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B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A

 

 

 

 
Die verwüstete vnd verödete Schäferey
1642

 


 






 




[Teil 4]



   Es verflossen aber wenig Tage / daß die Quartier der Armada, wie der Schäfer zeitlich berichtet hatte / bezogen worden / vnd vnsere Landschafft jhren starcken Antheil auch darvon bekam / nemlich eine Compagni Infanteri, der Schäfer bearbeitete sich / jedoch heimlich / daß seine Schäferin vnd die Jhrigen mit würcklicher Quartierung verschonet bleiben solten / welches auch etliche Tage geschahe / weil aber die Zahl der Soldaten zu- der Vatter aber deß Wercks sich nicht anname noch vorzubawen Obacht hatte / vnd der Schäfer es offentlich nicht wol thun dorffte / wurde auß solcher Verwarlosung oder vielmehr eygener jhrer Beliebung / jhnen von solcher Compagni der in der Lutronimia erfahrne vnn darauff bestellete / mit seiner Pagagi jhnen eingelegt / jedoch hatte er seine vor diesem mit sich geführte Concubina, mit welcher er an vnsern orten bekant war / vnd zuvor Kindtaufe daselbst außgerichtet / nicht bey sich / der Venerische jhme anhangende vnserm Schäfer bekandte Humor gab etwas Nachdencken / doch getröstete er sich in vnd über allen der Schäferin vermeynte Redligkeit / das Galanisiren fähet an so bald er ins Quartier kommt / vnser Schäfer erinnert Sie sämptlich seines berühmbten vnd bekandten leichten Gemüths / vnd weil sich der Schäfer seiner Gewonheit zu wider an jetzo zimlich vnter die gemeine Soldaten machte / welche wie auch der Einquartierte Lutroxius noch andere Officieri damals von vnsers Schäfers Liebe noch Vffwartung nichts wusten / erfuhr er die machende Anschläge auff solch Quartier vnd vnsere Schäferin / eine gute Zeit desto leichter / welchen er gemeiniglich vorzukommen sich bemühete / oder aber die seinigen zeitlich warnete / oder es sonst impedirete, dann er seine Liebe auch gegen diese gerne heimlich gehalten hätte / weil es aber außzubrechen vnd die Officieri vorsichtiger zu gehen begunten / wolte der Schäfer auch einen andern Modum ergreiffen / dann es jhm schimpfblich fallen wolte / gar zu offentlich Jhrer sich anzunemen / auch etwas zu hintertreiben / darzu sie in gesampt selbst lust hatten / Weil aber gleichwol seine Reputation darunter zu versiren begunte / resolvirt er sich das / denen Officirern vnnd Soldaten gab er resolut zu verstehen / daß diese Leute seine sonderbahr gute Freunde vnd redliche Leute weren / derhalben er sich jhrer anneme / auch also / daß / da jhnen was widriges geschehe / er es darvor hielte / als jhm geschehen / vnd solches reuanchiren wolte / gegen die Schäferin / als auch die Jhrigen / sagte er / die Sache der so grossen Gemeinschafft in jhrer Wohnung bey Tag vnd Nacht / vnd daß sie es nicht enderlen / daß es doch gantz füglich vnd wol thun / auch bey der Obrigkeit die Entledigung zu wege bringen köndten / gebe nicht allein ein scharffes Nachdencken vnnd Argwohn / sondern sein deß Schäfers Repudation lidte darunter Schaden / wenn er hören vnd sehen solte wie so verdächtig vnd übel Haußgehalten würde / Were derhalben an deme / daß er es jhnen erinnert haben / vnd nun mehro sehen wolte / ob jhnen in gesampt vnd zu förderst der Schäferin mehr an jhme dem Schäfer / oder aber an solchen vagabundirenden elenden Gesellen gelegen seyn / vnd ob sie deß Schäfers Freundschafft behalten oder verliehren wolten / mit Soldaten viel vnd vnordentlich vmbzugehen / were Ehrlichen FrawenZimmer die zumal jhre gewisse versicherte Liebhaber hätten / eusserst verdächtig / man käme dadurch bald ins Geschrey nicht allein im gantzen Lande / sondern auch bey allen Armaden, wie sie dessen lebhaffte Exempel an jhrer Seiten vnnd noch mehr in jhrer Nachtbarschafft hätten / Er selbst were ein Soldat / gienge doch nicht allemal gerne mit jhnen vmb / dann sie rühmbten sich gemeiniglich mehr als die Thaten weren / Er wolte sie dessen