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B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A

 

 

 

 
Johann Heinrich Voss
Luise
 


 






 



L u i s e

D r i t t e   I d y l l e
D e r   B r a u t a b e n d


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Wer den redlichen Pfarrer von Grünau neulich besucht hat,
Kennt die geräumige Stube, wo sonst ein thönernes Estrich
Schreckt', und ein luftiger großer Kamien, rundscheibige Fenster,
Blind vor Alter und Rauch, voll farbiger Wapen der Vorzeit,
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Auch altfränkische Thüren, und mancher beschimmelte Wandschrank.
Aber des frommen Greises Ermahnungen rührten das Kirchspiel
Endlich: da ward sie gebaut zu edlerer Gäste Bewirtung,
Rings mit Tapeten geschirmt, mit wärmenden Bohlen gepflastert,
Einem zierlichen Ofen geschmückt, und englischen Fenstern,
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Nach dem Garten hinaus und des Sees hochwaldiger Krümmung.
Wer ihn jezo besucht, dem zeiget er gerne die Aussicht,
Jede Bequemlichkeit und Verschönerung, schäzet des Baues
Kosten, und rühmt die Häupter des Kirchspiels. Rings an den Wänden
Hangen die Bilder umher der Familie, jedes nach alter
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Sitte geschmückt: die Männer mit aufgeschlagener Bibel;
Und den Fraun in der Hand ein Röselein oder ein Pfirsich.

Hier, von der herbstlichen Flur voll schimmerndes Mettengewebes
Heimgekehrt, verweilten in Ruh die gnädige Gräfin,
Und die gepriesene Tochter Amalia, Karl, und der Jüngling,
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Welcher an Walters Statt ihn lehrete. Horchend umringten
Diese das helle Klavier; denn der Bräutigam sang in der Saiten
Bebenden Ton, o Schulz, die Begeisterung deines Gesanges.
Oft auch mischten Luis' und Amalia fröhlich die Stimmen
In den Gesang; und den Baß, wo es nöthig war, brummte der Vater.
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Jezo kam aus der Küche die alte verständige Hausfrau,
Nahte sich, klopfete sanft auf Amaliens Schulter, und sagte:

«Buch zu! Weiß nicht die Jugend, man kuckt sich blind in der Dämmrung?
Und noch lange bedarf sie der Äugelein. Reiche den Fruchtkorb,
Liebes Kind, und schäle mit deinem silbernen Messer.
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Gieb Amalien dort den gesprenkelten Gravensteiner,
Welchen sie liebt; auch denk' ich, die Bergamott' ist nicht übel
Und die französische Birne, die weiße sowohl wie die graue.
Schön sind die Trauben dies Jahr und die Pfirsiche, groß und balsamisch!
Aber wischen Sie, Karl, den blauen Duft von den Pflaumen;
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Fühlen Sie solche heraus, die vom Steine los und am Stengel
Runzelich sind: frisch hat sie mein Hans von dem Baume geschüttelt.
Töchterchen, schaff' auch Licht, und den grünen Schirm für die Gräfin.
Denn ich darf doch hoffen, Sie gönnen uns Ihre Gesellschaft
Heute bei Butterbrot; wir gebens so gut wir es haben.»

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Jene sprachs, ihr erwiederte drauf die gesellige Gräfin:
«Selber uns einzuladen, gedachten wir. Aber kein Aufwand!»

Jezo redetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:
«Mutter, man teuscht sich leicht mit Erwartungen; rede die Wahrheit.
Butterbrot bedeutet ein Paar Kramsvögel und Drosseln,
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Etwa mit Apfelmus; nach dem Sprichwort muß es dabei sein.
Ferner klatscht' in dem Zuber ein schwärzliches Ding wie ein Sandart,
Oder auch zween, wie mir dauchte; doch das ist bloße Vermutung.
Aber für Karl erscheinet ein irdener Napf mit Kartoffeln,
Klar wie Kristall, in der Hüls', an Geschmack den Kastanien ähnlich,
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Aus holländischer Saat. Auch ein Marschkäs' ohne Vergleichung
Ladet den Durst. Dann plözlich erfreut uns der purpurne Kohlkopf,
Unser Freund! zur Ehre des Priesterthumes mit Bischof
Angefüllt. O wie kommts? Mir ist heute so wohl und behaglich,
Als wenn man irgend was gutes vollendete, oder auch vorher!»

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Also der feurige Greis, und verschob das samtene Käppchen,
Welches die Glaz' ihm hüllt' in des heiligen Amtes Verwaltung,
Wann er im grauenden Haar dir glich, mildredender Spener.
Zwar die Gräfin begehrt', und Amalia, töchterlich schmeichelnd,
Daß er die wärmende Müz' aufsezt' als Vater des Hauses
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Und sich den Festschlafrock anlegete; doch er versagt' es.

Aber nachdem Luise das Obst geschält und genöthigt;
Rasch enteilte sie nun zum Schrank in der täglichen Stube,
Nahm die silbernen Leuchter, und fügt' auf jeden ein Wachslicht:
Welche die häusliche Frau vornehmeren Gästen nur anbot,
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Etwa dem Probst beim Kirchenbesuch und der gnädigen Gräfin,
Und wann ihr Hochzeitsfest sie erfreuete, und ein Geburtstag.
Diese nahm sie heraus, und die stälernen Schneuzen mit Federn,
Eilete dann in die Küch', und sprach zu der treuen Susanna:

«Zünde die Lichter mir an, und trage sie, liebe Susanna,
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Flugs in die Stub', auch bringe den grünen Schirm für die Gräfin.
Ich nun steig' in den Keller hinab, und hole zum Bischof
Rothen Wein, Pomeranzen, und unseren purpurnen Kohlkopf.
Zucker steht in der Kammer genug; und das übrige weißt du.»

Ihr antwortete drauf die gefällige treue Susanna:
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«Gleich, mein Jüngferchen, gleich! Nur erst die reinliche Schürze
Bind' ich vor; sonst könnte mich leicht auslachen die Herschaft.»

Als nun Luis' aus dem Keller emporstieg, schwer belastet,
Kam die fröhliche Gräfin Amalia hinter Susanna
Schnell aus der Thür', und begann zu der rosenwangigen Jungfrau:

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«Komm ein wenig hinauf in das Kämmerlein! Dir ja geziemt nicht,
Uns in der Küche das Mahl zu beschleunigen, gute Luise!
Schau, wie die Sichel des Mondes, die blank hinschwebet wie Silber,
Grad' in die Fenster dir blinkt; es plaudert sich lieblich im Mondschein.
Drinnen halten sie Rath, den verödeten Garten in Seldorf
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Anzubaun. Trit leise; der Bräutigam möchte dir nachgehn.»

Jene sprachs; da reichte die Braut der treuen Susanna,
Was sie trug, in die Händ' und ermahnte sie. Jezo der Freundin
Folgte sie, leis' auftretend, und schalt die knarrenden Stufen.
Als sie nunmehr eingingen zur traulichen Kammer im Mondschein,
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Hand in Hand, wo sie oft des gemeinsamen Werks sich gefreuet,
Oder des geistigen Buchs, und des stilleren Mädchengespräches;
Jezo begann Luise, gewandt zu der trauten Gespielin:

«Seze dich hier in den Sessel, Amalia, wo ich so manchmal
Neben dir saß. Bald trennt uns die bittere Stunde des Abschieds!»

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Also sprach wehmüthig die Braut, und drückte die Hand ihr
Innig. Da trat an das Fenster Amalia, blickte den Mond' an,
Und das Gewölk, das flüchtig mit wechselndem Glanz ihn vorüber
Wallete, jezt ihn enthüllt', und dunkeler jezo dahinzog;
Und wie der Wind auf dem Hofe das gelbe Laub von den Bäumen
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Wirbelte, wogt' und zerstreute, mit schauerlichem Gerassel;
Sinnend stand sie und schwieg; und der Mond beglänzte die Thräne,
Die auf rosiger Wang' ihr zitterte. Aber sie hielt sich,
Wandt' ihr Gesicht ins Dunkel, und sprach mit erzwungenem Leichtsinn:

«Rede, wie Bräuten geziemt, was fröhliches, nicht von dem Abschied,
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Trautes Kind! und zumal am heiligen Polterabend,
Da schon Kammer und Bette zur Hochzeitsfeier geschmückt ist!
Schad' um die kleine Luise, das jugendlich hüpfende Mägdlein,
Daß es so bald Hausmütterchen wird, und dem Manne gehorsam!
Männer küssen nicht mehr mit Bescheidenheit, oder erröthend;
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Herrisch umarmt die Gattin der Herr Gemahl, und zerküßt ihr,
Oft mit stechendem Kusse, die Wängelein, wann es ihm einfällt:
Alles nach Pflicht und Gesez, und endlich muß sie noch wiegen.
Sage, wie bogst du den Nacken so willig ins Joch, da du schön bist?»

