BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Charlotte von Stein

1742 - 1827

 

Dido, ein Trauerspiel

in fünf Aufzügen.

 

Erster Aufzug.

 

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Neunte Scene.

Das Schloß, eine Hauptwache, ein freier Platz davor.

Der König Jarbas, sein Feldherr, als gemeine Gätulier verkleidet.

 

Jarbas (zur Wache).

Kriegsmann, das ist ein schöner Pallast, sehr geschmackvoll; nicht wahr, den erbaute auch eure Königin?

 

Wache.

Ja, Kamerad!

 

Jarbas.

Liebt ihr eure Königin? und macht sie euch alles recht?

 

Wache.

Erst antwortet mir, seid ihr nicht Gätulische Kriegsleute?

 

Jarbas.

Wohl, das sind wir.

 

Wache.

Nun, so will ich euch sagen, daß wir unsere Königin lieben; denn wer liebt nicht eine schöne Frau? Aber recht macht sie uns noch lange nicht alles.

 

Feldherr.

Es mag wohl auch ein himmelweiter Unterschied von ihren und euren Gedanken sein.

 

Wache.

Mein Herr, auch gelehrten Leuten macht sie es nicht recht; von denen haben wir's eben erfahren. Da ist einer, der Dodus heißt, der kanns euch recht sagen. Unter diesem Säulengang geht er immer herum, spricht mit sich selber und macht wunderliche Gesichter. Erst dachten wir, er sei trunken oder toll, aber er sagte wohlklingende Worte, die wir nicht verstanden; dann wurde er manchmal wüthig mit Geberden. Durch den haben wir nach und nach, wenn frische Wache aufzog, alles erfahren, was die Königin anders machen könnte.

 

Jarbas (zum Feldherrn).

Dieser Dodus könnte uns vielleicht besser dienen als der Seher Albicerio; aber nun zu unserm Vorsatz! (Indem er sich von der Wache wendet.) Die Karthaginenser thun alles für's Geld, das ist bekannt; also ihre Götter wohl auch, die das Geld lieben, wie unsereins, weil es das Zeichen der Macht ist; dies wird dem Albicerio geopfert. Die Götter befahlen also durch ihn, die Königin soll meine Hand annehmen, oder ihr Zorn stürzt auf ihr Land herab! Der Königin Weigern empört das Volk, das ich schon längst auf meiner Seite hatte; ich falle ins Land ein mit Gewalt, und sie, oder auch nicht sie, ihre Schätze, die ich haben will, sind mein.

 

Feldherr.

Aber, König! dein erhabner Stand, erlaubt er dir wohl so unedle Mittel? Sie schlug deine Hand ab, ehe sie dich sah; gewinne sie durch deine Liebe, und du theilst rechtmäßig ihren Thron.

 

Jarbas.

Wie weißt du, daß ich sie lieben kann? Dieses glücklich gepriesene Gefühl des Herzens haben mir die Götter versagt; Sklavinnen sind alles, was ich begehre, und in der Liebe sind meine schönen Afrikanischen Pferde mir die nächsten am Herzen.

 

Feldherr.

Ich weiß wohl, daß dieser edle Funke selten rein in ein Männerherz gekommen ist, aber einem König geziemt vor allen ein untadelhafter Weg.

 

Jarbas.

Es ist ein besonder Ding um die Tugend! Wenn sie nur so recht eigentlich gestempelt wäre! Aber wir Mächtigen geben ihr freilich nur das Gepräge, das bei uns gilt. Ich kann mir den Begriff von ihr nicht recht fest machen. Sieh! es kommt mir eben vor, als käme auf unserm Platz nicht viel dabei heraus.

 

Feldherr.

Wer sie nicht fassen kann, dem ist sie auch nichts. (Die Königin kommt aus ihrem Pallast, und zieht mit ihrem Gefolge vorüber; die Wache paradirt, mit blasenden Instrumenten.)

 

Jarbas.

Wo geht sie hin, diese vornehme Frau, mit Götteranstand?

 

Wache.

In die Elysischen Gärten geht die Königin, die wir ihrer Schönheit wegen so nennen.

 

Jarbas.

Wirst du abgelöst, so führe uns hinein, wenn sie einem Fremden offen sind.

 

Wache.

Die Stunde schlägt eben. (Frische Wache zieht auf, löst die alte ab.)