, und unvergleichliche sauerbrunnen, welche unter einem annähmlichen Schmack mehr als eine ganze Apotheke führen, und der Natur wunderlich zu statten kommen. Unsre SeeKüste ist mit ansehnlichen städten und herrlichen einfahrten bemercket; das innere unsers Landes wird von schiffreichen Waßern durchkreüzet. Es sind Stein= und Marmorbrüche in den felsen, und bauholz die fülle in den Wäldern, leder, rauchwerck, wolle, leinwand haben wir überflüßig; ja daß seide bey uns nüzlich zu zeügen habe bereits erwehnet, und sind davon unterschiedene Proben vorhanden, davon ich viel umbstände sagen köndte.

Wenn wir die gaben Gottes gnugsam zu brauchen wüsten, würde es uns kein land so gar an Zierde und beqvämligkeit zuvor thun. Aber wir laßen uns gewächse aus der frembde schicken, die bey uns ganze felder bedecken. Wir verwundern uns über den aüßerlichen glanz der fremden lande, durch die wir reisen, und bedencken nicht, daß allemahl das beste zur schau herausgeleget: sie wißen beßer als wir ihre ungelegenheiten zu verbergen, aber wer in das innere schauet, siehet ihr elend, und mus unser Teutschland loben, deßen rauhes ansehn einen nehrenden safft in sich hält. Denn seine hügel fließen mit wein und seine thäler trieffen mit fett. Wenn der Herr friede giebet, so wohnet freüde und Wonne in unsern Mauern. Gesegnet ist dieß land, wenn es den Herrn fürchtet, und wenn seine inwohner die tugend lieben. Gott hat den Teutschen stärcke und muth gegeben, und es reget sich ein edles bluth in ihren adern, ihre aufrichtigkeit ist ungefärbet, und ihr herz und mund stimmen zusammen. Wer höret bey uns von vergifftungen, damit man anderswo eigne Gerichte bemühet, und wie will man in diesen landen Meuchelmörder und falsche Zeugen gleich wie lehnpferde umbs lohn zu dingen finden? Wir hören von frembder boßheit reden gleichwie von selzamen wunderthieren; und da auch gleich einige glieder angestecket, so kan man doch sagen, daß der leib gesund sey.

Was ist edler als die Teütsche Freyheit und sagte nicht jener tapfere Fürst recht, Teutschland sey ein freyes Reich und billig das freyeste auf der Welt? Ich weis, einige Klugdünckende werden meiner alhier spotten. Ihr hochfliegender verstand ist dahin kommen, daß sie die Religion vor einen Zaum des Pöbels, und die freyheit vor eine einbildung der einfältigen halten. Bald sagen sie, es habe der Kayser die stände unterdrücket, bald wollen sie uns bereden, daß die Stände selbst ihre Unterthanen mit einer harten Dienstbarkeit beschwehren. Solche leüte soll man billig fliehen und haßen gleich wie die, so die brunnen vergifften. Denn sie wollen die brunquell gemeiner ruhe verderben, und die zufriedenheit der gemüther verstören. Gleichwie die, so schreckliche dinge außsprengen und dadurch die herzen der Menschen ängstigen; sie sind denen gleich so einen gesunden bereden, daß er krank sey, und verursachen dadurch, daß er sich lege. Anstatt daß sie unsre wunden mit oele lindern solten, so reiben sie solche mit salz und eßig. Aber wir sind gottlob noch nicht so unglücklich und unser kleinod ist noch nicht verlohren; unsre krone ist noch nicht von uns genommen, aber unsre wohlfart steht in unseren händen.

Ich habe allezeit dafür gehalten, und bin noch nicht davon zu bringen, daß das Teutsche Reich wohl geordnet, und in unser macht sey, glückseelig zu seyn. Die Mayestät unsers Kaysers und der teutschen Nation hoheit wird von allen Völkern annoch erkennet, bey Concilien, bey versamlungen wird ihm und seinen bothschafftern der Vorzug nicht gestritten. Er ist das weltliche Haupt der Christenheit, und der allgemeinen Kirchen Vorsteher. So groß nun des Kaysers Mayestät, so gelind und süß ist seine regirung: die sanfftmuth ist dem Haus österreich angeerbet und Leopold hat auch die ungläubigsten und argwöhnigsten zu erkennen gezwungen, daß ers mit dem Vaterland wohl gemeinet. Kan sich ein Reichsstand beschwehren, daß man seine clagen nicht höre oder daß er mit execution übereilet werde? Ist nicht vielleicht die allzu große lindigkeit das einzige, darüber man in Teutschland clagen könne? Was in diesen Krieg vorgangen, daran sind wir selbsten am meisten schuld, und da wir uns annoch wollen warnen laßen, so kan er uns zur lehre und künfftiger Verwahrung dienen. Und gleich wie in einem glaß, darinnen die so genanten vier Elementen eingeschloßen, wenn es geschüttelt worden, alles durch einander gehet, bald aber, wenn es ein wenig stillgestanden, iedes wiederumb seinen plaz findet; also kan verhoffentlich die numehr Gottlob erlangte ruhe alles zu rechte bringen.

Ist nicht die menge der fürstlichen höfe ein herrliches Mittel dadurch sich soviel leute hervor thun können, so sonst im staube liegen müsten? Wo ein ohnbeschrencktes haupt, da sind nur wenige der regirung theilhafftig, deren gnade die anderen alle leben müßen, da bey Uns hingegen wo höfe alda auch hohe bediente seyn, so etlicher maßen denen, Königlichen selbst an die seite treten dürffen, und ganz eine andere figur in der Welt machen als die so in nahmen bloßer unterthanen sprechen. Daher dann abzunehmen, daß diejenige so dafür halten die Teutsche freyheit beruhe nur in wenigen, denen die übrigen dienen müßen, und betreffe also die unterthanen nicht, auch zu weit in ihrer Meinung gehen. Denn wo ist ein land in der welt, da so viel nicht nur Fürstliche sondern auch Gräfliche haüser die von hohen Potentaten nicht in freyheit, sondern nur in macht unterschieden? Wo ist der Adel auserwehlter und glücklicher als in Teutschland? Es ist wahr, daß ein ieder edelman in Pohlen könne König werden, aber es ist nicht mehr, als ein König in Pohlen; in Teutschland können soviel hohe stiffter, so viel fürstliche Abteyen, so viel reiche praelaturen einen unterthan zum fürsten oder stand des reichs oder sonst großen Herrn machen; und die frembden, so von uns sonst nicht zum besten reden, müßen die schuldern ziehen, so offt sie nur an diesen Punct gedencken.

