B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Friedrich Gottlieb Klopstock
1724 - 1803
     
   



O d e n   u n d   E l e g i e n .

A n   H e r r n   E b e r t .
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Ebert! mich scheucht ein trüber Gedanke vom blinkenden Weine
      Tief in die Melancholei!
Ach vergebens red'st du, vordem gewaltiges Kelchglas,
      Heitre Gedanken mir zu!
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Ich muß weggehn, und weinen! Vielleicht, daß die lindernde Zähre
      Meine Betrübnis verweint.
Lindernde Thränen, euch gab die Natur dem menschlichen Elend
      Weis, als Gesellinnen, zu.
Wäret ihr nicht, und könnten die Menschen ihr Unglük nicht weinen;
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      Ach wie ertrügen sie's da!
Ich muß weggehn, und weinen! Mein melancholischer Gedanke
      Bebt noch gewaltig in mir!
Ebert! wenn sie einst alle dahin sind, wenn unsere Freunde
      Alle der Erde Schoos dekt:
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Und wir wären, zween Einsame, dann von allen noch übrig,
      Ebert, verstummst du nicht hier?
Sieht dein Auge nicht bang, und starr, und seelenlos um sich?
      Ach, so erstarb auch mein Blik!
So erbebt' ich, als mich von allen Gedanken der bängste
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      Donnernd das erstemal traf!
Ja, wie einen reisenden Mann, der der Gattin zueilend,
      Und dem gutartigen Sohn,
Und der gefälligen Tochter, nach ihrer Umarmung schon hinweint,
      Wie du den, Donner, ergreifst,
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Tödend ihn fassest, und seine Gebeine zu fallendem Staub machst,
      Dann triumphirend und hoch
Wieder den trüben Olympus durchwandelst: so trafst du, Gedanke,
      Meinen erschütterten Geist,
Daß mein Auge sich dunkel verlohr, daß mein bebendes Knie mir
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      Marklos und ohnmachtsvoll sank.
Um die Mitternachtszeit, gieng das Bild vom Grabe der Freunde,
      Meine Seele vorbei!
Um die Mitternachtszeit sah ich die Ewigkeit vor mir,
      Und die unsterbliche Schaar.
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Wenn des zärtlichen G . . . Auge mir nun nicht mehr lächelt!
      Wenn, von der R . . . fern,
Unser redlicher C . . . verwest! Wenn G . . , wenn R . . .
      Nicht mehr, wie Sokrates spricht!
Wenn des edelmüthigen G . . harmonisches Leben
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      Keinen Laut nicht mehr singt!
Wenn vom Grabmal empor der freie gesellige R . .
      Frankreichs Gesellschafter sucht!
Wenn uns O . . verläst, und dir <der> empfindende Sch ..
      Folgt, oder vor dir entflieht!
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Wenn der erfindende Sch . . aus einer längern Verbannung
      Keinem Freunde mehr schreibt!
Ach wenn in meines geliebtesten Sch . . Umarmung mein Auge
      Nicht mehr vor Zärtlichkeit weint!
Wenn sich unser Vater entfernt, wenn Hagedorn tod ist:
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      Ebert, was sind wir alsdann,
Wir verlassene Beide! Läßt uns ein trüberes Schiksal
      Länger, als alle sie hier?
Stirbt dann auch einer von uns, (Mich reißt mein banger Gedanke
      Immer nachtvoller fort!)
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Stirbt dann auch einer von uns, und bleibt nur einer noch übrig;
      Bin ich der Einsame dann;
Hat mich alsdenn auch die schon geliebt, die künftig mich liebet,
      Ruh't auch ihr zartes Gebein;
Bin ich allein, allein auf der Welt, von allen noch übrig:
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      Wirst du da, ewiger Geist,
Wirst du, Seele zur Freundschaft erschaffen, die leeren Tage
      Sehen, und fühlend noch seyn?
Oder wirst du betäubt für Nächte sie halten, und schlummern,
      Und gedankenlos ruhn?
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Aber, wenn du bisweilen erwachtest, dein Elend zu fühlen,
      Banger, unsterblicher Geist!
Rufe, wenn du erwachst, das Bild vom Grabe der Freunde,
      Das nur rufe zurück!
Einsame Gräber der Toden! ihr Gräber meiner Entschlafnen,
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      Warum liegt ihr zerstreut?
Warum lieget ihr nicht in blühenden Thälern beisammen?
      Oder in Hainen vereint?
Sammelt euch, gräber, um mich; ich will mit bebendem Fuse
      Gehn, auf jegliches Grab
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Einen Cypressenbaum pflanzen, die noch nicht schattenden Bäume
      Thränend um mich erziehn;
Oft in der Nacht auf biegsamen Wipfeln die himmlische Bildung
      Meiner Unsterblichen sehn;
Zitternd mein Haupt gen Himmel erheben, und weinen, und sterben!
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      Enkel grabet mich dann
Neben meinen Entschlafenen ein! Dann nimm, o Verwesung,
      Meine Thränen, und mich!
Finstrer Gedanke, laß ab, in die Seele zu donnern!
      Wie die Ewigkeit, ernst!
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Furchtbar, wie das Gericht! Laß ab! die verstummende Seele
      Faßt dich, Gedanke, nicht mehr!