B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Friedrich Schiller
1759 - 1805
     
   


A n t h o l o g i e
a u f   d a s   J a h r   1 7 8 2


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[152]
      An Fanny.
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Mit müdem Schritte steigt vom fernen Hügel
      Einsam die Nacht,
Und schwingt um mich die sorgenschwere Flügel
      In ernster Pracht;

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Schwermütig hängt ihr schwerer düstrer Schleyer
      Schon über mir,
Kaum bricht ein zitternd todenblasses Feuer
      Vom Mond herfür.

Im tiefen Schatten schlummern eingehüllet
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      Berg, Thal und Flur
Und grauenvolle Todtenstille füllet
      Bang die Natur.

[153]
Nur weichgeschaffne sanftempörte Herzen,
      Voll theurer Quaal,
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Beseufzen jezt des jungen Lebens Schmerzen
      Am Mondenstral.

Jezt irrst du, Trautester, mit bangem Sehnen
      Ins Todtenhaus,
An Julchens Grab und hauchst in tausend Thränen
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      Die Seele aus.

Du eilest junge Rosen abzupflüken
      Vom heil'gen Grab,
Und blätterst sie mit traurigem Entzüken
      Zu ihr hinab.

25
In dieser Nacht saß Stella (Thränen trübten
      Den schönen Blik)
Und rufte laut den fliehenden Geliebten
      Vom Meer zurük.

[154]
Nun weinet einsam in verschloßnen Mauern,
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      Am Lampenlicht,
Das heil'ge Mädchen, dem vom stillen Trauern
      Die Seele bricht.

Ihr Busen brennt von zärtlichem Verlangen,
      Ihr schmachtend Herz
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Verzehret sich, schon sterben ihre Wangen
      Vom ewgen Schmerz.

So welkt die Rose in dem fernen Thale
      Früh abgeknikt,
Eh sie, gelokt vom milden Frühlingsstrale,
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      Die Hirtinn pflükt.

O Mädchen, die voll unschuldsvoller Triebe
      Das Laster höhnt,
Und sich nach edlen Freuden reiner Liebe
      Unwissend sehnt.

[155]
O Du, die stets geheimen ernsten Kummer,
      Im Busen nährt,
Du, deren Klagen oft in tiefstem Schlummer
      Die Nacht gehört,

Wer Du auch bist, Du bist für mich geboren
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      Uns unerkannt
Hat Dir mein Herz, hat mir Dein Herz geschworen
      Zum süsen Band.

Längst, längst, o Du Geliebteste von allen!
      Fleh ich nach Dir,
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Und alle Seufzer dieses Herzens wallen
      Entgegen Dir.

Ein Engel lisple, schlummerst Du auf Rosen
      In holder Ruh,
Dir meinen Namen, und mir Ruhelosen
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      Den Deinen zu.

X.
[Von Jakob Friedrich Abel ?]