BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Zedlers Universal-Lexicon

1732 - 1754

 

Grosses vollständiges Universallexikon

aller Wissenschaften und Künste

 

Band XLIV (Ti-Trao)

1745

 

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[1451]

Tortur, Lat. Tortura, oder Quaestio rigorosa, und Quaestio criminalis, sonst auch die Folter, Marter, Peinliche Frage, Scharffe Frage, oder die Peinlichkeit genannt, ist eine Gerichtliche Handlung, da man einen verarrestirten und verstockten Uebelthäter durch gewisse an seinem Leib gelegte Instrumente, die Wahrheit zu bekennen, zu bringen und zu nöthigen sucht. Wenn also ein Uebelthäter nicht völlig überwiesen, oder der Uebelthat nicht geständig ist, sondern der wieder ihn vorhandenen Anzeigen ungeacht, die Uebelthat abläugnet, und durch die eingereichte Schutz-Schrifft die wider ihn streitenden Anzeigungen und Vermuthungen, mit Grund Rechtens nicht abgelehnet hätte, alsdenn wäre, wenn die Wahrheit anders nicht erhalten werden könnte, die peinliche Frage zu ergreiffen. Denn obwohl die peinliche Frage gar eine gefährliche Sache, und eine Zubereitung zum Tode ist, wie Oldenkopp sagt, wodurch so wohl ein Unschuldiger wegen nicht zu erleidenden Schmertzen verdammet und hingerichtet, als ein Schuldiger wegen Härtigkeit des Gemüths der ordentlichen Strafe entlediget werden kan; so ist doch die Tortur eine dem gemeinen Besten sehr nützliche, ja nothwendige Sache: Denn wenn die Bösewichter wissen solten, daß sie im Fall nicht zu erlangender Ueberweisung, welche vielmahl gar schwerlich zu erhalten, anderer Gestalt zu Erhaltung der Wahrheit nicht gepeiniget werden könnten, sondern als unschuldig erlassen werden müsten, würde die Welt mit unzählbaren Bösewichtern und Uebelthätern, dem gemeinen Wesen zum höchsten Nachtheil angefüllet werden. Zudem ist fast unmöglich, daß, wenn alle und jede Umstände, so zu Vorkehrung einer Tortur von Rechtswegen erforderlich, in fleißige und rechte Erwägung und Beobachtung gezogen werden, ein gantz Unschuldiger mit der Tortur geplagt werden solte. Zu mehrerer und leichterer Begreiffung dieser Materie, ist zu wissen, daß die peinliche Frage oder Tortur, nichts anders sey, als eine auf allen Fall, und da die Wahrheit anderer Gestalt nicht heraus zu bringen wäre, noch überbleibendes Rechts-Mittel, den Leib des Verbrechers zu martern, damit die Wahrheit an Tag komme. Julius Clarus qu. 63. verb. debet. etiam. Es wird solches im Lateinischen, wie bereits gedacht, Tortura oder Quaestio, auf [1452] Teutsch die Marter, auch die peinliche und scharffe Frage benennet. P. H. G. O. Art. 65. Und ist ein Anzeigen, ja ein Stück der Obergerichtsbarkeit, oder des zu Latein so genannten Meri Imperii, Carpzov P. III. qu. 117. n. 21. als welche denen Unter-Gerichten keinesweges vorzunehmen gebühret. Denn ob zwar in Bürgerlichen Schuld und Geld-Sachen, ein fallirender Kauffmann und Wechsel-Herr, auch anderer Cedent, bey vorhandenen Anzeigungen eines hinterhaltenen und verborgenen Vermögens, solches anzuzeigen gemartert werden kan; So ist doch wahr, daß bey dergleichen Umständen, die Sache in eine peinliche Untersuchung wegen unterlauffender Uebelthat verwandelt werde, und nicht mehr vor Bürgerlich zu halten sey. Carpzov d. l. n. 24. Ehe wir aber so wohl von der Art und Weise der Tortur, als auch von den Pflichten eines Richters bey deren Vorkehrung, handeln; so erachten wir vor nöthig, erstlich von dem Anlasse, Begriffe, Gebrauche, der Sittlichkeit, der heut zu Tage, absonderlich in Deutschland üblichen peinlichen Frage, eines und das andere beyzubringen. Die sich selbst gelassene Menschen halten die Beobachtung, wie überhaupt aller, also auch insbesondere derer in dem Bürgerlichen Staate nothwendigen Gesetze für eine Last, deren Verletzung hingegen für eine Lust, und suchen daher nicht wenige ihren Neben-Menschen am Leben, Ehre, Leib und Gute, Schaden zuzufügen. Gleichwohl wird durch dieses Unheil nicht nur der gesammten menschlichen Gesellschaft, sondern auch einem jeden Mitgliede derselben eine merckliche Hinderniß und eine beständige Unruhe verursachet. Dannenhero erfordert es die Nothdurfft, ein Mittel, solchem Unwesen vorzubeugen, und dergleichen Stöhrern der Ruhe Einhalt zu thun, ausfündig zu machen. Unter diesen aber ist unstreitig das sicherste, daß derjenige, so den Gesetzen gemäß handelt, gebührend belohnet, andere aber, welche denenselben zuwider leben, mit der auf diesen Fall geordneten Straffe unablässig heimgesuchet werden. Doch gleichwie eine Belohnung allein das Gute, so der Gesetzgeber mit einer Handlung verbunden, als ein Bewegungs Grund, sie zu vollbringen, die Straffe im Gegentheil das Uebel, welches derselbe damit verknüpffet, als ein Bewegungs-Grund, sie zu unterlassen, folglich als etwas unangenehmes anzusehen ist; also suchet ein Uebertreter der Gesetze auf alle Weise, dieser zu entgehen, seine Uebelthaten nach Möglichkeit zu verbergen, und, wo nicht zum öfftern gar dieselben einem andern unschuldigen aufzubürden, solche dennoch wenigstens in eine solche Ungewißheit zu setzen, daß ihm dadurch kein Uebel oder nichts unangenehmes zugezogen werde. Nichts desto weniger ist einem wohleingerichteten Staate aus angeführten Ursachen sehr daran gelegen, daß keine böse That ohnbestraffet bleibe, L. 51. §.fin. ad L. Aquil. und demnach alle mögliche Sorgfalt anzuwenden, damit ein Verbrecher durch vorsetzliche Verheelung oder Abläugnung der ausgeübten That die wohl verdiente Busse nicht hindere. c. judicantem. caus. 30. qu. 5. Carpzow. in Pr. Crim. P. III. quaest. 117. n. 1. Die Gesetzgeber haben dannenhero so gleich [1453] bey eingezogener Kundschafft eines begangenen Verbrechens, bewandten Umständen nach bald diese, bald jene Art der Untersuchung verordnet, vor allen Dingen aber den nachforschenden Richter dahin angewiesen, den verdächtigen Uebertreter in Güte zu befragen, uud keinen Fleiß zu sparen, um dessen Bekänntniß, solcher Gestalt, wo möglich, herauszubringen. Besiehe P. H. G. O. Art. 46. u. a. wie auch die Königl. Preuß. Criminal-Ordnung der Chur-Marck Brandenburg c. 4, § 11. Es ist auch von einem jeden redlichen und seiner Pflichten sich erinnernden Richter bekannt, was für Mühe derselbe zu Bewürckung eines solchen gütlichen Geständnißes anwendet. Dem ohngeachtet aber lehret doch leider! die Erfahrung, daß aller nur möglicher Fleiß bei dem summarischen Verhör, Vorhaltung der obwaltenden Umstände und Wahrscheinlichkeiten, Befragung über Artickel, Vernehmung geschworner Zeugen, und derer mitwissenden Verbrecher, und was dergleichen mehr ist, wobey die Acten öffters der gestalt anwachsen, daß sie kaum auf einem Schieb-Karn weggefahren werden können, mehrentheils vergeblich gewesen, der Beschuldigte hingegen von Tage zu Tage frecher, in dem boßhafften Läugnen aber nur unverschämter geworden. Wiewohl dergleichen verstockte Missethäter lassen es wohl nicht einmahl bey dem bloßen Läugnen bewenden, sondern beziehen sich hiernächst, zumahl da sie mehrentheils dem Vorsatz zu sündigen haben, auf so viele vorher schon ausgekünstelte scheinbare Ausflüchte und Entschuldigungen, welche die Wahrheit der Sache immer dunckler, und die angestellte Untersuchung schwerer machen. Denn es darff der Richter dieses Vorwenden des Beschuldigten nicht so oben hin ansehen, und seinen Fleiß nur eintzig und allein auf die Untersuchung oder Feststellung des einmahl offenbahren Verdachts richten; sondern es lieget ihm vielmehr von Amts und Pflicht wegen ob, die Erforschung keines Umstandes zu unterlassen, welcher zur Entschuldigung des Verdächtigen etwas Beytragen kan. P. H, G. O. Art. 47. ibique Kreß p. 152. und ad Art. 28. §2. p. 94. Sintemahl bey der irrdischen Unvollkommenheit sich alle mögliche Fälle äußern, und die beygebrachten Umstände gestalten Sachen nach eben so leichte falsch, als wahr sein können. Daher es denn auch gar öffters geschiehet, daß die Vermuthung vor Inquisiten Unschuld eben so starck, als der Verdacht des begangenen Verbrechens gegründet, zu seyn scheinet, und hat so nach der Richter billig Ursache, alle möglichste Vorsicht zu gebrauchen, damit der Unschuldige nicht widerrechtlich zur Straffe hingerissen werde, inzwischen aber auch das Verbrechen unter dem Vorwande scheinbarer Ausflüchte und Entschuldigungen nicht ohne Straffe bleibe. Kreß ad Ord, Car. Crim. Art. 77. & 78.p. 225. Was aber ist hierbey zu thun? Nichts anders, als daß der Richter auf ein dienliches Mittel, anderer Gestalt hinter die Wahrheit zu kommen, bedacht seyn müsse: maßen sonst der oben festgesetzte Endzweck derer Gesetze keines weges erhalten werden kan, und im Gegentheile b

 

 

I. Vor der Tortur.

 