Drohend erwiederte drauf die freundliche schöne Luise:
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«Spötterin, nicht so getrozt! Dir glühn die schelmischen Äuglein
Nicht umsonst; und ich fühle, wie mächtig es hier in dem warmen
Wallenden Busen dir pocht. Ein Jüngferchen streubet sich minder
Und ein anderes mehr; doch folgen sie alle nicht ungern.
Warum hülfe man doch so ämsiglich, um der Gespielin
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Ihr hochzeitlich Gewand zu fertigen, oder den Brautkranz
Froh, mit leisem Gesang' und Seufzerchen, und mit Gelächter?
Aber du mußt doch sehen, wie unsere schöne Besezung
Von natürlichem Moos' und taftenen Purpurrosen
Auf dem schimmernden Atlas sich ausnimt. Heut in der Frühe
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Hab' ich geheim vollendet, damit nicht Walter mich störte.»

Also Luis', und erhob das milchweiß schimmernde Brautkleid
Aus der Kommod', und zeigt' es am matteren Strale des Mondes.
Lange besah es entfaltend Amalia; jezo begann sie:

«Kind, ich beneide die Pracht! Nun danke du meiner Erfindung!
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Aber wir sollten doch sehn, wie es aussieht, wann dich der Vater
Morgen bei uns antraut, in dem stattlichen Ehrengewande.
Steht nicht dort am Fenster ein Myrtenbäumchen zum Brautkranz?»

Lächelnd erwiederte drauf die rosenwangige Jungfrau:
«Was du für Tand aussinnst, Mutwillige! Soll ich zulezt noch
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Mädchenhaft mit meiner Amalia spielen und albern?
Krampe die Thüre nur zu; der Bräutigam möchte mir nachgehn.»

Sprachs, und nahm von dem Haupte den schöngeformeten Filzhut,
Weiß und samtener Weiche, mit bräunlichen Zotten gerändet;
Lösete dann ihr Kastanienhaar, das in glänzenden Ringeln
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Über die Schulter sich goß, unentstellt vom Staube des Mehles.
Aber Amalia stand und schlichtete sanft ihr die Locken
Mit weitzahnigem Kamm, und freute sich ihres Geringels,
Ordnete dann und flocht, nach der Sitte der attischen Jungfraun,
So wie Praxiteles einst und Phidias Mädchen des Himmels
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Bildeten, oder sich selber die Mus' Angelika mahlet;
Also schuf sie das lockre Geflecht, das, in Wellen sich blähend,
Mit nachlässiger Schwingung zurück auf die Scheitel gerollt war.
Aber des Nackens Weiß' umflatterte zartes Gekräusel,
Gleichsam entflohn; und vorn, um Hals und Schulter sich windend,
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Schlängelten ihr zwo Locken hinab auf den wallenden Busen.
Jezo brach sie Gesproß von der Myrtenstaud' an dem Fenster,
Band es ründend mit Seid', und kränzte dich, edle der Jungfraun,
Selber würdig des Kranzes, dich würdige! sanft nun umschlang ihn
Welliges Haar ringsum, es verbarg ihn hinten die Flechte.
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Und Amalia neigte sich hold, anredend die Jungfrau:

«Bräutchen, das Haupt ist geschmückt, wie den Grazien, und wie der Hebe,
Wenn sie im Frühlingstanz sich vereinigen um Afrodite.
Jezt mit dem schönen Gewand' umhülle dich. Aber zum Brautschmuck
Ständen ein feineres Hemd und seidene Strümpfe nicht unrecht.»

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Nickend erwiederte drauf das rosenwangige Mägdlein:
«Großen Dank! ich trage mein Hemd, wie es wackeren Jungfraun
Ziemt, beständig von feiner und selbstgesponnener Leinwand!
Schaue nur hier am Halse! Wozu denn das saubere Spinnrad,
Welches Papa mir geschenkt, die zartesten Flocken zu spinnen,
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Während er liest im Gesurr am heimlichen Winterabend,
Oder Geschichten erzählt! Dein Scherz mit den seidenen Strümpfen
Ginge noch wohl, wenn dirs, Brautjüngferchen, also gelüstet.»

Sprachs, und holte die Strümpf' und die festlichen Schuhe von Atlas,
Wandte sich weg, und streifte der Baumwoll' helles Gewirk ab,
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Hüllete flugs in die Seide die zartgeründeten Füßchen,
Sittsam, nahete dann; und die silbernen Schnallen im Mondschein
Funkelten. Rasch nun warf sie das leichte Gewand von der Schulter,
Fein und olivengrün, umglänzt von stälernen Knöpfen,
Über die Lehne des Stuhls, und nahm aus den Händen der Freundin
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Ihr hochzeitlich Gewand, mit Moos umbordet und Rosen,
Welches den lieblichen Wuchs nachahmete, sanft anschließend;
Nicht mit der gaukelnden Mod' unförmlichem Wulste die Hüften
Lastete. Eilig, bedient von Amalia, schlüpfte die Jungfrau
In das Gewand; mit Geriesel hinab zu den Fersen entwallt' es,
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Hell vom Monde beglänzt; und sie schnürt' es behend' um den Busen,
Welcher, des Zwangs unwillig, sich hob voll üppiger Jugend;
Und wie ein fließender Duft umhüllt' ihn der florene Schleier:
Also schwebt in Nächten des Mais um die Scheibe des Mondes
Oft ein dünnes Gewölk, den äußeren Rand nur enthüllend.
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Aber Amalia küßte die Braut und sagte mit Inbrunst:

«Du holdseliges Mädchen! Wie schlank und erhabenes Wuchses
Wandelt sie, anmuthsvoll, als schwebte sie! Und o wie lieblich
Dieses Engelgesicht, und die Rosenwange voll Unschuld,
Und dies glänzende Blau der Äugelein! Willst du mich ansehn!
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Komm und schau in den Spiegel, und schäme dich, daß du so schön bist!
Trauteste, nim das Gehenk, noch warm vom Busen der Freundin,
Zum Andenken von mir: mein Nam' aus eigenem Haar ist
Vorne geschränkt, und hinten die schöngeflochtene Locke:
Daß du, den Schmuck anlegend, auch fern dich meiner erinnerst.»

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Sprachs, und band der Freundin das schöne Gehenk um den Nacken,
Das, den goldenen Bord eirund mit Perlen umringet,
Unter geschlifnem Kristalle das Haar und den Namen beschirmte.
Und sie umarmten einander, die zwo gleichherzigen Jungfraun,
Heftig mit langem Kuß, und gelobeten ewige Freundschaft;
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Heiß vordringende Zähren vermischten sich. Aber mit einmal
Klopfte der Bräutigam an, und aufzuschließen versuchend,
Rüttelt' er. Siehe da sprang Amalia schnell nach der Thüre
Lachend, und krampte sie auf; und der Bräutigam trat in die Kammer.
Jene nun faßte die Braut, wie sie bebend stand und erröthend,
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Wild an der Hand, und stellte sie dar dem erstaunenden Jüngling.
Jezo begann, sich neigend, Amalia fröhliches Mutes:

«Bräutigam, so wird morgen Luis' aussehen im Brautschmuck.
Macht' ich es recht? Aufmerksam geschaut, ob das Mädchen auch schön ist!»

Jene sprachs; doch der Bräutigam stand sprachlos und verstummend.
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So wie ein ländlicher Mann, dem das Herz mit süßer Entzückung
Menschlichkeit nährt' und Natur, und der Kunst nachahmende Schönheit'
Fröhlich den Apfelbaum in voller Blüte betrachtet,
Welchen er selber gepflanzt an der Lieblingsstelle des Gartens;
Lange freut' er sich schon, wie er knospete; plözlich entrief ihn
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Fern in die Stadt ein Geschäft; doch den heimgekehrten Vollender
Führt sein Weib in den Garten und zeigt ihm den blühenden Fruchtbaum,
Der, voll röthlicher Sträuße, beglänzt vom Golde des Abends,
Dasteht, schauernd im West, und mit lieblichem Duft ihn umwehet;
Staunend betrachtet er lang', und umarmt die liebende Gattin;
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Also staunt' auch der Jüngling dem Anblick seiner geschmückten
Blühenden Braut; es empört' ihm das Herz bangathmende Wollust.
Aber die Arm' ausbreitend mit Innigkeit, sank ihm die Jungfrau
Schnell an die Brust; und die Seelen der Liebenden flossen, von Himmels-
Wonne berauscht, im langen und bebenden Kuß in einander.
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Endlich begann die schöne Luis', aufschauend zum Jüngling:

«Aber du hast mich doch lieb, mein Bräutigam? Steht mir der Anzug
Gut? und bin ich auch hübsch? Amalia hat mich verleitet!»