Wo ist auch eine größere Anzahl freyer städte als in Teütschland, und mus man nicht bekennen, daß Handel und wandel, nahrung und credit, ordnung und guthe polizey in gewißen dingen darinn blühen? Man läse wie ehemahlen Macchiavel in einem eignen bericht, so sich in seinen wercken findet, und Boccalin in seinem «Parnaß» von Teutschland weit beßer als wir selbst geurtheilet. Ich gehe noch weiter und sage, daß die Städte so unter Teutschen Fürsten seyn, sich nicht vor unglücklicher zu schäzen haben; wie man dann die bey denen änderung vorgangen, fragen kan, ob sie aniezo nicht weniger über ihren fürsten als vor diesen über ihren Rath clagen? So pflegen auch fürstliche städte offtmahls das hoflager zu haben, dadurch ihnen gewißlich mehr an ihrer nahrung zugewachsen, als an ihrer freyheit enzogen worden. Ich will der Stapelgerechtigkeiten, der Universitäten und ander Vortheil nicht gedencken. Die bauern selbst leben beßer als man meinet, und köndten noch beßer leben, wenn sie ein wenig mehr fleiß, lust, lebhafftigkeit und hurtigkeit spüren ließen und durch guthe anstalt zur rechten Nahrhafftigkeit ermuntert würden. An die offt ungegründete clagen des gemeinen Mannes haben sich verständige nicht zu kehren. Man weis, daß solche leute nie vergnügt, und offtmahls nie mehr ruffen als wenn ihnen zu wohl ist, dahehr sie Gott eine schärffere züchtigung offt gleichsam abnöthigen. Wir sperren uns bisweilen aus einer leidigen halsstarrigkeit, unser obrigkeit zu rechter Zeit zu hülffe zu kommen, und müßen hernach von fremden volck, so bey uns sich einlagert, uns das marck aussaugen laßen. Aus welchen allen ich dann schließe, daß uns nur der wille mangle, glückseelig zu seyn, daß die Teutsche Freyheit annoch wahrhafftig lebe, und nicht nur in der einbildung bestehe, und daß also ein wahrer Patriot das beste zu hoffen, sein Vaterland zu lieben, und zugleich dahin zu trachten habe, wie deßen glückseeligkeit nicht durch ohnmächtige wündsche, oder blinden eifer, sondern wohl überlegte Vorschläge, und deren getreuliche vollstreckung befördert werde.

Weil nun nicht zu zweifeln, daß noch mancher ehrlicher Teütscher ein rechtes Herz zu seinem Vaterlande habe, so werden numehr, da uns Gott vermittelst des edlen frieden einige lufft schöpfen, und aufs künfftige zu dencken Zeit läßet, verhoffentlich unterschiedliche nüzliche Vorschläge ans liecht kommen, und vielleicht durch Gottes gnade nicht ohne frucht abgehen, so dahin zielen möchten, wie die einigkeit der Gemüther befördert, die gemeine ruhe versichert, die Kriegeswunden geheilet, und die erliegende nahrung aufgerichtet werde. Allein dieweil solche berathschlagungs=puncte große Änderung erfodern und dahehr eigentlich vor hohe haüpter gehören, so wollen wir uns allhier solcher dinge nicht anmaßen, und solches nicht zwar als ob ich diejenigen tadele, so ihre wohlmeinende gedancken eröfnen (welches ferne von mir, in dem ich vielmehr wie Moses wündsche, daß das ganze Volck prophezeyen möchte) sondern dieweil ich allezeit die jenigen Vorschläge hochgehalten, die der Urheber selbst zum theil vollstrecken kan. Denn rathen leicht, aber die hände selbst anlegen iederzeit schwehr ist. Wollen derowegen andere hohe Materien, als eine stete verfaßung, dienliche engere reichsVerbindungen, Gemeinen pfennig, oder beständige Mittel, Vereinigung oder wenigstens Verträglichkeit der Religionen, beförderung der gerechtigkeit, regulirung der Münzen, aufrichtung und beförderung der Commercien undt Manufacturen, Zurechtbringung der KriegsDisciplin, und was dergleichen wichtige Puncten mehr, dießmahls bey seit sezen, und unser Vorhaben nur auff ein solches werck wenden, so wir nicht nur vorschlagen sondern auch vollstrecken können, welches in hohen Dingen nicht statt hat, alda einer privat person wohl zu reden zugelaßen, aber ohne sonderbaren hohen Antrieb nichts zu thun gebühret.

Da solte man nun wohl fragen, was dann nach außsezung obiger Haupt puncta wohl zu thun übrig bleibe; daran Teutschlande gelegen sey? Antworte: freylich nichts, wenn diese obgedachte herrliche Dinge schohn gethan weren, denn man nach vollführten bau nicht mehr der Handlanger bedarff. Alleine so großes glück können wir nach gemeinen lauff der natur sobald nicht hoffen: es sind noch einige kleinigkeiten übrig, welche so nüzlich seyn als sie gering scheinen. Ein kleines steinlein im schuh kan einen reisenden hindern, und eine fliege an der wand kan eines großen staatsmans gedancken verstören; also sind gewiße Sachen, so ins gemein verachtet werden, aber deren unsichtbare Würckungen ein großes zum guthen oder bösen vermögen.