Nach eingereichter Schutz-Schrifft fällt dem Richterlichen Amte vielfältig zweifelhafft vor, ob der Inquisit die ihm zugemuthete Uebelthat, völlig oder nur zum Theil abgelehnet, die wieder ihn vorhandene redliche Anzeigungen, oder Muthmassungen, durch solche eingereichte Schrifft entkräfftet, und folglich selbiger als ein Unschuldiger loßzusprechen, oder ob er der Marter oder peinlichen Frage zu unterwerffen, oder aber in Unterlassung derselben, in eine außerordentliche Strafe zu vertheilen sey? Zu Untersuchung dieser Sache und rechtmäßigem weiteren Verfahren, beliebe man nachfolgende Lehr-Sätze zu mercken, die einer Obrigkeit in zweifelhafftigen Fällen ein ziemliches Licht, rechtmäßig und fürsichtig zu verfahren, geben können. Ist demnach zu wissen, daß in denen von Amts wegen gemachten Untersuchungen die Vertheidigung und Schutz-Schrifft des Angeschuldigten höchstgünstig sey, und mehr, als der Nutzen des Fiscals, beobachtet werden solle. L. favorabiliores ff. de R. J. Also, daß im Zweifel jederzeit für den Inquisiten, und wieder den Fiscum die Erkenntniß abzufassen. L. Adrianus ff. de Act. & obl. Sintemahl genug ist, daß die Sache durch die Schutz-Schrifft zweifelhafft geworden, sonderlich wenn sie auf denen in Acten und im Proceß gegründeten Umständen bestehet. Farinac Conf. 78. n. 29. Ja wenn der Beweiß auf beyden Seiten gleich wäre, hätte man doch jederzeit des Inquisiten seinen dem disseitigen vorzuziehen. [1488] L. Absentem. 5. L. Si Praeses. 32. L. Interpretationem 42. ff. de poen. Und ob zwar der Inquisit in Erweisung seiner Schutz-Wehren einen Kläger abgiebt, wird er doch allezeit, so viel die Erweisung der Unschuld anbetrifft, vor einen Beschuldigten gehalten. Boss. de Favore Def. n. 22. Jngleichen wenn vor Einreichung der Schutz-Schrifft der Inquisit zugleich mit genugsamen Anzeigungen zur peinlichen Frage behafftet wäre; durch diese aber eine, solchen Anzeigungen entgegen stehende, und dem Inquisiten zu Nutzen gereichende Sache, an- und ausgeführet worden, müste die peinliche Frage unterlassen werden, Boer Decis. 165. n. 9. sintemahl wie nachgehends angezeiget werden soll, zu einer Anzeige zur peinlichen Frage dreyerley Umstände erfordert werden: 1) Daß jedes derer Anzeigen mit zwei Zeugen erwiesen worden; 2) Daß es eine nahe und der Uebelthat selbst anklebende Anzeige sey: 3) Daß die Anzeige sich in Wahrheit auch also befinde. Guatz Defens. 29. c. 2. n. 1. inf. Denn es ist ausgemachten Rechtens, daß eine Anzeige die Andere aufhebe, und überwinde, eine Wahrscheinlichkeit die andere entkräffte. Barrolus L. Divus de Restit. in integr. Boßius in tit. de Indic. n. 9. Also muß ein Richter allezeit die für seinen Inquisiten streitende Muthmassungen mehr in Acht nehmen, als die wieder ihn lauffen, und die Auslegung zu Ausschliessung einer Uebelhat nehmen, sonderlich wenn der Inquisit guten Leumunds, auch die Vermuthungen so für ihn sind, im Proceß stärcker, klärer und gewisser wären. Gramm. Consil. 13. n. 7. Ja wenn sogar die Ursache und Anzeigungen an Seiten des Fisci stärcker wären, als auf des Inquisiten, so in der Schutz-Schrift angebracht worden; würde doch nichts desto weniger die peinliche Frage durch die geringere und schwächere Vermuthung, als wodurch die Sache zweifelhafft gemacht worden, abgewendet werden. Guatz Def. 29. C. 2. n. 6. Da aber der Inquisit seine Unschuld klar erwiesen hätte, wären dadurch alle widrige Vermuthungen und Anzeigungen gäntzlich aufgehoben, in Betrachtung, daß alle wiederwärtige und disseitige Anzeigungen einer klaren Beweisung weichen müssen. So soll auch ein Richter bey jedem fürkommenden Fall die Sache dergestalt auf die gelindere Seite richten, daß eher eine ausserordentliche, als die ordentliche Strafe erkannt werden könne. Cravetta Consil. 6. n. 69. Auf diese Weise sollen die von dem Inquisiten ausgelassene allgemeine Bedrohungs-Worte, nicht auf unzuläßliche, sondern rechtliche und zuläßliche Mittel verstanden werden. Alex. Consil. 18. n. 7. in f. 1.7. Jngleichen da der Peter dem Paul tödtlich feind wäre, der Johannes aber zu dem Peter sagte, er solte den Paul todt schlagen, wäre der Johannes wegen des gegebenen Raths und Anmahnung allein mit der ausserordentlichen, keineswegs aber wegen eines Befehls oder Bestellung ordentlich zu bestrafen. Denn in dergleichen Fall ist dafür zu halten, daß Peter den Paul, wegen selbst gegen ihn hegender Feindschafft umgebracht. Welches auch wahr bleibet, wenn gleich der Peter und Johannes dem Paul in gleichem Grad feind gewesen wären. Guatz Def. 29. c. 2. n. 10. [1489] Welches denn von andern Umständen auch also zu urtheilen. Weiters ist in der Lehre von denen Schutz-Schrifften zu bemercken, daß ein Zeuge für den Inquisiten eine durch zwey Zeugen wieder ihn bereits vorhandene vollständige Beweisung dergestalt vermindere, daß man zur ordentlichen Straffe nicht kommen könne. Farinac qu. 63. n. 42. Ja ein sonst untüchtiger Zeuge, als z. E. ein Hauß-Genoß, ist zu Erweisung der Unschuld genug. Jedoch will Julius Clarus qu. 24. n. 20. daß nach Beschaffenheit der Untüchtigkeit des Zeugen oder Schwere des Beweises, und der Sachen selbst, wenigstens eine ausserordentliche Straffe noch statt habe; es wäre denn der Zeuge mit mehr als einer Untüchtigkeit behafftet. Denn dergleichen Zeugen beweisen auch für den Beschuldigten nichts. Da aber ein Inquisit mehr als einen untüchtigen Zeugen vor sich hätte, würde dadurch seine Unschuld völlig, durch einen dergleichen Zeugen aber nur zur Helffte erwiesen werden. Haunold T. III. c. 8. Contr. 4. n. 341. Die Beweisung der Unschuld ist auch dergestalt befreyet, daß, nach der Lehre der Criminalisten, ein Zeugniß so pur vom Glauben und Dafürhalten herrühret, wenn auch die Zeugen keine Ursache ihres Glaubens dessentwegen geben könnten, dennoch zuzulassen und erheblich sey; wiewohl andere erfordern, daß sie die Ursache ihres Glaubens müsten anzeugen können: Denn ein Zeuge der etwas ohne Ursache aussagt oder glaubt, ist eines leichten Hertzens, und seine Aussage ohne Vernunfft. Noch andere aber lehren besser, und machen einen Unterscheid, daß genug sey, wenn der Zeuge eine Ursache seiner Glaublichkeit setze, wenn sie gleich nicht schliessend oder bündig sey, daß eben darum die Unschuld klar erwiesen werde; als z. E. da der Zeuge sagte, er glaube nicht, daß der Peter dem Paul freywilliger Weise erstochen habe, denn er kenne die Lebens-Art des Petern von Jugend auf, es sey ein friedsamer und nüchterner Mensch etc. habe gehört, daß der Peter während des Tumults um Hülffe geruffen; Sey wahr, daß der Paul des Peters Tod-Feind gewesen, und ihme öffters aufgepasst habe. Nach allen diesen Umständen ist die Unschuld des Peters nicht schliessend, noch klärlich dargethan, und dennoch wäre eine dergleichen Ursache der Glaublichkeit zu Beweisung der Unschuld in Rechten kräfftig. Siehe Haunold T. III. c. 8. Contr. 4. n. 344. Die Unschuld eines Inquisitens kan auch vermittelst ein u. anderer Muthmassung vernünfftiger Abnehmung u. s. f. erweißlich gemacht werden. Jedoch wird dem Richterlichen Amte die verständige Erkenntniß und Urtheil hiervon, wegen Verschiedenheit der Umstände überlassen: Als z. E. da der Inquisit leicht hätte entfliehen können, und doch nicht flüchtig geworden; wiewohl zu weilen einem Thäter nicht möglich ist zu entfliehen, auch solcher manchmahl so unverschämt und verwegen ist, daß er die Flucht verächtlich hintan setzet: Oder da ein Inquisit sich freywillig für dem Richter stellete, und seine Unschuld öffentlich anzeigte; oder da einer in der Nacht, da ein Todschlag begangen worden, gantz sanfft und ruhig schlaffend in seinem Bette wäre gefunden worden; oder da ein Mitgenoß der Uebelthat auf [1490] seinem Tod-Bette den angegebenen für unschuldig erkläret, und keine stärckere Beweisung der Uebelthat wieder ihn vorhanden wäre; oder da ein Zeuge vorgiebt, er habe eine unwahre Aussage gethan, und dessentwegen eine glaubwürdige Ursache anzeigete, z. E. wenn er die Ehrsucht gegen den Zeugen vorstellete etc. Oder da ein Uebelthäter sich beklagte, er sey unschuldig, es geschehe ihm von GOtt und der Welt unrecht; oder da die Vollziehung des Urtheils sonst wunderbarer Weise verhindert würde, wäre es für eine wundersame Anzeige zu halten, daß solcher unschuldig, und zu entledigen. Wiewohl in dergleichen Fällen in Acht zunehmen, ob nicht ein schwarzes Kunst-Stück und Augen-Bethörung mit unterlauffen. Nichtsdestoweniger soll eine Obrigkeit in dergleichen Begebenheiten, die Vollziehung des Urtheils verschieben, und alles getreulich der höhern Obrigkeit berichten. Menoch L. V. praesumpt. 48. n. 10. Schlüßlich ist zu wisssen, daß ein Vater für seinen Sohn, als ein Theil seines Leibes, und also für sich selbsten, ingleichen die Befreundte, Verschwägerte etc. zur Vertheidigung eines Uebelthäters zuzulassen seyn; ja sogar ein auswärtig und fremder, der dessentwegen das Amt eines Fürsprechers auf sich nehmen wolte. L. 19. ff. de poen. P. H. G. O. Art. 47. Und seynd dergleichen Sachwalter, wenn sie auch von dem Gefangenen keine Gewalt haben, von Richterlicher Macht nicht zu verweisen, sondern die Acten sind ihm zu dem Ende vorzulegen. Julius Clarus qu. 31. n. 16. Jedoch können die mit keiner Vollmacht versehene Sachführer dem Inquisiten zwar nützlich, keineswegs aber schädlich seyn, sonst solcher diese verwerffen kan. Also hat ein Richter nach Anleitung ob angezogenen Artickels dahin zu sehen, daß die Schutz-Schrifft nicht gar zu lange aufgehalten, und der Proceß ohne Noth schwerer gemacht werde. Und dafern der Inquisit vermittelst Einreichung seiner Schutz-Schrifft einen Wiederspruch in denen Aussagen der Zeugen anziehet, muß man, soferne solch Anführen erheblich, die Zeugen aufs neue verhören, gegen einander stellen, oder deren Aussage erklären lassen. Clarus qu. 6. n. 3. Wenn ein Richter den Delinquenten fragt, auf was Weise er sich entschuldigen könne, und begehret, daß er anzeigen solle, was er zu seiner Entschuldigung vorzubringen wisse, ist er nicht verbunden, die vorhandenen Mittel und Ursachen zu eröffnen, damit ihm solche von einem gewissenlosen Richter nicht benommen werden mögen. Noch weniger soll ein Richter den Verbrecher in dergleichen Verweigerungs-Fall alsobald der peinlichen Frage unterwerffen. Clarus qu. 49. n. 50. Farinac. qu. 39. n. 317. Nächst diesem aber hat auch eine Obrigkeit nach eingereichter Schutz-Schrifft dahin zu sehen, was der Missethäter damit erwiesen? Ob die Anzeigen durch zulängliche Mittel entkräfftet worden? Oder ob er, der eingereichten Schutz-Schrifft ohngeachtet, mit der peinlichen Frage zu belegen sey? Ob er völlig loßzusprechen und zu entlassen, oder wenigstens zu einer ausserordentlichen Straffe zu ver[ur]theilen sey? Jedoch weil diese Untersuchung einen geübten, und in peinlichen Sachen wohl unterrichteten Kopff und Verstand erfordern, sollen sich ungelehrte Richter keineswegs unterstehen, auf die eingegebene [1491] Schutz-Schrifft, nach eigenen Gutdüncken mit dem Uebelthäter umzugehen, sondern es geziemet einem solchem Richter, sich zuvor bey den Rechts-Verständigen Raths zu erholen, was in der Sache weiter vorzunehmen sey? Wie solches in der P. H. G. O. nach dem Zeugniß Oldenkops in Obs. 7. n. 11. 57 mahl denen Richtern auferlegt wird. Ja wenn auch gleich eine Obrigkeit in denen Rechten wohl erfahren und geübt, und in peinlichen Sachen berühmt wäre, würde doch selbige in zweifelhafften Fällen und an Orten, wo das Verfahren in Peinlichen-Sachen nicht zur Revision eingereichtet worden, besser thun, wenn sie einen Rath der Rechts-Verständigen einholte, als wenn sie das gantze Werck auf ihre eigene Kräffte nähme. Denn die peinlichen Urtheil sollen nicht in einer, sondern in mehrern Stimmen und Einstimmung derselben geschehen. Siehe Carpzov P. III. qu. 116. n. 22. Und Oldenkop lehret, Obs. n. 17. t. 11. daß derjenige kein verständiger Richter sey, der sich einbilde, alles allein zu verstehen. Wiewohl eine in Rechten erfahrne Obrigkeit in geringen Verbrechen, allwo das Urtheil keine Todes-Straffe enthält, solches zu Erspahrung der Zeit und Unkosten selbst auf sich nehmen kan. Ja an einigen Orten, sonderlich wo man der P. H. G. O. nachgehen muß, pfleget und muß man die peinlichen Acten und Proceße einer Juristen-Fakultät überschicken. Denn die Wahrheit wird von vielen eher, als von einem eintzigen Lehrer allein, erfunden. C. de quibus Dist. 20. C. prudentiam 21. de offic. & protest. jud. deleg. In Tyrol aber ist genug, daß man den Proceß einem Consulenten und Rechtsgelehrten anvertraue, sintemahl gleichsam aus allen Gerichten der Fürstlichen Grafschafft Tyrol, wenig ausgenommen, die peinlichen Proceße der Hochlöbl. O. O. Regierung zum Durchlesen vor Vollstreckung des Endurtheils eingeschickt werden. Jedoch ist nöthig, daß die Proceße völlig beschlossen, rechtlich eingerichtet, und mit ausgefallenen Urtheil versehen seyn. Denn wenn ein Proceß noch nicht völlig vollendet wäre, würde solcher wieder zurücke geschickt, auch da sich eine Obrigkeit eines Bescheids erholen wolte, was in Sachen zu thun wäre, würde selbige die Formalien gleich in dem gnädigen Rescript zu erlesen haben, daß sie als eine Obrigkeit von selbsten wissen werde, was von Amtswegen vorzunehmen sey, oder da ja die Sache derselben zu schwer fallen würde, sich dessentwegen bey Rechtsgelehrten Raths erholen solte. Da aber ein Gericht die peinlichen Acten einer Hochlöbl. Regierung einzuschicken nicht verbunden wäre, würde eine Obrigkeit sowohl vor GOtt als der Welt, löblicher handeln, wenn sie auch ohne zweiffelhaffte einlauffende Umstände, sich der Rechtsgelehrten Rath bedienete; sintemahl vier Augen, wie man zu sagen pfleget, jederzeit mehr sehen, als zwey, und ein anderer bald an Tag bringet, was vor den Augen der Obrigkeit im Proceße verborgen liegt, wodurch wenigstens die ordentliche Straffe gelindert werden kan. Ja es ist sehr rathsam, daß man das Urtheil, wenn sonst keine offenbare Ungerechtigkeit mit unterlieffe, dem eingeholten Gutachten gemäß einrichte, damit man sich des Syndicats erwehren möge. [1492] Oldenkop Obs. 7. tit. 1. n. 11. Bey Ueberschickung der Acten zum rechtlichen Gutachten und Spruche soll eine Obrigkeit fleißig beobachten, ob nicht etwa, der zu Rathe gefragt wird, dem Inquisiten feind, oder sonst wegen allerhand möglicher Umstände einen Vortheil daher hoffen, oder unerlaubtes Absehen dabey haben, oder dem Inquisiten zuvor verpflichtet seyn möchte? Denn dergleichen Umstände können kein unpartheyisch Gutachten hervor bringen. Zum andern soll man den Consulenten alle Acten, wie sie vom Anfange biß zum Ende verfaßt worden, nebst allen Beylagen, getreulich überschicken, eine Verzeichniß darüber abfassen, und den Inquisiten, daß er sehe, wie der Proceß beleget, und eingepackt werde, für fordern; wiewohl dieser letzte Punct nicht überall in Acht genommen wird. Wenigstens aber wäre der, so die Schutz-Schrifft abgefasset, hierzu einzuladen. Oldenkop Dec. 1. qu. 7. n. 5. Drittens soll man den Consulenten ersuchen, daß er die Sache beschleunige, damit die Sache geendiget und der Inquisit des Gefängnißes entlediget werde. Viertens soll man die Acten vor deren Ueberschickung, zu Erspahrung der Kosten und Zeit, selbst noch einmahl sorgfältig durchgehen, und zusehen, ob alle Umstände genau erkundiget worden, oder ob etwa zu Ertheilung eines verlangten Gutachtens noch etwas möchte erfordert werden? Damit solche von dem Consulenten nicht als mangelhafft möchten wieder zurückgeschickt werden. Oldenkop Obs. 9. tit. 1. n. 6. Fünfftens sollen von dem Richter in das Ersuchungs-Schreiben keine neue und in den Acten nicht gegründete Umstände, oder darüber der Delinquente nicht gefragt worden, gesetzt werden; sintemahl sich das Gutachten nicht auf das Ersuchungs-Schreiben, sondern auf die Acten und den Proceß gründen muß. Sechstens da der Inquisit eine vornehme Person, oder davor man sich zu fürchten hat, muß der Consulent geheim gehalten, ja auch der Bothe in Geheim fortgeschickt werden, damit nicht etwa, wie schon öffters geschehen, die Akten auskundschafftet, dem Bothen abgenommen, verfälschet, oder der Consulent bestochen werden möge. Ja, es sollen dem Delinquenten 3. Doctores oder Facultäten, um eine daraus zu erwählen, benennet, keineswegs aber eine gewisse vorzuschlagen vergönnet werden, Oldenkop Obs. 9. t. 1. n. 6. welches an den Orten, wo man der P. H. G. O. nachgehet, also zu geschehen pfleget. Die auf Einholung des Gutachtens gehende Unkosten sollen nach Verordnung der P. H. G. O. art. ult. von der Obrigkeit bezahlet werden. Aber Matthias Stephan in seinem Comment, sagt, daß solche von dem Inquisiten, so ferne er etwas im Vermögen hat, gut gethan werden müsten, wie es denn auch in Tyrol also gehalten wird. Bey einem armen Inquisiten aber bezahlet eine Landes-Fürstl. oder nach Beschaffenheit der Tractaten, eine Gerichts-Herrschafft die Unkosten. Wenn das Gutachten eingelauffen, ist löblich, daß der Richter solches in Gegenwart des Inquisitens wegen Recognoscirung des Siegels eröffne, den Rechtsgeschwornen Räthen vortrage, so denn erwarte, was sie wegen des Delinquenten, vor ein Bey- oder End-Urtheil abfassen [1493] werden: Ob nehmlich die Anzeigen abgelehnet, oder der Inquisit mit der peinlichen Frage zu belegen sey? sintemahlen in Tyrol eine Obrigkeit und Beysitzer nicht so strenge an das Gutachten gebunden, daß sie wegen einer vernünfftigen und in Acten gegründeten Ursache, nicht ein anders Bey- oder End-Urtheil solten abfassen können. Jedoch weil in den mehresten Processen, sonderlich bey einem nicht überwiesenen halsstarrigen Delinquenten oder Missethäter, die peinliche Frage oder Tortur vorgekehret werden muß, und die Gutachten mehrentheils zur Vornehmung der Tortur hinaus lauffen; als will die Ordnung erfordern, von deren rechtlichen Gebrauch einige Nachricht zu geben. Ehe und zuvor aber ein Richter einen Missethäter der Tortur unterwirfft, soll er zuförderst beobachten, ob da[s] Verbrechen in der That und Wahrheit selbst begangen worden, und dessentwegen unfehlbare Gewißheit in Acten vorhanden sey? Als z. E. ein Todschlag wird durch Findung eines zerhauenen, erdrosselten, oder erschossenen Cörpers rüchtig und kundbar; ein Diebstahl mit Einbrechen wird öffentlich und gewiß, da man an dem Orte des Einbrechens, die Merckzeichen der hinweg gebrochenen Gitter oder anderer Verwahrungen siehet; In andern Diebstählen muß das Corpus delicti bekannt seyn, da man an dem Orte allwo der Dieb die Sachen entwendet zu haben vorgiebt, ordentlich eydliche Erkundigung einholen, ob in Wahrheit die bekannten Sachen entwendet worden seyn oder nicht? L. in cognitione ff. ad SC. Syll. allwo dergestaltige Umstände erfordert werden, daß die Obrigkeit genugsam wissen könne, es sey ein Todschlag begangen worden. Denn in zweifelhafftigem Fall hat die Tortur keine statt; als: Da man nach Aussage eines Arztes nicht wissen könnte, ob der Verstorbene Gifft überkommen habe, oder sonst gestorben sey? Gleichergestalt da ein Dieb in Güte bekennete, daß er 600 Fl. an diesem oder jenem Orte entwendet hätte, jedoch aber ohnmöglich fiele, hiervon eydliche Kundschafft einzuholen, noch auch die eingeholte Kundschafft eintreffen würde; in dergleichen Fällen könnte keine Tortur zu mehrerer Bekräfftigung vorgenommen werden. Carpzov P. III. q. 119 n. 58. In denen Lastern, so kein Merckzeichen nach sich lassen, als da seynd: Die Sodomitische Sünden, Ketzerey, Hexerey etc. kan man bey vorhandenen und die Uebelthat gleichsam nothwendiger Weise nach sich ziehenden Anzeigungen, die Tortur ergreiffen, wenn gleich in der Sache selbst die unfehlbare Wissenschafft geschehener Uebelthat nicht am Tage läge. Gleiche Bewandniß hat es auch mit denen Verbrechern, die zuweilen kein Zeichen nach sich zu lassen pflegen, als in Todschlägen, Kindes-Abtreibungen, und andern Mordthaten, wenn nehmlich die Cörper ins Wasser geworffen, vergraben oder sonst verborgen werden. Siehe die P. H. G. O. Art. 6. Allwo die Formalien zu lesen: Daß eine Obrigkeit, so viel möglich, und nach Beschaffenheit und Gelegenheit einer jeden Sache, geschehen kan, sich vor der peinlichen Frage erkundigen soll, sintemahl die gemeine Wohlfahrt erfordert, eine mit erheblichen Anzeigungen geschehener Uebelthat beschwerte Person, eher zur Tortur zu bringen, als in dergleichen Fall, wo [1494] die That kein Merckzeichen hinterlassen, gäntzlich ledig und loß zu geben, damit das Uebel bestrafft werde. l. 51 ff. §. 2 ff. ad L. Aquil. Farinac L. I. c. 1. qu. 2. n. 12. Das dritte Stück so vor Unternehmung der Tortur erfordert wird, ist dieses, daß der Obrigkeit auf keine andere Weise möglich sey, die Wahrheit zu erhalten, als nehmlich durch Zeugen, Briefschafften oder andere Instrumente, ingleichen gütliche Bekänntniß. Denn wenn etwa Zeugen oder andere Sachen, so die Uebelthat erweißlich machen vorhanden, soll die Tortur, als ein nur in Ermanglung andern Beweises annoch zuläßiges Hülffs-Mittel, nicht ergriffen werden. L. 12 c. de quaest. Ja die Lehrer des peinlichen Rechts lehren, daß sich eine Obrigkeit auf alle mögliche Weise bemühen solle, durch vernünfftig schliessende Fragstücke, das Geständniß des Uebelthäters heraus zu bringen; sintemahl die Practici frey bekennen, daß der gantze Proceß bey Vornehmung der Tortur, vermittelst Ablehnung der Anzeigungen, und Verschweigung der Wahrheit übern Hauffen falle, gleichwie jener bey der Tortur gesagt hat: Es ist besser einen Märtyrer, als einen Bekenner, abzugeben. Das vierte Erforderniß zur peinlichen Frage, sind die vorhandenen und erwiesenen Anzeigungen. Denn es ist keiner Obrigkeit erlaubt, ohne genugsame Anzeigungen, Wahrzeichen und Verdacht, jemand mit peinlicher Frage anzugreiffen. L. 18. §. 2 ff. de quaest. und l. fin. C. eod. P. H. G. O. Art. 21. Nun aber lässet sich billig fragen, wie man zur Wissenschafft kommen könne? Ob ein oder andere vorhandene Anzeigung, Verdacht, Argwohn, zu der Tortur genug sey? Denn ob zwar die Erkänntniß dem Richter und Beysitzern überlassen. Menoch de arbitrar. jud. Quaest. l. 2. c. 270 n. 3. So muß doch die Ueberlassung die Schrancken des Rechts und der Billigkeit nicht überschreiten, sonderlich in einer so schweren und schlüpfrigen Sache, wo es um das Leben eines Menschen zu thun ist. Gleichwie aber auf alle und jede Uebelthaten gewisse Umstände und Regeln vorzuschreiben ohnmöglich ist, weil jede ihre besondere Anzeigung, Wahrzeichen, Argwohn, Verdacht und Vermuthung hat, welche Stücke alle unter dem Nahmen Anzeigen oder Inzichten verstanden werden. P. H. G. O. Art. 19. Also hat diese peinliche Gerichts-Ordnung Art. 24 verordnet: Daß aus denen daselbst nachgesetzten Anzeigen, ein Gleichniß genommen werden solle, und zwar also, daß da ein oder andere Umstände den nachgesetzten gleichförmig der Obrigkeit auch von gleicher Krafft und Nachdruck zu seyn vorkommen würden, ein solches Gleichniß, so gut und viel seyn solle, als wenn es würcklich und ausdrücklich gesetzt worden wäre, auch also beobachtet werden solle; denn in gleichen Sachen ist gleiches Recht zu nehmen. L. Regula ff. de Jur. & facti ignor. Wovon unter dem Artickel Tortur, (Anzeigen zur) ein mehrers nachzusehen. Wenn der Inqusit seine Schutz-Schrifft eingereichet, ist ferner von nöthen, daß der Richter seine geschwornen Beysitzer zusammen ruffen lasse, und selbigen anzeige, was für Anzeigungen wieder ihn, aus dem formirten Proceß, erscheinen, wie kräfftig oder zweiffelhafft solche den Gefangenen beschweren, welchergestalt die Anzeigungen durch glaubwürdige [1495] unverwerfliche Zeugen erwiesen, daß es um eine Sache zu thun, die an Leib und Leben gehe, nicht weniger daß zwar der Gefangene, zu Einreichung einer Schutz-Schrifft zugelassen, selbigen zu dem Ende die Acten getreulich vorgelegt, auch eine solche von ihme würcklich eingereichet worden; nun komme es darauf an, daß ein Rechts-Geding oder Gericht ermesse, ob Inquisit vermittelst solcher seiner eingegebenen Schutz-Schrifft, die wieder ihn vorhandenen Anzeigungen genugsam abgelehnet habe oder nicht? oder ob es nöthig sey solchen mit der würcklichen Marter zu Erhaltung der Wahrheit, auch Abthuung der wieder ihn vorhandenen Anzeigungen, anzufragen, und mit was für einem Grade selbiger den Umständen nach, so wohl dessen Person, der That, als erwiesener Anzeigungen halber anzugreiffen wäre? Auf welchen Eingang ferner aus dem Protocoll des Gerichts-Schreibers zu nehmen seyn möchte, aus was für einem Grunde, Ursachen und Erheblichkeit, die mehrere Beypflichtung zu diesem oder jenem Grade der Tortur mit ihrer Erkenntniß zu votieren, beweget worden? zumahlen nach Art und Form eines Bey-Bescheids dem Protokoll einzutragen ist:

 

 

Bey-Bescheid.

 

Daß aus vorstehenden der Sachen reiflich überlegten erheblichen Umständen und unabgelehnten schweren Anzeigungen, auch wegen Abscheulichkeit der That, und damit die Wahrheit, zu welcher anderer gestalt nicht zugelangen, an Tag komme, der N. N. an den Ort der peinlichen Frage geführet, der Kleider entblösset, gebunden, mit dem Seil aufgezogen, und den N. N. lang aufgezogen gelassen, auch im Fall seiner Hartnäckigkeit ein N. N. Pfund schwer, Stein, drey Vater Unser lang, an seine Füße gehangen werden solle.

Denn hierinnen soll ein Richter nach Ausweise der Tyr. Landes-Ordn. im 8. Titel 8. Buchs, den mehrern Stimmen folgen, und vor sich selbst nichts vornehmen. Nach solchen abgefaßten Bey-Urtheil soll der Richter und Gerichts-Schreiber, mit Zuziehung dreyer aus dem Rath oder Geschwornen, den Delinquenten nicht gleich an den Ort der Marter führen lassen, sondern zuvor versuchen, ob er zu Bekennung der Wahrheit, in Güte zu bringen sey, und zwar dergestalt:

Nachdem die Obrigkeit, auf das von denen Geschwornen und Beysitzern gefällte Urtheil und zuerkannte peinliche Frage nicht unterlassen hat, in Gegenwart des Gerichts-Schreibers und N. N. als Beysitzern, den Inquisiten in der N. Stube nochmahlen fürzunehmen, und selbigen auf nachfolgende Weise zu Bekennung der Wahrheit gütlich anzumahnen etc.

 

Actum den etc.

Vor etc.

Ist der Inquisit über abgelegten leiblichen Eyd, so viel andere Personen berührt, und geschehene Anvermahnung die Wahrheit zu bekennen, noch mahls befragt worden.

Man habe an Seiten des Gerichts seine eingegebene Schutz-Schrifft zu Entfliehung peinlicher Frage genugsam ersehen, jedoch gefunden, daß die in dem Proceß wieder ihn vorhandene schwere [1496] Anzeigungen nicht abgelehnet worden wären; solle dannenhero die Wahrheit endlich bekennen; ob er nicht den Paulen ermordet habe?

Saget nein; er verhoffe aber er habe seine Unschuld genugsam an den Tag geleget;

Wie Constitut dieses vorgeben möge, indem doch aus so vielen Anzeigungen, Wahrzeichen und Muthmasungen, nichts anders abzunehmen, als daß er der Thäter seyn müsse: Er wisse mit was für unzweiffelhafften und vielfältigen Anzeigungen er beschweret sey, also daß sein beständiges Ableugnen bey so beschaffenen Umständen nicht statt finde. Denn daferne er über diese gütige Vermahnung noch weiter bey seinem frechen Leugnen verharren werde, würde mit ihm von Rechtswegen zur peinlichen Frage geschritten werden, er solle also in sich gehen, GOtt die Ehre geben, und dancken, daß er zu Bußfertiger Bekänntniß seiner Sünden Gelegenheit habe, und sich nicht selbst der Folter und Marter aufopffern.

Antw. Er wisse nichts zu bekennen, man thue ihm vor GOTT und Welt unrecht, etc. er thue darwieder protestiren appelliren, und sich bester massen darüber beschweren.

 

Und hiermit kommen wir nunmehr zu denen Pflichten eines Richters.

 

 

II. In und bey der Tortur.

 

Wenn der Inquisit durch ernstlich Zusprechen und Ermahnen die Wahrheit in Güte zu bekennen, nicht zu vermögen gewesen, bleibt nichts mehr übrig, als daß sich der Richter, der Gerichts-Schreiber und Beysitzer, darauf an den Ort der Tortur verfügen, und den Inquisiten durch die Gerichts-Diener, welche an dem Orte wo kein Freymann oder Scharff-Richter wohnet, die Tortur zu vollziehen pflegen, führen lassen. Zuvor aber soll der Richter etliche kurtze kräfftige Fragstücke aufsetzen, die er dem Inquisiten vorzuhalten vermeynet, damit der arme Mensch in der Marter nicht lange aufgehalten werde. Es verordnet zwar die P. H. G. O. art. 58. daß die Sage des Gefragten, so er in der Marter thut, nicht angenommen oder aufgeschrieben werden solle, sondern er solle seine Sage thun, so er von der Marter gelassen ist. Ob nun zwar an dem angeführten Orten nur von Aufschreibung der Sage die Rede ist; so ziehet doch solches Blumbacher art. 58 n. 9. auch auf die Anfrage, also, daß währender Marter niemand eigentlich und insbesondere auf die That und deren Umstände, sondern nur überhaupt zum Geständniß anermahnet werden solle: Befragter solle nunmehro die Wahrheit bekennen. Carpzov P. III qu. 124 n. 27 u. f. Und zwar dieses darum, weil nicht wahrscheinlich ist, daß der arme Mensch währender Marter mit völligem Verstande begabt sey, auch dessentwegen die Uebelthat mit allen wahrhafftigen Umständen eröffnen könne. Nichts destoweniger aber ist dieses Verfahren in Welschland, auch in Tyrol, nicht üblich; denn es werden manchmahl etliche verschlagene Gesellen gefunden, welche, wenn sie kaum gebunden und in die Höhe gezogen worden, schon zu schreyen anfangen: Ach GOTT! Laßt mich herab, ich [1497] will alles bekennen, und wenn man sie herab gelassen, sagen sie: Ach wolt ich bekennen, ich bin unschuldig: Und damit können sie ihnen die Tortur dergestalt erleichtern, daß sie die Schmertzen, die aus steter Währung der Marter entspringen, nicht sonderlich empfinden, folglich auch nicht genugsam angehalten werden, die Wahrheit zu kennen. Die N. O. L. G. Ordn. tit. 37 §. 4. verbietet nicht, daß man einen in währende Tortur nicht anfragen solle, sondern nur, daß man den Missethäter nach Erlassung derselben nochmahlen anhalte, die Bekänntniß jedoch an dem Orte der Tortur zu wiederhohlen, welche Aussage denn der Gerichts-Schreiber mit allen Umständen zum Protocoll aufzeichnen solle. Die Italiener aber pflegen die Fragstücke währender Tortur abzunehmen, und den Missethäter vor Bekänntniß der That der Tortur nicht zu erlassen, wenn es die zur Tortur anberaumte Zeit leidet, ja wenn er gleich sagte: Laßt mich herab, ich will alles sagen, wird gleich geantwortet, er solle es gleich jetzo thun, und einmahl bekennen und anfangen. Bey der Hochlöbl. O. O. Regierung des Tyrolischen Landes, weil das Statut davon nichts meldet, kan die Italienische Art beobachtet werden, sintemahl die Bekänntniß in der Tortur ohnedem vor der Bestätigung ausserhalb derselben, ungültig, und dem Bekennenden in der Hauptsache nicht schädlich ist. Dieses voraus gesetzt ist weiter zu wissen, daß ein Richter eine Sand-Uhr mit sich nehmen solle, daß er wisse, wenn die zuerkannte Zeit zur Tortur verstrichen sey. Jedoch lehren andere, daß er die Sand-Uhr an einen Ort stellen solle, allwo sie von dem Missethäter nicht gesehen werden möge. Guatz in Def. 30 c. 2 n. 4. Nachgehends soll man dem Delinquenten abermahls zusprechen, und ihm vorhalten:

Er sehe nun, an was für einen Orte er sich befinde, solle GOtt den Allmächtigen vor Augen haben, seiner Seelen Seligkeit beobachten, und nunmehro die Wahrheit einmahl bekennen: Denn wiedrigen Falls, weilen er mit so vielen Anzeigungen beschwert, er mit peinlicher Frage und Marter angegriffen werden müsse.