Also die Braut; da begann mit herzlicher Stimme der Jüngling:
«Schön ist meine Luis', und hold wie ein Engel des Himmels!
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Wende den schmachtenden Blick, du Herrliche! oder ich küsse
Dir die Äugelein zu, die mir die Seele bezaubern!
O du mein auf ewig! Nur wenige Stunden, und ewig
Sind wir vereint; und der Segen des redlichsten unter den Vätern
Folgt uns nach, und der Segen der redlichsten unter den Müttern!
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Aber komm doch hinunter, du süße Braut! Dein liebes
Väterchen muß sich ja freun, und Mütterchen, daß du so schön bist!»

Also sprach der Jüngling, und ahndete nicht, was bevorstand.
Schnell dann am Arme gefaßt entführt' er sie, welche vergebens
Schuz von Amalia flehte, mit sanfter Gewalt aus der Kammer.
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Als nun scherzend der fröhliche Zug die Treppe hinunter
Polterte, eilt' aus der Küche Mama zu sehn, was da wäre.
Voll Verwunderung rief die alte verständige Hausfrau:

«Seht doch, in aller Welt! was mir das mutwillige Kinder
Sind! Juchheien sie nicht, wie die Vögelein, wann sie im Frühling
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Nester baun? Nur Geduld! Du kömmst noch früh aus dem Brautkranz
Unter die Haube, mein Kind! Dann sizt man ruhig und brütet!
Geht nun verständig hinein, Unartige! daß sich der Vater
Freu', und die gnädige Gräfin, wie schmuck das Töchterchen aussieht
Unter dem Ehrenkranz! Der Bräutigam führe sie ehrbar!»

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Ihr antwortete drauf die rosenwangige Tochter:
«Schilt die Amalia doch, die Verführerin! Mutter, sie taugt nicht!»

Aber das Mütterchen drehte den Grif von blinkendem Messing,
Ließ vor sich die Kinder hineingehn, folgte dann selber.
Plözlich entflog aus des Bräutigams Hand die blühende Jungfrau,
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Hüpfte hinan, und schlang sich mit beiden Armen dem Vater
Fest um den Hals, und küßte den Mund, und küßte die Wang' ihm,
Auch die Stirn', und ruhte, mit unaussprechlicher Regung
Heiß die Wang' und bethränt, an der Wange des staunenden Greises.
Sprachlos drückte der Greis an das klopfende Herz sein geliebtes
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Töchterchen; laut nun rief er im stammelnden Ton der Entzückung:

«Gottes Segen mit dir, holdseliges, allerliebstes
Töchterchen; Gottes Segen auf dieser Erd' und im Himmel!
Ich bin jung gewesen, und alt geworden, und vielfach
Hab' ich Freude von Gott, und vielfach Kummer geschmecket,
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Im abwechselnden Leben, und Gott gedanket für beides!
Gerne will ich nunmehr mein graues Haupt zu den Vätern
Niederlegen ins Grab: denn meine Tochter ist glücklich!
Glücklich, weil sie es weiß, daß unser Gott, wie ein Vater,
Seiner Kindelein pflegt, durch Freud' und Kummer uns segnet!
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Wunderbar regt sich mein Herz beim Anblick einer geschmückten
Jungen Braut, wie sie hüpfend, in holder kindlicher Einfalt,
An des Bräutigams Hand den Pfad durchs Leben beginnet:
Alles zu tragen gefaßt in Einigkeit, was auch begegnet,
Ihm mitfühlend die Lust zu erhöhn, zu erleichtern die Unlust,
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Und, wills Gott, von der Stirne den lezten Schweiß ihm zu trocknen!
Eben so wallete mirs von Ahndungen, als nach der Hochzeit
Ich mein jugendlich Weib heimführete. Freudig und ernstvoll
Zeigt' ich ihr am Moore die Grenzstein' unseres Feldes,
Jezo den Kirchenthurm und die Wohnungen, jezo das Pfarrhaus,
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Wo uns beiden so manches bevorstand, gutes und böses!
Du, mein einziges Kind! denn in Wehmut denk' ich der andern,
Wann mein Gang zur Kirch' an der blumigen Gruft mich vorbeiführt!
Bald, du Einzige! wirst du auf jenem Wege dahinziehn,
Welchen ich kam; bald steht mir des Töchterchens Kammer verödet,
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Und des Töchterchens Stelle bei Tisch; ich horchte vergebens
Ihrer Stimm' in der Fern' und ihrem kommenden Fußtritt.
Wenn du mit deinem Mann auf jenem Wege dahinziehst,
Schluchzend werd' ich und lange mit heißen Thränen dir nachsehn!
Denn ich bin Mensch und Vater, und habe mein Töchterchen herzlich,
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Herzlich lieb! und mich liebt mein Töchterchen ebenso herzlich!
Aber ich werde getrost mein Haupt aufheben zum Himmel,
Trocknen mein Angesicht, und, fest die Hände gefaltet,
Mich im Gebete vor Gott demütigen, der, wie ein Vater,
Seiner Kindelein pflegt, durch Freud' und Kummer uns segnet!
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Sein ist auch das Gebot, des Liebenden: «Vater und Mutter
Soll verlassen der Mensch, daß Mann und Weib sich vereinen.»
Geh denn in Frieden, mein Kind; vergiß dein Geschlecht, und des Vaters
Wohnungen; geh an der Hand des Jünglinges, welcher von nun an
Vater und Mutter dir ist! Sei ihm ein fruchtbarer Weinstock
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Um sein Haus; die Kinder um euren Tisch, wie des Ölbaums
Sprößlinge! So wird gesegnet ein Mann, der dem Herrn vertrauet!
Lieblich und schön sein, ist nichts; ein gottesfürchtiges Ehweib
Bringet Lob und Segen! Denn bauet der Herr das Haus nicht,
Dann arbeiten umsonst die Bauenden! . . Mutter, was sagst du?
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Soll ich sie traun? Nicht besser ja ist der morgende Tag uns!»

Also der Greis; laut weinte, die Händ' auffaltend, die Mutter;
Laut auch weinte Luis', und barg an dem Vater das Antliz;
Auch der Bräutigam weint'; es weint' Amalia seitwärts.
Selbst die alternde Gräfin bezwang nicht länger die Thräne,
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Eingedenk des guten Gemahls, und wie viel sie erduldet.
Endlich begann aufschluchzend die alte verständige Hausfrau:

«Traue sie, Mann, im Namen des allbarmherzigen Vaters.»
Jezo erhob sich vom Size der würdige Prediger Gottes,
Feierlich; hieß die Braut, wie sie bebend stand und erröthend,
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Ihm zur Rechten sich stellen, und links den staunenden Jüngling;
Wandte sich drauf zu dem Jüngling, und sprach mit erhobener Stimme:

«Lieber Sohn, ich frage vor Gott und dieser Versammlung:
Wählt er mit ernstem Bedacht zur ehlichen Gattin die Jungfrau
Anna Luise Blum? Verspricht er, als christlicher Ehmann,
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Freude mit ihr und Kummer, wie Gott es fügt, zu ertragen,
Und sie nicht zu verlassen, bis Gott euch väterlich scheidet,
Unter den Seligen euch zu vereinigen immer und ewig?»

Also der Greis; und Ja antwortete freudig der Jüngling.
Drauf zu der blühenden Braut, die annoch ihr thränendes Antliz
325
Trocknete, wandt' er die Red', und sprach mit erhobener Stimme:

«Tochter, ich frage dich auch vor Gott und dieser Versammlung:
Wählst du mit ernstem Bedacht zum ehlichen Gatten den Pfarrer
Arnold Ludewig Walter? Versprichst du, als christliches Ehweib,
Freude mit ihm und Kummer, wie Gott es fügt, zu ertragen,
330
Und ihn nicht zu verlassen, bis Gott euch väterlich scheidet,
Unter den Seligen euch zu vereinigen immer und ewig?»

Also der Greis; und Ja antwortete leise die Jungfrau.
Weiter redetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:

«Kinder, gebt euch die Hand; die gewechselten Ringe der Treue
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Habt ihr seit der Verlobung bereits in Liebe getragen.»