außführlich erinnert haben / vnd nunmehro zusehen / was sie in dieser Sache thun oder lassen würden: Sie entschuldigten sich hieraufs alle auffs höflichste / mit vorgeben sich deß Schäfers erinnern nach schon in acht zu nehmen wissen wolten / vnterdeß würden sie doch die beschwerung deß Quartiers im Hause behalten müssen: Es verlieffen nicht zwen Tage / so hatte der Einquartierte etliche seiner Cameraden zu Gaste an einem vngewönlichen Saturninischen Abende / von vngefähr kompt der Schäfer seiner Liebsten auffzuwarten / jhnen vnvermerckt / zu jhr / ware auch gewilt alsbald wider wegzugehen / wann es gleicher gestalt jhnen vnvermerckt geschehen hätte mögen / Jn deme er sich aber dieser Vrsach halben etwas enthält / vnter deß der Trunck Jene eingenommen / wird er gewar daß sie gar starck vnd mit etwas vngestümm nach der Schäferin zu fragen anfahen / wiewol sie vorher mit Glimpff auch stättig nach jhr sich beworben / mit vorgeben daß auch kein vnzüchtig Wort solte von jhnen geredet noch sie oder jemand wider jhr belieben von jhnen beleidigt werden / neben grossen Versprechungen dem Vatter vnnd Mutter gethan / wie sie in einem vnd andern jhnen dienen vnd beförderlich seyn wolten: Vnserm Schäfer machten diese Sachen zimliche Grillen / darzu dann kam / daß bey der Kurtzweil die Eltern von solchen Charlatanischen Quacksalberischen Auffschneidern sich einnemen scheinen liessen / ob hätten sie lust die Tochter diesen verdächtigen Leuten vnnd Trunckenpolten zu zu führen / die Mutter auch kommen / vnd der Tochter solches vortragen dorffte / mit befahrung es möchte schwärmerische Vngelegenheit darauß entstehen / Solches alles mißfiele dem Schäfer sehr / zumal daß es auch schiene sie so wenig Vertrawen zu jhm jhre Tochter bey jhm oder in seiner Versicherung gegen allen vnbillichen Gewalt / so jhr vnd jhnen allerseits entstehen möchte können / zulassen / Er entrüstete sich darüber bald / vorgebende / Sie solten sie hinführen / zu jhm aber ja nimmermehr widerbringen / weil er sehe / daß kurtz zuvor gemachter Regul nach / jhnen mehr an diesen verdächtigen Leuten / als an deß Schäfers versicherten Redligkeit gelegen were / Weil aber Mutter vnd Tochter das Werck weiter bedachten vnd es so plump nicht zugehen dorffte / bliebe sie bey dem Schäfer / der Schäfer hingegen ob diesen schweren Verenderungen bestürtzt entschlosse sich da zu verharren / den Fort- oder Außgang dieser Comædia zu erwarten / resolvirt sich vnd seine Liebste als auch die jhrigen mit der Gewalt deß Rapiers zu erretten / vnd das so er vorhin gesagt / mit dem Effetto erweisen wolte: Noch schmertzlicher ware es daß der Einquartierte mit einen liecht neben der Mutter alle Zimmer der Wohnungen durchgienge vnn die Schäferin gleich mit gewalt suchete / weil er aber zu jhnen nicht kam / der Schäfer damals auch nicht wuste worauff die Vmbsuchung angesehen / bliebe die machende Vngelegenheit vnterwegen / Gleichwol wurde der Schäfer deß darauff folgenden Morgens im Betthe durch frembde Leute / weil schon weit außgebreitet ware / verständigt: Ob hätte die Mutter zu Stillung der Importunität dieser Leute gesagt / daß der Schäfer bey jhrer Tochter in einem Zimmer / dannenhero sie die nicht wie sie neben jhrem Manne gerne wolte / jhnen zu führen köndte: ware der Schäfer nun hiebevor perplex, so geriethe er dardurch in weit grössern Jammer / vnd solches dieser zweyen wichtigen Vrsachen halben: Dann einmal wurde dadurch gantz ruchtbar / Er die Schäferin liebte / vors andere / daß die Schäferin in Gefahr vnn weitleufftigkeit gerahten were / wann er es mit seiner Anwesenheit vnnd Hinderbleiben nicht verhütete / darzu dann kam / daß der Schäfer spürete / die Schäferin nicht wenig lust zu solchem Handel hatte / vnd lieber bey dem vnordentlichem seeden schwärmenden Bachi vnd Veneris Knechten / als bey jhme ware / wann sie es eusserst gezwungen nicht thun müssen / sondern ein vnlaugbares Gemerck war dieses / so doch