Antw. Er wisse weiter nichts zu bekennen, man möge mit ihm umgehen wie man wolle.

Wenn die Ermahnung noch nichts fruchtet, kan man die Werckzeuge der Tortur durch den Scharf-Richter oder Gerichts-Diener in Bereitschafft stellen, den Delinquenten niedersitzen, und der Kleider, jedoch mit Bedeckung der Scham, als welche die Natur selbst gleichsam verbergen wollen, Damhoud C. de tort. entblössen lassen: Nachgehends soll eine Obrigkeit abermahls versuchen, ob der Missethäter die Wahrheit ohne fernere Marter zu bekennen geneigt sey. Und also soll ein vernünfftiger Richter einen Grad nach dem andern vornehmen lassen, und jedesmahl durch nachgesetzte Fragstücke versuchen, ob der Delinquent zu Bekennung der Wahrheit nicht zu bewegen sey: Als

Constitut werde ermahnet, die Wahrheit nunmehro einmahl zu bekennen, und solle er selbst zur Würcklichen Marter nicht Ursache geben. [1498]

Antw. Er könne nichts anders bekennen, und solte er 100 Jahr gemartert werden.

Auf welche Antwort, und weil man des Verbrechers Hartnäckigkeit erfahren, ist man zu dem zuerkennten Grad der Tortur geschritten, und hat ihn in die Höhe ziehen lassen. Ueber welcher Aufziehung er geschryen: Ihr möcht machen, was ihr wollt, ich kan nichts bekennen.

Auf diese weitere Hartnäckigkeit, hat man endlich nach Anweisung des zuerkennten Bey-Urtheils den letzten Grad ergriffen, und an die Füße des Missethäters ein 12 Pfund schweren Stein gehängt, worüber der Constitut zu schreyen angefangen: Ach JEsus Maria! Was ist das für eine Tyranney, ich kan nichts bekennen.

Darüber er aber nochmahlen erinnert worden, die Wahrheit zu bekennen:

Antw. Was wolt ihr von mir wissen, ich sterbe, laßt mich herab, ich will alles sagen, was ihr wolt.

Auf welches er aber von neuem ermahnet worden; solle also die Wahrheit einmahl bekennen,

Antw. Laßt mich herab, ich will alles bekennen.

Auf welches ihm gesagt worden, er solle nur einmahl anfangen zu bekennen, hernach wolle man ihn herablassen:

Antw. Er könne in dieser Marter nichts sagen, man solle ihn herablassen, er wolle alles sagen und bekennen. Ach GOTT! Last mich herab so er öffters angezogen.

Ueber diesem Versprechen hat man ihn, Constituten, zu besagtem Ende mit allem weitern Vorbehalt etc. fein gemach und sachte von der Marter herab, und auf einen Stuhl sitzen lassen. Und als er dergestalt herab gelassen, und auf einen Stuhl gesetzt worden, ist weiter angefragt worden:

Constitut solle nun nach seinem Versprechen die Wahrheit bekennen.

Antw. Was will man von mir haben, ich bin unschuldig, und dennoch thut man mich wieder Billigkeit strecken.

Constitut werde ermahnet, daß er sich dergleichen Ausflüchte begeben, einsmahl die Wahrheit bekennen solle, sonst würde die Tortur fortgesetzt werden.

Worüber der Constitut abermahls in die Höhe gezogen worden, der aber gleich nach der Aufziehung zu schreyen angefangen; Ach GOtt! Ich muß zerschnellen, laßt mich der Natur pflegen etc. Zu welchem Ende denn Constitut herab gelassen, und ihme die Erlaubniß gegeben worden, den Leib s. v. zu erleichtern. Und als er über eine kleine Weile ungefehr bey einer halben Viertel-Stunde, wieder zur Marter-Kammer geführet worden, hat er angefangen zu reden; Ach GOtt erbarme es! sagt mir denn, was wolt ihr daß ich sagen soll, ich will alles sagen, was ihr wollet.

Ueber welche blosse Worte und nichtiges Versprechen, die Tortur auf Richterlichen Befehl abermahls [1499] ergriffen, und Constitut in die Höhe gezogen worden, der aber ohneracht vielfältiger Anfrage und Ermahnung nichts mehr sagen wolte. Und als Constitut ein N. Stund nach Anzeige der Sand-Uhr also in der Marter gewesen, und verharret, hat man ihn wiederum fein gemach von der Tortur entbunden, die Arme und Glieder eingerichtet und wieder angekleidet, der bey solcher Herablassung angefangen zu schreyen; halt Brüder! halt, fein gemach! etc. Aus dieser Formul kan man abnehmen, wie nach Verschiedenheit der Marter, auch das Protocoll formiret werden müsse. Und soll dem Missethäter ein mehrers, als was das Bey-Urtheil vermag, nicht zugefüget und ins Protocol verzeichnet werden. Ambrosius Sinogall Lib. IV. c. 8. n. 2. Damit aber ein Richter bey Vornehmung der Tortur keiner Unachtsamkeit beschuldiget, oder dessentwegen zur Verantwortung gezogen werden möge, soll er sich währender Tortur nicht hinweg begeben, sondern auf alle Umstände fleißig aufmercken; ja er soll in das Protocoll setzen lassen, daß dem Scharf-Richter oder Gerichts-Diener ernstlich auferlegt und anbefohlen worden sey, daß er den Inquisiten zuvor an dem Leibe besichtigen und beobachten solle, ob er ein tadelhafftes Glied oder Schaden am Leibe habe? Ob er nach seiner Leibes-Beschaffenheit den zuerkannten Grad der Tortur aushalten könne; ingleichen daß sie sehen solten, ob die Seile gut und frisch und nicht etwa zureissen möchten. Ueberdieß soll man ebenfalls zum Protocoll nehmen, wie sorgfältig die Gerichts-Diener alles besichtiget, wie hart sie den Inquisiten gebunden, denn daran gar viel gelegen. N. O. L. G. Ordn. Tit. von der Tortur Gulatz in Def. 30. C. 34. n. 2. Solten aber die Gerichts-Diener sagen, daß der Inquisit gebrechlich, und zweiffelhafft seyn, ob er die Tortur, ohne ihm am Leben zu schaden, werde aushalten können oder nicht? Soll man einen Arzt oder Bader zu Rathe ziehen, dessen eydliches Gutachten darüber vernehmen, dem Protocoll einverleiben, und sich mit der Tortur nach derselben Vorschrifft richten. Da aber dergleichen Vorsicht nicht gebraucht worden wäre, die Stricke rissen, der Torquirte auf die Erde fiele, und etwa einen Arm oder Bein entzwey bräche, wollen einige, daß der Richter davor zur Verantwortung gezogen werden solle; wiewohl auch andere diesen davon befreyen, und die Schuld demjenigen zuschreiben, dem die Tortur von Rechtswegen zu vollziehen obliegt. Dem sey aber, wie ihm wolle; so ist doch allezeit rathsamer, daß der Richter diese Vorsicht nehme, und die Gerichts-Diener offt mehr als vonnöthen, ihres Amts erinnere, den Inquisiten wegen der Leibes-Mängel selbst befrage, und hierüber nicht allein das Blutbegierige Urtheil den Scharf-Richter, sondern der Aertzte und Barbierer vernehme: Denn eine Obrigkeit soll nicht leicht den Scharf-Richtern und Gerichts-Dienern glauben, als die sich öffters aus Begierde den Inquisiten zu plagen, sehr vergehen, noch weniger selbigen zulassen diesen um die Bekänntniß zu fragen, oder durch Drohungen zu erschrecken: Ja es ist ein schlechtes Lob einen solchen Scharf-Richter zu haben, der die Bekänntniß bey allen Inquisiten erpressen mag, indem [1500] dieses offt aus teuflischer Zubereitung, und andern verborgenen Ursachen herfliesset. Siehe Oldenkopp Obs. 24. tit. 4.

Eine andere Art eines solchen peinlichen Verhörs findet sich auch in Schülins Theatr. Consc. Crim. Part. l. c. 11. welches daselbst also lautet:

Wenn ein Richter aus trifftigen Anzeigen, Umständen und andern Ursachen, so denn aus dem Corpore delicti findet, daß der Beschuldigte des Verbrechens genugsam verdächtig und überzeugt, also daß nichts als dessen Geständniß annoch ermangelnd sey, so mag er ihn nochmahls fürfordern und durch die beweglichsten Zuredungen zur gütlichen Bekenntniß zubringen suchen, auch nochmahlen über alle peinliche Fragstücken gütlich befragen, wo selbiges nun auch nichts bey dem Verdächtigen verfängt zur Schreckung mit Worten schreiten, und ihn dem Scharfrichter vorstellen, durch selbigen die peinlichen Werckzeuge vorlegen, und die daraus entstehenden unerträglichen Schmertzen, genüglich erklären lassen, selbsten aber dem Verdächtigen aufs beweglichste zu reden, und bedrohen wo er nicht bekennete, er würcklich durch den Scharfrichter angegriffen werden solte, welchen Verlauff der Actuarius mit allen dabey vorkommenden Umständen, eigentlichen Gebehrden und Worten des Inquisitens auf folgende Art zum Protocoll niederschreiben muß:

 

Actum N. d. 22 Mart. Anno etc.

Gütliche Verhör.

 

Praesentes:

Herr Richter N.

Ego der Actuarius N.

Herr Assessor N.

Herr Assessor N.

Herr Assessor N.

     

Nach dem eingelangten Hochfürstlichen gnädigstem Befehl (oder Urtheil der Universität N) wurde der Inquisit Krumfinger vorgebracht und über folgende Umstände unter beweglichem Zureden noch einmahlen gütlichen befragt.

1.

Ob er nicht bekennen wolle, daß er den Raub zu N. begehen helffen?

     

Nein sein lebtag nicht.

2.

Wer mehr dabey gewesen?

     

Nescit.

3.

Ob er nicht bekennen müsse, daß er die Keller-Mauer mit einem Brech-Eisen gewaltsam erbrochen?

     

Negat.

4.

Ob er nicht gestehen müsse, daß er den N. gerädelt und gebunden?

     

Nein.

5.

Ob er nicht sagen müsse, daß er selbigen das Messer auf das Hertz gesetzt?

     

Negat.

6.

Ob er nicht gestehen müsse, daß er diesen würcklich ermordet?

     

Nein, sein lebtag nicht.

 

[1501] Weilen nun aus dem verstockten Inquisiten in der Güte, alles beweglichen Zuredens ohnangesehen, keine Bekenntniß zu bringen, wurde der Scharf-Richter N. N. von N. vorgelassen und bedeutet, dem Inquisiten die peinlichen Instrumenke vorzulegen, und ihm die daraus entspringenden unerträglichen Schmertzen zu erklären. Scharf-Richter N. N. leget sodenn sein bey sich habendes Folterzeug, dem Inquisiten vor, und expliciret ihm alle daraus zu empfinden habende unleidentliche Schmertzen.

Inquisit, Krumfinger, erschrickt (oder ist frech) bey dessen Vorzeichung weinet, (oder schweiget) und saget: Er sey unschuldig, er sey in GOttes und der Obrigkeit Händen, könne nichts gestehen, man möge mit ihm machen was man wolle, wenn man ihm alle seine Glieder vom Leibe risse, könne er doch nichts gestehen.

Wird ihm vom Gericht beweglich zugeredet und bedrohet, daß er bey anhaltender Läugnung mit der Folter angegriffen worden solte, weilen aber alles nichts verfangen, ist selbiger einstweilen abgeführet worden. Wenn nun der Inquisit abgeführet ist, kan der Richter sodenn dem Scharf-Richter sagen, wie und auf welche Art der Inquisit befraget werden solle, nicht weniger sich mit demselben dahin unterreden, wie und wenn, bey welchem Fragstück er Scharf-Richter die Schmertzen aufs Höchste treiben solle. Damit solches der Inquisit aber nicht vermercke, mag er ihm dessen ein Zeichen sagen, welches der Scharf-Richter zu bemercken hat, z. E. wenn der Richter Schnupf-Toback schnupffe, oder sonst den Inquisiten rauer anrede. Nicht weniger soll er dem Scharf-Richter eyfrig befehlen, daß derselbe in der peinlichen Frage wohl in Obacht nehmen und dem Inquisiten keine Röhre oder Bein entzwey sprengen solle. Gleichwie aber an geschickten tüchtigen und erfahrnen Personen, eine glückliche Verrichtung gelegen; also kömmt solches hierinnen auch hauptsächlich auf einen guten Scharf-Richter an. Dahero sich ja der Richter nach einen solchen umzusehen, und zu gebrauchen hat, und sollen die Eigenschafften des Scharf-Richters anderswo angezeiget werden. Auch soll ein Richter mit dem gantzen Gericht genau Acht haben, daß der Scharf-Richter mit dem Inquisiten weder zu gelinde noch zu scharf verfahre. Denn die Erfahrung lehret, daß öffters der Scharf-Richter mit dem Inquisiten ein Verständniß hat, etc. die Instrumente nicht recht zuziehet, zuschraubet oder ansetzet, den Inquisiten dargegen zum hefftigen Schreyen anweiset, und dadurch das Gerichte betrügt, oder der arme Inquisit wird durch des Scharf-Richters Grimm und Rachgier erbärmlich zugerichtet. Nach diesem ist nichts mehr übrig, als daß der Richter den Inquisiten zur Folter-Kammer bringen und durch den Scharf-Richter selbigem seine habende völlige Kleidung ausziehen und dafür ein apartes schwartzes Folter-Hemd und Hosen (welche einem jeden Richter anzuschaffen zu rathen, weilen der Inquisit offters durch diese furchtsame Ankleidung zum Bekenntniß beweget und der Schmertzen also überhoben wird) anziehen, auch die Haare am Kopff, unter der Achsel und denen heimlichen Stätten abschneiden und genau besichtigen [1502] läßt, ob Inquisit nichts bey sich oder eingeheilet habe, damit er die Tortur überstehe. Denn es giebt dergleichen Leute, welche allerhand teuflische Seegen oder Wurtzel und anders eingeheilet haben, damit sie nur die Schmerzen überhärten. Findet ein Scharf-Richter ein verdächtiges Zeichen, oder Merckmahl an des Inquisiten Leib, mag ihm der Richter wohl erlauben, entweder mit einer Steckenadel zu versuchen, ob Inquisit daran Schmerzen habe oder nicht, ja er kan befindenden Dingen nach, zulassen, daß der Scharf-Richter den verdächtigen Ort aufschneide, und sehe ob nichts eingeheilet. Hierauf führet der Scharf-Richter den Inquisiten zum Stuhl und bindet selbigem die Hände, leget ihm auch die Daumenstöcke an, jedoch noch ohne Zuschraubung und dieses wird von den Rechtsgelehrten die thätliche Bedrohung genennet. Es soll aber nach Ausweise der P. H. G. O. Art. 181. 182. 183. 184. 185. 186. 187. 188. ein Gericht-Schreiber alle dasjenige fleißig aufschreiben, was der Gemarterte sagt, wie sich selbiger bey der Hineinführung in das Folter-Gewölbe, bey Angreiffung des Scharf-Richters, Bindung in der Marter, aufgeführet, was er bekennet oder läugnet, mit welchen Worten und Gebärden, ingleichen den gantzen Handel der Tortur, mit ausdrücklicher Bemeldung, was vor eine Marter gebrauchet worden, in was Schärffe und wie lange. Auch hat er ausdrücklich zu bemercken, daß bey dem Geständniß sofort das peinliche Instrument abgenommen, oder das die Marter, und warum zertheilet, damit man hieraus ersehen könne, ob die Marter recht und Gesetzmäßig verrichtet, und der Sache nicht zu wenig oder zuviel gethan worden. Damit aber ein Anfänger und neuer Actuarius wissen möge, wie ein solches Protocoll zu führen sey, so will ich hiervon folgendes Formular anschließen:

 

 

Actum N. d. Anno.

Horis antemeridianis.

Praesentes.

Herr Richter N.

Ego der Actuarius N.

Herr N., Herr N., Herr N. sämmtliche Gerichts-Assessores.

Dieweilen nun bey dem Verstockten Inquisiten Krumfinger, alle Güte fruchtloß abgelauffen, wurde selbiger ohne fernern Anstand, in locum torturae gebracht, und über die vor convenable befundene (oder gnädigst befohlne) Fragstücke, peinlich vernommen, so denn applicirt der

I. Gradus.

Der Daumen-Stock.

Scharf-Richter.

Bindet den Inquisiten [1503] auf dem Stuhl die Hände und stößt selbigen den Daumen-Stock an.

Schraubet.

Schraubet.

Schraubet.

Schraubet.

     

Inquisit.

Selbiger sagt, er habe nichts Unrechts gethan, sey unschuldig.

 

ad. I. Er wisse nichts.

ad. II. Nein. Inquisit schreyet, Nein o! Herr Jesus.

ad. III. Nein. Schreyet erbärmlich.

ad. IV. Ich weiß nichts, Herr Jesus!

Wird hierauf der Daumenstock abgenommen und hingegen applicirt

II. Gradus.

Der Spanische Stiefel.

Scharf-Richter.

Leget solchen dem Inquisiten an den rechten Fuß.

Klopfft.

Klopfft.

Klopfft.

     

Inquisit.

 

ad. I. Nein.

ad. II. Nein Herr Jesus!

ad. III. Nein, o Gott!

ad. IV. Ich will bekennen.

Weilen sich hier der Inquisit zur Bekänntniß erkläret, ist selbigem sogleich der Spanische Stiefel abgenommen, der Inquisit aufgebunden und befragt worden.

1.

Ob er bekennen wolle, daß er den Raub zu N. mit verüben helffen?

     

 

Ja.

2.

Wer mehr dabey gewesen?

     

Der Schnabsack, der lange Abraham, der Polack.

NB. Wenn nun der Inquisit nicht bekennet, so wird das Protocoll ferner also continuiret.

Klopfft.

Klopfft.

     

ad. V. Nein.

ad. VI. Nein.

Wird dem Inquisiten der Spanische Stiefel abgethan, und vorgenommen

III. Gradus.

Der Aufzug.

Scharf-Richter.

Bindet selbigen die Hände auf dem Rücken, und einen schweren Stein an die Füsse.

Ziehet ihn auf.

 

Schläget auf die Schnür und an den Inquisiten die erste Spitzruthe entzwey.

     

Inquisit.

Schreyet: O GOtt! o GOtt! ich bin unschuldig.

 

 

ad. I. Nein.

Inquisit schreyet entsetzlich. [1504]

ad. II. Nein.

Dieser schreyet jämmerlich.

Hier stellet sich der verstockte Inquisit ohnmächtig, und giebt lange keine Antwort, deshalben der Scharf-Richter diesen mit Eßig bestreichet, da er sich denn wieder recolligiret und gantz munter bezeiget, wird also tortura continuiret.

ad. III. Nein.

ad. IV. Schweiget und giebt weiter keine Antwort.

NB. Hier zeigt der Scharf-Richter an, es wäre heute bey dem verstockten Inquisiten alle Tortur umsonst, und fühle derselbe theils aus Verstockung, theils aber wegen des Frostes keine Schmertzen, dahero von ihm kein Geständniß zu hoffen. Wenn also die Tortur nicht fruchtloß abgehen, und die Kosten nicht umsonst seyn solten, möchte die fernere peinliche Frage bis auf Morgen verschoben werden. Weilen nun der Augenschein des Scharf-Richters Vorbringen bekräfftige, & cum perito in sua arte credendum, wurde darein gewilliget, und vor dißmahl die Tortur aufgehoben.

 

Actum N. d. Anno.

Iisdem Praesentibus.

Nachdem oberwehnter auf des Scharf-Richters nachdrückliche Vorstellung bey der 4ten Frag des Gradus tertii abgebrochen und die weitere Tortur auf heute verschoben worden, wurde dahero folgender damit fortgefahren:

ad. V. Ich weiß von nichts.

ad. VI. Nein.

Alldieweilen nun der Inquisit alles verstockt abgeläugnet, ist selbiger nach abgenommenen peinlichen Instrument, in Custodiam zurücke geführet, somit dieser Actus beschlossen worden, Actum ut supra.

