BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Charlotte von Stein

1742 - 1827

 

Dido, ein Trauerspiel

in fünf Aufzügen.

 

Zweiter Aufzug.

 

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Fünfte Scene.

Jarbas, Feldherr, Ogon, Dodus, Aratus kommen

wieder im Garten hervor.

 

Jarbas.

Ich wäre euch nicht ausgewichen, ihr weitsehenden Männer, hätte ich eure Gesinnungen gemuthmaßet.

 

Aratus.

Auf Wiedersehn! Ich suche sogleich Elissen auf, um sie auf unsre Seite zu bringen. (Geht ab.)

 

Dodus.

Lange genug haben wir das Pfund unsers Genies, das uns die Götter zum Wohl der Völker verliehen, unter dieses Frauenregiment vergraben müssen. Wenn du, König, es anerkennst, so bürgen wir, dir eine goldene Quelle daraus zu schöpfen.

 

Jarbas.

Ein Mann weiß scharfsinniger zu unterscheiden.

 

Ogon.

Gewiß. Denn auch der mittelmäßigste Dichter findet ein Weib, das ihm huldigt, ob ich auch gleich von der Königin dieses nicht rühmen kann.

 

Feldherr.

Sollte es nicht die Güte des Geschlechts beweisen, das auch das kleinste Verdienst anerkennt? Aber die Königin will nur deiner Bescheidenheit nicht zu nahe treten.

 

Ogon.

Das wollen wir dahinstellen. Ich gestehe, daß ich mich gern loben höre, es mag von Güte, Schmeichelei oder Albernheit herrühren; ich sehe nicht gern hinter den Vorhang.

 

Jarbas.

Hast du die Königin nie besungen?

 

Ogon.

Nein. Ich besinge am liebsten mein Mädchen und den Wein.

 

Jarbas.

So besinge wenigstens noch den, der dir den Becher reicht.

 

Dodus.

Die Nacht bricht völlig herein; kommt, laßt uns einander 1) in alle Wege mit brüderlicher Hand leiten. (Gehen ab.)

 

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1) «einander» setzte die zweite Hand hinzu.