BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Melchior Goeze

1717 - 1786

 

Etwas Vorläufiges gegen des

Herrn Hofraths Lessings

mittelbare und unmittelbare

feindselige Angriffe

 

1778

 

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VIII.

 

[74]

Für dieses mahl habe ich von dieser Sache meinen Lesern weiter nichts zu sagen, als daß ich ihnen die Resultate aus dem vorhergehenden vorlege.

Das Resultat aus dem fünften Fragmente ist dieses: Alle Christen sind von der Zeit an, da man angefangen die Auserstehung Christi zu glauben, bis auf den heutigen Tag, in Absicht aus die Religion, die elendesten Dumköpfe gewesen. Sie haben sich die Auferstehung Christi, die dumste Lüge die man denken kan, ausbürden lassen, da sie doch mit Händen hätten greifen können, wie ichs mit Händen gegriffen habe, daß die Jünger seinen Leib gestohlen, und hernach vorgegeben haben: Er lebe, und sey gen Himmel gefahren. Sie haben sich eine, auf diese grobe Lüge gebauete Religion, bey welcher sie so viel Elend erdulden müssen , von jenen [75] Lügnern und Leichenräubern als eine göttliche aufbürden lassen, und sie sind so blind gewesen, die in ihren Erzählungen so sichtbar liegende Widersprüche nicht zu sehen. Weg also mit der ganzen christlichen Religion!

Das Resultat, das aus Herrn Leßings Gegensätzen und Duplik fliesset, ist dieses: Alle Christen, welche bis auf den heutigen Tag die ganze Bibel als Gottes Wort angenommen haben, und noch annehmen, und den Verfassern der biblischen Bücher gleiche Untrüglichkeit in allen Stellen zuschreiben, sind Thoren und Narren, da sie nicht einsehen, daß sich so viele Widersprüche in denselben, finden. Christen! ihr müsset also erst unterscheiden lernen , was unter diesem Widersprechenden wahr oder falsch ist, und wenn ihr dazu nicht im Stande seyd, so wil ich euch künftig zu Hülfe kommen 1). Werfet also die Schale weg, und behaltet den Kern. Doch da ihr den Kern schon habt, da die christliche Religion bleiben wird, wenn auch alle Schriften der Evangelisten und Apostel verlohren giengen; warum plagt ihr euch mit solchen Schriften? Weg also mit dem neuen Testamente! und das alte kan mitlaufen, ihr werdet dadurch noch weniger verlieren. Es ist doch aufs höchste nur ein Elementarbuch das für Kinder geschrieben ist, dessen sich aber erwachsene und verständige Menschen schämen müssen. Weg also mit der ganzen Bibel! [75]

Ich füge noch das Resultat, das aus meinem Aufsätzen fliesset, hinzu. Es ist dieses: Christen, lasset euch nicht verführen! Fordert von dem Herrn Leßing, daß er euch erst bestimt sage: was er durch christliche Religion versteht, weil ihr sonst Gefahr lauft, berückt zu werden. Fordert von ihm daß er euch, bestimt, mit eigentlichen Worten, ohne Bilder und Gleichnisse, sagen solle, was er in der Bibel für götlich oder für menschlich hält, und seinen Aussprüchen die dazugehörigen Gründe, aber wieder in eigentlichen Worten, beyfüge. Erklärt ihm, daß ihr, wenn er sich diesen gerechten Forderungen entzieht, euch genöthiget sehen würdet, ihn für den anzusehen, der es darauf angelegt, durch süße Worte und prächtige Reden unschuldige Herzen zu verführen, und euch, aus bloßem Muthwillen, mitten in einer gefährlichen Wüste und finstern Nacht, eures Fußes einzige Leuchte und das Licht eurer Wege zu rauben, ohne daß er euch etwas bessers wieder geben könte. Christen! werdet ihr euch eure euch von Gott gegebene Bibel, von Herrn Leßing nehmen lassen? Eine schlechte Comödie kan er abwürdigen, aber an unsrer Bibel muß er anlaufen und zu Schanden werden.

Das Final-Resultat mag der Machtspruch unsers großen Luthers machen, den er ganz andern Gegnern, als Herr L. ist entgegen gesetzt hat, der sich an ihnen allen legitimirt hat, und den Herr L. gewiß nicht zuerst umstoßen wird:

 

Das Wort sie sollen lassen stahn,

Und kein'n Dank dazu haben!

 

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1) Wenn uns Herr Leßing die Ausgabe einer Bibel liefern solte, in welcher nichts weiter enthalten wäre, als was er in derselben für götlich erkennet; so würde solche gewis im Taschenformate erscheinen.