Sobald aber vielleicht der Inquisit währender Tortur ohnmächtig würde, so aus dessen Erbleichung, übermäßigen Schweiß, schäumenden Mund, und verlohrner Rede abzunehmen, soll man alles gleich zum Protocoll anmercken. Diesen Zeichen aber soll eine Obrigkeit nicht so leicht glauben, als darauf böse Leute genug abgerichtet, damit sie die Tortur dadurch von sich ablehnen möchten, hingegen sollen sie auch nicht gar zu ungläublich seyn, und solcher Zeichen ohnerachtet mit der Tortur fortfahren, sondern wenn Zweiffel und Gefahr vorhanden den Delinquenten herabnehmen; da sich aber solcher bößlich verstellete, und nichts redete, soll man dem Gerichts-Diener fein laut zu sprechen, den Strick erschüttern, Schwefel, Rauch, Papier, oder Hadern anzünden, solches in die Nase des Delinquenten räuchern lassen, damit man sehe ob eine wahre Ohnmacht vorhanden oder nicht? Ambrosius Senogall. Wie denn hierdurch die erdichtete Schwachheit bald vertrieben, und der Redlose offt redend gemacht worden. Wie die Glosse ad Ambrosium n. 15 bezeuget. Jedoch ist dieser Materie allezeit löblich und rathsam, daß man alsobald, wenn man vermerckte, daß eine Ohnmacht vorhanden, den Inquisiten der Tortur erlasse, als ihn länger damit aufzuhalten, die Entlassung aber, [1505] soll mit dem ausdrücklichen Verbot und Ausnahm, die Tortur nach überstandener Ohnmacht wieder anzufangen, geschehen, denn sonst würde dieTortur, wenn dieser Vorbehalt nicht erwehnet worden, nicht wi[e]der angefangen werden können, sondern ein solcher würde genugsam und überflüßig gemartert worden seyn: Wiewohl auch dießfals rathsammer einen Artzt oder Barbierer hierinnen zu fragen, und nach dessen Aussage entweder zu wiederholen oder zu unterlassen. Guayin Def. 3. c. 16. n. 3 und 4. Die Formul aber wie ein Ohnmächtiger der Tortur entlassen werde, ist diese:

Nachdem nun Inquisit drey oder vier Vater Unser lang in der Höhe gehangen, hat er angefangen gantz zu erbleichen, und ohnmächtig zu werden, worüber die Obrigkeit befohlen, selbigen fein gemach von der Tortur, jedoch mit Vorbehalt, selbige nach Norhdurfft zu wiederholen, herab zulassen, und den Delinquenten auf den Lehn-Stuhl zu setzen, welcher denn nach geschehenen Herabthun und Niedersitzen einen Halbtodten gleich gesehen, jedoch auf angesprützten Rosen-Essig, angestrichenen Balsam etc. wieder zu ihm selber gekommen, worauf er weiters gefragt worden etc.

Da man aber befindet, daß der Inquisit sich nur durch erdichtete Schwachheit von der Tortur loß gewürcket, macht man den Inhalt des Protocolls also:

Dieweil man auf fleißige Besichtigung gnugsam wahrgenommen, daß die bezeigte Ohnmacht nur ein verstelltes Werck gewesen, als ist er aufs neue aufgezogen worden etc.

Oder man kan zu mehrerer Versicherung einen Artzney Erfahrnen herbey hohlen, und selbigen am Leibe fleißig besichtigen lassen, welcher so denn eydlich aussage was ihm bedüncke: Und dieses ist also zum Protocoll zu nehmen: .

Damit man aber in der Sache weder zu viel noch zu wenig thue, hat man den N. herbey gehohlt, und ihm anbefohlen den Delinquenten fleißig zu besichtigen, welcher denn nach abgelegten Eyd, die Wahrheit seinem Gutachten nach, zu sagen, eröffnet, daß der Delinquent ohne Gefahr des Lebens nicht gemartert werden könne, auf welche Anzeige man ihn der Tortur entbunden, und ihn zur Verwahrung an seinen Ort führen lassen. Und also siehet man wie bey Vornehmung der Tortur das Protocoll geführet werde, und wie der Actus zu vollbringen sey. Da auch der Delinquent wegen vermuthender Schwartzkünstlerey, zu keinem Bekänntniß zu bringen, welche sonderlich von dem lasterhafften Hexen-Geschmeiß offt und viel gebrauchet werden, und dessentwegen viel Exempel vorzulegen wären, mit was für Worten dergleichen Zettel geschrieben werden; wie vielfältig selbige erfunden, und was sie für Krafft nach sich ziehen; sintemahl dem Tausendkünstler nicht zu viel, daß er durch gewisse auch natürliche Mittel den Leib unempfindlich mache, die Seile unvermercklich nachlasse, etwas verborgenes dazwischen stelle, und die Rede verhalte; ja er kan den Constituten dergestalt entfärben, aufbäumen und verstellen, daß man meynen solte, er sterbe augenblicks davon. Bey solchen Fällen hat eine Obrigkeit sicher zu gehen und nicht alles so gleich Teuflischer Verzauberung und Verblendung zuzuschreiben, sondern die Sache wohl zu untersuchen, aus was für Ursachen, [1506] Delinquent die Tortur überstehe, denn es giebt solche verruchte Leute, welche gleich zuvor von ihren Mitgesellen, dahin abgerichtet werden, daß sie die Tortur als eine gewöhnliche Sache, etwa auf begebenden Fall, ausstehen möchten; ja es kan sich aus natürlichen Ursachen fügen, daß der Leib wegen Anspannung der Nerven gleichsam todt, und in schwehrster Ohnmacht stecken bleibe, oder dem Leidenden nicht möglich sey entweder zu reden oder zu weinen. Oldenkopf Decad. 5. quaest. 10. mit dem daselbst angeführten Zachia. Da aber der Richter nebst seinen Beysitzern erachten, und vermercken kan, daß die Sache nicht recht zugehe, indem der Delinquente die Marter gleichsam verlacht und zu schlaffen anfängt, oder sich übernatürlich aufbäumet etliche Wörter heimlich brummelt, soll man sich nachfolgender Mittel gebrauchen: Vornehmlich lasse man die Hexen und dergleichen Leute durch die Geistlichen ermahnen, daß sie einmahl die Teuflischen Pacte von sich thun, und ihre Seligkeit befördern sollen. Wenn aber solch Zureden nicht verfangen will, pflegt man die verdächtige Person, und zwar Hexen, durch andere Weibs-Personen, die Männer aber durch die Gerichts-Diener, aller und jeder Kleidung gantz mutternackend auszuziehen, sodann mit neuer Bekleidung an den Ort der Tortur zu führen, damit alle Teuflische den Kleidern und Unterhemd anhängende Charakteren, eingedruckte Sprüche, hinweg gethan werden. Wenn dieses aber auch nicht hinlänglich, soll man alle Haare am gantzen Leibe auch an heimlichen Orten, durch jedes Geschlechts hierzu bestellte Personen, abscheren lassen. Denn es sind bisweilen einige Zettel mit besondern Buchstaben geschrieben, in den, in den heimlichen Orten gefunden worden, nach deren Hinwegnehmung der Inquisit so gleich bekennen müssen. Ambrosius Senogall L. 4. c. 7. n. 6. Einige rathen, daß man die etwa an dem Leibe des Delinquenten gebrauchte Salbe, mit warmen Wasser soll abwaschen lassen. Ja man soll wohl acht geben, daß man den Inquisiten an dem Tage der Tortur, kein Brodt, Kuchen, oder dergleichen zukommen lasse, denn in dergleichen Speise sind offtmahls verschiedene Sachen eingebacken gefunden worden. Bey denen Catholischen wird die Krafft des Weyh-Wassers, darein ein und andere Tropffen von geweyhten Kertzen gelassen worden, und andere dergleichen Geistliche Mittel gar sehr gelobt, und auch ihrem Vorgeben nach auch nützlich gebraucht. Wie Johann Christian Frölich von Frölichsburg in seinem Com. über die P. H. G. O. wieder Brunnemann c. g. n. 89. behauptet. Jedoch soll man zu Auflösung dergleichen Stillschweigens keine Teuflische Gegen-Mittel und abergläubische Sachen brauchen, oder dem Henckers-Knechte zulassen, daß sie zu dem Ende einige Suppen vor den Inquisiten zu trincken, zurichten mögen. Oldenkopp Tr. 4. Obs. 54. Oder man pfleget den Delinquenten von dem ersten Gefängniß hinweg und in ein anders zu legen. Oder so einige seyn, die gewisse Worte darunter brummeln, die soll man irre machen, stets anfragen, und nicht zulassen, daß sie die Worte völlig ausmurmeln mögen. Ambrosius c. 4. l. 7. Allwo er auch [1507] ein Exempel erzehlet, von solchen mit allerhand Buchstaben angefüllten Unterhemden, so man einem Delinquenten zugeschickt, ehe die Tortur mit ihm vorgenommen worden. Bey Gelegenheit dieser Materie lehret Guatz in Def. 30. c. 43. daß man bey dergleichen erfundenen Teuflischen heimlichen Pacten die fernere Untersuchung thun und fragen solle, wer ihm, Delinquenten dergleichen zugebracht und gelernet? wie denn solche Leute, nach Beschaffenheit der Sachen, mit einer Todes-, Galeren- oder anderer Straffe belegt werden mögen, jedoch wenn der Zettel nur pure heilige Wörter, aus den Evangelien, oder der Heiligen Bibel enthielte, wenngleich der Inquisit dessentwegen Redloß gemacht würde, lehret angezogener Guazzin, daß er niemahls erlebt habe, daß einer in dergleichen Fällen sey gestraft worden. Wenn die Tortur wieder mehrere mit gleichmäßigen Anzeigen beschwerte Gefangene vorzunehmen wäre, soll die Obrigkeit mit derjenigen Person zu förderst den Anfang machen, von welcher die Wahrheit am leichtesten zu hoffen, dessentwegen soll man von dem furchtsam, schwachen, geringen, anfangen, als von welchen man die Wahrheit eher als von den Starcken zu erwarten hat; daher soll man eher den jungen als den alten martern, denn die Jugend ist unbeständig. Julius Clarus quaest. 64. Ambros. c. 6. n. 2. Ingleichen wenn es Nachbars Leute wären, soll der Nähere zuvor herbey gebracht werden; denn man vermuthet daß dieser vor dem weitern eine bessere Erkenntniß der Wahrheit habe. Ferner soll ein Weib vor einer Manns-Person gemartert werden. Julius Clarus qu. 64. n. 30. Etliche lehren, die Weiber wären halsstarriger, als die Männer, dannenhero es dem richterlichen Willkühr billig zu überlassen ist. Cavolo de Brach. regio. p. 3. n. 133. Oder man soll von dem den Anfang machen der einen liederlichen abgeschmackten Beynahmen hat, denn aus der gleich Zu- und Beynahmen muthmasset man einen schlechten Lebens-Wandel. Item die Person welche sonst in einer üblen Nachrede ist, soll zuerst gemartert werden. Julius Clarus qu. 64. Oder da Vater und Sohn in einer Sache auf die Marter gebracht werden müsten, soll der Sohn im Angesicht des Vaters auf die Marter gebracht werden, in Anlehung daß der Vater durch solches Schauspiel mehr gepeiniget wird, als wenn ihm solches selbst wiederführe Dahero wird vermuthet, der Vater werde zu Verschonung des Sohnes die Wahrheit zuvor eröffnen. Hier wieder aber lehret Guazzin n. 4. daß er diese der Rechtslehrer sonst gemeine Lehre, niemahls in der Erfahrung bekräfftiget gesehen, noch von ihm zur Uebung gebracht worden wäre, weilen nach dem Zeugniß anderer Lehrer der Vater zu Verschonung seines Sohnes, so etwas bekennen könnte, welches von der Wahrheit gar weit entfernet sey; wie denn auch dessentwegen Exempel vorhanden. Nichts destoweniger, weil die meisten der erstern Meynung beyfallen, würde ein Richter nicht fehlen, wenn er nach Beschaffenheit der Sache solcher gleichfalls nachgienge, jedoch müste solch Bekenntniß des Vaters ebenso wohl bestätiget werden als ob es in der Tortur geschehen wäre. [1508] Oder man soll von demjenigen anfangen, welcher mit den mehresten Anzeigungen behafftet ist, item welche in schlimmen Ruf, von übler Gesichtsbildung sind; oder von denjenigen, so zum ersten den Cörper des Ermordeten angetroffen, soferne selbige mit anderwärtigen Anzeigungen noch über dem behafftet seyn: Und diese Lehren haben so wohl bey Torquirung der Missethäter insbesondere, als auch bey den Zeugens-Personen statt. Wiewohl etliche alles dem Richterlichen Ermessen anheim stellen, welchem sie die Tortur am ersten anzuthun vor gut finden würden, welches alsdenn zu verstehen, wenn wieder alle zur Tortur angeschuldigte Personen gleiche Anzeigungen vorhanden, da aber wieder einen nähere oder mehrere vorhanden, soll von selbigen ohne weiteres Nachfragen der Anfang gemacht werden. Julius Clarus qu. 94. n. 28. Es geschieht zuweilen, daß der Delinquent die That zwar gütlich bekennet, jedoch aber einen Umstand vorschützt, krafft dessen das Verbrechen vom bößlichen Vorsatz abgesondert und die ordentliche Straffe vermieden wird: als z. E. der Peter hat zum Paul, indem er ein Pistol von der Wand heruntergenommen, gesagt: Schweig stille oder ich erschiesse dich! Die Pistole gehet loß, der Paul wird erschossen; der Peter wendet ein, er habe nicht vermeynet, daß die Pistol geladen wäre, oder das Pistol sey ohne den Hahn aufzuziehen loßgegangen, oder er habe den Paul wegen abgerungener Nothwehr so nicht erweißlich erschiessen müssen. Oder es sey aus gehabter Vollheit und wieder Willen geschehen etc. Bei solchen Umständen ist bey den Rechtsgelehrten keine geringe Streitfrage, ob die Bekänntniß mit solcher Ausflucht begleitet und vermindert, angenommen werden solle oder nicht? Oder ob nicht vielmehr der Delinquent zu Beweisung solcher seiner Ausflucht in Ermangelung andern Beweises, die Tortur hierüber auszustehen habe? Hierinne wird von ihnen dieser Unterscheid gesetzt: Es gestehet entweder der Delinquent die That oder läugnet solche gleich anfangs, im Fall da er solche läugnet, hernachmahls aber überwiesen wird, und sich mit der Schutz-Rede zu behelffen sucht, er habe den Paul aus abgenöthigten Nothwehr umgebracht, in diesem Fall lehren sie, Julius Clarus qu. 55. n. 17. daß keine Tortur vorgekehret werden möge; jedoch diesem entgegen lehret Guazzin Def. 31. c. 7. n. 3. nebst andern daselbst angezogenen, daß im Fall wieder den läugnenden Inquisiten andere Anzeig- und Muthmassungen vorhanden wären, solcher durch mittelmäßige Tortur jedoch erst nach erhaltener Frist zu seiner Schutz-Schrifft zu wahrer Erzehlung der Sache angehalten werden könne, weilen ein für allemahl die Art also zu antworten eine Sache voller Argwohn, und genug ist, daß der Richter die Wahrheit auf alle mögliche Weise erforsche. Wiewohl der Inquisit zu Darthuung seiner Unschuld andere gegenseitige Ausflüchte vorbringen darff. Oldenkopp Obs. 19. Tit. 4. Da aber der Delinquent gleich anfangs bekennet und sagt: Ja er könnte nicht in Abrede seyn daß er den Peter erschossen etc. allein es sey wieder Willen und abgedrungener Weise geschehen, sind etliche Rechtslehrer [1509] der Meynung daß dergleichen Antwort nicht zuzulassen, sondern der Inquisit zu einfacher purer Antwort anzuhalten sey, sintemahl nur die unerfahrnen Richter dergleichen Aufzug zulassen. Lanfranc in Cap. Quoniam. n. 22. de Confess. ff. Es ist aber der Billigkeit zuwider daß diese zur Vertheidigung des Delinquenten gereichende Antwort, nicht zugelassen werden solle, weilen sich ja dergleichen unversehene Fälle in der Welt, wider eines Thäters Willen, wohl zutragen mögen. Andere hingegen lehren, daß man dem Thäter eine Frist, zu Ausführung der vorgeschützten Ausflucht und Beschaffenheit, anberaume und zulasse, und nach deren Verlauff im Fall nichts erwiesen worden, selbigen mit der Tortur ohne Anstand angreiffe, daß er die That ohne den Umstand bekenne. Ja wenn die Tortur so etwa zu gelinde geschehen, überstanden wäre, sollte man dergleichen Inquisiten völlig auf freyen Fuß stellen. Guatzin d. l. n. 3. Die besten aber sind dießfalls jene, welche lehren, daß dergleichen Antwort für bekannt angenommen werden müsse, mit Verwerffung des angefügten Umstandes; jedoch dergestalt, daß dem Inquisiten eine Frist zu Erweisung seiner Ausflucht zugelassen werde, wenn aber nach Verfliessung solcher und durch geführte Schutz-Schrifft solcher Umstand und Ausflucht nicht erwiesen würde, soll der Delinquent solcher ungeachtet, ohne weitere Tortur gestrafft werden. Julius Clarus quaest. 55. n. 16. Guazzin d. l. n. 3. vers. alii autem. Wie denn auch Oldenkopp nebst dem Galio Lib. de pac. publ. c. 18. n. 6. und c. 17. n. 10. die Tortur in dergleichen vorgeschützten Umstande und Ausflucht vorzunehmen, für unnöthig halten. In dieser Materie aber ist zu wissen, daß niemand muthwillig torquiret werden solle, wenn ein und andere vernünfftige Ursache vorhanden, daraus die Beschirmung und Vertheidigung des Inquisitens abgenommen und geschlossen werden kan. Andreas Fachinäus L. III. Contr. 82. n. 12. Ja ein dergleichen Einwendender, falls er mit Beweisung der abgetrungenen Nothwehr oder anderwärtigen vorgeschützten Umstandes, einkäme, soll nicht mit der ordentlichen, sondern mit einer ausserordentlichen Straffe belegt werden: Es wäre denn das Gegentheil vorgeschützten Umstandes im Processe durch Zeugen bestärcket worden; Siehe Farinac quaest. 81. n. 157. Es ist auch nach gemeinen Rechten eine ausgemachte Regel, daß einer, wiewohl er eine gewisse Uebelthat bekannt hat, über noch mehrere nicht peinlich befragt werden solle, L. 1. in Princ. ff. de quaest. L. milites §. oportet. C. eod. daher vor würcklicher Tortur, nicht vor dem Corpore delicti, Gewißheit, und der Bekennende mit gnugsamen Anzeigen behafftet wäre. Julius Clarus qu. 64. n. 44. Und zwar also, daß die durch dergleichen unrechtmäßiger Weise unternommene Tortur, herausgebrachte Geständniß, null und nichtig, und der Proceß von neuen angefangen werden muß; denn ob zwar Menoch L. II. Cent. 6. Cas. 523. von etlichen Fällen redet, in welchen die Anfrage auf eine andere Uebelthat, aus dem Bekenntniß der einen geschehen mag, so sind doch die Fälle also beschaffen, daß eine That die andere [1510] gleichsam nach sich ziehet; als z. E. Wenn die erste bekennte Uebelthat für ein Anzeigen der andern gehalten werden kan: Einer bekennte einen Ehebruch, und der Ehemann wird todt im Bette gefunden, daraus entspringet sogleich eine Anzeigung des Todschlags auf den bekennenden Ehebrecher: Denn wie Crusius de indiciis lehret; so ist ein Laster eine Anzeige des andern. Oder, da das Bekannte ein Umstand oder vorläuffige Sache von der andern Uebelthat wäre; als wenn einer mit Weibs-Bildern verdächtigen Umgang hätte, könnte selbiger auch wegen fleischlicher Vermischung befragt werden. Jedoch werden auch die Anzeigungen erfordert, welche zur Tortur genug seyn. Denn wie Oldenkopp qu. 8. Decad. 2. lehret, ist nicht genug, daß eine Anzeige von der andern abhangend sey; sondern es wird erfordert, daß selbige eine der That gantz unzweiffelhaffte nächste Anzeige sey, und darüber der Inquisit seine Schutz-Schrifft bereits eingereichet hat, in Ermangelung dessen, könne man ohne Nullität keine Anfrage, wenn es auch nur zufälliger einfallender Weise wäre, währender Tortur, ergehen lassen. Denn obwohl einige Italienische Lehrer des Peinlichen Rechts fürgeben, daß man einen wegen bekennter Uebelthat auch auf die andere martern könne, wenn gleich sonst keine genugsame Anzeigungen vorhanden wäre, so sind sie doch eines theils darinne nicht einig, anderntheils verwerffen die Teutschen solches gäntzlich, Guatzin Def. 3. c. 8. n. 5. es wären denn verleumdte übelbeschriene ärgerliche und Landkündige Mörder, Banditen, Strassen-Räuber, so sich an solchen Orten aufgehalten, alwo verschiedene Uebelthaten begangen worden. Denn dergleichen Leute sind aus Bekenntniß einer Straßenräuberey, auch wegen anderer an solchen Orten vorgegangenen Todschläge und Raubereyen bezüchtiget, also daß man sich zu ihnen mehrerer geschehener Mordthaten wohl versehen kan. Menoch. de arbitr. Cent. 6. Cas. 523. n. 6. Es ist auch ferner nach den Rechten wohl erlaubt, daß der Inquisit in solchen Uebelthaten, welche ohne eines Dritten Beyhülffe und Beystand nicht geschehen können, wegen Benennung solcher Helffer, insgemein, befragt werden möge; allhier aber ist weiter zu sehen, wie ein Delinquent, der die Uebelthat bekennet, oder dessentwegen überwiesen worden. Item ein im Bann und in der Acht betretener Delinquent, wegen der Aufhalter, Verheler und Unterschleiffgeber, bey nicht verfangender Güte, peinlich befragt werden solle. In diesem Fall nun ist mit guter Vorsichtigkeit zu beobachten, ob die Mithelffer, Gespan, Aufhälter, Unterschleiffgeber, oder auch anderwärtige die Uebelthat beschwerende Umstände, nicht ohne diß aus dem Proceß erscheinen, denn wenn solche Erkenntniß ohne die Tortur in Acten zu finden, und einer dennoch torquirt würde, könnte ein Fürsprecher in seiner Schutz-Schrifft einbringen, daß die Tortur unrechtmäßig vorgenommen, und dem Delinquenten, wegen bereits ausgestandener Marter die ordentliche Straffe zu vermindern sey. Guatzin Def. 30. c. 9. n. 5. Da aber ja die Tortur wegen beschwerender Umstände oder Benennung der Mitgespan etc. ergriffen werden müste, soll selbige über eine halbe Stunde lang [1511] nicht zuerkannt werden. Julius Clarus qu. 64. verb. Veritas enim. Denn sonst wenn die Tortur geschärffet oder verlängert würde, und der Delinquent bey seiner Verneinung beharrete, würde solches die ordentliche Straffe mildern, wenn gleich zierliche Protestations-Clausuln beygesetzt worden wären. Julius Clarus qu. 64. n. 8. Ferner soll man bey dergleichen Tortur, so zu Benennung der Mithelffer angesehen, die Haupt-That, so einer bereits bekannt, oder deren er überwiesen worden, nicht berühren, denn sonst würde die Auslegung wieder das Gerichte gemacht, als welches von der einem dergleichen Actui angehängten Protestation gutwillig abgewichen, und der Delinquente über die Haupt-Sache, wäre verhört worden, in welcher Auslegung auch die bereits erhobene Bekenntniß, oder Beweisung, im Fall der Torquirte widerspräche, aufgehoben würde. Gram. Decis. 60. n. 1. Ambrosius L. VI. c. 4. n. 9. Wiewohl dessen Glossator h. t. n. 9. lehret, daß ein Ober-Gericht die durch Bekenntniß der Ueberweisung erhaltene Probe nicht aufheben, noch die ordentliche Straffe mildern, sondern vielmehr die Unerfahrenheit der Obrigkeit an den Tag legen würde, da selbiges dessentwegen eine Milderung der Straffe vorkehrte, so aber nicht allerdings thulich scheinet. Der Delinquent wird aber alsdenn von der Haupt-Sache für angefragt gehalten, wenn er nicht allein von der That selbst, sondern auch von deren anhangenden Umständen und Beschaffenheiten ausgefragt würde. Mod. Tom. qu. 40. n. 33. inf. Ja es kan diese Tortur nicht wiederholt werden, als wie jene, so gegen den Delinquenten auf und für seine Person, fürgekehret wird. Guatzin Def. 30 c. 9. n. 12. Noch weniger soll jemand ohne vorhergegangene Bekenntniß oder Land-Gerichtlicher Ueberweisung, mit dergleichen Protestation angefragt werden, denn in allen Fall, würde auf verharrendes Abläugnen, auch die Haupt-Anzeigung gegen den Delinquenten aufgehoben. Ja wenn gleich der Delinquent bey so beschaffener Tortur, eine Antwort auf die Hauptsache ertheilet, soll man auf Seiten des Gerichts alsofort protestiren, daß man ihn vor dießmahl nicht wegen dieses Puncts der ohnedem schon erwiesen, befrage, sondern er solle sagen, wer ihm geholffen: wie denn dergleichen Antwort mit den Worten anzumercken; von sich selbst meldende: damit man sehen möge, daß er in der Haupt-Sache nicht befragt worden, wie dieses alles aus nachgesetztem Formular zu ersehen.