Hier solte mancher meinen, man gehe etwa mit der Verbeßerung des Schulwesens und der Universitäten umb; daran freylich ein großes hänget, aber also ist es auch nicht gemeinet: es ist nicht ohne, daß dießfals viel schöhne Vortheil herfür kommen; aber sie sind theils mit gar zu großen ungestüm von ihren urhebern getrieben worden, welche zu viel von sich ausgeben und andere gegen sich verachtet, sonderlich aber die Profeßoren und andern, deren beruf die jugend zu unterweisen, auf eine harte weise angegriffen, und nicht bedacht, daß unter ihnen viel wohl verdiente leute, die mehrentheils thun, so viel in ihren kräfften, und sichs sauer gnug werden laßen; zu zeiten auch ihre wohl meinende gedancken nicht zu werck richten können, weil ihnen gelegenheit, gönner, mittel gemangelt, die hände durch statuten oder durch ihre collegen gebunden gewesen, und sonst viele Hindernüße, darüber sie selbst clagen, im wege gestanden. Soll man also vielmehr ihnen zu helffen, als sie zu beschimpfen und zu verkleinern oder ihnen einzugreiffen trachten. Ist derowegen gegenwertiges fürhaben dahin ganz nicht gerichtet. Man läßet billig den iezigen Zustand der Gelehrsamkeit in seinen Werth, der so böß nicht als manche glauben, und ohne großen nachtheil des Gemeinen Wesens nicht ganz umbzukehren. Was man alhier vorzutragen gemeinet, gehet auff der jugend erziehung nicht, es hat mit Universitäten und schuhlen nichts zu schaffen. Und ob es zwar von der Gelehrsamkeit nicht entfernet, so gehet es doch eben die allein nicht an deren profession ist, gelehrt geachtet zu werden; sondern alle die jenigen die ihr gemüth wohl vermittelst guther bücher, als nüzlicher gesellschafft, weiden wollen. Das ist nicht die so da ihre angehende studien fortsezen, sondern alle die, so dießfals ihr Ziel erlanget und bey ihren Amts= oder berufsgeschäfften sich nüzlich erquicken wollen. Solchen zu dienst und zur ergözligkeit, und aber zugleich, wie hernach erscheinen wird, zum gemeinen besten und zu ruhm und aufnehmen des Vaterlandes soll dieses gemeinet seyn. Weil nun unter solchen Personen nicht nur gelehrte sondern auch hof= und weltleüte, ja selbst und zuforderst das frauenZimmer und kürzlich auch alle die jenigen begriffen so unter den gemeinen Man nicht zu rechnen, so wird dienlich seyn alhier zu erclären, worinn eigentlich der gemeine Man von denen unterschieden, die Prometheus aus edlern laim gebildet. Denn an sich selbsten nicht reichthum noch macht oder geschlecht, sondern die gaben den unterschied machen. Wenn man nun mich fragen will, was eigentlich der gemeine Man sey, so weis ich ihn nicht anders zu beschreiben, als daß er die jenigen begreiffe, deren gemüth mit nichts anders als gedancken ihrer Nahrung eingenommen, die sich niemahls höher schwingen und so wenig sich einbilden können was die begierde zu wißen oder die gemüths lust vor ein ding sey, als ein taubgebohrener von einen herrlichen Concert zu urtheilen vermag. Diese leüte sind ohne erregung und feuer, es scheint, sie seyen zwar aus der Adamischen erde gemacht, allein der Geist des lebens sey ihnen nicht eingeblasen worden. Sie leben in der welt in den tag hinein, und gehen ihren schritt fort, wie das Vieh. Historien sind ihnen so guth als mährlein, die Reisen= und welt beschreibung fechten sie nichts an, dahehr sie auch die weisheit und regirung Gottes wenig betrachten. Sie dencken nicht weiter als sie sehen; man wird auch sogar finden, daß sie denen feind seyn, so etwas weiter gehen und sich von diesen hauffen absondern wollen. Kommen solche leute zusammen so sind ihre unterredungen offt nichts als Verleimdungen ihres nächsten, und ihre lust ist viehisches sauffen; oder spizbübisches karten spiel. Von diesen tummen Volck, sind alle diejenigen abzusondern, so ein mehr freyes leben führen; die eine beliebung an Historien und reisen haben, die bisweilen mit einem annehmlichen buche sich erquicken, und da in einer gesellschafft ihnen ein gelehrter und beredter man aufstößet, solchen mit sonderbarer Begierde anhören. Solche leute sind gemeiniglich eines weit edlern gemüths und tugendhafften lebens, sie sind auch dem gemeinen Wesen verträglich, sie werden nicht gegen ihre Obrigkeit toben, noch des pöbels gemüths bewegungen folgen, sondern sich gern von ihren vorgesezten weisen laßen, und weil sie weiter hinaus sehen als andere, so können sie auch iedesmahl die beschwehrliche Zeiten, die gemeine noth und die Vorsorge ihrer Obrigkeit beßer beherzigen. Sie werden auch in Krieges sachen nicht ein blindes wesen und tolle lust alles zu verderben sondern ein ehr= und ruhmliebendes gemüth, auch mehr herz und verstand spüren laßen; und zu allen Kriegs und friedens Ämtern und Verrichtungen geschickter seyn. Je mehr nun dieser leute in einem land ie mehr ist die Nation abgefeinet oder civilisirt, und desto glückseeliger und tapferer sind die einwohner.

Können wir nun dieser Leute Zahl vermehren; die lust und liebe zu weisheit und tugend bey den Teutschen hefftiger machen, die schlaffenden erwecken, oder auch diesen reinen feüer, so sich bereits in vielen treflichen gemüthern sowohl bey standesPersonen, als auch so gar bey niedrigen leuten, und nicht weniger bey dem liebreichen frauenZimmer als tapfern Männern entzündet, neüe und annehmliche nahrung verschaffen, so achten wir dem Vaterland einen der grösten Dienste gethan zu haben, deren privatpersonen fähig seyn.

Dieß ist unser Vorhaben, welches niemand eingreifft, noch beschwehret: dieß ist der Vorschlag, welchen wir nicht nur thun, sondern auch durch ander wohlmeinenden Personen vereinigung vollstrecken können; dieß sind die studien, welche wir befördern, dahin ist die Teutschgesinte gesellschaft gemeinet, deren art aber auß folgenden mehr erscheinen wird.

Damit man nun solches alles deutlicher vorstelle, so ist zu bedencken, daß die gemüths=Lust in zweyen dingen beruhet, beliebiger Verrichtung und annehmlichen Gedancken. Und gleichwie uns aniezo die Verrichtungen eigentlich nicht angehen, also wollen wir nur alleine alhier bedencken, daß guthe Gedancken sowohl von lesen der bücher, da lust und nuzen, als auch besuchung solcher gesellschaft, da man etwas ersprießliches höhren und auch anbringen kan, zu entstehen pflegen. Deren beydes in Teutschland also wohl nicht eingerichtet, wie es seyn köndte, und bey denen ausländern gespüret wird. Maßen wenig rechtschaffene bücher vorhanden so in teutscher sprache geschrieben und den rechten schmack oder safft haben, welchen einige andere Völcker in ihren schrifften so wohl zu unterscheiden wißen.

Wir schreiben gemeiniglich solche bücher, darinnen nichts als zusammen gestoppelte abschrifften aus andern sprachen genommen, oder zwar unsre eigne aber offt gar ungereimte gedancken und unbündige vernunfftschlüße, deren iezo manche herumb lauffende chartequen voll seyn, dannnen weder Krafft noch leben, deren ungeschicktes Wesen so offtmahls mit der gesunden vernunfft streitet, dem leser etlicher maßen anklebet und die reinigkeit des Verstandes auf eine ohnvermerckte weise verlezet. Weil man nun dergestalt bey uns insgemein fast keine wahl nicht hält, so gehet es uns etlicher maßen wie den Nationen so von einer schöhnen Music nicht zu urtheilen wißen; oder wie den Münchsgelehrten vor etlich 100 jahren, da man den rechten geschmack der edlen wißenschafft verlohren gehabt, und sich an statt eines wohl gesichteten Weizens, mit eicheln, spreu und Kleyen beholffen, bis etwa im vorigen jahrhundert das liecht recht wieder angezündet worden. Darauf dann auch alsbald in den schrifften sich ganz ein ander glanz hervorgethan, der numehr bey denen welschen, Franzosen und Engländern nicht nur denen Gelehrten eigen blieben, sondern bis in die Muttersprache selbst herabgefloßen.