Jener sprachs, und legt' auf des Jünglinges Hand und der Jungfrau
Seine bebende Hand, und sprach mit erhobener Stimme:

«Kinder, ich segne hiemit als Diener des göttlichen Wortes,
Segne mit allen Segen des allbarmherzigen Gottes,
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Euren ehlichen Bund! Euch hat der Vater im Himmel
Beide zusammengefügt; kein Mensch vermag euch zu scheiden.
Segn' und behüt' euch der Herr! der Herr erleuchte sein Antliz
Gnädig euch! Es erhebe der Herr sein Antliz, und geb' euch
Seinen Frieden allhier, und dort in Ewigkeit! Amen.»

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Also rief er, und schloß die erschrockene Braut und den Jüngling
Beide zugleich in die Arme, sein Herz voll stürmischer Wehmut,
Hielt sie lange verstummt, und herzte sie. Aber die Mutter
Nahete jezt, und im Laute der innigsten Rührung begann sie:

«Väterchen, hast du genug? Mir her! Sie gehören mir auch zu!»
350
Sprachs, und entriß die Kinder dem Arm des liebenden Vaters;
Und an die Brust sie drückend mit Heftigkeit, eins nach dem andern,
Küßte sie Stirn' und Wangen und Mund, ausrufend den Glückwunsch:

«Trauteste, kommt an mein Herz! Gott segne dich, trauteste Tochter!
Trautester Sohn! Gott segn' euch! der Stifter des heiligen Ehstands!
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Wachset und grünt, wie die Bäum' an Wasserbächen, und bringet
Früchte zu seiner Zeit. Der gute Geber bescher' euch,
Was euch frommt: im Glücke genügsame Herzen und Demut,
Trost und Geduld in der Noth und Einigkeit! Alles versüßt ja
Uns einmütiger Sinn, Hausfried' und die liebe Gesundheit!
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Nehm' er sie hin, mein Sohn! Das Kind ist sanfter Gemüthsart,
Mein Augapfel! mein Herz! die Gefälligkeit selber, und Unschuld!
Die wohl keinen gekränkt, mit Vorsaz! Gott und den Menschen
Angenehm! Seid glücklich, und liebt; bis im ruhigen Alter
Gott verhängt, daß einer die Augen schließe dem andern!»

365
Sprachs, und bot die Tochter, im rosigen Lichte der Unschuld
Jugendlich schön, zum Kusse dem überseligen Jüngling.
Jezo kam auch die Gräfin des Guts, glückwünschend dem Brautpaar
Herzlich und viel, und umarmte die hold liebkosende Patin;
Fröhlich kam auch ihr Karl; es kam sein liebender Lehrer.

370
Aber Amalia stand abwärts am Gesimse des Fensters,
Trocknend das Aug', und blickt' in die mondumdämmerte Gegend,
Starr und gedankenlos; und des Grams vordringende Schauer
Zwang sie zurück, tiefathmend. Heran nun hüpfte Luise,
Faßte sie wild an der Hand, und drohete, also beginnend:

375
«Komm doch, Glück mir zu wünschen, Amalia! Schämst du dich jezo,
Daß du mich also belistet? Geduld! Wir sprechen uns weiter!»

Sprachs; und Amalia lacht' ein unaufhaltsam Gelächter,
Thränen im Aug'; es lachte das Mägdelein unter dem Brautkranz;
Lachend umarmten sich beid', und ruheten so an einander.
380
Laut nun redetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:

«Werdet ihr bald auslachen, Amalia, und du, Luise?
Trefliche Mädchenkünste: geweint und gelacht durch einander,
Recht wie die Sonn' im April! Leichtfertige, schien euch die Trauung
Wunderlich? Arme Luise, das hat dir schwerlich geahndet,
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Als du den Schmuck anlegtest! Ein andermal scherzt mit dem Brautkranz!
Richtig getraut, das bist du, mein Töchterchen! Wollte nunmehr dich
Selber der Herr Generalsuperintendent aus den Formeln,
Die dich verstrickt, loswinden, getrost antwortet' ich also:
Würdigster Herr Generalsuperintendent, ich verharre
390
Voll Ergebenheit stets Ihr ganz gehorsamer Diener;
Aber ich nehme mir doch die Erlaubnis, Sie zu versichern,
Daß nach meinem Erachten die Kinderchen richtig getraut sind.»

Jener sprachs; da begann die gnädige Gräfin des Gutes:
«Kurz war und bündig die Trau; kein Kundiger möchte sie tadeln!
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Und aus dem Hochzeittage bei uns wird trockener Nachschmaus!»

Aber der Bräutigam nahm die schöne, vor Freud' und Bestürzung
Schwindelnde Braut an der Hand, und sprach, zu dem Greise sie führend:

«Einziger alter Papa! Noch einmal kommen die Kinder!
Wir unartigen Leute vergaßen den Dank für die Trauung,
400
Die den Himmel auf Erden uns öfnete! Noch in Verwirrung
Sind wir, dem Träumenden gleich, der mit Engelschwingen zum Himmel
Auffliegt oder, den langen und sehnlichen Wunsch nun vollendet,
Schaut, voll banger Begierde, mit dunkeler Furcht des Erwachens.
Aber zu froherem Schauen erwachen wir! Sein wir so glücklich,
405
Als der redlichste Vater es war, und die redlichste Mutter!»

Jener sprachs; und sie schlangen den edelen Greis in die Arme
Fest; von Freude zugleich und Wehmut schwoll ihm die Seele.
Aber die Jungfrau klopft' ihm die Wang', und schmeichelte kindlich:

«Vater, du böser Vater! dein Töchterchen so zu erschrecken!
410
War das recht? Ich komme so ganz unschuldig und arglos,
Und vermut' in der Welt nichts weniger, als die Hochzeit!
Aber mit einmal geräth er in Zorn; und eh ich mich umseh,
Bin ich getraut! Du solltest doch Scherz verstehen, mein Vater!»

Jezo ging aus der Stube die alte verständige Hausfrau,
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Nahm aus dem Schrank ein feines Gedeck, und sah nach der Wanduhr,
Eilete dann in die Küch', und sprach zu der treuen Susanna:

«Decke den Tisch, Susanna; den Heerd indessen besorgt wohl
Hedewig. Seht einmal, wie geschmückt ist unsre Susanna
Und mein ehrlicher Hans; auch Hedewig geht ja, wie Sonntags!
420
Welch ein Puz wohl morgen zum Hochzeittanze hervorkommt!
Lange den Tiegel vom Bord', und, Hedewig, reiche die Butter,
Daß zum Senf sie schmelze; der Sandart könnte wohl gar seyn.
Flink mir die festlichen Gläser gespült, und das große des Vaters,
Das ins helle Gekling' einbummt, wie die Glocke vom Kirchthurm.
425
Fülle die Schal' in der Kammer mit Sülzmilch, welche die Gräfin
Gerne mag, und den gläsernen Korb mit gestoßenem Zucker.
Hast du zum Apfelmus auch Kaneel gestoßen im Mörser?
Gut, daß der Has' im Keller noch hing! Es wäre ja schimpflich,
Wenn wir mit Fischen allein und Vögelchen diesen Abend
430
Feierten; und, ich schäme mich fast, mit gebrühten Kartoffeln!
Hans, nur tüchtig den Braten gedreht; heut Abend ist Hochzeit!»

So wie ein Mann, der am Abend vom Feld' heimkehrt in Gedanken,
Heiter des Tagewerks, und die sinkende Sonne betrachtend,
Freudig erschrickt, wenn hinter dem Haselgebüsch an dem Fußsteig
435
Plözlich das freundliche Weib vorspringt mit den jauchzenden Kindern:
Also erschrak auch Hans, da er plözlich das Wort von der Hochzeit
Hörte, der lieben Mamsell, die er oft auf den Armen geschaukelt.
Hastiger dreht' er den Wender, und redete, laut ausrufend:

«Herzensfrau, was sagt sie? Getraut ist das Jüngferchen wirklich?
440
Jezt in der Stube getraut? Das hätt' ich nimmer vermutet!
Als sie vorher mit der Braut hinschäkerten: Spielt nur, ihr Leutlein!
Dacht' ich bei mir einfältig; es kälbert sich wohl in der Jugend!
Hüpft doch das Lamm auf der Weid', und stampft das Füllen, und walzet!
Aber wie steht der Jungfer das Hochzeitskleid und der Brautkranz?»