 

Actum den etc.

Coram etc.

In Beyseyn ut supra.

Ist der N. nach abgelegten Eyde wegen der übrigen die Wahrheit zu sagen, und auf Verwarnung vor dem Meyn-Eyd, weiter befragt worden, wie folget:

Befragter solle nunmehro sagen, was er für Mithelffer gehabt, da er die bekannte Summe Geldes weggetragen?

Er habe keine Mithelffer gehabt, sey alleine gewesen.

Seye nicht wahrscheinlich daß er nur allein gewesen, und keine Mithelffer gehabt habe, weilen aus allen Umständen erscheine, daß ihrer nothwendig [1512] mehr bey dieser Entwendung gewesen seyn müsten, solle also die Mithelffer anzeigen, denn wiedrigen Falls würde er verursachen, daß man wider ihn mit dem gebührlichen Rechts-Mittel verfahre;

Er habe keine Mithelffer gehabt, könne niemand anzeigen, man möge mit ihm machen was man wolle.

Auf solches halsstarrige Abläugnen, weil aus dem Proceß klar erscheinet, daß zu solcher Entwendung ihrer mehr gewesen seyn müssen, wie auch der Zeuge N. in dem Untersuchungs-Proceß ihrer mehr tragen gesehen, aussaget, auch nicht wahrscheinlich, daß dergleichen grosse Summe durch den Delinquenten allein habe fortgebracht werden können, von dem Befragten aber über vielfältiges Ermahnen, keine andere Eröffnung der Wahrheit erhalten werden können, ist von dem Gericht erkennet worden, daß er an den Ort der Tortur geführet, allda entblösset, gebunden mit dem Seil aufgezogen, längstens eine halbe Stunde lang gehalten werden solle, und dieses zwar ohne Nachtheil und Abbruch, aller dem Fisco bereits erhaltenen Rechte, geschehener Bekenntniß, Ueberweisung oder anderer Ursachen, als über welches ein Löbl. Gericht ihn Delinquenten zu torquiren keinesweges Willens ist, wie denn wider dergleichen Auslegung an Seiten des Gerichts ein für allemahl ausdrücklich protestiret wird, sondern allein zu mehrerer Eröffnung der Wahrheit, wer ihm bey der bekannten Dieberey geholffen, Theil gehabt, Unterschleiff gegeben. etc. und auf keine andere Weise noch Wege nochmahlen zierlichst darwider protestiret wird.

Und als der Befragte an den Ort der Tortur gebracht worden, hat man ihn abermahls gütlich ermahnet; er sehe an was für einem Orte er sich befinde, solle GOtt den Allmächtigen für Augen haben, die Wahrheit eröffnen, seiner Seelen Seeligkeit beobachten und doch in Güte sagen, wer ihm zur bekannten Dieberey gerathen, geholffen, darvon genossen,

Antwort: Niemand, habe es schon gesagt.

Auf welche Wiederspenstigkeit denn, mit wiederhohlter Protestation, der Befragte mit Stricken gebunden und in die Höhe gezogen worden.

Welcher also erhöhet, angefangen zu schreyen;

Ach! Ach H. Maria etc.

Und als er von den Gericht ermahnet worden, er solle von seiner Halsstarrigkeit abweichen, und die Wahrheit eröffnen, wer seine Helffer und Mitgespann gewesen etc.

Antwort: Ich habe keine Helffer gehabt, noch Rathgeber.

Von ihm selbst meldend:

Ich hab es nicht gethan, ich hab mich selbst verlogener Weise angegeben.

Delinquent werde nunmehro über die von ihm bereits in Güte bekannte Dieberey, so viel ihn anbetrifft nicht gefragt, sondern soll nur sagen, wer ihm hierzu gerathen, geholffen etc.

Niemand, habe es schon gesagt.

Da nun die zuerkannte Maaß der Tortur und die Zeit vollendet worden, ist selbiger der Tortur entlassen, die Glieder eingerichtet, angekleidet, und an seinen vorigen Ort in Verwahrung geführet worden. [1513] Wenn nun solcher gestalt der Gefangene mit der Tortur angegriffen worden, so erhält man dessen Bekänntniß oder nicht. Ist jenes, so muß solches alsdenn durch dessen weiter gütliche Verhör ratificiret, und alsdenn die ihm deshalber zu dictirende Bestraffung des fördersamsten vollzogen werden, letztern Falls aber wird derselbe nach überstandener Tortur entweder völlig frey und loß gesprochen, oder nach Befinden nur ausserordentlich bestrafft. Und hierinnen bestehet eben dasjenige, was

 

III. Nach der Tortur

 

in den Gerichten zu besorgen vorfällt, und wovon theils unter besondern Artickeln hin und wieder, theils auch besser unten unter dem Artikel Tortur, (Würckungen der) mit mehrern gehandelt wird. So viel aber hiernächst die Chur-Sächsischen Rechte ins besondere betrifft; so wird daselbst die Marter in die blosse Territion und würckliche Torur getheilte Rescript von 1703. Auch hat die letztere drey verschiedene Grade. Ibid. Es werden aber so wohl in der Verbal-Territion, als wenn der erste, andere und dritte Grad denen Delinquenten zuerkannt ist, ihnen die zur Peinlichkeit gehörigen Instrumente allerseits fürgezeiget, Ibid. Wenn ein Inquisit durch Appellation, oder Simulirung einer Kranckheit, oder an irgend einigerley Wege, boßhaffter Weise den Actum der Tortur unterbricht, ist solche hernach wieder von [v]orne anzufangen, Ibid. die Appellation auch nicht zu attendiren, wenn er keine Defension zu führen begehret, Ibid. oder allbereits eine übergeben hat. Ibid. Gestalt, wenn er vorhero keine Defension geführet, er, ob er solche noch führen wolle, in Zeiten ausserhalb des Orts der Tortur zu befragen. Ibid. Wie offt die scharffe Frage zu wiederholen, beruhet darauf, ob die Verbrechen geringe, oder schwer. IX. Sonderl. Constit. Im erstern Fall wird solche über zweymahl nicht zuerkannt, Ibid. im letztern aber bis zum drittenmahle wiederholet. Ibid. Doch müssen allemahl neue, und von den erstern, darauf der Gefangene angegriffen worden, unterschiedene Indizien vorhanden seyn. Ibid. Weiter aber ist die Tortur nicht herzunehmen, obgleich erstern Falls zum 3ten u. letztern Falls auch hernach andere neue sonderliche Indicien vorfielen u. dargethan würden. Ib. Sondern es werden dem Gefangenen in solchem Falle Verweisung u. andere Straffen auferleget. Ibid. Wenn ihre viele einen Todschlag begangen, wird dieselbe nur demjenigen, wider welchen die zur scharffen Frage genugsame Indicien vorhanden, Constit. 7. P. 4. ausser dem aber allen nicht zuerkannt, sondern sie in willkührliche Straffe vertheilet. Ibid. Wegen vorgeschützter Nothwehr wird allein im Mangel des Beweises, die scharffe Frage zuerkannt, Const. 8. P. 4. wenn einer aber nur etwas beweisen kan, oder Vermuthungen vor sich hat, nicht darauf, sondern auf willkührliche Straffe gesprochen. Ibid. Wegen eines Duells, dabey keine Entleibung vorgegangen, wird zur Peinlichkeit nicht verschritten, Mand. 1717. Resol. 1717. sondern nur auf den Reinigungs-Eyd erkannt. Ibid. Nach [1514] Gelegenheit der Umstände wird auch bey dem Verfahren wider Banckquerotirer auf die Tortur erkannt. Banqu. Mand. §. Besondere Abhandlungen Tortura & Quaestionibus haben geschrieben, Johann Zanger, Heinrich Bocer, Thomas Mezger, Johann Otto Tabor, Ambert von Antramonia, und Franz Brunus. Sonst aber können hierbey auch noch nachgelesen werden, Christian Thomasius in Disp. de Tortura ex foris Christianorum proscribenda., Paul Christinäus Vol. IV. Dec. Belg. 204., Ludwig Gilhausen in Arb. Crim. c. 6. Part. 7. fol. 15. u. ff., Jacob Omphal. de Usurp. Leg. Lib. V. c. 17., Bertoch. in Promt. Jur. Vol. II. v. Tortura., wie auch Speidel in Bibl. Jurid. Vol. II. v. Tortura p. 1177. u. ff. nebst vielen andern von diesen wiederum angezogenen Rechts-Lehrern; desgleichen Johann Grevius in Tribunali Reformato, Schaller in Parad. de Tortura in Republ. Christiana non exercenda, Bodinus in Disp. de Torturae abusu & usu, Wilhelm Zacharias Cramer Diss. de Tortura, ejusque usu & effectibus, Leipz. 1742, Johann Heinrich Duyff Disp. Inaug. de Quaestionibus, Gröningen 1714, Böhmer in Disp. de eo. quod justum est circa Torturam Valetudinariorum. Sonst haben auch von dieser Materie disputiret: Tabor zu Giessen 1669. Strauch zu Wittenberg 1652. Theodorici und Richter zu Jena 1659. Meier zu Leipz. 1668. Bodinicus zu Halle 1697. und Ziegler zu Wittenberg1689. Die Weise aber zu torquiren bey den heutigen Russen, beschreibet Adam Olearius in seiner Moscowitischen und Persianischen Reise-Beschreibung Lib. III. p. 272., bey denen Sinesern Juan Gonzales de Mendoza dans Histoire du grand Royaume de la Chine Part. I. Lib. III. Cap. X. Bei denen Japanern mit dem Holländischen Brenn-Wasser, wodurch viel tausend Christen zur Verläugnung gebracht worden, Arnold Montanus in der Gesandschafft an unterschiedliche Kayser von Japan, in fine. So ist die Tortur in Persien auch üblich, und wird daselbst die Wahrheit wohl mit glüenden oder andern Kneip-Zangen heraus zu ziehen gesucht; meistens aber wird das Bekänntniß mit Stockschlägen auf die Fuß-Sohlen, oder mit Riemen- oder Geissel-Streichen, auf den Rücken erzwungen. Allermeist wenn der Obrigkeit daran gelegen ist, die Mitschuldigen oder die Heler, oder andere Umstände zu wissen. Denn zur Bestraffung eines Missethäters selbst, werden Beweißthümer, und kein Ja-Wort oder Bekänntniß desselben erfordert, und zu dem Ende keine Tortur gebraucht. Gegenwärtiger Staat von Persien c. 9. p. 226.

 

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Originalseiten

Bildmaterial Tortur

bibliotheca Augustana
BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Zedlers Universal-Lexicon

1732 - 1754

 

Grosses vollständiges Universallexikon

aller Wissenschaften und Künste

 

Band XLIV (Ti-Trao)

1745

 

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[1451]

Tortur, Lat. Tortura, oder Quaestio rigorosa, und Quaestio criminalis, sonst auch die Folter, Marter, Peinliche Frage, Scharffe Frage, oder die Peinlichkeit genannt, ist eine Gerichtliche Handlung, da man einen verarrestirten und verstockten Uebelthäter durch gewisse an seinem Leib gelegte Instrumente, die Wahrheit zu bekennen, zu bringen und zu nöthigen sucht. Wenn also ein Uebelthäter nicht völlig überwiesen, oder der Uebelthat nicht geständig ist, sondern der wieder ihn vorhandenen Anzeigen ungeacht, die Uebelthat abläugnet, und durch die eingereichte Schutz-Schrifft die wider ihn streitenden Anzeigungen und Vermuthungen, mit Grund Rechtens nicht abgelehnet hätte, alsdenn wäre, wenn die Wahrheit anders nicht erhalten werden könnte, die peinliche Frage zu ergreiffen. Denn obwohl die peinliche Frage gar eine gefährliche Sache, und eine Zubereitung zum Tode ist, wie Oldenkopp sagt, wodurch so wohl ein Unschuldiger wegen nicht zu erleidenden Schmertzen verdammet und hingerichtet, als ein Schuldiger wegen Härtigkeit des Gemüths der ordentlichen Strafe entlediget werden kan; so ist doch die Tortur eine dem gemeinen Besten sehr nützliche, ja nothwendige Sache: Denn wenn die Bösewichter wissen solten, daß sie im Fall nicht zu erlangender Ueberweisung, welche vielmahl gar schwerlich zu erhalten, anderer Gestalt zu Erhaltung der Wahrheit nicht gepeiniget werden könnten, sondern als unschuldig erlassen werden müsten, würde die Welt mit unzählbaren Bösewichtern und Uebelthätern, dem gemeinen Wesen zum höchsten Nachtheil angefüllet werden. Zudem ist fast unmöglich, daß, wenn alle und jede Umstände, so zu Vorkehrung einer Tortur von Rechtswegen erforderlich, in fleißige und rechte Erwägung und Beobachtung gezogen werden, ein gantz Unschuldiger mit der Tortur geplagt werden solte. Zu mehrerer und leichterer Begreiffung dieser Materie, ist zu wissen, daß die peinliche Frage oder Tortur, nichts anders sey, als eine auf allen Fall, und da die Wahrheit anderer Gestalt nicht heraus zu bringen wäre, noch überbleibendes Rechts-Mittel, den Leib des Verbrechers zu martern, damit die Wahrheit an Tag komme. Julius Clarus qu. 63. verb. debet. etiam. Es wird solches im Lateinischen, wie bereits gedacht, Tortura oder Quaestio, auf [1452] Teutsch die Marter, auch die peinliche und scharffe Frage benennet. P. H. G. O. Art. 65. Und ist ein Anzeigen, ja ein Stück der Obergerichtsbarkeit, oder des zu Latein so genannten Meri Imperii, Carpzov P. III. qu. 117. n. 21. als welche denen Unter-Gerichten keinesweges vorzunehmen gebühret. Denn ob zwar in Bürgerlichen Schuld und Geld-Sachen, ein fallirender Kauffmann und Wechsel-Herr, auch anderer Cedent, bey vorhandenen Anzeigungen eines hinterhaltenen und verborgenen Vermögens, solches anzuzeigen gemartert werden kan; So ist doch wahr, daß bey dergleichen Umständen, die Sache in eine peinliche Untersuchung wegen unterlauffender Uebelthat verwandelt werde, und nicht mehr vor Bürgerlich zu halten sey. Carpzov d. l. n. 24. Ehe wir aber so wohl von der Art und Weise der Tortur, als auch von den Pflichten eines Richters bey deren Vorkehrung, handeln; so erachten wir vor nöthig, erstlich von dem Anlasse, Begriffe, Gebrauche, der Sittlichkeit, der heut zu Tage, absonderlich in Deutschland üblichen peinlichen Frage, eines und das andere beyzubringen. Die sich selbst gelassene Menschen halten die Beobachtung, wie überhaupt aller, also auch insbesondere derer in dem Bürgerlichen Staate nothwendigen Gesetze für eine Last, deren Verletzung hingegen für eine Lust, und suchen daher nicht wenige ihren Neben-Menschen am Leben, Ehre, Leib und Gute, Schaden zuzufügen. Gleichwohl wird durch dieses Unheil nicht nur der gesammten menschlichen Gesellschaft, sondern auch einem jeden Mitgliede derselben eine merckliche Hinderniß und eine beständige Unruhe verursachet. Dannenhero erfordert es die Nothdurfft, ein Mittel, solchem Unwesen vorzubeugen, und dergleichen Stöhrern der Ruhe Einhalt zu thun, ausfündig zu machen. Unter diesen aber ist unstreitig das sicherste, daß derjenige, so den Gesetzen gemäß handelt, gebührend belohnet, andere aber, welche denenselben zuwider leben, mit der auf diesen Fall geordneten Straffe unablässig heimgesuchet werden. Doch gleichwie eine Belohnung allein das Gute, so der Gesetzgeber mit einer Handlung verbunden, als ein Bewegungs Grund, sie zu vollbringen, die Straffe im Gegentheil das Uebel, welches derselbe damit verknüpffet, als ein Bewegungs-Grund, sie zu unterlassen, folglich als etwas unangenehmes anzusehen ist; also suchet ein Uebertreter der Gesetze auf alle Weise, dieser zu entgehen, seine Uebelthaten nach Möglichkeit zu verbergen, und, wo nicht zum öfftern gar dieselben einem andern unschuldigen aufzubürden, solche dennoch wenigstens in eine solche Ungewißheit zu setzen, daß ihm dadurch kein Uebel oder nichts unangenehmes zugezogen werde. Nichts desto weniger ist einem wohleingerichteten Staate aus angeführten Ursachen sehr daran gelegen, daß keine böse That ohnbestraffet bleibe, L. 51. §.fin. ad L. Aquil. und demnach alle mögliche Sorgfalt anzuwenden, damit ein Verbrecher durch vorsetzliche Verheelung oder Abläugnung der ausgeübten That die wohl verdiente Busse nicht hindere. c. judicantem. caus. 30. qu. 5. Carpzow. in Pr. Crim. P. III. quaest. 117. n. 1. Die Gesetzgeber haben dannenhero so gleich [1453] bey eingezogener Kundschafft eines begangenen Verbrechens, bewandten Umständen nach bald diese, bald jene Art der Untersuchung verordnet, vor allen Dingen aber den nachforschenden Richter dahin angewiesen, den verdächtigen Uebertreter in Güte zu befragen, uud keinen Fleiß zu sparen, um dessen Bekänntniß, solcher Gestalt, wo möglich, herauszubringen. Besiehe P. H. G. O. Art. 46. u. a. wie auch die Königl. Preuß. Criminal-Ordnung der Chur-Marck Brandenburg c. 4, § 11. Es ist auch von einem jeden redlichen und seiner Pflichten sich erinnernden Richter bekannt, was für Mühe derselbe zu Bewürckung eines solchen gütlichen Geständnißes anwendet. Dem ohngeachtet aber lehret doch leider! die Erfahrung, daß aller nur möglicher Fleiß bei dem summarischen Verhör, Vorhaltung der obwaltenden Umstände und Wahrscheinlichkeiten, Befragung über Artickel, Vernehmung geschworner Zeugen, und derer mitwissenden Verbrecher, und was dergleichen mehr ist, wobey die Acten öffters der gestalt anwachsen, daß sie kaum auf einem Schieb-Karn weggefahren werden können, mehrentheils vergeblich gewesen, der Beschuldigte hingegen von Tage zu Tage frecher, in dem boßhafften Läugnen aber nur unverschämter geworden. Wiewohl dergleichen verstockte Missethäter lassen es wohl nicht einmahl bey dem bloßen Läugnen bewenden, sondern beziehen sich hiernächst, zumahl da sie mehrentheils dem Vorsatz zu sündigen haben, auf so viele vorher schon ausgekünstelte scheinbare Ausflüchte und Entschuldigungen, welche die Wahrheit der Sache immer dunckler, und die angestellte Untersuchung schwerer machen. Denn es darff der Richter dieses Vorwenden des Beschuldigten nicht so oben hin ansehen, und seinen Fleiß nur eintzig und allein auf die Untersuchung oder Feststellung des einmahl offenbahren Verdachts richten; sondern es lieget ihm vielmehr von Amts und Pflicht wegen ob, die Erforschung keines Umstandes zu unterlassen, welcher zur Entschuldigung des Verdächtigen etwas Beytragen kan. P. H, G. O. Art. 47. ibique Kreß p. 152. und ad Art. 28. §2. p. 94. Sintemahl bey der irrdischen Unvollkommenheit sich alle mögliche Fälle äußern, und die beygebrachten Umstände gestalten Sachen nach eben so leichte falsch, als wahr sein können. Daher es denn auch gar öffters geschiehet, daß die Vermuthung vor Inquisiten Unschuld eben so starck, als der Verdacht des begangenen Verbrechens gegründet, zu seyn scheinet, und hat so nach der Richter billig Ursache, alle möglichste Vorsicht zu gebrauchen, damit der Unschuldige nicht widerrechtlich zur Straffe hingerissen werde, inzwischen aber auch das Verbrechen unter dem Vorwande scheinbarer Ausflüchte und Entschuldigungen nicht ohne Straffe bleibe. Kreß ad Ord, Car. Crim. Art. 77. & 78.p. 225. Was aber ist hierbey zu thun? Nichts anders, als daß der Richter auf ein dienliches Mittel, anderer Gestalt hinter die Wahrheit zu kommen, bedacht seyn müsse: maßen sonst der oben festgesetzte Endzweck derer Gesetze keines weges erhalten werden kan, und im Gegentheile b

 

 

I. Vor der Tortur.

 