der Schäfer damals nicht observirte, daß sie jhme denselben gantzen Abend nach dem / vnd die übrige Zeit jhrer Beywesenheit nicht das geringste weder mit Reden noch lieblichen Liebes wercken jhrem hergebrachten Ehrlichen vnn züchtigen Jungfräwlichem Gebrauch nach zu Willen ware noch seyn wolte / welches er sich hernach erst erinnerte wohin es gemeynt gewesen! Deß draufffolgenden Tages ließ er seinen gefasten Vnwillen durch vermittlung einer WeibsPerson der Schäferin hinterbringen / auch was vor leichte Wäscherey vnter den gemeinen Volck were angestifftet worden / dann es noch nicht Morgen warworden / da hatten die Gäste hernach der Einquartirte Wirth selbst jhren Officirern gesagt was vorgangen / vnd die Eltern / zu letzt die Mutter vorgeben / von denen vnd sonst der Schäfer es bald wider erfuhr / Abends begab sich der Schäfer selbst zu jhnen / Aber sie kondten jhm also begegnen vnnd Augenklar ein ding auß dem Sinn reden / daß er sich darob auch leichtlich zu frieden gabe vnd überreden liesse / wann er zumal seine Liebste / dero Schönheit vnd holdseelige Geberden ansahe / ware jhm vnmüglich daß er etwas vngleiches gedencken oder ein vngetrews Hertz in jhr suchen köndte / so innbrünstig getrew war er / vnd kan hierauß die Macht der Trewverliebten jederman erkennen / die da also gegründet / daß / wann sie auch mit sichtbarn Augen vnd hörenden Ohren was verdächtiges von jhren Geliebten vernommen / dannoch vor anders nichts als billiche vnd Göttliche dinge gehalten / vnd jhren Geliebten zu gutem / ja zum besten außgedeutet / Also blieb er nach als vor getrew vnd beständig verliebt / seiner habenden Versicherung vnd der Schäferin Redligkeit sich versicherende / deßwegen Er es wenig achtete / ob gleich viel hohe Officieri vnd andere Frembde vnd Jnligende früh vnd spat ab- vnd zugiengen! Mit zunemender Zeit der Kundschafft dieser Leute nahme aber auch zu die Kundschafft mit der Schäferin / vnd hörete vnser Schäfer zum öfftern wider von Anschlägen discurriren wie sie bald durch sich selbst / bald durch frembde Gäste / bald durch vnteutsche Außländische VenusBrüder jhr nachstelleten vnd das der Schäferin vnd den jhrigen wol damit seyn muste erkennen lernete / weil sie solches alles Consentirten als wol gethan vnd zu jhren grossen gefallen geschehend spüren dargegen erscheinen wolte / als ob sie den Schäfer vnd seiner Trew nit mehr groß achteten / daß auch nicht wunder noch vnmüglich / daß das getrewe Blut nicht dermal eins zu eyfern anfahen solte / die zufällige Vrsach war vnter andern vielen / daß die Schäferin wider deß Schäfers Rath sich vnversehens durch mehrgemeldeten Jnheimischen Lutroxio einen Zahn außreissen liesse / welches vor jhm wol verborgen geblieben wann der Schäfer nicht von vngefehr zu wärendem actu kommen vnd eben das klägliche winsseln über den Schmertzen mit angehört / welches jhme ehe er erfuhre was es ware andere Gedancken gabe / ob nun er gleich wegen nicht gefolgten Raths etwas Melancholisch so vervrsachte doch das klägliche Geberden der damaligen Patientin daß er mit jhr Mitleiden truge / die Vrsach aber zu eyfern war neben diesen die meiste / daß der Künstler den herauß gerissenen Zahn lange mit sich herumm truge jederman sehen liesse vnnd vor ein Zeichen grosser Gnaden hielte / auch daß er sich darbey rühmete den Schäfer grossen Eintrag gethan vnnd etwan mehr favor als er selbst zu haben vorgebende / welche alles dann gar bald wider vor den Schäfer gebracht worden / daher er vervrsacht den Zahn von jhr zu bitten / so er auch erlangte vnnd hernach lange Zeit stätig im Mund spielend führete andern wider zur Vexation daß er nemblich der Victor were vorwiese vnnd zu einem Gnadenzeichen bey sich führete / der Meynung daß er dennoch bey sich haben vnnd führen werde / durch was Mittel aber sie denn von Lutroxio bekommen ist vnbewust / möchte sich aber doch von Argwöhnischen Leuten drumb bekümmert werden / vnser Schäfer hatte vor