Daß es aber bey Uns Teütschen so weit nicht als bey ihnen kommen, solches hat viele Ursachen; ich will von denen Kriegen nicht sagen; die alle guthe gedancken verstöret, so will ich auch nicht weitläufftig erwehnen, daß bey Uns keine rechte allgemeine Hauptstatt sey, die vor einen brunquell der Mode, und Richtschnur der Nation zu halten, aus welchen mangel erfolget, daß die gemüther sich nicht auf einen weg gefunden, noch ihre meinungen zusammen gefüget, sondern daß manche guthe gedancken so zu sagen wie zerstreuete und abgebrochene blumen verwelcken müßen. So will auch nicht erwehnen, daß wohlmeinende leute wenig befördert, oder belohnet worden und hohe standesPersonen nicht allemahlen solche Neigung wie ander Nationen beyspiel nach zu wündschen gewesen spüren laßen. Auch die religions=trennung in den Studien selbst einen solchen riß in Teutschland gemacht, daß wer deren zustandes kundig, den überaus großen unterscheid der erziehungsart selbsten gnugsam spürt. Solches alles nun zu übergehen ist gnug, daß mir zu erweisen getraue, wie daß alle diese hinderungen nicht unüberwindtlich seyn, nachdem nun Gottlob der friede uns wiederumb einen annehmlichen blick geben, und obzwar nicht ohne ist, daß wenn Kayserl. May.t in einer großen Reichsstadt mitten in Teutschland wohnen solte (welches aber auch nur umb der Ursachen wegen bedencklich, daß auf den fall vielleicht Wien bereits verlohren were), so würde ich gestehen, daß alda sowohl die Teutsche Macht als Weißheit ihren hauptsiz haben, und von dannen sich in die Provinzien des Reichs ausbreiten würde; allein wenn ich hingegen bedencke, daß in Welschland dergleichen hauptstadt auch nicht immaßen die italiensche Sprach vielleicht mehr Florenz als Rom zu dancken; so glaub ich, daß diese hindernüß eben so viel nicht zu bedeüten habe. Hoher Personen Neigung ist freylich das jenige so die gemüther erwecken und niederschlagen kan. Man weis, daß Leo der Zehndte und Franciscus der erste denen studien gleichsam ein neues leben eingegoßen, und Franckreich hat dem Cardinal von Rischelieu zu dancken, daß nicht nur seine Macht sondern auch seine beredsamkeit auff diese gegenwärtige staffel kommen. Allein wir haben auch dießfals in Teutschland nicht zu clagen, und scheinet, daß bey uns mehr einigen gelehrten als hohen Potentaten die schuld zu geben. Ich will die unsterblichen Nahmen derer fürsten alhier nicht anführen, welche in die so löbliche gesellschafften getreten, dadurch man die Teutschen Gemüther erwecken wollen, und die gewislich nicht geringe frucht gebracht. Unser gelehrten aber, so dazu lust bezeiget, sind sehr wenig gewesen, theils weil einige unter ihnen gemeinet, daß die Weisheit nicht anders als in Latein und Griechisch sich kleiden laße; oder aber auch weil manche gefürchtet, es würde der welt ihre mit großen worthen gelarffte geheime unwißenheit entdecket werden. Davor aber haben sich grundgelehrte leüte nicht zu befürchten, sondern vielmehr vor gewiß zu halten, daß ie mehr die weißheit und wißenschafft unter die leute kommen wird, ie mehr sie ihrer Vortrefligkeit zeügen finden werden; dahingegen die, so unter einem lateinischen mantel gleichwie mit einem Homerischen Nebel bedecket, sich unter die wahren gelehrten gestecket, mit der Zeit recht entdecket und beschämet werden würden. Wie sichs dann auch in Frankreich also befunden, denn nachdem es dahin kommen, daß auch Damen und Cavalier einigen schmack der Wißenschafften und Gelehrsamkeit in der Mutter sprach erlanget, so sind zwar aufgeblasene Pedanten mit samt ihrem Wortgezänck in Verachtung kommen; aber Wohlverdiente Personen bey großen Herren umb soviel desto mehr erkennet, belohnet und erhoben worden. In Teutschland aber hat man annoch dem Latein und der Kunst zuviel, der Muttersprach aber und der Natur zu wenig zugeschrieben, welches denn sowohl bey den gelehrten als bey der Nation selbst eine schädtliche würckung gehabt; denn die gelehrte, in dem sie fast nur gelehrten schreiben, sich offt zu sehr in unbrauchbaren dingen aufhalten; bey der ganzen Nation aber ist geschehen, daß die jenigen: so kein latein gelernet, von der wißenschafft gleichsam ausgeschloßen worden, also bey uns ein gewißer geist und scharffsinnige gedancken, ein reiffes Urtheil, eine zarthe empfindligkeit deßen so wohl oder übel gefaßet noch nicht unter den Leüten so gemein worden, als wohl bey den ausländern zu spüren, deren wohlausgeübte Muttersprach wie ein rein polirtes glas gleichsam die scharffsichtigkeit des gemüths befördert, und dem verstand eine durchleuchtende clarheit giebt. Weil nun dieser herrliche Vortheil Uns Teütschen annoch gemängelt, was wundern wir uns, daß wir in vielen stücken, und sonderlich in denen dingen, da sich der verstand mit einer gewißen artigkeit zeigen soll, von fremden übertroffen worden? Daher nicht allein Unsre Nation gleichsam wie mit einer düstern wolcke überzogen bleibet, sondern auch die so etwa einen ungemeinen durchdringenden Geist haben, und das so sie suchen nicht zu haus sondern auf ihren reisen und in ihren büchern, bey Welschen und Franzosen finden, gleichsam einen Eckel vor denen Teutschen schrifften bekommen, und nur was frembd lieben und hochschäzen; auch kaum glauben wollen, daß unsre Sprach und unser Volck eines beßeren fähig sey. Sind wir also in denen dingen so den Verstand betreffen bereits in eine Slaverey gerathen, und werden durch unsre blindheit gezwungen, unsre art zu leben, zu reden, zu schreiben, ja so gar zu gedencken, nach frembden Grillen einzurichten.