Nach eingereichter Schutz-Schrifft fällt dem Richterlichen Amte vielfältig zweifelhafft vor, ob der Inquisit die ihm zugemuthete Uebelthat, völlig oder nur zum Theil abgelehnet, die wieder ihn vorhandene redliche Anzeigungen, oder Muthmassungen, durch solche eingereichte Schrifft entkräfftet, und folglich selbiger als ein Unschuldiger loßzusprechen, oder ob er der Marter oder peinlichen Frage zu unterwerffen, oder aber in Unterlassung derselben, in eine außerordentliche Strafe zu vertheilen sey? Zu Untersuchung dieser Sache und rechtmäßigem weiteren Verfahren, beliebe man nachfolgende Lehr-Sätze zu mercken, die einer Obrigkeit in zweifelhafftigen Fällen ein ziemliches Licht, rechtmäßig und fürsichtig zu verfahren, geben können. Ist demnach zu wissen, daß in denen von Amts wegen gemachten Untersuchungen die Vertheidigung und Schutz-Schrifft des Angeschuldigten höchstgünstig sey, und mehr, als der Nutzen des Fiscals, beobachtet werden solle. L. favorabiliores ff. de R. J. Also, daß im Zweifel jederzeit für den Inquisiten, und wieder den Fiscum die Erkenntniß abzufassen. L. Adrianus ff. de Act. & obl. Sintemahl genug ist, daß die Sache durch die Schutz-Schrifft zweifelhafft geworden, sonderlich wenn sie auf denen in Acten und im Proceß gegründeten Umständen bestehet. Farinac Conf. 78. n. 29. Ja wenn der Beweiß auf beyden Seiten gleich wäre, hätte man doch jederzeit des Inquisiten seinen dem disseitigen vorzuziehen. [1488] L. Absentem. 5. L. Si Praeses. 32. L. Interpretationem 42. ff. de poen. Und ob zwar der Inquisit in Erweisung seiner Schutz-Wehren einen Kläger abgiebt, wird er doch allezeit, so viel die Erweisung der Unschuld anbetrifft, vor einen Beschuldigten gehalten. Boss. de Favore Def. n. 22. Jngleichen wenn vor Einreichung der Schutz-Schrifft der Inquisit zugleich mit genugsamen Anzeigungen zur peinlichen Frage behafftet wäre; durch diese aber eine, solchen Anzeigungen entgegen stehende, und dem Inquisiten zu Nutzen gereichende Sache, an- und ausgeführet worden, müste die peinliche Frage unterlassen werden, Boer Decis. 165. n. 9. sintemahl wie nachgehends angezeiget werden soll, zu einer Anzeige zur peinlichen Frage dreyerley Umstände erfordert werden: 1) Daß jedes derer Anzeigen mit zwei Zeugen erwiesen worden; 2) Daß es eine nahe und der Uebelthat selbst anklebende Anzeige sey: 3) Daß die Anzeige sich in Wahrheit auch also befinde. Guatz Defens. 29. c. 2. n. 1. inf. Denn es ist ausgemachten Rechtens, daß eine Anzeige die Andere aufhebe, und überwinde, eine Wahrscheinlichkeit die andere entkräffte. Barrolus L. Divus de Restit. in integr. Boßius in tit. de Indic. n. 9. Also muß ein Richter allezeit die für seinen Inquisiten streitende Muthmassungen mehr in Acht nehmen, als die wieder ihn lauffen, und die Auslegung zu Ausschliessung einer Uebelhat nehmen, sonderlich wenn der Inquisit guten Leumunds, auch die Vermuthungen so für ihn sind, im Proceß stärcker, klärer und gewisser wären. Gramm. Consil. 13. n. 7. Ja wenn sogar die Ursache und Anzeigungen an Seiten des Fisci stärcker wären, als auf des Inquisiten, so in der Schutz-Schrift angebracht worden; würde doch nichts desto weniger die peinliche Frage durch die geringere und schwächere Vermuthung, als wodurch die Sache zweifelhafft gemacht worden, abgewendet werden. Guatz Def. 29. C. 2. n. 6. Da aber der Inquisit seine Unschuld klar erwiesen hätte, wären dadurch alle widrige Vermuthungen und Anzeigungen gäntzlich aufgehoben, in Betrachtung, daß alle wiederwärtige und disseitige Anzeigungen einer klaren Beweisung weichen müssen. So soll auch ein Richter bey jedem fürkommenden Fall die Sache dergestalt auf die gelindere Seite richten, daß eher eine ausserordentliche, als die ordentliche Strafe erkannt werden könne. Cravetta Consil. 6. n. 69. Auf diese Weise sollen die von dem Inquisiten ausgelassene allgemeine Bedrohungs-Worte, nicht auf unzuläßliche, sondern rechtliche und zuläßliche Mittel verstanden werden. Alex. Consil. 18. n. 7. in f. 1.7. Jngleichen da der Peter dem Paul tödtlich feind wäre, der Johannes aber zu dem Peter sagte, er solte den Paul todt schlagen, wäre der Johannes wegen des gegebenen Raths und Anmahnung allein mit der ausserordentlichen, keineswegs aber wegen eines Befehls oder Bestellung ordentlich zu bestrafen. Denn in dergleichen Fall ist dafür zu halten, daß Peter den Paul, wegen selbst gegen ihn hegender Feindschafft umgebracht. Welches auch wahr bleibet, wenn gleich der Peter und Johannes dem Paul in gleichem Grad feind gewesen wären. Guatz Def. 29. c. 2. n. 10. [1489] Welches denn von andern Umständen auch also zu urtheilen. Weiters ist in der Lehre von denen Schutz-Schrifften zu bemercken, daß ein Zeuge für den Inquisiten eine durch zwey Zeugen wieder ihn bereits vorhandene vollständige Beweisung dergestalt vermindere, daß man zur ordentlichen Straffe nicht kommen könne. Farinac qu. 63. n. 42. Ja ein sonst untüchtiger Zeuge, als z. E. ein Hauß-Genoß, ist zu Erweisung der Unschuld genug. Jedoch will Julius Clarus qu. 24. n. 20. daß nach Beschaffenheit der Untüchtigkeit des Zeugen oder Schwere des Beweises, und der Sachen selbst, wenigstens eine ausserordentliche Straffe noch statt habe; es wäre denn der Zeuge mit mehr als einer Untüchtigkeit behafftet. Denn dergleichen Zeugen beweisen auch für den Beschuldigten nichts. Da aber ein Inquisit mehr als einen untüchtigen Zeugen vor sich hätte, würde dadurch seine Unschuld völlig, durch einen dergleichen Zeugen aber nur zur Helffte erwiesen werden. Haunold T. III. c. 8. Contr. 4. n. 341. Die Beweisung der Unschuld ist auch dergestalt befreyet, daß, nach der Lehre der Criminalisten, ein Zeugniß so pur vom Glauben und Dafürhalten herrühret, wenn auch die Zeugen keine Ursache ihres Glaubens dessentwegen geben könnten, dennoch zuzulassen und erheblich sey; wiewohl andere erfordern, daß sie die Ursache ihres Glaubens müsten anzeugen können: Denn ein Zeuge der etwas ohne Ursache aussagt oder glaubt, ist eines leichten Hertzens, und seine Aussage ohne Vernunfft. Noch andere aber lehren besser, und machen einen Unterscheid, daß genug sey, wenn der Zeuge eine Ursache seiner Glaublichkeit setze, wenn sie gleich nicht schliessend oder bündig sey, daß eben darum die Unschuld klar erwiesen werde; als z. E. da der Zeuge sagte, er glaube nicht, daß der Peter dem Paul freywilliger Weise erstochen habe, denn er kenne die Lebens-Art des Petern von Jugend auf, es sey ein friedsamer und nüchterner Mensch etc. habe gehört, daß der Peter während des Tumults um Hülffe geruffen; Sey wahr, daß der Paul des Peters Tod-Feind gewesen, und ihme öffters aufgepasst habe. Nach allen diesen Umständen ist die Unschuld des Peters nicht schliessend, noch klärlich dargethan, und dennoch wäre eine dergleichen Ursache der Glaublichkeit zu Beweisung der Unschuld in Rechten kräfftig. Siehe Haunold T. III. c. 8. Contr. 4. n. 344. Die Unschuld eines Inquisitens kan auch vermittelst ein u. anderer Muthmassung vernünfftiger Abnehmung u. s. f. erweißlich gemacht werden. Jedoch wird dem Richterlichen Amte die verständige Erkenntniß und Urtheil hiervon, wegen Verschiedenheit der Umstände überlassen: Als z. E. da der Inquisit leicht hätte entfliehen können, und doch nicht flüchtig geworden; wiewohl zu weilen einem Thäter nicht möglich ist zu entfliehen, auch solcher manchmahl so unverschämt und verwegen ist, daß er die Flucht verächtlich hintan setzet: Oder da ein Inquisit sich freywillig für dem Richter stellete, und seine Unschuld öffentlich anzeigte; oder da einer in der Nacht, da ein Todschlag begangen worden, gantz sanfft und ruhig schlaffend in seinem Bette wäre gefunden worden; oder da ein Mitgenoß der Uebelthat auf [1490] seinem Tod-Bette den angegebenen für unschuldig erkläret, und keine stärckere Beweisung der Uebelthat wieder ihn vorhanden wäre; oder da ein Zeuge vorgiebt, er habe eine unwahre Aussage gethan, und dessentwegen eine glaubwürdige Ursache anzeigete, z. E. wenn er die Ehrsucht gegen den Zeugen vorstellete etc. Oder da ein Uebelthäter sich beklagte, er sey unschuldig, es geschehe ihm von GOtt und der Welt unrecht; oder da die Vollziehung des Urtheils sonst wunderbarer Weise verhindert würde, wäre es für eine wundersame Anzeige zu halten, daß solcher unschuldig, und zu entledigen. Wiewohl in dergleichen Fällen in Acht zunehmen, ob nicht ein schwarzes Kunst-Stück und Augen-Bethörung mit unterlauffen. Nichtsdestoweniger soll eine Obrigkeit in dergleichen Begebenheiten, die Vollziehung des Urtheils verschieben, und alles getreulich der höhern Obrigkeit berichten. Menoch L. V. praesumpt. 48. n. 10. Schlüßlich ist zu wisssen, daß ein Vater für seinen Sohn, als ein Theil seines Leibes, und also für sich selbsten, ingleichen die Befreundte, Verschwägerte etc. zur Vertheidigung eines Uebelthäters zuzulassen seyn; ja sogar ein auswärtig und fremder, der dessentwegen das Amt eines Fürsprechers auf sich nehmen wolte. L. 19. ff. de poen. P. H. G. O. Art. 47. Und seynd dergleichen Sachwalter, wenn sie auch von dem Gefangenen keine Gewalt haben, von Richterlicher Macht nicht zu verweisen, sondern die Acten sind ihm zu dem Ende vorzulegen. Julius Clarus qu. 31. n. 16. Jedoch können die mit keiner Vollmacht versehene Sachführer dem Inquisiten zwar nützlich, keineswegs aber schädlich seyn, sonst solcher diese verwerffen kan. Also hat ein Richter nach Anleitung ob angezogenen Artickels dahin zu sehen, daß die Schutz-Schrifft nicht gar zu lange aufgehalten, und der Proceß ohne Noth schwerer gemacht werde. Und dafern der Inquisit vermittelst Einreichung seiner Schutz-Schrifft einen Wiederspruch in denen Aussagen der Zeugen anziehet, muß man, soferne solch Anführen erheblich, die Zeugen aufs neue verhören, gegen einander stellen, oder deren Aussage erklären lassen. Clarus qu. 6. n. 3. Wenn ein Richter den Delinquenten fragt, auf was Weise er sich entschuldigen könne, und begehret, daß er anzeigen solle, was er zu seiner Entschuldigung vorzubringen wisse, ist er nicht verbunden, die vorhandenen Mittel und Ursachen zu eröffnen, damit ihm solche von einem gewissenlosen Richter nicht benommen werden mögen. Noch weniger soll ein Richter den Verbrecher in dergleichen Verweigerungs-Fall alsobald der peinlichen Frage unterwerffen. Clarus qu. 49. n. 50. Farinac. qu. 39. n. 317. Nächst diesem aber hat auch eine Obrigkeit nach eingereichter Schutz-Schrifft dahin zu sehen, was der Missethäter damit erwiesen? Ob die Anzeigen durch zulängliche Mittel entkräfftet worden? Oder ob er, der eingereichten Schutz-Schrifft ohngeachtet, mit der peinlichen Frage zu belegen sey? Ob er völlig loßzusprechen und zu entlassen, oder wenigstens zu einer ausserordentlichen Straffe zu ver[ur]theilen sey? Jedoch weil diese Untersuchung einen geübten, und in peinlichen Sachen wohl unterrichteten Kopff und Verstand erfordern, sollen sich ungelehrte Richter keineswegs unterstehen, auf die eingegebene [1491] Schutz-Schrifft, nach eigenen Gutdüncken mit dem Uebelthäter umzugehen, sondern es geziemet einem solchem Richter, sich zuvor bey den Rechts-Verständigen Raths zu erholen, was in der Sache weiter vorzunehmen sey? Wie solches in der P. H. G. O. nach dem Zeugniß Oldenkops in Obs. 7. n. 11. 57 mahl denen Richtern auferlegt wird. Ja wenn auch gleich eine Obrigkeit in denen Rechten wohl erfahren und geübt, und in peinlichen Sachen berühmt wäre, würde doch selbige in zweifelhafften Fällen und an Orten, wo das Verfahren in Peinlichen-Sachen nicht zur Revision eingereichtet worden, besser thun, wenn sie einen Rath der Rechts-Verständigen einholte, als wenn sie das gantze Werck auf ihre eigene Kräffte nähme. Denn die peinlichen Urtheil sollen nicht in einer, sondern in mehrern Stimmen und Einstimmung derselben geschehen. Siehe Carpzov P. III. qu. 116. n. 22. Und Oldenkop lehret, Obs. n. 17. t. 11. daß derjenige kein verständiger Richter sey, der sich einbilde, alles allein zu verstehen. Wiewohl eine in Rechten erfahrne Obrigkeit in geringen Verbrechen, allwo das Urtheil keine Todes-Straffe enthält, solches zu Erspahrung der Zeit und Unkosten selbst auf sich nehmen kan. Ja an einigen Orten, sonderlich wo man der P. H. G. O. nachgehen muß, pfleget und muß man die peinlichen Acten und Proceße einer Juristen-Fakultät überschicken. Denn die Wahrheit wird von vielen eher, als von einem eintzigen Lehrer allein, erfunden. C. de quibus Dist. 20. C. prudentiam 21. de offic. & protest. jud. deleg. In Tyrol aber ist genug, daß man den Proceß einem Consulenten und Rechtsgelehrten anvertraue, sintemahl gleichsam aus allen Gerichten der Fürstlichen Grafschafft Tyrol, wenig ausgenommen, die peinlichen Proceße der Hochlöbl. O. O. Regierung zum Durchlesen vor Vollstreckung des Endurtheils eingeschickt werden. Jedoch ist nöthig, daß die Proceße völlig beschlossen, rechtlich eingerichtet, und mit ausgefallenen Urtheil versehen seyn. Denn wenn ein Proceß noch nicht völlig vollendet wäre, würde solcher wieder zurücke geschickt, auch da sich eine Obrigkeit eines Bescheids erholen wolte, was in Sachen zu thun wäre, würde selbige die Formalien gleich in dem gnädigen Rescript zu erlesen haben, daß sie als eine Obrigkeit von selbsten wissen werde, was von Amtswegen vorzunehmen sey, oder da ja die Sache derselben zu schwer fallen würde, sich dessentwegen bey Rechtsgelehrten Raths erholen solte. Da aber ein Gericht die peinlichen Acten einer Hochlöbl. Regierung einzuschicken nicht verbunden wäre, würde eine Obrigkeit sowohl vor GOtt als der Welt, löblicher handeln, wenn sie auch ohne zweiffelhaffte einlauffende Umstände, sich der Rechtsgelehrten Rath bedienete; sintemahl vier Augen, wie man zu sagen pfleget, jederzeit mehr sehen, als zwey, und ein anderer bald an Tag bringet, was vor den Augen der Obrigkeit im Proceße verborgen liegt, wodurch wenigstens die ordentliche Straffe gelindert werden kan. Ja es ist sehr rathsam, daß man das Urtheil, wenn sonst keine offenbare Ungerechtigkeit mit unterlieffe, dem eingeholten Gutachten gemäß einrichte, damit man sich des Syndicats erwehren möge. [1492] Oldenkop Obs. 7. tit. 1. n. 11. Bey Ueberschickung der Acten zum rechtlichen Gutachten und Spruche soll eine Obrigkeit fleißig beobachten, ob nicht etwa, der zu Rathe gefragt wird, dem Inquisiten feind, oder sonst wegen allerhand möglicher Umstände einen Vortheil daher hoffen, oder unerlaubtes Absehen dabey haben, oder dem Inquisiten zuvor verpflichtet seyn möchte? Denn dergleichen Umstände können kein unpartheyisch Gutachten hervor bringen. Zum andern soll man den Consulenten alle Acten, wie sie vom Anfange biß zum Ende verfaßt worden, nebst allen Beylagen, getreulich überschicken, eine Verzeichniß darüber abfassen, und den Inquisiten, daß er sehe, wie der Proceß beleget, und eingepackt werde, für fordern; wiewohl dieser letzte Punct nicht überall in Acht genommen wird. Wenigstens aber wäre der, so die Schutz-Schrifft abgefasset, hierzu einzuladen. Oldenkop Dec. 1. qu. 7. n. 5. Drittens soll man den Consulenten ersuchen, daß er die Sache beschleunige, damit die Sache geendiget und der Inquisit des Gefängnißes entlediget werde. Viertens soll man die Acten vor deren Ueberschickung, zu Erspahrung der Kosten und Zeit, selbst noch einmahl sorgfältig durchgehen, und zusehen, ob alle Umstände genau erkundiget worden, oder ob etwa zu Ertheilung eines verlangten Gutachtens noch etwas möchte erfordert werden? Damit solche von dem Consulenten nicht als mangelhafft möchten wieder zurückgeschickt werden. Oldenkop Obs. 9. tit. 1. n. 6. Fünfftens sollen von dem Richter in das Ersuchungs-Schreiben keine neue und in den Acten nicht gegründete Umstände, oder darüber der Delinquente nicht gefragt worden, gesetzt werden; sintemahl sich das Gutachten nicht auf das Ersuchungs-Schreiben, sondern auf die Acten und den Proceß gründen muß. Sechstens da der Inquisit eine vornehme Person, oder davor man sich zu fürchten hat, muß der Consulent geheim gehalten, ja auch der Bothe in Geheim fortgeschickt werden, damit nicht etwa, wie schon öffters geschehen, die Akten auskundschafftet, dem Bothen abgenommen, verfälschet, oder der Consulent bestochen werden möge. Ja, es sollen dem Delinquenten 3. Doctores oder Facultäten, um eine daraus zu erwählen, benennet, keineswegs aber eine gewisse vorzuschlagen vergönnet werden, Oldenkop Obs. 9. t. 1. n. 6. welches an den Orten, wo man der P. H. G. O. nachgehet, also zu geschehen pfleget. Die auf Einholung des Gutachtens gehende Unkosten sollen nach Verordnung der P. H. G. O. art. ult. von der Obrigkeit bezahlet werden. Aber Matthias Stephan in seinem Comment, sagt, daß solche von dem Inquisiten, so ferne er etwas im Vermögen hat, gut gethan werden müsten, wie es denn auch in Tyrol also gehalten wird. Bey einem armen Inquisiten aber bezahlet eine Landes-Fürstl. oder nach Beschaffenheit der Tractaten, eine Gerichts-Herrschafft die Unkosten. Wenn das Gutachten eingelauffen, ist löblich, daß der Richter solches in Gegenwart des Inquisitens wegen Recognoscirung des Siegels eröffne, den Rechtsgeschwornen Räthen vortrage, so denn erwarte, was sie wegen des Delinquenten, vor ein Bey- oder End-Urtheil abfassen [1493] werden: Ob nehmlich die Anzeigen abgelehnet, oder der Inquisit mit der peinlichen Frage zu belegen sey? sintemahlen in Tyrol eine Obrigkeit und Beysitzer nicht so strenge an das Gutachten gebunden, daß sie wegen einer vernünfftigen und in Acten gegründeten Ursache, nicht ein anders Bey- oder End-Urtheil solten abfassen können. Jedoch weil in den mehresten Processen, sonderlich bey einem nicht überwiesenen halsstarrigen Delinquenten oder Missethäter, die peinliche Frage oder Tortur vorgekehret werden muß, und die Gutachten mehrentheils zur Vornehmung der Tortur hinaus lauffen; als will die Ordnung erfordern, von deren rechtlichen Gebrauch einige Nachricht zu geben. Ehe und zuvor aber ein Richter einen Missethäter der Tortur unterwirfft, soll er zuförderst beobachten, ob da[s] Verbrechen in der That und Wahrheit selbst begangen worden, und dessentwegen unfehlbare Gewißheit in Acten vorhanden sey? Als z. E. ein Todschlag wird durch Findung eines zerhauenen, erdrosselten, oder erschossenen Cörpers rüchtig und kundbar; ein Diebstahl mit Einbrechen wird öffentlich und gewiß, da man an dem Orte des Einbrechens, die Merckzeichen der hinweg gebrochenen Gitter oder anderer Verwahrungen siehet; In andern Diebstählen muß das Corpus delicti bekannt seyn, da man an dem Orte allwo der Dieb die Sachen entwendet zu haben vorgiebt, ordentlich eydliche Erkundigung einholen, ob in Wahrheit die bekannten Sachen entwendet worden seyn oder nicht? L. in cognitione ff. ad SC. Syll. allwo dergestaltige Umstände erfordert werden, daß die Obrigkeit genugsam wissen könne, es sey ein Todschlag begangen worden. Denn in zweifelhafftigem Fall hat die Tortur keine statt; als: Da man nach Aussage eines Arztes nicht wissen könnte, ob der Verstorbene Gifft überkommen habe, oder sonst gestorben sey? Gleichergestalt da ein Dieb in Güte bekennete, daß er 600 Fl. an diesem oder jenem Orte entwendet hätte, jedoch aber ohnmöglich fiele, hiervon eydliche Kundschafft einzuholen, noch auch die eingeholte Kundschafft eintreffen würde; in dergleichen Fällen könnte keine Tortur zu mehrerer Bekräfftigung vorgenommen werden. Carpzov P. III. q. 119 n. 58. In denen Lastern, so kein Merckzeichen nach sich lassen, als da seynd: Die Sodomitische Sünden, Ketzerey, Hexerey etc. kan man bey vorhandenen und die Uebelthat gleichsam nothwendiger Weise nach sich ziehenden Anzeigungen, die Tortur ergreiffen, wenn gleich in der Sache selbst die unfehlbare Wissenschafft geschehener Uebelthat nicht am Tage läge. Gleiche Bewandniß hat es auch mit denen Verbrechern, die zuweilen kein Zeichen nach sich zu lassen pflegen, als in Todschlägen, Kindes-Abtreibungen, und andern Mordthaten, wenn nehmlich die Cörper ins Wasser geworffen, vergraben oder sonst verborgen werden. Siehe die P. H. G. O. Art. 6. Allwo die Formalien zu lesen: Daß eine Obrigkeit, so viel möglich, und nach Beschaffenheit und Gelegenheit einer jeden Sache, geschehen kan, sich vor der peinlichen Frage erkundigen soll, sintemahl die gemeine Wohlfahrt erfordert, eine mit erheblichen Anzeigungen geschehener Uebelthat beschwerte Person, eher zur Tortur zu bringen, als in dergleichen Fall, wo [1494] die That kein Merckzeichen hinterlassen, gäntzlich ledig und loß zu geben, damit das Uebel bestrafft werde. l. 51 ff. §. 2 ff. ad L. Aquil. Farinac L. I. c. 1. qu. 2. n. 12. Das dritte Stück so vor Unternehmung der Tortur erfordert wird, ist dieses, daß der Obrigkeit auf keine andere Weise möglich sey, die Wahrheit zu erhalten, als nehmlich durch Zeugen, Briefschafften oder andere Instrumente, ingleichen gütliche Bekänntniß. Denn wenn etwa Zeugen oder andere Sachen, so die Uebelthat erweißlich machen vorhanden, soll die Tortur, als ein nur in Ermanglung andern Beweises annoch zuläßiges Hülffs-Mittel, nicht ergriffen werden. L. 12 c. de quaest. Ja die Lehrer des peinlichen Rechts lehren, daß sich eine Obrigkeit auf alle mögliche Weise bemühen solle, durch vernünfftig schliessende Fragstücke, das Geständniß des Uebelthäters heraus zu bringen; sintemahl die Practici frey bekennen, daß der gantze Proceß bey Vornehmung der Tortur, vermittelst Ablehnung der Anzeigungen, und Verschweigung der Wahrheit übern Hauffen falle, gleichwie jener bey der Tortur gesagt hat: Es ist besser einen Märtyrer, als einen Bekenner, abzugeben. Das vierte Erforderniß zur peinlichen Frage, sind die vorhandenen und erwiesenen Anzeigungen. Denn es ist keiner Obrigkeit erlaubt, ohne genugsame Anzeigungen, Wahrzeichen und Verdacht, jemand mit peinlicher Frage anzugreiffen. L. 18. §. 2 ff. de quaest. und l. fin. C. eod. P. H. G. O. Art. 21. Nun aber lässet sich billig fragen, wie man zur Wissenschafft kommen könne? Ob ein oder andere vorhandene Anzeigung, Verdacht, Argwohn, zu der Tortur genug sey? Denn ob zwar die Erkänntniß dem Richter und Beysitzern überlassen. Menoch de arbitrar. jud. Quaest. l. 2. c. 270 n. 3. So muß doch die Ueberlassung die Schrancken des Rechts und der Billigkeit nicht überschreiten, sonderlich in einer so schweren und schlüpfrigen Sache, wo es um das Leben eines Menschen zu thun ist. Gleichwie aber auf alle und jede Uebelthaten gewisse Umstände und Regeln vorzuschreiben ohnmöglich ist, weil jede ihre besondere Anzeigung, Wahrzeichen, Argwohn, Verdacht und Vermuthung hat, welche Stücke alle unter dem Nahmen Anzeigen oder Inzichten verstanden werden. P. H. G. O. Art. 19. Also hat diese peinliche Gerichts-Ordnung Art. 24 verordnet: Daß aus denen daselbst nachgesetzten Anzeigen, ein Gleichniß genommen werden solle, und zwar also, daß da ein oder andere Umstände den nachgesetzten gleichförmig der Obrigkeit auch von gleicher Krafft und Nachdruck zu seyn vorkommen würden, ein solches Gleichniß, so gut und viel seyn solle, als wenn es würcklich und ausdrücklich gesetzt worden wäre, auch also beobachtet werden solle; denn in gleichen Sachen ist gleiches Recht zu nehmen. L. Regula ff. de Jur. & facti ignor. Wovon unter dem Artickel Tortur, (Anzeigen zur) ein mehrers nachzusehen. Wenn der Inqusit seine Schutz-Schrifft eingereichet, ist ferner von nöthen, daß der Richter seine geschwornen Beysitzer zusammen ruffen lasse, und selbigen anzeige, was für Anzeigungen wieder ihn, aus dem formirten Proceß, erscheinen, wie kräfftig oder zweiffelhafft solche den Gefangenen beschweren, welchergestalt die Anzeigungen durch glaubwürdige [1495] unverwerfliche Zeugen erwiesen, daß es um eine Sache zu thun, die an Leib und Leben gehe, nicht weniger daß zwar der Gefangene, zu Einreichung einer Schutz-Schrifft zugelassen, selbigen zu dem Ende die Acten getreulich vorgelegt, auch eine solche von ihme würcklich eingereichet worden; nun komme es darauf an, daß ein Rechts-Geding oder Gericht ermesse, ob Inquisit vermittelst solcher seiner eingegebenen Schutz-Schrifft, die wieder ihn vorhandenen Anzeigungen genugsam abgelehnet habe oder nicht? oder ob es nöthig sey solchen mit der würcklichen Marter zu Erhaltung der Wahrheit, auch Abthuung der wieder ihn vorhandenen Anzeigungen, anzufragen, und mit was für einem Grade selbiger den Umständen nach, so wohl dessen Person, der That, als erwiesener Anzeigungen halber anzugreiffen wäre? Auf welchen Eingang ferner aus dem Protocoll des Gerichts-Schreibers zu nehmen seyn möchte, aus was für einem Grunde, Ursachen und Erheblichkeit, die mehrere Beypflichtung zu diesem oder jenem Grade der Tortur mit ihrer Erkenntniß zu votieren, beweget worden? zumahlen nach Art und Form eines Bey-Bescheids dem Protokoll einzutragen ist:

 

 

Bey-Bescheid.

 

Daß aus vorstehenden der Sachen reiflich überlegten erheblichen Umständen und unabgelehnten schweren Anzeigungen, auch wegen Abscheulichkeit der That, und damit die Wahrheit, zu welcher anderer gestalt nicht zugelangen, an Tag komme, der N. N. an den Ort der peinlichen Frage geführet, der Kleider entblösset, gebunden, mit dem Seil aufgezogen, und den N. N. lang aufgezogen gelassen, auch im Fall seiner Hartnäckigkeit ein N. N. Pfund schwer, Stein, drey Vater Unser lang, an seine Füße gehangen werden solle.

Denn hierinnen soll ein Richter nach Ausweise der Tyr. Landes-Ordn. im 8. Titel 8. Buchs, den mehrern Stimmen folgen, und vor sich selbst nichts vornehmen. Nach solchen abgefaßten Bey-Urtheil soll der Richter und Gerichts-Schreiber, mit Zuziehung dreyer aus dem Rath oder Geschwornen, den Delinquenten nicht gleich an den Ort der Marter führen lassen, sondern zuvor versuchen, ob er zu Bekennung der Wahrheit, in Güte zu bringen sey, und zwar dergestalt:

Nachdem die Obrigkeit, auf das von denen Geschwornen und Beysitzern gefällte Urtheil und zuerkannte peinliche Frage nicht unterlassen hat, in Gegenwart des Gerichts-Schreibers und N. N. als Beysitzern, den Inquisiten in der N. Stube nochmahlen fürzunehmen, und selbigen auf nachfolgende Weise zu Bekennung der Wahrheit gütlich anzumahnen etc.

 

Actum den etc.

Vor etc.

Ist der Inquisit über abgelegten leiblichen Eyd, so viel andere Personen berührt, und geschehene Anvermahnung die Wahrheit zu bekennen, noch mahls befragt worden.

Man habe an Seiten des Gerichts seine eingegebene Schutz-Schrifft zu Entfliehung peinlicher Frage genugsam ersehen, jedoch gefunden, daß die in dem Proceß wieder ihn vorhandene schwere [1496] Anzeigungen nicht abgelehnet worden wären; solle dannenhero die Wahrheit endlich bekennen; ob er nicht den Paulen ermordet habe?

Saget nein; er verhoffe aber er habe seine Unschuld genugsam an den Tag geleget;

Wie Constitut dieses vorgeben möge, indem doch aus so vielen Anzeigungen, Wahrzeichen und Muthmasungen, nichts anders abzunehmen, als daß er der Thäter seyn müsse: Er wisse mit was für unzweiffelhafften und vielfältigen Anzeigungen er beschweret sey, also daß sein beständiges Ableugnen bey so beschaffenen Umständen nicht statt finde. Denn daferne er über diese gütige Vermahnung noch weiter bey seinem frechen Leugnen verharren werde, würde mit ihm von Rechtswegen zur peinlichen Frage geschritten werden, er solle also in sich gehen, GOtt die Ehre geben, und dancken, daß er zu Bußfertiger Bekänntniß seiner Sünden Gelegenheit habe, und sich nicht selbst der Folter und Marter aufopffern.

Antw. Er wisse nichts zu bekennen, man thue ihm vor GOTT und Welt unrecht, etc. er thue darwieder protestiren appelliren, und sich bester massen darüber beschweren.

 

Und hiermit kommen wir nunmehr zu denen Pflichten eines Richters.

 

 

II. In und bey der Tortur.

 

Wenn der Inquisit durch ernstlich Zusprechen und Ermahnen die Wahrheit in Güte zu bekennen, nicht zu vermögen gewesen, bleibt nichts mehr übrig, als daß sich der Richter, der Gerichts-Schreiber und Beysitzer, darauf an den Ort der Tortur verfügen, und den Inquisiten durch die Gerichts-Diener, welche an dem Orte wo kein Freymann oder Scharff-Richter wohnet, die Tortur zu vollziehen pflegen, führen lassen. Zuvor aber soll der Richter etliche kurtze kräfftige Fragstücke aufsetzen, die er dem Inquisiten vorzuhalten vermeynet, damit der arme Mensch in der Marter nicht lange aufgehalten werde. Es verordnet zwar die P. H. G. O. art. 58. daß die Sage des Gefragten, so er in der Marter thut, nicht angenommen oder aufgeschrieben werden solle, sondern er solle seine Sage thun, so er von der Marter gelassen ist. Ob nun zwar an dem angeführten Orten nur von Aufschreibung der Sage die Rede ist; so ziehet doch solches Blumbacher art. 58 n. 9. auch auf die Anfrage, also, daß währender Marter niemand eigentlich und insbesondere auf die That und deren Umstände, sondern nur überhaupt zum Geständniß anermahnet werden solle: Befragter solle nunmehro die Wahrheit bekennen. Carpzov P. III qu. 124 n. 27 u. f. Und zwar dieses darum, weil nicht wahrscheinlich ist, daß der arme Mensch währender Marter mit völligem Verstande begabt sey, auch dessentwegen die Uebelthat mit allen wahrhafftigen Umständen eröffnen könne. Nichts destoweniger aber ist dieses Verfahren in Welschland, auch in Tyrol, nicht üblich; denn es werden manchmahl etliche verschlagene Gesellen gefunden, welche, wenn sie kaum gebunden und in die Höhe gezogen worden, schon zu schreyen anfangen: Ach GOTT! Laßt mich herab, ich [1497] will alles bekennen, und wenn man sie herab gelassen, sagen sie: Ach wolt ich bekennen, ich bin unschuldig: Und damit können sie ihnen die Tortur dergestalt erleichtern, daß sie die Schmertzen, die aus steter Währung der Marter entspringen, nicht sonderlich empfinden, folglich auch nicht genugsam angehalten werden, die Wahrheit zu kennen. Die N. O. L. G. Ordn. tit. 37 §. 4. verbietet nicht, daß man einen in währende Tortur nicht anfragen solle, sondern nur, daß man den Missethäter nach Erlassung derselben nochmahlen anhalte, die Bekänntniß jedoch an dem Orte der Tortur zu wiederhohlen, welche Aussage denn der Gerichts-Schreiber mit allen Umständen zum Protocoll aufzeichnen solle. Die Italiener aber pflegen die Fragstücke währender Tortur abzunehmen, und den Missethäter vor Bekänntniß der That der Tortur nicht zu erlassen, wenn es die zur Tortur anberaumte Zeit leidet, ja wenn er gleich sagte: Laßt mich herab, ich will alles sagen, wird gleich geantwortet, er solle es gleich jetzo thun, und einmahl bekennen und anfangen. Bey der Hochlöbl. O. O. Regierung des Tyrolischen Landes, weil das Statut davon nichts meldet, kan die Italienische Art beobachtet werden, sintemahl die Bekänntniß in der Tortur ohnedem vor der Bestätigung ausserhalb derselben, ungültig, und dem Bekennenden in der Hauptsache nicht schädlich ist. Dieses voraus gesetzt ist weiter zu wissen, daß ein Richter eine Sand-Uhr mit sich nehmen solle, daß er wisse, wenn die zuerkannte Zeit zur Tortur verstrichen sey. Jedoch lehren andere, daß er die Sand-Uhr an einen Ort stellen solle, allwo sie von dem Missethäter nicht gesehen werden möge. Guatz in Def. 30 c. 2 n. 4. Nachgehends soll man dem Delinquenten abermahls zusprechen, und ihm vorhalten:

Er sehe nun, an was für einen Orte er sich befinde, solle GOtt den Allmächtigen vor Augen haben, seiner Seelen Seligkeit beobachten, und nunmehro die Wahrheit einmahl bekennen: Denn wiedrigen Falls, weilen er mit so vielen Anzeigungen beschwert, er mit peinlicher Frage und Marter angegriffen werden müsse.

Antw. Er wisse weiter nichts zu bekennen, man möge mit ihm umgehen wie man wolle.

Wenn die Ermahnung noch nichts fruchtet, kan man die Werckzeuge der Tortur durch den Scharf-Richter oder Gerichts-Diener in Bereitschafft stellen, den Delinquenten niedersitzen, und der Kleider, jedoch mit Bedeckung der Scham, als welche die Natur selbst gleichsam verbergen wollen, Damhoud C. de tort. entblössen lassen: Nachgehends soll eine Obrigkeit abermahls versuchen, ob der Missethäter die Wahrheit ohne fernere Marter zu bekennen geneigt sey. Und also soll ein vernünfftiger Richter einen Grad nach dem andern vornehmen lassen, und jedesmahl durch nachgesetzte Fragstücke versuchen, ob der Delinquent zu Bekennung der Wahrheit nicht zu bewegen sey: Als

Constitut werde ermahnet, die Wahrheit nunmehro einmahl zu bekennen, und solle er selbst zur Würcklichen Marter nicht Ursache geben. [1498]

Antw. Er könne nichts anders bekennen, und solte er 100 Jahr gemartert werden.

Auf welche Antwort, und weil man des Verbrechers Hartnäckigkeit erfahren, ist man zu dem zuerkennten Grad der Tortur geschritten, und hat ihn in die Höhe ziehen lassen. Ueber welcher Aufziehung er geschryen: Ihr möcht machen, was ihr wollt, ich kan nichts bekennen.

Auf diese weitere Hartnäckigkeit, hat man endlich nach Anweisung des zuerkennten Bey-Urtheils den letzten Grad ergriffen, und an die Füße des Missethäters ein 12 Pfund schweren Stein gehängt, worüber der Constitut zu schreyen angefangen: Ach JEsus Maria! Was ist das für eine Tyranney, ich kan nichts bekennen.

Darüber er aber nochmahlen erinnert worden, die Wahrheit zu bekennen:

Antw. Was wolt ihr von mir wissen, ich sterbe, laßt mich herab, ich will alles sagen, was ihr wolt.

Auf welches er aber von neuem ermahnet worden; solle also die Wahrheit einmahl bekennen,

Antw. Laßt mich herab, ich will alles bekennen.

Auf welches ihm gesagt worden, er solle nur einmahl anfangen zu bekennen, hernach wolle man ihn herablassen:

Antw. Er könne in dieser Marter nichts sagen, man solle ihn herablassen, er wolle alles sagen und bekennen. Ach GOTT! Last mich herab so er öffters angezogen.

Ueber diesem Versprechen hat man ihn, Constituten, zu besagtem Ende mit allem weitern Vorbehalt etc. fein gemach und sachte von der Marter herab, und auf einen Stuhl sitzen lassen. Und als er dergestalt herab gelassen, und auf einen Stuhl gesetzt worden, ist weiter angefragt worden:

Constitut solle nun nach seinem Versprechen die Wahrheit bekennen.

Antw. Was will man von mir haben, ich bin unschuldig, und dennoch thut man mich wieder Billigkeit strecken.

Constitut werde ermahnet, daß er sich dergleichen Ausflüchte begeben, einsmahl die Wahrheit bekennen solle, sonst würde die Tortur fortgesetzt werden.

Worüber der Constitut abermahls in die Höhe gezogen worden, der aber gleich nach der Aufziehung zu schreyen angefangen; Ach GOtt! Ich muß zerschnellen, laßt mich der Natur pflegen etc. Zu welchem Ende denn Constitut herab gelassen, und ihme die Erlaubniß gegeben worden, den Leib s. v. zu erleichtern. Und als er über eine kleine Weile ungefehr bey einer halben Viertel-Stunde, wieder zur Marter-Kammer geführet worden, hat er angefangen zu reden; Ach GOtt erbarme es! sagt mir denn, was wolt ihr daß ich sagen soll, ich will alles sagen, was ihr wollet.

Ueber welche blosse Worte und nichtiges Versprechen, die Tortur auf Richterlichen Befehl abermahls [1499] ergriffen, und Constitut in die Höhe gezogen worden, der aber ohneracht vielfältiger Anfrage und Ermahnung nichts mehr sagen wolte. Und als Constitut ein N. Stund nach Anzeige der Sand-Uhr also in der Marter gewesen, und verharret, hat man ihn wiederum fein gemach von der Tortur entbunden, die Arme und Glieder eingerichtet und wieder angekleidet, der bey solcher Herablassung angefangen zu schreyen; halt Brüder! halt, fein gemach! etc. Aus dieser Formul kan man abnehmen, wie nach Verschiedenheit der Marter, auch das Protocoll formiret werden müsse. Und soll dem Missethäter ein mehrers, als was das Bey-Urtheil vermag, nicht zugefüget und ins Protocol verzeichnet werden. Ambrosius Sinogall Lib. IV. c. 8. n. 2. Damit aber ein Richter bey Vornehmung der Tortur keiner Unachtsamkeit beschuldiget, oder dessentwegen zur Verantwortung gezogen werden möge, soll er sich währender Tortur nicht hinweg begeben, sondern auf alle Umstände fleißig aufmercken; ja er soll in das Protocoll setzen lassen, daß dem Scharf-Richter oder Gerichts-Diener ernstlich auferlegt und anbefohlen worden sey, daß er den Inquisiten zuvor an dem Leibe besichtigen und beobachten solle, ob er ein tadelhafftes Glied oder Schaden am Leibe habe? Ob er nach seiner Leibes-Beschaffenheit den zuerkannten Grad der Tortur aushalten könne; ingleichen daß sie sehen solten, ob die Seile gut und frisch und nicht etwa zureissen möchten. Ueberdieß soll man ebenfalls zum Protocoll nehmen, wie sorgfältig die Gerichts-Diener alles besichtiget, wie hart sie den Inquisiten gebunden, denn daran gar viel gelegen. N. O. L. G. Ordn. Tit. von der Tortur Gulatz in Def. 30. C. 34. n. 2. Solten aber die Gerichts-Diener sagen, daß der Inquisit gebrechlich, und zweiffelhafft seyn, ob er die Tortur, ohne ihm am Leben zu schaden, werde aushalten können oder nicht? Soll man einen Arzt oder Bader zu Rathe ziehen, dessen eydliches Gutachten darüber vernehmen, dem Protocoll einverleiben, und sich mit der Tortur nach derselben Vorschrifft richten. Da aber dergleichen Vorsicht nicht gebraucht worden wäre, die Stricke rissen, der Torquirte auf die Erde fiele, und etwa einen Arm oder Bein entzwey bräche, wollen einige, daß der Richter davor zur Verantwortung gezogen werden solle; wiewohl auch andere diesen davon befreyen, und die Schuld demjenigen zuschreiben, dem die Tortur von Rechtswegen zu vollziehen obliegt. Dem sey aber, wie ihm wolle; so ist doch allezeit rathsamer, daß der Richter diese Vorsicht nehme, und die Gerichts-Diener offt mehr als vonnöthen, ihres Amts erinnere, den Inquisiten wegen der Leibes-Mängel selbst befrage, und hierüber nicht allein das Blutbegierige Urtheil den Scharf-Richter, sondern der Aertzte und Barbierer vernehme: Denn eine Obrigkeit soll nicht leicht den Scharf-Richtern und Gerichts-Dienern glauben, als die sich öffters aus Begierde den Inquisiten zu plagen, sehr vergehen, noch weniger selbigen zulassen diesen um die Bekänntniß zu fragen, oder durch Drohungen zu erschrecken: Ja es ist ein schlechtes Lob einen solchen Scharf-Richter zu haben, der die Bekänntniß bey allen Inquisiten erpressen mag, indem [1500] dieses offt aus teuflischer Zubereitung, und andern verborgenen Ursachen herfliesset. Siehe Oldenkopp Obs. 24. tit. 4.

Eine andere Art eines solchen peinlichen Verhörs findet sich auch in Schülins Theatr. Consc. Crim. Part. l. c. 11. welches daselbst also lautet:

Wenn ein Richter aus trifftigen Anzeigen, Umständen und andern Ursachen, so denn aus dem Corpore delicti findet, daß der Beschuldigte des Verbrechens genugsam verdächtig und überzeugt, also daß nichts als dessen Geständniß annoch ermangelnd sey, so mag er ihn nochmahls fürfordern und durch die beweglichsten Zuredungen zur gütlichen Bekenntniß zubringen suchen, auch nochmahlen über alle peinliche Fragstücken gütlich befragen, wo selbiges nun auch nichts bey dem Verdächtigen verfängt zur Schreckung mit Worten schreiten, und ihn dem Scharfrichter vorstellen, durch selbigen die peinlichen Werckzeuge vorlegen, und die daraus entstehenden unerträglichen Schmertzen, genüglich erklären lassen, selbsten aber dem Verdächtigen aufs beweglichste zu reden, und bedrohen wo er nicht bekennete, er würcklich durch den Scharfrichter angegriffen werden solte, welchen Verlauff der Actuarius mit allen dabey vorkommenden Umständen, eigentlichen Gebehrden und Worten des Inquisitens auf folgende Art zum Protocoll niederschreiben muß:

 

Actum N. d. 22 Mart. Anno etc.