dieser Zeit vnterschiedliche Discurs geführt über den Eyfer / welcher vnter Mann vnnd Weib / Jungfrawen vnd Jungengesellen zu entstehen pflege / darüber auch zum öfftern in tieffe vnnd schwere Disputationes gerathen / in dem er jederzeit statuiret vnd behauptet / daß vnmüglich were / wo nur einige affection oder Zuneigung geschweigende rechtschaffene Trew vnd innbrünstige Liebe es jemals zu einigen Funcken des Eyfers gerathen könne / denn die Lieb solches nicht zulasse / alldieweil durch dieselbe der Liebhaber seinem Liebenden theil sich gantz ergibt vnd zu eygen machet / so wenig nun eine Person über sich selbst oder über einen Theil seines Leibes oder Gemüts eyfern kan / also wenig auch über seines Liebsten Liebenden theils verhalten oder verfahren eyfern könne / in Gegentheil thäte er es vnnd eyferte drüber / so müste keine Liebe vielweniger Trew oder affection da seyn / sintemal man wol wüste welches die rechten Eygenschafften der Hertzlichen Liebe weren / vnd die es nicht auß eygener Erfahrung dannoch auß Theologischen vnd Politischen vielfältigen Schrifften wüsten welcher gestalt darinne grosse langmütigkeit vnn freundlichkeit / ohne mutwillen vnn vffblehung / ohne vngebertigkeit vnn erbitterung / ohne schaden stifftung vnnd vngerechtigkeit mit erfrewung über die waarheit / mit allerley Vertragung / Glaubung Hoffnung vnd Erdultung ohne Müdigkeit in grosser Jnbrunst vnd Hertzenstrew bestünde / wo konnte nun der Eyfergeist raum haben: Hierauff wurde dem Schäfer von scharffen Disputatorn eingeworffen / vnd a contrario statuirt, daß der Eyfer von Liebe herkommen müste / Vrsach wann man ein Ding nicht Liebe so eyfer man auch nicht drüber / es möchte denselben wol oder übel gehen / so habe man keinen Kummer drüber / es möge sich gebürlich oder vngebürlich verhalten / so frage man nichts darnach / Es möge denn Narcissum oder Æsopum lieben so habe man keine Sorge drüber es möchte leben oder sterben so halte man darvor es widerfahre jhm anderst nichts als was der Lauff der Natur mit sich brächte.

   Jm Gegentheil eyfere man so müsse man auch lieben / deßwegen zu geschehen pflege daß der Eyfer gleichsam einer leiblichen Vorsorge gleich geachtet werde / damit den Liebenden nichts widerwertiges beleidigen könne / oder möge / will sich was ereygnen so sucht man alle Mittel vnd Wege solchen vorzubawen oder den schon eingerissenen wider abzuhelffen / solte auch mit grossem Nachtheil geschehen / vil weniger könne einige Person in der Welt leiden daß das was er zu besitzen gedencket / ein Anderer zur Vngebür sich anmassen solte / welches man auch sehe an deß Menschen vnvernünfftigen Vieh / Thieren vnd Mobilien / daß er sich darinne weils jhme Legitimè zuständig nicht Einträg thun lasse: Wie vielmehr an liebenden vnnd erquickenden Menschlichen Hertzen: Daß die Liebe den brennenden verzehrenden Fewer verglichen würde auch alle vergleichende Eygenschafften hätte / dürffte keines Streits sondern were bekannt gnug / ist dem nun also so vergliechen wir gar endlich vnd billich die auß solchen verzehrenden LiebesFewer verbleibende Aschen / denn auß der Lieb herrührenden Eyfer vnnd wie kein Natürlich Fewer ohne Aschen also auch keine Liebe ohne Eyfer seyn könne. Hierauff vnser Schäfer denn replicando geschlossen daß es zwar an deme die Aschen von Fewer herkomme / aber dero Eygenschafft betrachtende were solche dem Fewr gantz contrari vnd zu wider denn Jederman wüste / daß das Fewer brünstig / hitzig vnd verzehrend / dargegen nichts kälters noch kühlenders als die Aschen / wanns mit den Eyfer auch also beschaffen weren sie dieser Strittigkeit eynig vnd liessen sie die Liebe dem Fewr / den Eyfer der Aschen gleich geschaffen beruhen vnd vergliechen / vnd würde darbey bleiben daß Liebe vnd Eyfer in jhren Naturen so weit von einander als Fewer vnd Aschen / vnd wo Eyfer ist / da ist keine Liebe sondern vielmehr ein bitterer Haß / auß solchen Disputationen nahm vnser