445
Also Hans; und lächelnd zu Hedewig sagte die Mutter:
«Wie sie da gaft, und die Augen vor großer Verwunderung aufsperrt!
Plagt dich so sehr Neugierde, so laß die Gläser nur warten.
Trage die Teller hinein, und meld' es der guten Susanna
Sacht; dann frage die Braut, ob sie nicht ein wenig herauskommt. »

450
Also gebot die Mutter; und Hedewig folgte nicht ungern,
Trug die Teller hinein, und zischelte, was sich ereignet,
Sacht der Genossin ins Ohr; zur Braut dann sagte sie heimlich:

«Jungfer, mich sendet Mama, ob sie nicht ein wenig hinauskommt.»
Aber die Braut, ausgehend mit Hedewig und mit Susanna,
455
Trat in die Küch', und ließ im flatternden Scheine des Feuers
Ihre schöne Gestalt von Haupt zu Fuße bewundern,
Mit handschlagendem Lob', und lächelte Dank bei den Wünschen.
Als des ehrlichen Hans wohlmeinender kräftiger Glückwunsch:

«Jüngferchen, geb' Ihr Gott ein Gedeihn, als gölt' es auf ewig!
460
Segen die Füll' in Boden und Fach, und die Bäume voll Obstes,
Halme so dicht und so hoch, mit niederhangenden Ähren,
Glattes Vieh in die Ställ', und frisch anwachsende Jungen,
Daß, wer vorübergeht, es mit Lust ansieht und Verwundrung!
Aber zu allem ein Nest rothbackiger wähliger Kinder,
465
Wie aus dem Teige gewälzt; und immer noch eins in der Wiege!»

Drauf begann zu der lieben Mama das blühende Mägdlein:
«Mütterchen, denke daran; mein guter Hans und die Jungfern
Freuen sich auch des Schmauses und klingen dabei, wie natürlich,
Auf der wackeren Braut und des Bräutigams werthe Gesundheit.»

470
Freundlich erwiederte drauf die alte verständige Hausfrau:
«Kümmre dich nicht um Eier, mein Töchterchen, eh sie gelegt sind!»

Aber der ehrliche Hans antwortete, laut ausrufend:
«Ja, wir wollen uns freun, und brav anklingen und jubeln
Auf der wackeren Braut und des Bräutigams werthe Gesundheit!
475
Meinen Pferden sogar will ich heut die Krippe voll Hafer
Schütten und unsere Kühe mit ungedroschenen Garben
Sättigen, auch Packan mit reichlichen Bissen versorgen:
Daß wir all' uns freuen am Ehrentage der Jungfer!»

Ihm antwortete drauf die freundliche schöne Luise:
480
«Hänselchen, gieb mir die Hand; du bist mein ehrlicher Alter!»

Also sprach sie bewegt; da schlug den erschallenden Handschlag
Hans, und umschloß treuherzig die zarte Hand, und begann so:

«Jungfer, ich bin nur schlecht und gemein, und verstehe den Schick nicht,
Aber ich wollt' an das Ende der Welt durch Feuer und Wasser
485
Laufen für sie! Gott lohn' es dem Jüngferchen, daß sie so gut ist!»

Kaum gesagt, da erschien, sein Mägdelein suchend, der Jüngling,
Trat in die Küchenthür', und begann mit zürnendem Lächeln:

«Was hat Hans mit der Jungfer zu thun? Ein tröstlicher Anblick!
Ziemt es sich, Hans, liebkosend mit Händedrücken und Äugeln
490
Mir die Braut zu bethören, da wir nur eben getraut sind?»

Ihm antwortete drauf die alte verständige Hausfrau:
«Hat er nimmer gehört, Herr Bräutigam, daß man die Männer,
Welche dem Heerde sich nahn, mit der Küchenschürze bekleidet?
Hurtig hinein mit der Dirne! Sie bringt mir den Hans so in Aufruhr,
495
Daß der Has' am Wender nicht immer geht, wie er sollte.
Aber du ordne den Tisch, und spute dich, liebe Susanna!»

Also gebot die Mama; und der Bräutigam, gerne gehorchend,
Faßte die Braut in den Arm und küßte sie, eh er hineinging.
Schnell dann folgte Susanna, des Tisches Gedeck zu vollenden,
500
Ordnete wohl, und stellte die lieblichen Speisen und Gläser.
Aber nachdem sie alles beschleuniget; kam auch die Mutter,
Roth im Gesicht von der Glut, und nöthigte, also beginnend:

«Euer Gespräch ist wichtig, mein Väterchen, aber ich stör' euch;
Denn schon warten die Fisch' und die hochzeitlichen Kartoffeln.
505
Her aus der Ecke, Luis' und Amalia! Immer geplaudert,
Immer gelacht wie die Kinder! Wohlan denn! Ist es gefällig?»

Jene sprachs; da betete laut der redliche Vater
Weniges; alle nun kamen und sezten sich, wie es die Mutter
Mit nachsinnendem Geist anordnete. Unter dem Spiegel
510
Saß der Braut zur Linken der Bräutigam; neben dem Jüngling
Saß die gnädige Gräfin und ihr zur Linken der Vater,
Aber der Braut zur Rechten Amalia, welche der Freundin
Nicht von der Seite wich; denn es drohete nahe die Trennung!
Weiter rechts an die schöne Amalia sezte die Mutter
515
Karls treuherzigen Lehrer; und neben ihm wählte sie klüglich
Ihren Plaz, wie des Mahls Vorlegerin, nahe dem Schenktisch,
Welcher mit Obst anlacht', und der purpurnen Kumme voll Bischofs.
Endlich der fröhliche Karl saß feierlich neben dem Vater
Als sein schmeichelndes Kind, und der wohl versorgenden Hausfrau.
520
Also schmauseten jen', in behaglicher Ruhe vereinigt
Um den schimmernden Tisch, und tranken des köstlichen Bischofs,
Plauderten viel, und lachten des Bräutigams viel, und der Jungfrau.

Dort auch saßen derweil, im Gesindestübchen versammelt,
Hans und die treue Susanna und Hedewig, fröhlich des Mahles,
525
Und des Gesprächs; denn sie feirten des freundlichen Jüngferchens Hochzeit,
Ach der schönen Luise; denn nur beim Namen genannt seyn
Wollte sie, schlecht und recht, in edler Bescheidenheit ehrvoll.
Auch des Bräutigams Tugend, des wohl ansehnlichen Pfarrers,
Lobten sie, welcher so gerne Geschenk gab, und so erbaulich
530
Predigte, daß hell tönte die Ausred' auch in die Winkel.
Ihnen hatt' in der Eile Mama den Braten vom Mittag
Aufgewärmt in der Pfann', und gewürzt mit kräftigen Zwiebeln,
Auch die übrigen Speisen bewilliget, welche Susanna
Trüge vom bräutlichen Tisch, und dabei hochschäumendes Festbier,
535
Noch von der Ernte gespart, und die lockende Flasche voll Bischofs.
Zitternd stärkte sich Hans mit Speis' und Getränk; denn es wallt' ihm
Von unruhiger Freude das Herz; und er konnte nicht essen.
Rasch nun verließ er den Stuhl, und bedeckte das Haupt mit der Müze,
Warm, von streifichter Woll', und hob aus dem Winkel die Leuchte
540
Von durchsichtigem Horn, bei deren Schein er des Abends
Drosch, und Häckerling schnitt, und den Pferden die Raufe voll Heu trug:
Diese hob er vom Nagel herab; in die Tülle dann stellt' er
Einen brennenden Stumpf, und verschloß die Thüre des Hornes.
Gegen ihn wandte sich jezt die gefällige treue Susanna:

545
«Hans, warum so geeilt? Du siehst ja so wild aus den Augen!

Komm doch her, und trinke des Brautpaars werthe Gesundheit.»

Sprachs, und reichte das Glas ihm gefüllt dar; alle nun klingend,
Wünschten sie tausendmal Glück dem neuvermähleten Brautpaar.
Aber der ehrliche Hans antwortete seiner Genossin:

550
«Iß dich satt, Susanna, mit Hedewig; nehmt die gespickte
Hasenkeule für euch; mich hungert nicht! Aber den Bischof
Hebe doch auf; das ist ein gesundes und liebliches Tränkchen!
Jezo geh' ich zum Schmiede, dem Zauderer! ob er nicht endlich
An die zerbrochene Lünse mir neu den Nagel geschweißt hat.
555
Aber der Weg ist weit und holperich, daß man im Dunkeln
Wohl der Leuchte bedarf; denn die Pflasterer haben ihn garstig
Aufgewühlt, von der Schenke bis gegen den Hof des Verwalters.
Eben hat auch der Mond sich beurlaubt; nach dem Kalender,
Glaub' ich, haben wir heute das erste Viertel des Mondes.»

