B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Friedrich Gottlieb Klopstock
1724 - 1803
     
   



O d e n   u n d   E l e g i e n .

R o t h s c h i l d t s   G r ä b e r .
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E l e g i e .

Ach! hier haben sie dich bey deinen Vätern begraben,
Den wir liebten, um den lange die Thräne noch fließt;
Jene treuere, die aus nie vergessendem Herzen
Kömmt, und des Einsamen Blik spät mit Erinnrung trübt.
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Sollt um seinen entschlafenen König nicht Thränen der Wehmut
Lange vergiessen ein Volk, dessen Wittwe nicht weint?
Ach, um einen König, von dem der Waise, des Dankes
Zähren im Aug, oft kam, lange nicht klagen sein Volk?
Aber noch wend ich mich weg, kann noch zu der Halle nicht hingehn,
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Wo des Toden Gebein neben der Toden izt ruht,
Neben Luisa, die uns des Kummers einzigen Trost gab,
Die wir liebten, der auch spätere Traurigkeit rann!
O ihr älteren Toden, ihr Staub! einst Könige, früh rief
Er den Enkel zu euch, der die Welten beherscht!
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Ernst, in Sterbegedanken, umwandl' ich die Gräber, und lese
Ihren Marmor, und seh Schrift wie Flammen daran,
Andre, wie die, so die äussere Gestalt der Thaten nur bildet,
Unbekannt mit dem Zwek, welchen das Innre verbirgt.
Furchtbar schimmert die himmlische Schrift: «Dort sind sie gewogen,
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Wo die Krone des Lohns, keine vergängliche, strahlt! »
Ernster, in tieferen Todesbetrachtungen meid' ich die Halle
Stets noch, in welche dem Thron Friederichs Trümmer entsank!
Denn mir blutet mein Herz um ihn! O Nacht des Verstummens,
Als die Aussaat GOtt sä'te, wie traurig warst du!
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Aber warum wank' ich, und säume noch stets, zu der Stätte
Hinzugehen, wo er einst mit den Toden erwacht?
Ist es nicht GOtt, der ihn in seine Gefilde gesä't hat?
Ach, zu des ewigen Tags dankenden Freuden gesä't?
Und, o sollte noch weich deß Herz seyn, welcher so viele,
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Die er liebte, verlohr, viele, die glüklicher sind?
Dessen Gedanken um ihn schon viel Unsterbliche sammeln,
Wenn er den engeren Kreis dieser Vergänglichkeit mißt,
Und die Hütten an Gräbern betrachtet, worinn die Bewohner
Träumen, bis endlich der Tod sie zu dem Leben erwekt!
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Diese Stärke bewafne mein Herz! Doch leb' ich im Anschaun?
Ach! des Toden Gebein! unsers Königs Gebein! - - -
Streuet Blumen umher! Der Frühling ist wiedergekommen!
Wiedergekommen - - - ohn Ihn! - - - Blüthe bekränze sein Grab!
Daniens schöne Sitte, die selbst dem ruhenden Landmann
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Freudighoffend das Grab jährlich mit Blumen bedekt,
Sey du festlicher izt, und streu um des Königs Gebein,
Auferstehung im Sinn, Kränze des Frühlings umher!
Sanftes, erheiterndes Bild von Auferstehung! Und dennoch
Trübt sich im Weinen der Blik, träufelt die Thrän' auf den Kranz?
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Friederich! Friederich! ach, denn dieses allein ist von dir uns
Uebrig! ein Leib, der verwest, bald zerfallener Staub!
Schweigendes Grabgewölbe, das seine Gebeine beschattet,
Schauer kömmt von dir her! langsam auf Flügeln der Nacht
Schauer! Ich hör ihr Schweben: Wer seyd ihr, Seelen der Toden?
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«Glükliche Väter sind wir! segneten, segneten noch
Friederich, als der Erde wir Erde gaben! Wir kommen
Nicht von Gefilden der Schlacht!» Ferne verliert sich ihr Laut,
Und ich hör' ihr Schweben nicht mehr; allein noch bewölkt mich
Trauren um ihn! Ach, da schläft er im Tode vor mir,
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Den ich liebte! Wie einer der Eingebohrnen des Landes
Liebt' ich Friedrich, und da schläft er im Tode vor mir!
Bester König! - - - Es klagt ihm nach der der Muse Gespiele,
Und der Weisheit! Um ihn trauert der Liebling der Kunst!
Bester König! - - - der Knabe, der Greis, der Kranke, der Arme
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Weinen, Vater! - - - Es weint nah und ferne dein Volk!
Von des Hekla Gebirge bis hin zu dem Strome Visurgis
Weint alle dein Volk, Vater, dein glükliches Volk.
Kann dir Lohn Unsterblichkeit seyn; so beginnet die Erd' ihn
Izt zu geben! Allein ist denn Unsterblichkeit Lohn?
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Du, o Friederichs Sohn, du Sohn Luisens, erhabner
Theurer Jüngling, erfüll' unser Erwarten, und sey,
Schöner, edler Jüngling, den alle Grazien schmüken,
Auch der Tugend, sey uns, was dein Vater uns war!
Heiliger kan kein Tempel dir, als dieser voll Gräber
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Deiner Väter, und nichts mehr dir Erinnrung seyn,
Daß es alles Eitelkeit ist, und Thaten der Tugend
Dann nur bleiben, wenn GOtt auch von dem Throne dich ruft!
Ach! im Tod entsinkt die Erden Krone dem Haupte,
Ihre Schimmer umwölkt bald der Vergänglichkeit Hand!
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Aber es giebt auf ewig die ehrenvollere Krone
Jenen entscheidenden Tag seiner Vergeltungen GOTT!