Schäfer Vrsach den in seinem Sinn jederzeit verdächtig gehaltenen vnd Feindschafft getragenen Eyfer die Aschenfarbe Liebe oder auch den Aschenfarben Eyfer zu nennen / alldieweil es eine dem Eyfer zugethane Liberey als der da Melancholisch blaß / Wohnwitzig vnd endlich todt machet. Solche vnnd dergleichen mehr Disputirliche Discurs hab ich offters von vnserm Schäfer gehöret vnd hieher in etwas entwerffen wollen so viel zumal zu vnserm Propo dienlichen / sintemal ich nit weiß ob der Schäfer da er die Augen zu eröffnen vnd jhme der Eyfer das Gemüt einnehmend zu scheinen begunte / mehr in so hertzlicher verzuckter Liebe wie vorhin mag gewesen seyn / zwar hielt er sich noch stättich in Auffwartung seiner Liebsten / daß es aber mehr auß gnugthuung seiner seines Orths gethanen Versprechung als auß Liebe geschehen / halte ich fast ohne Zweiffel / er fienge wiederumb ein newes leiden an nach dem seine Contentirende Ergetzung wenig zeit gewehret oder so zusagen den Anfang noch nicht erreicht hatte vnd solches nicht soviel über seine Vnglückseeligkeit wie vorhin sondern vielmehr über seiner Liebsten scheinende meineydige Trewlosigkeit / solches verhielte sich dergestallt / es befande sich daselbst ein Jungergesell / so zwar ein Officier war / aber sonst vnsern Schäfer so gleich / als den Schäferischen Diensten nach zu rechnen war er weder vor ein Schäfer noch Meisterknecht noch Lämmerknecht zu gebrauchen noch zu halten / sondern wanns hoch kompt vor einen Hemmelknecht zu achten / solcher / nach wenig angewendeter Mühe sondern alleinigen Courtesieren, gerahtet in vnser Schäferin höchsten Favor, der Schäfer wolte es anfangs nicht glauben konte auch wol geschehen lassen / ohne einigen Eyfer daß er bey jhr ab- vnd zugienge vnd zu gast gehalten wurde / endlich aber wurde die Freundschafft zu familiar vnnd zu groß vnd zumal darinne wie jetzo zu vernehmen seyn wird / denn es hatte sich derselbe Hemmelknecht mit den seinigen weg begeben / darüber / Nach dem er von vnser Schäferin zum Valet beschencket vnd schon Abschied genommen / dannoch gerne noch einmal einen erquicklichen Abschied zu nemen suchte / welches vnser Schäfer durch subtile Mittel allein verobhinderte / darüber sage ich hätte die Schäferin grossen Kummer / also / daß auch wer sie oder die jhrigen sahe die getrewen Hertz gegen jhme bald ansehen mochten / deß andern Tages nach solchen Abreisen war wie es Abend vnser Schäfer bey jhnen / aber sie achteten jhm nicht so gut mit jhme zu reden / noch Platz in Hause zu vergönnen / sondern eines gieng da das andere dort hinauß den Schäfer schimpffend vnd allein lassende biß er trucken vnnd dürre wurde / was geschicht folgenden Tages kam vnser mehrgenambter Hemmelknecht sonder zweiffel auß reciprocirlicher Söhnung nach Geilheit darzu veranlast / bey guter Zeit wider zuruck / nicht ohne Entsetzung vnsers trewliebenden Schäfers / so wol deß gantzen Landes / weil er keinem theile etwas gutes mitbrachte ob zwar in vngleichen Sachen / die doch dem Schäfer so sehr betroffen vnnd zu Hertzen giengen als der andern keinen / in voller Curier kam er einher gehawet / vor der Schäferin Wohnung sich præsentirende / allda er mit hertzlichen frewden vnd wolkommen nit allein empfangen / sondern alsbald zur Collation zugeschickt wurde / der Vatter war in Amptsgeschäfften abwesende / die Mutter lieff in der Nachbarschafft fern vnnd nahe herumb einzuholen den so wolkommenen lieben Gast nach Überfluß zu tractiren / vnter deß hält er mit vnserer Schäferin alleine hauß / vnd das so lang vnd vil biß sie beederseits jhr genügen vollbracht hatten / daß er auch von jhr war gangen ehe die Mutter noch sonst jemand war widerkommen / An solcher verzehrten Collation war es nicht genug / sondern er wurd ordentlich ersucht bey der Abendmahlzeit wider zu erscheinen / weil dann der Appetit nit böß noch klein seyn können / die Tractamenta vor einen solchen Gesellen viel zu delicat, kan man leicht erachten / daß es vielles bittens nit bedorFte / Jch hätte es selbst angenommen vnd mich nicht lange bitten lassen; Nach solchem gehet der mehrberürte Hemmelknecht in sein Logiament auffs höchste content, wie sie pflegen / bald singt er / bald pfeifet er / bald erweist er sich sonst auffs lustigste / bald schnipt er mit den Fingern in die höhe / vnd singt:

Jch bin von Flandern /
ich gehe von einer zur andern

   (dann er nichts bessere gekondt) seine Wirtin verwundert sich über solche vngewöhnliche Frewde / kan nit vnterlassen jhm auß freundligkeit zuzusprechen vnd zu fragen / woher jhm doch so grosse Frewde entstünde / Er seiner Schafknechtischen Art nach gesteht vnn redet gleich zu / er seye da vnn da gewesen / sich tapfer ergetzt vnd lustig gemacht / darüber sey er so wohl vergnügt. Die Wirtin antwortet / Ey wann das jhr Schäfer der vnd der erführe / was würde er dazu sagen? Der Hemmelknecht in frewden übernommen spricht: Was er darnach frage / er möchte sagen was er wolle / er hätte sein vergnügen vor sich / Nun ziehe er darvon / verwundere jhm daß der Schäfer so über sie gehalten habe / da doch jhr will nicht darbey were / vnd er es viel leichter hätte / nach solchem kompt er zu vnserm Schäfer / der hält aber den Hemmelknecht mit fleiß auff / vmb so viel müglich die Zeit vergehend zu machen / vnd alle gelegenheit zu argwohn vnd einträglichen schaden abzuschneiden / also / daß es als eben in den langen Mäyentagen schon nacht gewesen / da er sich dann länger nicht auffhalten ließ / sondern zu vnserer Schäferin widerkehrete / Kurtz davon zu reden / weils nicht gar anmütig / so ist er hernach selbige Nacht zum drittenmal in der Mittemachtstunde auffs heimlichste vnn stilleste in gröster dunckelheit zu jhrer wohnung eingekrochen / darvorhaltende / daß damals weder Vater noch Muter was darvon erfahren / sondern sie beyde jhren geylen Bulerischen Abschied biß gegen den morgen zu ende gebracht. Solche so vorneme tractationes hatte der Hemmelknecht seinen Qualitäten nach gleichwol auch nit vnbelohnet gelassen / mit solchen Præsenten nemlich / welche man nicht Damoisellen, sondern vielmehe Bettelleuten die Pr. L'amor di Dio anfallen zu reichen pflegt / über das auch von andern ehrlichen Leuten erst entraubt vnd dahin præsentirt worden / daß mans dem Comisshauß nit vnbillich vergleichen kan / so waren auch dieses sonderbare Galans Faueurs daß er jhnen vnd jhren nechsten Anverwandten das jhrige liesse vnd nit entraubete / dardurch er sein danckbares Gemüth erwiese / in dem aber die guten Leute suchten eine alte Kuhe zu erhalten / haben sie dargegen eine junge Kalbe in die schantz geschlagen / wo nicht gar verlohren: Solches alles vnd anders viel mehr (welches diß Orts wissentlich vnd geliebter kürtze willen übergangen / vnd darvor gehalten wird daß dieses zum außführlichen beweiß vnsers Proposito überflüssig seye) erfuhre der Schäfer gar bald dann weil selbige Nacht grosse vnruhe / gefahr vnd vnsicherheit vorhanden / ware jederman alart, vnd gabe auff deß andern vorhaben desto genawere achtung / so gienge vnser Schäfer selbst herumb / damit jhme das / so er mit sichtbarn Augen sahe / nicht betriegen köndte / Er hatte vorhero vmb mehrere vergewisserung vnd annoch bezeugenden getrew beständigen Gemüths willen die Schäferin vnd alle die jhren selbigen Abends der vorgestandenen gefahr halben sich in acht zu nemen warnen lassen / auch begert die Schäferin zu jhme biß solche vnruh worüber / zu schicken / oder aber jhnen von den seinigen SalvaQuardia zu geben / oder da sie es begerten / er sich selbst zu jhnen verfügen sie allerseits in Schutz vnd andere Sorgnussen übernemen wolte / Aber da ward eines so wenig als das andere / viel weniger das dritte oder vierdte beliebet / denn sie hatte jhre SalvaQuardia bey jhr / vnd wo nit näher / doch an der seiten / das doch der Schäfer damals fast noch nicht darvor hielte / Bey solchem ergehen aber muste der Schäfer