Es haben die preiswürdigen Personen so sich unser sprache angenommen viele Jahre mit der Teutschen Nachläßigkeit und selbstVerachtung gestritten; aber nicht gesieget. Ja das übel ist so hoch gestiegen, daß es nicht mehr mit Reimen und Lust=schrifften, wie wohl sie auch gesezet, zu erreichen, und zu übermeistern, sondern ander zeug von mehr gewicht und nachdruck vonnöthen. Denn gleich wie auch ein starcker arm eine feder so weit nicht werffen kan, als einen stein, also kan auch der herrlichste Verstand mit leichten waffen nicht gnugsam ausrichten. Mus also der nuzen mit der annähmligkeit vereiniget werden, gleichwie ein bolzen, so von einem stählinen Armbrust in die ferne lufft getrieben werden soll, sowohl mit federn versehen, als mit metall gekrönet zu seyn pfleget. Dahehr weil die meisten derer, so sich die ehre der teutschen sprache angelegen seyn laßen, der Poeterey vornehmlich nachgehänget, und also gar selten etwas in teutsch geschrieben worden, so einen Kern in sich habe, auch alles gemeiniglich in andern sprachen beßer zu finden, so ist kein wunder, daß es bey der eingerißenen Verachtung der unsrigen verblieben. Zwar es were wahrlich guth, wenn man deren viel wüste, so nur ein teütsches Klinggedichte also faßen köndten, daß es ander sprachen Zierligkeit entgegen zu sezen; allein das ist nicht gnugsam, unser heldensprache Ehre bey den frembden zu retten oder deren unartigen landesKinder Neid und leichtsinnigkeit zu überwinden, dieweil die jenigen, so selbst nichts guthes thun, auch der besten anschläge so lange spotten, bis sie durch den unwiedersprechlichen ausgang des nuzens überzeuget; daraus denn folget, daß keine Verbeßerung hierin zu hoffen, solange wir nicht unsre Sprache in den Wißenschafften und Hauptmaterien selbsten üben, welches das einzige Mittel sie bey den ausländern in hohen werth zu bringen und die unteutschgesinten Teutschen endtlich beschähmt zu machen. Dann Unser Teutsche garten mus nicht nur anlachende Lilien undt Rosen sondern auch süße Äpfel und gesunde Kraüter haben. Jene verlieren bald ihre schöhnheit und geruch, diese laßen sich zum gebrauch behalten. Hat man sich also nicht zu verwundern, warumb soviel hohe Standes Personen und andere Vortrefliche leüte das werck so sie angegriffen nicht gnugsam gehoben; dieweil man ungeacht des nahmens der Fruchtbringenden sich gemeiniglich nur mit solchen gewächsen beholffen, welche zwar blumen bringen aber keine früchte tragen. Maßen die blumen der zierlichen einfälle ihre annähmligkeit gleichsam unter den händen verlieren, und bald überdruß machen; wenn sie nicht einen nehrenden safft der unvergänglichen Wißenschafften in sich haben. Welches ich nicht darumb gedencke, als ob ich dieses herrliche vorhaben unser Vorgeher (dem wir was noch von der teutschen Reinigkeit übrig blieben, mehrertheils schuldig), tadeln wolle, denn ich wohl weis, daß anfangs sich nicht alles thun läßet, sondern ich werde gezwungen, obstehendes nur zu meiner Verthaidigung anzuführen, damit man zwey Dinge zugleich sehe: nehmlich nicht allein warumb bishehr noch nicht gnugsam ausgerichtet worden sondern auch warumb gleichwohl annoch hofnung übrig sey. Sonsten würde man mir außer Zweifels gleich im ersten anblick vorwerffen, daß nur lauter vergebens sey, sich weiter mit einer sache zu bemühen, die auch so hohe geister nicht ausgeführet; nachdem die gewalt unsers Verhängnüßes alles, so man aufgebauet, mit sich fortgerißen hätte; und nur dadurch erschienen were, daß wir unserm unglück zu steuern nicht gewachsen seyen; also beßer sey, den strohm fließen laßen und die nachwelt Gott zu befehlen, als solchen starcken lauff durch einen vergeblichen Damm hemmen wollen, da doch wenn er durchbrochen nichts mehr als eine noch weit schädtlichere ergießung entstehe. Darauf ich nicht beßer antworten kan, als daß man bishehr diesen Damm zu machen nur kleine steine, sand und erde zusammengeschüttet, mit nichten aber große stücken von beständigen steinen beybracht, also den lezten ernst noch nicht gebrauchet, wiewohl es numehr wahrlich hohe zeit were, weil vielleicht nach längerer säumung darauff zu gedencken zu spät seyn dürffte.

Ich muß bekennen, es sey leider dahin kommen, daß man vielleicht weil Teutschland stehet, nie darinn unteutscher und ungereümter geredet. Ich ruffe zu zeügen an, was uns die halbjährige Meßen herfürbringen; darinn ist offt alles auf eine so erbärmliche weise durch einander geworffen, daß manche so gar nicht einmahl zu erwegen scheinen was sie schreiben. Wolte Gott es were iedesmahl unter zehn solcher fliegenden papiere eines, so ein frembder ohne lachen, ein Patriot ohne zorn lesen könne. Ich kenne vornehme Franzosen, denen ihre geschäffte und reisen gelegenheit und lust gemacht, unsre Sprache zu verstehen, und denen ich nachsagen kan, daß sie weder aus bewegung noch aus ekel, sondern aus bloßer Verwunderung über unser ungereimtes Wesen mit verächtlichen worthen herfür gebrochen; umb soviel desto mehr, da sie auf mein anzeigen gesehen, daß es uns an guthen meistem nicht mangle, deren herrlicher schrifften sich keine Nation zu schämen hätte. Daraus sie dann unverhohlen gegen mich geschloßen, sie sähen wohl, daß es mit Teütschland auf die Neige komme, und einigkeit, tapferkeit und Verstand mit einander sich verlieren. Dahingegen bey ihnen überall die helle Sonne aufgehe. Wie mir dabey zu muthe gewesen, mag ich nicht wohl sagen, und laß ich einen ieden bey sich selbst prüfen, ob er Teütsch bluth in seinen adern habe, wenn er dieses ohne empfindung höhren oder lesen kan. Ich will Staats und Krieges=Sachen wie obgedacht an die seite sezen; denn ich glaube, Gott werde einen weg zu unser wohlfart finden, und dieses Reich, so der Christenheit Hauptfeste ist, gnädiglich erhalten; so wird auch das höchste Oberhaupt samt andern Potentaten und ständen mittel wißen, dadurch die teütsche tugend wieder zu vorigen glanz kommen möge. Was aber den Verstand betrifft und die Sprache, welche gleichsam als ein heller spiegel des Verstandes zu achten; so glaub ich dießfals habe ein ieder macht seine gedancken vorzutragen, ja es ist schwehr, zugleich sein Vaterland lieben, dieses unheil sehen, und nicht beclagen.