560
Also redete Hans; doch ein anderes dacht' er im Herzen:
Hinzugehn, und zu ordnen, daß schöne Musik bei der Hochzeit
Tönte der lieben Mamsell, die er oft auf den Armen geschaukelt;
Und er enteilt' aus der Thüre, gestüzt von dem knotigen Dornstab.
Als nun fern aus dem Hause des Organisten der Schimmer
565
Leuchtete, hört' er den mutigen Hall der Trompeten und Hörner
Und hellklingender Geigen, durchtönt von dem polternden Brummbaß.
Jener übt' an den Pulten die schwereren Tänz' und Sonaten
Für das morgende Fest, dem Pfarrer zu Lieb' und der Tochter:
Er, und der trefliche Sohn, der jüngst aus der Fremde gekehrt war
570
Nur zum Besuch, denn er dient in der schulzischen Kammerkapelle;
Auch der sinnige Schäfer des Dorfs, den er einige Winter
Selbst gelehrt, sein Gehülf bei Kirchenmusik und Gelagen;
Auch der Jäger mit drei tonkundigen Söhnen, gebürtig
Aus dem Thüringerlande, wo jeglicher Bauer Musik weiß;
575
Endlich sein Jugendfreund, der siebzigjährige Weber,
Welcher, wenn Noth eintrat, ihm gern aushalf mit dem Brummbaß,
Jugendlich froh der Musik, taktfest und von kräftigem Anstrich.
Hans nun klopft' an die Thür', und polterte, bis man geöfnet,
Eilete dann in die Stub', und ermahnete, deutend und nickend:

580
«Still doch, und hört, Kunstpfeifer, ihr Fiedeler, und ihr Trompeter!
Packt nur ein! Die Mamsell ist getraut; und die gnädige Herschaft
Speiset bei uns, zur Ehre des Brautpaars. Aber was dünkt euch,
Liebe Herrn, wenn ihr ihnen ein lustiges Stück zu der Mahlzeit
Dudeltet? Schmaus ohne Klang ist grade wie Glock' ohne Klöppel!»

585
Also Hans; und bestürzt in Verwunderung hielten die Männer.
Doch sie erwogen den Rath, und billigten. Rasch sich erhebend,
Eilten sie, unter dem Arme die Instrument' und die Noten.
Und sie begleiteten Hans, der dem wankenden Greise den Brummbaß
Gern abnahm, und, ihn führend, mit trüber Leuchte voranging.

590
Dort noch schmauseten jen', in behaglicher Ruhe vereinigt,
Um den schimmernden Tisch, und tranken des köstlichen Bischofs,
Plauderten viel, und lachten des Bräutigams viel, und der Jungfrau.
Jezo begann in der fröhlichen Schaar die gnädige Gräfin:

«Wie mir da schon wieder die kleine Luis' in Gedanken
595
Sizt! Du scheinst mir traurig, mein Töchterchen, daß du so plözlich
Durch den bösen Papa den Kranz vom Haupte verlierest,
Den, wie ein Rosenmädchen, du stets getragen, mit Anstand.
Oder starren von Schlaf die niedergeschlagenen Äuglein?
Schäme dich, Kind! Ein Bräutchen, das nachdenkt, hält sich beständig
600
Munter und wach, wenn gleich bis zum hellen Morgen getanzt wird,
Und die Musik ihr die Seel' in sanft betäubenden Schlummer
Einwiegt! Böser Papa! daß keine Musik bei der Hochzeit
Unseres Töchterchens tönt: wo zulezt im Getümmel des Tanzes
Weiber die Braut wegraffen, mit lautem Gekreisch sie entführend
605
Ins kranzlose Gemach! Doch tröste dich, arme Luise!
Morgen im prunkenden Zug der Geladenen kommst du zum Nachschmaus
Stattlich als junge Frau, obgleich in bescheidener Haube;
Dann soll lustig die Fiedel mit Zink' und Trompete vorangehn!»

Drauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:
610
«Freilich arg, wenn heute Gesang und Klang bei der Hochzeit
Unseres Töchterchens fehlte!. Musik ist die Krone des Gastmahls!
Zauberisch dämpft die Musik Anfechtungen selber des Satans,
Lange Weil', und Geklätsch, und Lästerung, leidigen Zwang auch;
Fröhlich stimmt sie das Herz und erhebt zu entschlossener Tugend!
615
Auf denn! die Gläser gefüllt, und laut zum kristallenen Klingklang
Angestimmt den Gesang, den unser Voß in Eutin uns
Dichtete! Rasch ans Klavier, Amalia! Kommt er im Frühling,
Gieb ihm, Luise, mein Kind, den bedungenen Kuß und noch einen.»

Also der feurige Greis; und das Mütterchen füllte die Gläser
620
Allen umher; auch die Braut und Amalia reichten ihr Glas dar,
Weniges nur zu empfahn. Dann huben sie froh den Gesang an,
Unter dem Schall des Klaviers; doch am jauchzenden Schlusse des Liedes
Schwieg sein Getön, und es klingt' Amalia mit in den Glückwunsch.

Wohl, wohl dem Manne für und für,
625
Der bald sein Liebchen findet!
Er findet großes Gut in ihr,
Wie Salomon verkündet.
Sie tröstet ihn mit Rath und That,
Und streut ihm Rosen auf den Pfad.

630
Sie sucht des Mannes, wie sie kann,
Zu pflegen und zu warten;
Sie spinnt und näht für ihren Mann,
Bestellt ihm Haus und Garten,
Und scheuet weder Frost noch Glut,
635
Beständig flink und wohlgemut.

Sie sinnt und weiß, was Männchen liebt,
Und macht es ihm noch lieber;
Kommt auch einmal, was ihn betrübt,
Sie schwazt es bald vorüber:
640
Nicht lange bleibt die Stirn' ihm kraus,
Das Liebchen sieht so freundlich aus.

Auch ungeschmückt ist Liebchen schön,
Des Mannes Augenweide;
Doch läßt sich Liebchen gerne sehn
645
Im wohlgewählten Kleide,
Und naht sich dann mit holdem Gruß,
Und bringt ihm einen warmen Kuß.

Er dehnt sich nach des Tages Mühn
In Liebchens weichem Bette;
650
Und Liebchen kommt, und schmiegt an ihn
Sich fest wie eine Klette,
Und wünscht ihm küssend gute Nacht,
Und fragt oft leis', ob Männchen wacht.

Wenn noch so wild der Sturmwind saust,
655
Vom Dach der Regen prasselt,
Der Schornstein heult, die Woge braust
Und Schnee und Hagel rasselt;
An Liebchens Busen ruht er warm,
Und lauscht dem Sturm in Liebchens Arm.

660
Auch stöhnt das Liebchen wohl zur Zeit,
Und nichts will ihr behagen;
Doch lacht sie seiner Ängstlichkeit,
Und schämt sich, es zu sagen:
Sie wanket ach! so müd und schwer,
665
Auf ihren Mann gestüzt, einher.

Bald legt sich Liebchen ganz vergnügt,
Und läßt ihr Kindlein saugen;
Der Vater ehrbar sizt und wiegt,
Bekuckt ihm Nas' und Augen,
670
Und freut sich, daß der kleine Christ
Mama und ihm so ähnlich ist.

Wohl dir, o Mann! wohl, Liebchen, dir!
Ihr seid euch schon begegnet!
Euch segne Gott vom Himmel hier,
675
Bis er euch droben segnet!
Klingt an, ihr Freund', und singet laut:
Es lebe Bräutigam und Braut!

Als nun hell im Gesange der Gläser Gekling' an einander
Klingelte; plözlich erscholl mit schmetterndem Hall vor dem Fenster
680
Geig' und Horn und Trompete, durchtönt von dem polternden Brummbaß,
Ungestüm und betäubend: als kracht' einschlagender Donner
Aus dem Gewölk, als braust' ein Orkan in zersplitterte Tannen;
Gellend dröhnte die Stub', und es summt' im Klaviere der Nachklang.
Jene vor Lust frohlockten, und klingelten alle noch einmal
685
Jauchzend, vor allen der Vater, und sein lautbrummendes Kelchglas.
Jezo riefst du entzückt, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:

«Ja, Gott segn' euch, Kinder, in Ewigkeit! Das war ein Glückwunsch,
Kräftig und laut aus dem Herzen, der mutiger, als der Kanonen
Jubelgetön in das Dorf zu dem äußersten Ende hinabschallt!
690
Das hat Hans mir gemacht, kein anderer! Solcher Erfindung
Freut er sich immer, der Schalk! Mein Töchterchen, klopf' an das Fenster,
Daß sie herein doch kommen; sie sind uns liebe Gesellschaft.»