wol gewar werden welcher gestalt er betrogen / vnd launisch daß er es nicht ehe als anjetzo zu seinen schweren vnd aller Welt bekandten schandbaren schaden verstehen wollen / dann er sich jetzo erst erinnerte / daß sieder der Ankunfft dieses Gesindes sie jhme mehr Feindseeligkeit als Freundseligkeit erwiesen / in jeden vnd allen jedesmals starck zuwider gewesen / sich vor jhm verstecket / verschlossen / vnn jhre Liebe gantz vor jhm abgewendet hatte / deßwegen er sie doch jederzeit bey jhme selbst entschuldiget ob geschehe es anderer Vrsach vnd verrichtungen halben / vnd daß er wol wuste / man nach der Jungfrawen heimligkeiten nicht fragen solte / Er erinnerte sich welcher gestalt er offt da gewesen / daß sie jhm nicht vnter Augen kommen / oder doch da sie kommen / kein Wort mit jhme geredet / viel weniger jhn gewürdigt ein vertraulichen Liebesdiscurs mit anhängendem Küßlein von jhr erhalten zu lassen / jhme fiel weiter bey / wie daß da er offtmals auffs heimlichste in jhrer Wohnung gewesen / sie zu zeigen nicht allein gethan als wann sie es nit wüste daß er vorhanden / jhn dannoch stehen / trucken vnd dürre werden / endlich also wider davon wandern lassen / sondern auch so bald er etwan von vngefehr vorhanden ware den Einquartierten ein geschwindes Zeichen geben daß der Schäfer vorhanden / vnd sie sich nicht etwan sie verdächtig zu machen vertieffen solten / biß sie jhn wider abgeschafft hätten / dann so bald sie merckten daß der Schäfer in der nähe hielten sie anderst mit einander hauß als sonsten / Jhme dem Schäfer gienge durchdringend zu hertzen / daß sie einsmals bey einer Collation sich mit den Einquartierten vertiefft hatten daß er jhnen allerseits lose Wort solte gegeben haben / vnd dannoch der Schäfer es hernach über sich nemen müssen / ob hätte die vnschuldige Seele viel vngebürliches von der Schäferin in gegenwart der Soldaten geredet / anderst aber zu keinem Ende / wie es hernach der Außgang gewiesen / als jhne zu ängstigen / oder seiner sich gantz zu entbrechen / desto bessere gelegenheit zu überkommen / jhrer Bulerey desto vngescheweter vnnd vngehindert nachzusetzen / dann daß sich es also nit gäntzlich wie jhme vorgebracht verhalten können / war darauß abzunemen / daß weder die Schäferin vor sich solches gegen den Einquartirten noch durch die jhrigen entschuldigen / noch auch dem Schäfer davon zu reden gestatten wolte / vnterdeß aber machte doch deß Schäfers vorsichtigkeit diesen Anschlag sich dardurch von jhme loß zu eissen nit allein zu nicht (welches doch vor jhm weit besser gewesen / vnn er hernach die vnglücklichen drauß entstandenen Zufälle nicht erfahren dörffen) sondern verursachte vielmehr auffs newe Verbündnuß / ja als mit weinenden Augen vnd Hertzen entschuldigte er seine Vnschuld mit auff den Knyen ligend aufgerichteten Fingern vnnd andern darzugehörigen Ceremonien geleisteten Eydschwure sagte er die Waarheit / darneben vnd auch schrifftlich versicherte er sie seiner hertzlichen ewigen Trewe / mit vorgeben / daß sie dardurch jhme mehr würden zu glauben haben / als einen andern vagabundirenden Landlauffer / Jhme fiel bey wie vor wenig Tagen eines Abends / da ein Bachanalisch Fest deß Mayens celebrirt wurde / sie demselben auch lange nachgelauffen ware / daß seine Abgefertigten sie zu etlich malen nicht einheimisch fanden / hernach da er zu jhr kam / sie sich so vnfreundlich gegen jhm bezuygte / daß sie jhn auch nit in jhr Zimmer begerte kommen zu lassen oder mit jhm gehen wolte. So war jhm gesagt worden / welcher gestalt sie in dem gemeinen Bad gewesen / vnd so bald der vornerwähnte Hämmelknecht es erfahren / neben andern seinen Jovisten sich dahin begeben / vnd gantz entblöst vnd nackend im Bad herum getantzt / über dieses alles jhme sehr nach dem Hertzen tratte / daß diese vnd dergleichen Schandthaten jhnen so wol vnd weit besser gefielen / als eines redlichen Gemüths redliche Thaten / sie auch darzu nicht einsmals