Ich weis, daß Leüte seyn, deren Verstand und tugend ich erkenne und ehre, welche glauben, man solle sich mit verbeßerung der sprache nicht aufhalten, und nur auf die Sachen selbsten gehen; die Sprache sey deswegen erfunden, daß wir uns zu vernehmen geben, und andere bewegen; sind ihnen nun unsre worthe bekandt, und sind die worthe nachdrücklich und rührend, so habe man sich ferner nicht zu besinnen ob sie Opiz und Fleming verdammen möchten; es were dann, daß man mit einem liebhaber der Sprach=Zierde zu thun hätte, bey dem man eine guthe sache mit einer schlimmen red=art verderben möchte. Sey nicht das französische selbst eine Vermischung des lateinischen und teutschen, so anfangs sehr ungereümt gewesen, aniezo durch vielen gebrauch alle gleichsam abgeschliffene rauhigkeit verlohren. So mache sich ein Engländer und Holländer kein gewißen, fast in einer zeile spanisch, welsch und franz zu reden, was wolten wir uns den(n) zeihen, die wir doch selbst ihre bücher als zierlich geschrieben so hoch rühmen?

Diese gründe sind nicht ohne schein, so gestehe ich auch gern, daß leute seyn, die sehr wohl das ist vernehmlich und kräfftig schreiben, und doch ihre schrifften mit allerhand sprachen durchspicken, so will ich auch nicht, daß mein urtheil so ich von den gemeinen Mischmäschern fälle, diesen Personen nachtheilig sey. Denn sie schreiben offtmahls in solcher eil, wegen überhaüffter geschäffte, daß sie kaum einmahl wiederlesen können, was sie geschrieben, und sind froh, wenn sie ihre haüfig andringende und sonst verschwindende gedancken in aller eil dem Papier zu verwahren geben. Daß nun solche es bey dem übel eingerißenen Gebrauch laßen, und die ihnen zuerst vorkommende worth ergreiffen, darumb sind sie nicht zu verdencken; denn ja offtmahls die frembden uns gelaüffig, und die teutschen frembd worden, dahehr man sich billig in den gebrauch schicket, wenn man ihn nicht ändern kan. So bin ich auch so aberglaübisch teütsch nicht, daß ich nur umb eines nicht gar zu teutschen worthes willen, die Krafft einer bündigen rede schwächen wolle. Wir müßen allemahl das jenige thun, so gestalten sachen nach das beste ist, und uns nach der Welt richten, die sich nach Uns nicht richten wird. Wer wieder den strohm schwimmen oder wieder eine Mauer rennen will, wird sich seiner beständigkeit nicht lange rühmen können.

Allein dieses alles entschuldiget die jenigen nicht so nicht aus noth, sondern aus fahrläßigkeit sündigen, denen keine eilende Post die worth abdringet, und denen das bücherschreiben niemahls durch Kayserlichen befehl aufgeleget worden. Sagen sie, daß sie nach vielen nachsinnen und Nagelbeißen kein teutsch gefunden, so ihre herrliche gedancken auszudrücken guth gnugsam gewesen, so geben sie wahrlich mehr die armuth ihrer vermeinten Beredsamkeit, als die vortrefligkeit ihrer einfälle zu erkennen. Ich frage, ob ihre Vorfahren wohl auch der so hohen geistreichen sinnen fähig gewesen, und auf den fall, ob sie dann würden verstummet seyn? Alleine wir haben über unser Schrifftler alzu große geistigkeit nicht zu clagen; es ist alles leider so irrdisch und kriechend (doch einige wenige ausgenommen deren gedancken ich eben so sehr loben, als ich ihre schreibart tadeln muß), daß es mehr erbärmung als Verwunderung erwecket. Ich erinnere mich unterschiedlich mahl, daß ich über einige vor jahren gestellte Bücher <kommen>, deren autor ein guther ehrlicher alter teutscher, wie wohl sonst ein schlechter man gewesen, ich in mich gangen und mich mein selbst und unser Zeit geschämet, wenn ich betrachtet, wie alles so deutlich, so nachdrücklich und dabey so rein und so natürlich gestellet, daß ich offt zweifelen müßen, ob ichs ihm würde haben nachthun können; und dennoch war gnugsam zu spüren, daß ihm solches ohne viel nachsinnen aus der feder gefloßen Was ist beweglicher als was einige, auch ungelehrte aber sinnreiche leüte, die ich alhier weder loben noch tadeln will, in teutscher sprache geschrieben und welche einen großen anhang gefunden? Ich kan auch nicht glauben, daß müglich sey, die Heilige Schrifft in einiger Sprache zierlicher zu dolmetschen als wir sie in Teutsch haben, so offt ich die Offenbahrung auch in teutsch lese, werde ich gleichsam entzücket und finde nicht nur in den göttlichen gedancken ein hohen prophetischen geist, sondern auch in den worthen selbst, eine recht heroische und, wenn ich so sagen darff, Virgilianische Majestät. Wie haben es doch unsre vorfahren vor etwa hundert und mehr jahren gemacht, daß sie ganze folianten mit reinem teutsch gefüllet, dann wer sagt, daß sie nichts lesenswürdiges geschrieben hat sie nicht gelesen. Wer spüret nicht in den Reichsabschieden den Unterschied der Güldenen und eisernen zeit, wann er siehet, daß die teutsche sprache und die teutsche ruhe zugleich übern hauffen gangen, und auff einmahl unser ruhm, und unsre sprachrichtigkeit von uns gewichen? Von der Zeit an haben teutsche Kriegsheere fremden befelichhabern gegen ihr Vaterland zu gebote gestanden, und das teütsche blut ist der ausländer mit falschen anerbieten übertünchter landgierigkeit aufgeopfert worden. Von der Zeit an, hat auch unsre sprache die zeichen unser angehenden Dienstbarkeit tragen müßen. Gott wende diese Ahndung in gnaden ab, damit ja nicht, nach dem es nun fast an dem, daß die sprache zugrund gerichtet, es mit der teütschen freyheit geschehen seyn möge.

Einmahl befindet sich aus allen geschichten, daß gemeiniglich die Nation und die sprache zugleich geblühet, daß der Griechen und Römer macht aufs höchste gestiegen gewesen, als bey jenen Demosthenes, bey diesen Cicero gelebet, daß die iezige Schreibart so in Franckreich gilt, fast Ciceronianisch, da eben auch die Nation in Krieg und FriedensSachen sich so ohnverhofft und fast unglaublich hervor thut.