Jener sprachs; da enteilte das rosenwangige Mägdlein
Fröhlich, und klopft' an das Fenster mit Macht; und es hielten die Männer
695
Mitten im Takt, und lauschten, wie hold und freundlich sie einlud:

«Dank, ihr Herrn, für die schöne Musik! Wie gerufen zum Glückwunsch
Kamt ihr! Aber bedenkt die Abendluft des Oktobers!
Scharf ist draußen der Wind, und dem alten Manne nicht heilsam!
Kommt doch herein, ihr Herren; ihr seid uns liebe Gesellschaft!»

700
Also Luis' anmutig; und jenen gefiel, was sie sagte.
Lobend das schöne Gesicht, den melodischen Laut, und den Anstand,
Gingen sie herzlich vergnügt, und priesen den Bräutigam selig.
Also redete mancher der tonverständigen Männer:

«Wahrlich ein Engel von Weib! Wie gerad' und behend', und wie blühend
705
Unter dem Kranz! Ihr Lächeln verjüngt wohl greisendes Alter!»

Wieder ein anderer sprach der tonverständigen Männer:
«Sage mir einer hinfort, zur Harmonika klinge Gesang nicht!
Sänge die Kehl' in der Oper, sie trillerte alles in Aufruhr!»

Also redeten jen', um das Haus sich wendend zur Thüre,
710
Eilten hinein, und grüßten mit mancherlei scharrendem Bückling,
Segen und Heil anwünschend dem neuvermähleten Brautpaar.
Ihnen folgete Hans, und trug schwerfällig den Brummbaß,
Schlau, mit verbissener Lache. Doch ernsthaft sagte der Vater:

«Hans, du giebst mir den Leuten ein Ärgernis! Voller Verwundrung
715
Werden sie, alt und jung, aus den Wohnungen rennen, und fragen:
Horch! was bedeutet der Lerm! Ist nun der Pfarrer so weltlich,
Daß er den Abend sogar vor dem Hochzeittage die Tochter
Fiedelt zu Bett' und trompetet? Wie wird wohl morgen gejubelt,
Wann sie im Kranze die Braut mit Musik hinführen zur Trauung!
720
Doch gut war es gemeint; ich danke dir. Schaffe nur hurtig
Gläser und Wein auf den Tisch; und Mütterchen macht es im Winkel
Dort ein wenig bequem für unsere liebe Gesellschaft.»

Also der Greis; nichts redete Hans, und lachte so schämig,
Ging dann hinaus zu bestellen; und flugs bracht' alles Susanna,
725
Pfefferkuchen dabei und Pfeffernüss' auf dem Teller,
Süß und sprock und gewürzt, für unvermutete Gäste.
Noch besann sich Mama des Geschenks von der neulichen Hochzeit,
Eilte zur Kammer hinaus, und bracht' ein großes Gebacknes,
Butterkringel im Dorfe genannt, von dem Thüringer Brezel;
730
Füllete dann die Gläser umher, und nöthigte freundlich:

«Nehmt heut Abend vorlieb, als gute Freund' und Gevattern;
Denn heut waltet bei uns recht eigentlich Polterabend!
Morgen wird erst hochzeitlich geschmaust bei der gnädigen Gräfin.»

Aber die Gräfin begann zu den tonverständigen Männern:
735
«Brav, daß ihr wackeren Leute daran denkt, unserer Jungfrau
Hochzeitfest, obgleich es unangekündiget einfiel,
Durch die edle Musik zu erfreun. Unbillig ja wär' es,
Hätten wir solchen Kranz nicht einmal zu Grabe geläutet!
Meine Patin, die Braut, ist wie wenige, züchtig und ehrbar;
740
Auch, so weit ich ihn kenne, der Bräutigam. Kinder, ich sag' euch,
Spielt, wenn ihr morgen sie bringt, den auserwähltesten Brautmarsch!»

Eiferig sagte dagegen des Chors tonkundiger Meister:
«Gräfin, sie braucht kein Lob; wir kennen sie! Unserer Freundin
Ehre zu thun nach Vermögen, das stärkt und leichtert den Athem
745
Selbst engbrüstigen Greisen, und schmeidiget Finger und Arme!»

Aber der Pfarrer begann zu dem siebzigjährigen Weber:
«Vater, Ihr hattet doch nicht Einwendungen wider die Hochzeit?
Jezo kämt Ihr zu spät. Ich hab' euch ein paarmal betrachtet,
Wann ich meine Luis' abkündigte, wie ihr an eurem
750
Pfeiler die Müz' abnahmt, und die zitternden Hände mit Inbrunst
Faltetet. Schien es doch fast, Ihr nähmt an dem Töchterchen Antheil.»

Ihm antwortete drauf der Alte mit blühendem Haupthaar:
«Herr, nicht trüg' ich mit Ehren ein graues Haar auf der Scheitel,
Wäre mein Herz so verstockt, und nähm' an der Jungfer nicht Antheil,
755
Welche so tugendsam ist, so gottesfürchtig und liebreich!
Fragt nur jeglichen Menschen im Dorf; ihr sollt euch verwundern,
Was man euch alles erzählt von dem Jüngferchen! wie sie gefällig
Überall mit den Frohen sich freut, mit den Traurenden trauert;
Dürftige speiset und tränkt, den Nackenden wärmt und bekleidet,
760
Arm' und verwaisete Kinder zur Schul' anhält und versorget,
Mädchen in Handarbeit und Sittigkeit übet durch Umgang
Und das Lager der Kranken besucht mit Trost und Erquickung!
Herr, und den heimlichen Armen, den kläglichsten! wie sie ihn ausforscht
Und Barmherzigkeit übt, daß einer nicht weiß, wo es herkommt!
765
Kaum daß sie selber es weiß! Vollbrachte sie eben ein Stückchen,
Daß die Engel sich freun; dann gehet sie, mir nichts dir nichts!
Ebenen Gang, und scheint nur ein hübsches und lustiges Mägdlein!
Nun, der alles vergilt, vergelt' es ihr immer und ewig!
Ihr herzlieber Gemahl ist ein christlicher Mann, der gewiß ihr
770
Stets mit Vernunft beiwohnt, nie bitter ist, noch sie verschüchtert:
Eine Seele mit ihr! Man wird euchs morgen schon kundthun,
Ob wir die Heirat im Dorf mißbilligen. Nehmt es nicht übel,
Herr, wir lieben euch sehr, nichts weniger aber die Tochter!»

Also der Greis; und es bebte die Thrän' an den grauenden Wimpern.
775
Ernstvoll nahm er das Glas, und leerete. Aber die Jungfrau
That, als hörte sie nicht, und gewandt ihr erröthendes Antliz,
Sprach sie ein albernes Wort zu Amalia, lachte dann laut auf.

Als sich der Organist mit den Seinigen jezo gelabet,
Theilt' er die Stimmen umher, und mit einmal flossen harmonisch
780
Liebliche Saitentöne, zu wollustathmender Flöten
Süßem Gesang', und dem Laute des sanft einhallenden Waldhorns.
Wie im blumigen Mai, wann die Abende heiter und schwül sind,
Spät in die Nacht auf den Bänken am Eingang Männer und Weiber
Lauschen den Zwillingstönen des Waldhorns, welche vom See her,
785
Mit dem Geröchel des Sumpfs und Nachtigallstimmen im Mondschein,
Nah und entfernt anwehn, daß leis' antwortet der Buchwald:
So voll Anmut klangen auch dort Wohllaute des Waldhorns,
Lieblich gedämpft von zween tonkundigen Söhnen des Jägers.
Jezo gellt' auch Hoboengetön, gleich Stimmen der Sänger,
790
Samt dem ernsten Fagott, von rauschenden Saiten umjubelt.
Einzeln darauf erhub sich des Organisten berühmter
Vielgewanderter Sohn; denn Manheim, Wien und Venedig
Hatt' er besucht, und dient in der schulzischen Kammerkapelle:
Dieser entlockte gemach der Kremonageige melodisch
795
Rieselndes Silbergetön; ihm schlug des Klaviers Generalbaß
Karls treuherziger Lehrer; und horchender schwieg die Versammlung,
Selbst die Genossen der Kunst, wie klar ihm die Tön' und geründet
Rolleten unter dem Bogen, wie voll einschmeichelnder Wehmut.
Alle Weisen des Klangs wetteiferten, andre mit andern;
800
Vielgewandt, tiefströmend ergoß sich der lebende Wohllaut:
Donnerte bald, wie, gestürmt vom Orkan am Gestade die Brandung
Hoch aufbraust, wenn das Krachen zerscheiterter Kiel', und der Männer
Jammerndes Angstgeschrei in den grausen Tumult fern hinstirbt;
Wallete dann, wie ein Bach, der über geglättete Kiesel
805
Rinnt durch Blumen und Gras und Umschattungen, wo sich die Hirtin
Gerne legt, aufhorchend im lieblichen Traum dem Gemurmel.
Aber der Pfarrer begann zu des Chors tonkundigem Meister:

«Bravo, mein Herr Gevatterl Wir hangen noch steif an der alten
Kernmusik, und glauben, Musik sei Sprache des Herzens:
810
So wie ein edel empfindender Geist, nicht kundig des Wortes,
Etwa in hellem Gesang' und gesangnachahmenden Tönen
Gott anstaunt, und die schöne Natur, in Lieb' und Entzückung
Hinschmilzt, klagt und erschrickt, in Verzweifelung sinkt, und sich aufhebt.
Auch ist jedem, der fühlt, die Herzenssprache verständlich:
815
Stimme von Gott, wie Donner und Sturm, und Gesäusel des Frühlings,
Und wie des Thiers vielredender Laut, des gebietenden Löwen
Machtausruf in der Wüst', und des hoch anschwebenden Adlers,
Oder das Muttergetön der freundlichen Kuh und des Schafes,
Liebender Tauben Geseufz', und der Gluck' anlockendes Schmeicheln.
820
Auch wie die Stimmen von Gott, unwandelbar tönt sie und ewig,
Allen Landen und Zeiten die selbige: nicht wie des Puzes
Eigensinn, den wir gestern bewunderten, morgen verabscheun;
Oder die Aftermusik, die, der üppigen Laune gehorsam,
Sinnlos prunkt und gaukelt, im Kälbertanz und im Bockssprung.
825
Aber so laut das Gefühl in Stimm' und Tönen uns zuruft,
Hallt es doch lauter ins Herz und erschütternder, wenn des Gesanges
Wort einstimmt, die eigne vertrauliche Sprache der Menschen.
Spielt mir denn jezo ein Lied zur Veränderung, etwa von Hendel,
Reichardt, Gluck, und Emanuel Bach, und dem treflichen Meister,
830
Unserem Schulz, dem Luther noch selbst nachsäng' an der Orgel.
Singt mir: Ich danke Gott! und die Waldserenat' und das Tischlied.»

Also gebot der Vater; es folgeten willig die andern.
Aber zuvor erhub sich die alte verständige Hausfrau,
Ging, und, neigend das Haupt an die blühende Wange der Tochter,
835
Sagte sie leis' ins Ohr, doch so, daß die anderen hörten:

«Nicht zu heiß dich gesungen, mein Töchterchen! Alles mit Maße:
Warn' ich immer umsonst, und zumal bei den schulzischen Liedern.
Brennt doch schon dein liebes Gesicht mir die Wange, wie Feuer!
Allzu hiziges Mädchen! es möcht' am Schlafe dich hindern!
840
Dann sind morgen die Äugelein wüst; dann lachen die Spötter!
Jezo schmück' ich dir sauber das Brautbett! Bin ich dann artig?»

Drauf mit leiserer Stimme begann das rosige Mägdlein:
Mütterchen! - senkte den Blick, und wandt' ihr liebliches Antliz,
Feuerroth; und sie lachten des hold erröthenden Mägdleins,
845
Alle, das Mütterchen auch; und der Bräutigam neckte sie heimlich.
Lächelnd ging nun die Mutter, und rief der treuen Susanna:

«Laß die Teller nur stehn; auch Hedewig wäscht sie allein wohl.
Komm du, liebe Susanna, und leuchte mir. Hast du den Kater
Reichlich vom Tische versorgt, und den guten Packan, der so kläglich
850
Knurrt in dem Schauer und heult? Ihm gefällt wohl unsre Musik nicht.
Komm, und hilf mir bereiten das Brautbett unserer Tochter.»

Also Mama; und es folgte mit eisernem Leuchter Susanna.
Jezo nahm aus dem Schranke die alte verständige Hausfrau
Feinere Laken und Bühren, die glatt von der Mangel und schneeweiß
855
Schimmerten, wählte mit ernstem Bedacht, und sprach vor sich selber;
Stieg dann die Treppe hinauf zur düsteren Kammer voll Hausraths,
Die dort unter dem Namen der Polterkammer berühmt ist;
Wählt' aus dem Schlüsselgebund, das ihr zur Seite herabhing,
Öfnete dann vorschauend, und trat vor die eichene Lade,
860
Die, von den Ahnen geerbt, mit alterthümlichem Schnizwerk
Prangete, groß und geräumig, am Schloß war Jakob gebildet,
Seine Rahel umarmend, die Schäferin; neben dem Brunnen
Stand ein Lamm auf dem Stein, und es drängte sich trinkend die Heerde.
Diese nunmehr aufschließend, erhob sie das köstliche Bettzeug,
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Lange gespart für die Braut, die leichte Deck' und die Kissen,
Welche von Eiderdunen sich bläheten; aber Susanna
Gab ihr das Licht, und trug die schwellenden Betten geschäftig
Hin zur Kammer der Braut; ihr folgete leuchtend die Mutter.
Als nun weich und sauber das Hochzeitbette geschmückt war,
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In dem Gestell mit hohem und schöngebogenem Himmel,
Und zwei trauliche Kissen sich wohlgepaart an einander
Dehneten: brachte Mama den stattlichen Bräutigamsschlafrock,
Fein von Kattun, kleeröthlich, mit farbigen Blumen gesprenkelt;
Brachte für jeden ein Paar hochzeitliche grüne Pantoffeln,
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Prunkend von Saffian, und stellte sie neben einander;
Brachte die weiße Haub' und das Leibchen mit rosigen Bändern;
Brachte dann auch die Müze von feinem Batist, die, mit rothem,
Flammig gekräuseltem Band' und dem Quast von Kanten gezieret,
Urgroßväterlich strozt'; und das Mütterchen lachte behaglich.
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Als sie nunmehr vollendet, enteilten sie: Jungfer Susanna
Kehrte zurück an ihr Werk, und Mama zu der lieben Gesellschaft.
Lächelnd ging sie alsbald zum Bräutigam, der am Klaviere
Singend stand mit der Braut und Amalia, legt' auf die Achsel
Ihm sanftklopfend die Hand, und begann mit leisem Geflister:

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«Jezo, mein Sohn, nach Belieben; das Brautbett haben wir fertig.»
Sprachs; und mitnichten verdroß es den Bräutigam; froh in Bestürzung
Drückt' er die Hand der lieben Mama, und sie küßten sich herzhaft.
Aber die Gräfin begann zu dem redlichen Pfarrer von Grünau:

«Vater, sie halten da Rath um das Töchterchen. Wo du mir durchgehst,
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Kleine Luis'! Erst knixt man herum, und wünscht der Gesellschaft
Gute Nacht! freimütig, und nicht so bang' und erröthend.
Halte sie fest am Ermel, Amalia! Morgen gehört sie
Uns, die Ehegemahlin des würdigen Pfarrers von Seldorf!
Dann wird weder gehüpft noch gelacht, dann wandelt man ehrbar!
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Dann wird die Wiege bestellt! dann singt man: Eyo Popeyo!
Seht, wie das schelmische Bräutchen da hohnlacht! Trozest du, Bübin,
Daß der Wächter im Dorf zwölf ruft, und der Wagen schon wartet?»

Drauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:
«Hurtig noch eins! Vollauf bis zum obersten Rande die Gläser!
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Daß hoch lebe die Braut und der Bräutigam! Alle geklingt nun!
Alle mit voller Musik! daß nicht in der bräutlichen Kammer
Hämisch ein Nachtgespenst sie beleidige, oder Asmodi!»

Sprachs und winkte zur Seite dem Bräutigam; dieser verstand ihn.
Aber da rings die Gläser mit hellem Gekling an einander
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Klingelten, rings in den Klang wie Triumf lautjauchzender Glückwunsch
Tönte, da Geig' und Trompet' und Horn und der polternde Brummbaß
Wild mit betäubendem Hall einschmetterten: rasch in dem Aufruhr
Flog mit der Braut aus der Thüre der Bräutigam; lautes Gelächter
Schallte den fliehenden nach, und Händeklatschen und Jubeln.
 
 
 
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