scheel sahen / sondern jhnen als was sonderbares wol belieben liessen / dannenhero nunmehro leichtlich jhr Gemüth vnd wieviel es geschlagen / zu erforschen / Ferners hatte er erfahren welcher gestalt die schäferin bey dem Hemmelknechte vnd andern losen Gesinde offt vnd viel alleine in jhren Wohnungen gelassen worden / auch bey den Einquartirten / welches Zeitwärender kundschafft nicht ein einigmal vnserm getrewen Schäfer zugelassen / zwar auch von jhme nicht sonderlich begert worden / ja er wurde bericht / daß wann die Eltern dem Gottesdienst beywohneten / sie beyde allein beysammen zu Hauß gelassen wurden / da sie in einer Revier wohneten / vnd nemlich deß einquartirten Soldaten Zimmer vnverschlossen / der Jungfraw Zimmer vnfern darvon / vnn also daß sie einander auch mit reuspern ruffen können / gantz offen vnnd bloß / vnd also allen Leichtfertigkeiten gnugsame Gelegenheit gegeben worden / wie dann auch nach solchem wolverhalten er so vil verdienet / daß dem Schäfer zu alleinigen Trutz vnd Hinderung / jhnen aber zu besserer Bequemligkeit ein eygen Zimmer mit allen den besten Zugehörungen eingeraumbt ware / welches sich der Schäfer hiebevor gebraucht hatte / Welcher gestalt bey solchem ergehen sich deß Schäfers gantz nicht mehr geachtet warde / ist vnschwer zu ermessen / das gab noch mehr zu erkennen / daß durch solch übel verhalten er der Schäfer auch bey den Soldaten in verachtung kam / sintemal er sich hiebevor erklärt hatte / jhrer aller in allen dingen sich treulich anzunemen / nunmehr aber an dem ware / daß sie solcher seiner Annemung nicht begerten / weil sie andere Courtesanen zu gebrauchen / ob gleich wenig zugeniessen / darbey sie sich den Soldaten rotundè erklärt hatte / sie frage nach jhrem Schäfer nichts vnd achte seiner wenig / köndte auch seiner wol entrahten vnd gleich so wol vergessen / Weil dann der eygen gemachten von beederseits beliebten Regul so schnurstracks widerlebt wurde / bestehende / daß nach deme sie jhnen würden belieben lassen / entweder vnsern Schäfer als einen auffrichtigen getrewen bekandten vnd vornemen Liebhaber / oder aber die andern zu belieben / sie sich durch jhr verhalten bezeugen vnd demselben nachgegangen werden solte / sie also auß dem sinn gesetzt / vnd ein anders beliebt / dardurch sich seiner entschlagende / so hat der Schäfer sich endlich daß auch belieben lassen müssen / dann die Waarheit zu sagen / sahe es jhn also ehnlich / das jhme zuwider gethan wurde was sie auch nur jhm an Augen ansehen kondten / zumal mit grossem schmertzlichen Nachdencken / wie die bißheroige Erzehlungen guten theils zuvernemen geben / nacht vnd täglichen Leichtfertigkeiten vnn neben vielen Gastereyen / Fressen / Sauffen / andern Vppigkeiten / vnd endlich zu sagen / daß so lange die Galanisirung vnd Gegenwart der Soldaten tawerte vnser Schäfer den geringsten hertzlichen favor von jhr nicht empfangen hatte / so wolte weniger nicht seyn als solche Regul zu effectuiren vnd eine andere resolution zu fassen / Jch halte darvor der Schäfer hätte annochmals sich verblenden vnn jhme die angethanen Injurien leichtlich außreden lassen / dann er gar zu sehr vnd trewlich verliebt war / wenn solches nicht so bey den Soldaten als allen seinen Befreunden / den Jnwohnern vnd Nachbarn / summa bey Kindern vnd alten Leuten jhme so vnwiderbringliche Schande gebracht / in dem er vrsach jhme vorzuwerffen geben hätte / als liebte er nicht allein eine Person die jhn von hertzen hassete / sondern auch daß er Anderer Schanddeckel seyn / sich mit Actæons federn zieren lassen / vnd eh keinen Spaß oder favor haben müste vnd köndte / als wann sonst gar kein Mensch in der Welt were / auch weder Schaf- Küh- noch Säwhirte noch Hemmelknecht so der Schäferin gefiele / so lang aber einer noch da were oder gelegenheit gabe das jhr einer in die Augen kam / so lang war sein Credit auß vnd vngeacht.
 
 
 
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