Daß nun solches ohngefehr geschehe glaub ich nicht, sondern halte vielmehr dafür, gleich wie der Mond und das Meer, also habe auch der Völcker und der Sprachen ab= und aufnehmen eine verwandnüß. Dann wie obgedacht, so ist die Sprache ein rechter Spiegel des Verstandes und dahehr vor gewiß zu halten, daß wo man ins gemein wohl zu schreiben anfänget, daß alda auch der Verstand gleichsam wohlfeil und zu einer currenten wahre worden. Solches trifft nun in Franckreich also zu, daß wir nicht durch unzeitigen eifer verbländet, und beyder Nationen thun kündig, gestehen muß, was offt bey uns vor wohl geschrieben geachtet wird, sey ins gemein kaum dem zu vergleichen so in Franckreich auf der untersten Staffel stehet, und allen denen gemein, so sich nur mit schreiben im geringsten einlaßen, oder unter den andern mit durchlauffen dürffen. Hingegen wer also franz schreiben wolte, wie bey uns offt teutsch geschrieben wird, der würde auch vom frauenZimmer getadelt und bey denen Versamlungen verlachet werden. Welches alles ich dann nicht nur von der reinigkeit der worthe, sondern von den arthen der Vernunfftschlüße, den erfindungen, der wahl, der eigentlichen deutligkeit, der selbstwachsenden Zierde und summa der ganzen einrichtung der Rede will verstanden haben: wobey es uns allenthalben mangelt. Irren dahehr die jenigen sehr, welche sich einbilden, daß die wiederbringung der Teutschen Beredsamkeit nur allein in ausmusterung ausländischer wörther beruhe. Ich halte dieses vor das geringste, und will keinem über ein fremd worth so wohl zu paße komt den proceß machen, aber das ungereimte, unnöthige einflicken ausländischer, auch nicht einmahl verstandener nicht zwar worte, doch red=arthen, die ganz gleichsam zerfallende säze und abtheilungen, die ganz unschickliche zusammenfügungen, die untaugliche Vernunftsgründe, deren man sich schämen müste, wenn man nur etwas zurückdencken wolte: Dieß alles ist, was nicht nur unsere sprache verderben sondern auch ie mehr und mehr die gemüther anstecken wird. Man gebe achtung darauf, so wird man befinden, daß anderswo offt Knaben von zwölf Jahren mit einander vernünfftiger reden als offtmahls bey uns Jünglinge von zwanzigen, und daß ein paar französische Damen von ihren hausgeschäfften und angelegenheiten eine so ernsthaffte, ordentliche und bündige unterredung halten können, als ein paar Reichsräthe von landesgeschäfften. Wem soll man dieses zuschreiben, als daß sie von jugend auf nicht nur sowohl zierliche als auch nachdenckliche bücher lesen, und ihre gesellschafften nicht mit (wie wir) abgeschmackten possen, sondern mit annehmlichen gedancken zubringen, die durchs lesen entstanden und durchs gespräch nüzlich anbracht worden? Dieß ist großentheils die ursach ihres vortheils, den sie vor uns haben; denn hats die lufft mit andern Elementen gethan, warumb sind denn diese Nationen lange Zeit barbarisch gewesen, es hätte sich dann der himmel unter dessen geendert? Ich bin nicht in abrede, daß die lebensmittel, und Nahrung so man genießet, ein großes Vermögen, aber die erziehung überwindet alles, und die Franzosen sagen recht: Geschäffte machen leüte, welches billig von aller übung zu verstehen.

Man laße einen jungen Menschen mit denen umbgehen so ungeschickt reden, man laße ihn abgeschmackte Bücher lesen und viel in unbelebte gesellschafften kommen, es wird ihm lange gnug anhängen. Soll dann diese gegenwärtige fast allgemeine GrundVerderbung der Teutschen beredsamkeit nicht ihre Würckung bis in die zahrten gemüther erstrecken? Man mus lachen wieder seinen willen, wenn man höhret und siehet, daß numehr manche PfarrHerren auf Canzlen und Advocaten in Schrifften mit Rothwelschen französisch umb sich werffen, aber man wird gar anders als zu lachen beweget, wenn man siehet, wie die ganze rede so kahl ablaüfft, wie sogar weder krafft noch safft darinne, ja was noch mehr, wie die gesunde Vernunfft überall nicht weniger als der teutsche Priscianus nothleide.

Weil nun dieses übel gleichsam zu einer ansteckenden LandSeuche worden, was wundern wir uns, daß die von unsern Vorfahren annoch übrige auf uns geerbte edle teutsche tugend auch zu grunde gehet, dann was ist die tugend ohne Verstand? Wer siehet nicht, daß der so blind zufallen will im Krieg heßlich anlaüfft, und daß die ballen einen guthen spieler gleichsam zu suchen scheinen?

Mancher wird mir antworten, ich solle unsre Zeiten so sehr nicht verachten, es sey viel mehr das wiederspiel. Dann vor wenig jahren sey man allezeit toll und voll gewesen, iezo komme dieses tumme laster allmählig ab, wenn unsre Vorfahren wieder aufgezogen kommen solten, würde man sie vor bauern halten. Man solle unsren hausrath, unsre tafel, unsre gegenwertige manierligkeit, gegen die vorige einfalt stellen, und denn urtheilen, an welcher seite mehr wiz sey. Ich antworte darauf, daß wann man verstand in verschwendung und zärtligkeit suchen will, so sey er bey uns hochgekommen: ich will wohl glauben, daß unsre vorfahren kein chocolate gekennet, und das, was vom The abgekocht, vor ein Kreüterbad gehalten haben würden, daß sie weder aus silber noch aus porcellan gegeßen noch die Zimmer mit Tapezereyen bekleidet; noch trachtenpupen von Paris kommen laßen. Aber daß ihren Verstand etwas dahehr abgangen, damit bin ich nicht einig. Sind denn das die herrliche RegirungsKünste: ist das so land und Leute glückseelig machet? Schicket man deswegen junge leute in die welt, und läßet sie ein groß theil ihres Erbguths verzehren: daß nehmlich ein französischer Schneider oder Koch oder auch wohl gar Chirurgus etwas zu thun bekomme, und wir uns auch noch sogar zuhause narren laßen. Ich will diese Dinge nicht zwar an sich selbst und insgemein verdammen; verständige leüte wißen damit umbzugehen wie kluge Medici mit Chymischen arzneyen, aber daß man aus solchen kleinigkeiten die glückseeligkeit unsrer zeiten machen will, das ist ungereimet. Eines were zu loben, wenn die französische Mode das übermäßige sauffen abbringen köndte; doch sorge ich, man werde den teufel mit Beelzebub vertreiben, und bin fast der meinung, daß weiland ein trunckener alter Teutscher in reden und schreiben mehr verstand spüren laßen, als aniezo ein nüchterner französischer Affe thun wird. Denn wie soll ich diese teütsche Väntgen anders nennen; welche indem sie nach dem frembden schatten schnappen die rechtschaffene teütsche that verlieren, und nicht sehen, daß allemahl was gezwungen und nachgethan abgeschmackt ist. Beßer ist ein Original von einem Teütschen, als eine Copey von einem Franzosen seyn. Es were ein anders werck, wenn auch von uns etwas aniezo gefunden würde, deßen beqvemligkeit auch die ausländer nachzuahmen zwingen köndte, weil aber unser reden, unser schreiben, unser leben, unser Vernünfftlen in einer Nachäffung bestehet, so ist leicht zu erachten, daß wir die hülse vor den kern bekommen, und daß es uns fast gehet wie denen Kindern in einer kleinen stadt, da etliche durchstreichende Comoedianten etwa acht Tage über gespielet. Denn da wollen die Kinder alle Comedien spielen, und hanget ihnen das Narrenwerck so sehr an, daß sie fast darüber ihrer schuhle und andern thuns vergeßen.

