B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Johann Wolfgang Goethe
1749 - 1832
     
   


F a u s t .
E i n e   T r a g ö d i e .


D e r   T r a g ö d i e   E r s t e r   T h e i l .

________________________________________________


[239]       Z w i n g e r .

      __________

      In der Mauerhöhle ein Andachtsbild der Mater dolorosa,
          Blumenkrüge davor.


G r e t c h e n .
      steckt frische Blumen in die Krüge.
Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Noth!

3590 Das Schwert im Herzen,
Mit tausend Schmerzen
Blickst auf zu deines Sohnes Tod.

Zum Vater blickst du,
Und Seufzer schickst du
3595 Hinauf um sein' und deine Noth.

[240] Wer fühlet,
Wie wühlet
Der Schmerz mir im Gebein?
Was mein armes Herz hier banget,
3600 Was es zittert, was verlanget,
Weißt nur du, nur du allein!

Wohin ich immer gehe,
Wie weh, wie weh, wie wehe
Wird mir im Busen hier!
3605 Ich bin ach kaum alleine,
Ich wein', ich wein', ich weine,
Das Herz zerbricht in mir.

Die Scherben vor meinem Fenster
Bethaut' ich mit Thränen, ach!
3610 Als ich am frühen Morgen
Dir diese Blumen brach.

Schien hell in meine Kammer
Die Sonne früh herauf,
Saß ich in allem Jammer
3615 In meinem Bett schon auf.

[241] Hilf! rette mich von Schmach und Tod!
Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Noth!