Ich will iezo von der einreißenden Gottes=Vergeßenheit und fremden lastern nichts gedencken. Nur dieses ist gewiß, daß wo wir also fortfahren, weder aufrichtigkeit, noch verstand, weder wißenschafften noch beredsamkeit, weder tapferkeit noch muth bey uns anders als geborgt oder gemahlt übrig bleiben werden. So ist auch nicht zu zweifeln, wenn es also fortgehet, daß herrliche ingenia von uns, die wir nichts als was frembd verehren, weg, und zu den fremden gehen werden, da man sie zu unterscheiden und zu belohnen weis. Alles wird bey uns gleichsam die flügel sincken laßen, man wird die hofnung der verbeßerung, welche hoher gemüther einiges leben ist, vollends verlieren; und nachdem man kürzlich mehr mit blinden eifer als reiffen verstand und tapfern muth gegen die ausländer vergebens getobet, nun zu dem andern überschritt oder extremo fallen, und numehr gleichsam aus verzweifelung sich drein ergeben, an die ausländer hengen, auf des Vaterlandts wohlfarth und ruhm zu gedencken aufhöhren, und nur dahin trachten, wie man sich auch mit gemeinen verderben nur leidlich hinbringe. Dadurch dann mit der hofnung alle tugend und das edle feuer so die gemüther treibet, verleschen wird. Wie köndte man der Uns drohenden dienstbarkeit nachdencklichere zeichen finden? Dahingegen bey denen Völckern, deren glück und hofnung blühet, die liebe des Vaterlandes, die ehre der Nation, die belohnung der tugend, ein gleichsam erlaüchteter Verstand und dahehr fließende Sprachrichtigkeit sogar bis auf den gemeinen Man herabgestiegen, und fast durchgehendts sich spüren laßen.

Wenn nun die Teutsche tugend dergestalt in der aschen liegen solte, daß auch keine glimmende funcken mehr übrig blieben weren, so würde dieses, was ich bishehr nicht ohne gemüthsbewegung ausgeschüttet, nicht nur vergebens sondern schädlich seyn. Dann wozu dienets, daß man unsre wunden aufdecke, wann sie unheilbar seyn, oder auch von der scharffen lufft verschlimmert werden können? Aber Gottlob unser unglück ist noch nicht bis auf die höchste staffel gestiegen. Gnug ists, daß uns die augen geöfnet worden. Es ist noch hofnung bey dem Krancken, solange er schmerzen fühlet; und wer weis, warumb uns Gott gezüchtiget, deßen Väterliche Ruthe wohl gemeinet, wenn wir uns nur selbst die beßerung nicht unmüglich machen. Und weil aus allen obstehenden soviel erscheinet, daß vor allen dingen die gemüther aufgemuntert und der verstand erwecket werden müße als der aller tugend und tapferkeit seele ist; so were dieß meine unvorgreiffliche Meinung, es solten einige wohlmeinende Personen zusammen treten und unter höheren schuz eine Teutschgesinte Gesellschaft stifften; deren absehen auf alle das jenige gerichtet seyn solle, so den Teutschen ruhm erhalten, oder auch wieder aufrichten könne; und solches zwar in denen dingen, so Verstand, gelehrsamkeit und beredsamkeit einiger maßen betreffen können; und dieweil solches alles vornehmlich in der Sprache erscheinet, als welche ist eine Dolmetscherin des gemüths und eine behalterin der wißenschafft, so würde unter andern auch dahin zu trachten seyn, wie allerhand nachdenckliche, nüzliche, auch annehmliche Kernschrifften in Teutscher sprache verfertiget werden möchten, damit der lauff der barbarey gehämmet, und die in den tag hinein schreiben beschähmet werden mögen. Weil auch viele nur deswegen übel schreiben, dieweil sie der rechten schreibeKunst nicht berichtet, und bishehr eigentlich zwischen guthen und schlechten büchern nicht wohl zu unterscheiden gewust, zumahl sie sehen, daß mancher leser so wenig was guth oder übel geschrieben zu unterscheiden als das huhn die perl vor einen Gerstenkorn zu schäzen weiß, so würde sowohl den schreibenden verhoffentlich dadurch ein liecht angezündet als den lesenden die augen geöffnet werden. Da man nun dergestalt in kurzer Zeit die wahl herrlicher Teutscher schrifften haben solte, so bin ich versichert, daß gar bald die hof und weltLeute auch das frauenZimmer selbst, und was nur sinnreich und wißensbegierig eine große freude daran haben würden. Dieß wird denen gemüthern gleichsam ein neues leben eingießen, in gesellschafften, auch unter reisegeferten und bey briefwechselung angenehme und nüzliche Materi an die hand geben, und nicht nur zu einer löblichen Zeitkürzung, sondern auch zu einer öfnung des Verstandes, zeitigung der bey uns sonst gar zu spät lernenden jugend, aufmunterung des Teutschen Muths, ausmusterung des frembden affenwercks, erfindung eigner beqvämligkeiten, ausbreitung und vermehrung der Wißenschafften, aufnehmen und beförderung der rechten gelehrten und tugendhafften Personen und mit einem worth zum ruhm und wohlfahrt Teutscher Nation gereichen.

 

Ende

 

NB. Die umbstände art und weise dieser gesellschaft sollen absonderlich beschrieben werden.