Gütliche Verhör.

 

Praesentes:

Herr Richter N.

Ego der Actuarius N.

Herr Assessor N.

Herr Assessor N.

Herr Assessor N.

     

Nach dem eingelangten Hochfürstlichen gnädigstem Befehl (oder Urtheil der Universität N) wurde der Inquisit Krumfinger vorgebracht und über folgende Umstände unter beweglichem Zureden noch einmahlen gütlichen befragt.

1.

Ob er nicht bekennen wolle, daß er den Raub zu N. begehen helffen?

     

Nein sein lebtag nicht.

2.

Wer mehr dabey gewesen?

     

Nescit.

3.

Ob er nicht bekennen müsse, daß er die Keller-Mauer mit einem Brech-Eisen gewaltsam erbrochen?

     

Negat.

4.

Ob er nicht gestehen müsse, daß er den N. gerädelt und gebunden?

     

Nein.

5.

Ob er nicht sagen müsse, daß er selbigen das Messer auf das Hertz gesetzt?

     

Negat.

6.

Ob er nicht gestehen müsse, daß er diesen würcklich ermordet?

     

Nein, sein lebtag nicht.

 

[1501] Weilen nun aus dem verstockten Inquisiten in der Güte, alles beweglichen Zuredens ohnangesehen, keine Bekenntniß zu bringen, wurde der Scharf-Richter N. N. von N. vorgelassen und bedeutet, dem Inquisiten die peinlichen Instrumenke vorzulegen, und ihm die daraus entspringenden unerträglichen Schmertzen zu erklären. Scharf-Richter N. N. leget sodenn sein bey sich habendes Folterzeug, dem Inquisiten vor, und expliciret ihm alle daraus zu empfinden habende unleidentliche Schmertzen.

Inquisit, Krumfinger, erschrickt (oder ist frech) bey dessen Vorzeichung weinet, (oder schweiget) und saget: Er sey unschuldig, er sey in GOttes und der Obrigkeit Händen, könne nichts gestehen, man möge mit ihm machen was man wolle, wenn man ihm alle seine Glieder vom Leibe risse, könne er doch nichts gestehen.

Wird ihm vom Gericht beweglich zugeredet und bedrohet, daß er bey anhaltender Läugnung mit der Folter angegriffen worden solte, weilen aber alles nichts verfangen, ist selbiger einstweilen abgeführet worden. Wenn nun der Inquisit abgeführet ist, kan der Richter sodenn dem Scharf-Richter sagen, wie und auf welche Art der Inquisit befraget werden solle, nicht weniger sich mit demselben dahin unterreden, wie und wenn, bey welchem Fragstück er Scharf-Richter die Schmertzen aufs Höchste treiben solle. Damit solches der Inquisit aber nicht vermercke, mag er ihm dessen ein Zeichen sagen, welches der Scharf-Richter zu bemercken hat, z. E. wenn der Richter Schnupf-Toback schnupffe, oder sonst den Inquisiten rauer anrede. Nicht weniger soll er dem Scharf-Richter eyfrig befehlen, daß derselbe in der peinlichen Frage wohl in Obacht nehmen und dem Inquisiten keine Röhre oder Bein entzwey sprengen solle. Gleichwie aber an geschickten tüchtigen und erfahrnen Personen, eine glückliche Verrichtung gelegen; also kömmt solches hierinnen auch hauptsächlich auf einen guten Scharf-Richter an. Dahero sich ja der Richter nach einen solchen umzusehen, und zu gebrauchen hat, und sollen die Eigenschafften des Scharf-Richters anderswo angezeiget werden. Auch soll ein Richter mit dem gantzen Gericht genau Acht haben, daß der Scharf-Richter mit dem Inquisiten weder zu gelinde noch zu scharf verfahre. Denn die Erfahrung lehret, daß öffters der Scharf-Richter mit dem Inquisiten ein Verständniß hat, etc. die Instrumente nicht recht zuziehet, zuschraubet oder ansetzet, den Inquisiten dargegen zum hefftigen Schreyen anweiset, und dadurch das Gerichte betrügt, oder der arme Inquisit wird durch des Scharf-Richters Grimm und Rachgier erbärmlich zugerichtet. Nach diesem ist nichts mehr übrig, als daß der Richter den Inquisiten zur Folter-Kammer bringen und durch den Scharf-Richter selbigem seine habende völlige Kleidung ausziehen und dafür ein apartes schwartzes Folter-Hemd und Hosen (welche einem jeden Richter anzuschaffen zu rathen, weilen der Inquisit offters durch diese furchtsame Ankleidung zum Bekenntniß beweget und der Schmertzen also überhoben wird) anziehen, auch die Haare am Kopff, unter der Achsel und denen heimlichen Stätten abschneiden und genau besichtigen [1502] läßt, ob Inquisit nichts bey sich oder eingeheilet habe, damit er die Tortur überstehe. Denn es giebt dergleichen Leute, welche allerhand teuflische Seegen oder Wurtzel und anders eingeheilet haben, damit sie nur die Schmerzen überhärten. Findet ein Scharf-Richter ein verdächtiges Zeichen, oder Merckmahl an des Inquisiten Leib, mag ihm der Richter wohl erlauben, entweder mit einer Steckenadel zu versuchen, ob Inquisit daran Schmerzen habe oder nicht, ja er kan befindenden Dingen nach, zulassen, daß der Scharf-Richter den verdächtigen Ort aufschneide, und sehe ob nichts eingeheilet. Hierauf führet der Scharf-Richter den Inquisiten zum Stuhl und bindet selbigem die Hände, leget ihm auch die Daumenstöcke an, jedoch noch ohne Zuschraubung und dieses wird von den Rechtsgelehrten die thätliche Bedrohung genennet. Es soll aber nach Ausweise der P. H. G. O. Art. 181. 182. 183. 184. 185. 186. 187. 188. ein Gericht-Schreiber alle dasjenige fleißig aufschreiben, was der Gemarterte sagt, wie sich selbiger bey der Hineinführung in das Folter-Gewölbe, bey Angreiffung des Scharf-Richters, Bindung in der Marter, aufgeführet, was er bekennet oder läugnet, mit welchen Worten und Gebärden, ingleichen den gantzen Handel der Tortur, mit ausdrücklicher Bemeldung, was vor eine Marter gebrauchet worden, in was Schärffe und wie lange. Auch hat er ausdrücklich zu bemercken, daß bey dem Geständniß sofort das peinliche Instrument abgenommen, oder das die Marter, und warum zertheilet, damit man hieraus ersehen könne, ob die Marter recht und Gesetzmäßig verrichtet, und der Sache nicht zu wenig oder zuviel gethan worden. Damit aber ein Anfänger und neuer Actuarius wissen möge, wie ein solches Protocoll zu führen sey, so will ich hiervon folgendes Formular anschließen:

 

 

Actum N. d. Anno.

Horis antemeridianis.

Praesentes.

Herr Richter N.

Ego der Actuarius N.

Herr N., Herr N., Herr N. sämmtliche Gerichts-Assessores.

Dieweilen nun bey dem Verstockten Inquisiten Krumfinger, alle Güte fruchtloß abgelauffen, wurde selbiger ohne fernern Anstand, in locum torturae gebracht, und über die vor convenable befundene (oder gnädigst befohlne) Fragstücke, peinlich vernommen, so denn applicirt der

I. Gradus.

Der Daumen-Stock.

Scharf-Richter.

Bindet den Inquisiten [1503] auf dem Stuhl die Hände und stößt selbigen den Daumen-Stock an.

Schraubet.

Schraubet.

Schraubet.

Schraubet.

     

Inquisit.

Selbiger sagt, er habe nichts Unrechts gethan, sey unschuldig.

 

ad. I. Er wisse nichts.

ad. II. Nein. Inquisit schreyet, Nein o! Herr Jesus.

ad. III. Nein. Schreyet erbärmlich.

ad. IV. Ich weiß nichts, Herr Jesus!

Wird hierauf der Daumenstock abgenommen und hingegen applicirt

II. Gradus.

Der Spanische Stiefel.

Scharf-Richter.

Leget solchen dem Inquisiten an den rechten Fuß.

Klopfft.

Klopfft.

Klopfft.

     

Inquisit.

 

ad. I. Nein.

ad. II. Nein Herr Jesus!

ad. III. Nein, o Gott!

ad. IV. Ich will bekennen.

Weilen sich hier der Inquisit zur Bekänntniß erkläret, ist selbigem sogleich der Spanische Stiefel abgenommen, der Inquisit aufgebunden und befragt worden.

1.

Ob er bekennen wolle, daß er den Raub zu N. mit verüben helffen?

     

 

Ja.

2.

Wer mehr dabey gewesen?

     

Der Schnabsack, der lange Abraham, der Polack.

NB. Wenn nun der Inquisit nicht bekennet, so wird das Protocoll ferner also continuiret.

Klopfft.

Klopfft.

     

ad. V. Nein.

ad. VI. Nein.

Wird dem Inquisiten der Spanische Stiefel abgethan, und vorgenommen

III. Gradus.

Der Aufzug.

Scharf-Richter.

Bindet selbigen die Hände auf dem Rücken, und einen schweren Stein an die Füsse.

Ziehet ihn auf.

 

Schläget auf die Schnür und an den Inquisiten die erste Spitzruthe entzwey.

     

Inquisit.

Schreyet: O GOtt! o GOtt! ich bin unschuldig.

 

 

ad. I. Nein.

Inquisit schreyet entsetzlich. [1504]

ad. II. Nein.

Dieser schreyet jämmerlich.

Hier stellet sich der verstockte Inquisit ohnmächtig, und giebt lange keine Antwort, deshalben der Scharf-Richter diesen mit Eßig bestreichet, da er sich denn wieder recolligiret und gantz munter bezeiget, wird also tortura continuiret.

ad. III. Nein.

ad. IV. Schweiget und giebt weiter keine Antwort.

NB. Hier zeigt der Scharf-Richter an, es wäre heute bey dem verstockten Inquisiten alle Tortur umsonst, und fühle derselbe theils aus Verstockung, theils aber wegen des Frostes keine Schmertzen, dahero von ihm kein Geständniß zu hoffen. Wenn also die Tortur nicht fruchtloß abgehen, und die Kosten nicht umsonst seyn solten, möchte die fernere peinliche Frage bis auf Morgen verschoben werden. Weilen nun der Augenschein des Scharf-Richters Vorbringen bekräfftige, & cum perito in sua arte credendum, wurde darein gewilliget, und vor dißmahl die Tortur aufgehoben.

 

Actum N. d. Anno.

Iisdem Praesentibus.

Nachdem oberwehnter auf des Scharf-Richters nachdrückliche Vorstellung bey der 4ten Frag des Gradus tertii abgebrochen und die weitere Tortur auf heute verschoben worden, wurde dahero folgender damit fortgefahren:

ad. V. Ich weiß von nichts.

ad. VI. Nein.

Alldieweilen nun der Inquisit alles verstockt abgeläugnet, ist selbiger nach abgenommenen peinlichen Instrument, in Custodiam zurücke geführet, somit dieser Actus beschlossen worden, Actum ut supra.

Sobald aber vielleicht der Inquisit währender Tortur ohnmächtig würde, so aus dessen Erbleichung, übermäßigen Schweiß, schäumenden Mund, und verlohrner Rede abzunehmen, soll man alles gleich zum Protocoll anmercken. Diesen Zeichen aber soll eine Obrigkeit nicht so leicht glauben, als darauf böse Leute genug abgerichtet, damit sie die Tortur dadurch von sich ablehnen möchten, hingegen sollen sie auch nicht gar zu ungläublich seyn, und solcher Zeichen ohnerachtet mit der Tortur fortfahren, sondern wenn Zweiffel und Gefahr vorhanden den Delinquenten herabnehmen; da sich aber solcher bößlich verstellete, und nichts redete, soll man dem Gerichts-Diener fein laut zu sprechen, den Strick erschüttern, Schwefel, Rauch, Papier, oder Hadern anzünden, solches in die Nase des Delinquenten räuchern lassen, damit man sehe ob eine wahre Ohnmacht vorhanden oder nicht? Ambrosius Senogall. Wie denn hierdurch die erdichtete Schwachheit bald vertrieben, und der Redlose offt redend gemacht worden. Wie die Glosse ad Ambrosium n. 15 bezeuget. Jedoch ist dieser Materie allezeit löblich und rathsam, daß man alsobald, wenn man vermerckte, daß eine Ohnmacht vorhanden, den Inquisiten der Tortur erlasse, als ihn länger damit aufzuhalten, die Entlassung aber, [1505] soll mit dem ausdrücklichen Verbot und Ausnahm, die Tortur nach überstandener Ohnmacht wieder anzufangen, geschehen, denn sonst würde dieTortur, wenn dieser Vorbehalt nicht erwehnet worden, nicht wi[e]der angefangen werden können, sondern ein solcher würde genugsam und überflüßig gemartert worden seyn: Wiewohl auch dießfals rathsammer einen Artzt oder Barbierer hierinnen zu fragen, und nach dessen Aussage entweder zu wiederholen oder zu unterlassen. Guayin Def. 3. c. 16. n. 3 und 4. Die Formul aber wie ein Ohnmächtiger der Tortur entlassen werde, ist diese:

Nachdem nun Inquisit drey oder vier Vater Unser lang in der Höhe gehangen, hat er angefangen gantz zu erbleichen, und ohnmächtig zu werden, worüber die Obrigkeit befohlen, selbigen fein gemach von der Tortur, jedoch mit Vorbehalt, selbige nach Norhdurfft zu wiederholen, herab zulassen, und den Delinquenten auf den Lehn-Stuhl zu setzen, welcher denn nach geschehenen Herabthun und Niedersitzen einen Halbtodten gleich gesehen, jedoch auf angesprützten Rosen-Essig, angestrichenen Balsam etc. wieder zu ihm selber gekommen, worauf er weiters gefragt worden etc.

Da man aber befindet, daß der Inquisit sich nur durch erdichtete Schwachheit von der Tortur loß gewürcket, macht man den Inhalt des Protocolls also:

Dieweil man auf fleißige Besichtigung gnugsam wahrgenommen, daß die bezeigte Ohnmacht nur ein verstelltes Werck gewesen, als ist er aufs neue aufgezogen worden etc.

Oder man kan zu mehrerer Versicherung einen Artzney Erfahrnen herbey hohlen, und selbigen am Leibe fleißig besichtigen lassen, welcher so denn eydlich aussage was ihm bedüncke: Und dieses ist also zum Protocoll zu nehmen: .

Damit man aber in der Sache weder zu viel noch zu wenig thue, hat man den N. herbey gehohlt, und ihm anbefohlen den Delinquenten fleißig zu besichtigen, welcher denn nach abgelegten Eyd, die Wahrheit seinem Gutachten nach, zu sagen, eröffnet, daß der Delinquent ohne Gefahr des Lebens nicht gemartert werden könne, auf welche Anzeige man ihn der Tortur entbunden, und ihn zur Verwahrung an seinen Ort führen lassen. Und also siehet man wie bey Vornehmung der Tortur das Protocoll geführet werde, und wie der Actus zu vollbringen sey. Da auch der Delinquent wegen vermuthender Schwartzkünstlerey, zu keinem Bekänntniß zu bringen, welche sonderlich von dem lasterhafften Hexen-Geschmeiß offt und viel gebrauchet werden, und dessentwegen viel Exempel vorzulegen wären, mit was für Worten dergleichen Zettel geschrieben werden; wie vielfältig selbige erfunden, und was sie für Krafft nach sich ziehen; sintemahl dem Tausendkünstler nicht zu viel, daß er durch gewisse auch natürliche Mittel den Leib unempfindlich mache, die Seile unvermercklich nachlasse, etwas verborgenes dazwischen stelle, und die Rede verhalte; ja er kan den Constituten dergestalt entfärben, aufbäumen und verstellen, daß man meynen solte, er sterbe augenblicks davon. Bey solchen Fällen hat eine Obrigkeit sicher zu gehen und nicht alles so gleich Teuflischer Verzauberung und Verblendung zuzuschreiben, sondern die Sache wohl zu untersuchen, aus was für Ursachen, [1506] Delinquent die Tortur überstehe, denn es giebt solche verruchte Leute, welche gleich zuvor von ihren Mitgesellen, dahin abgerichtet werden, daß sie die Tortur als eine gewöhnliche Sache, etwa auf begebenden Fall, ausstehen möchten; ja es kan sich aus natürlichen Ursachen fügen, daß der Leib wegen Anspannung der Nerven gleichsam todt, und in schwehrster Ohnmacht stecken bleibe, oder dem Leidenden nicht möglich sey entweder zu reden oder zu weinen. Oldenkopf Decad. 5. quaest. 10. mit dem daselbst angeführten Zachia. Da aber der Richter nebst seinen Beysitzern erachten, und vermercken kan, daß die Sache nicht recht zugehe, indem der Delinquente die Marter gleichsam verlacht und zu schlaffen anfängt, oder sich übernatürlich aufbäumet etliche Wörter heimlich brummelt, soll man sich nachfolgender Mittel gebrauchen: Vornehmlich lasse man die Hexen und dergleichen Leute durch die Geistlichen ermahnen, daß sie einmahl die Teuflischen Pacte von sich thun, und ihre Seligkeit befördern sollen. Wenn aber solch Zureden nicht verfangen will, pflegt man die verdächtige Person, und zwar Hexen, durch andere Weibs-Personen, die Männer aber durch die Gerichts-Diener, aller und jeder Kleidung gantz mutternackend auszuziehen, sodann mit neuer Bekleidung an den Ort der Tortur zu führen, damit alle Teuflische den Kleidern und Unterhemd anhängende Charakteren, eingedruckte Sprüche, hinweg gethan werden. Wenn dieses aber auch nicht hinlänglich, soll man alle Haare am gantzen Leibe auch an heimlichen Orten, durch jedes Geschlechts hierzu bestellte Personen, abscheren lassen. Denn es sind bisweilen einige Zettel mit besondern Buchstaben geschrieben, in den, in den heimlichen Orten gefunden worden, nach deren Hinwegnehmung der Inquisit so gleich bekennen müssen. Ambrosius Senogall L. 4. c. 7. n. 6. Einige rathen, daß man die etwa an dem Leibe des Delinquenten gebrauchte Salbe, mit warmen Wasser soll abwaschen lassen. Ja man soll wohl acht geben, daß man den Inquisiten an dem Tage der Tortur, kein Brodt, Kuchen, oder dergleichen zukommen lasse, denn in dergleichen Speise sind offtmahls verschiedene Sachen eingebacken gefunden worden. Bey denen Catholischen wird die Krafft des Weyh-Wassers, darein ein und andere Tropffen von geweyhten Kertzen gelassen worden, und andere dergleichen Geistliche Mittel gar sehr gelobt, und auch ihrem Vorgeben nach auch nützlich gebraucht. Wie Johann Christian Frölich von Frölichsburg in seinem Com. über die P. H. G. O. wieder Brunnemann c. g. n. 89. behauptet. Jedoch soll man zu Auflösung dergleichen Stillschweigens keine Teuflische Gegen-Mittel und abergläubische Sachen brauchen, oder dem Henckers-Knechte zulassen, daß sie zu dem Ende einige Suppen vor den Inquisiten zu trincken, zurichten mögen. Oldenkopp Tr. 4. Obs. 54. Oder man pfleget den Delinquenten von dem ersten Gefängniß hinweg und in ein anders zu legen. Oder so einige seyn, die gewisse Worte darunter brummeln, die soll man irre machen, stets anfragen, und nicht zulassen, daß sie die Worte völlig ausmurmeln mögen. Ambrosius c. 4. l. 7. Allwo er auch [1507] ein Exempel erzehlet, von solchen mit allerhand Buchstaben angefüllten Unterhemden, so man einem Delinquenten zugeschickt, ehe die Tortur mit ihm vorgenommen worden. Bey Gelegenheit dieser Materie lehret Guatz in Def. 30. c. 43. daß man bey dergleichen erfundenen Teuflischen heimlichen Pacten die fernere Untersuchung thun und fragen solle, wer ihm, Delinquenten dergleichen zugebracht und gelernet? wie denn solche Leute, nach Beschaffenheit der Sachen, mit einer Todes-, Galeren- oder anderer Straffe belegt werden mögen, jedoch wenn der Zettel nur pure heilige Wörter, aus den Evangelien, oder der Heiligen Bibel enthielte, wenngleich der Inquisit dessentwegen Redloß gemacht würde, lehret angezogener Guazzin, daß er niemahls erlebt habe, daß einer in dergleichen Fällen sey gestraft worden. Wenn die Tortur wieder mehrere mit gleichmäßigen Anzeigen beschwerte Gefangene vorzunehmen wäre, soll die Obrigkeit mit derjenigen Person zu förderst den Anfang machen, von welcher die Wahrheit am leichtesten zu hoffen, dessentwegen soll man von dem furchtsam, schwachen, geringen, anfangen, als von welchen man die Wahrheit eher als von den Starcken zu erwarten hat; daher soll man eher den jungen als den alten martern, denn die Jugend ist unbeständig. Julius Clarus quaest. 64. Ambros. c. 6. n. 2. Ingleichen wenn es Nachbars Leute wären, soll der Nähere zuvor herbey gebracht werden; denn man vermuthet daß dieser vor dem weitern eine bessere Erkenntniß der Wahrheit habe. Ferner soll ein Weib vor einer Manns-Person gemartert werden. Julius Clarus qu. 64. n. 30. Etliche lehren, die Weiber wären halsstarriger, als die Männer, dannenhero es dem richterlichen Willkühr billig zu überlassen ist. Cavolo de Brach. regio. p. 3. n. 133. Oder man soll von dem den Anfang machen der einen liederlichen abgeschmackten Beynahmen hat, denn aus der gleich Zu- und Beynahmen muthmasset man einen schlechten Lebens-Wandel. Item die Person welche sonst in einer üblen Nachrede ist, soll zuerst gemartert werden. Julius Clarus qu. 64. Oder da Vater und Sohn in einer Sache auf die Marter gebracht werden müsten, soll der Sohn im Angesicht des Vaters auf die Marter gebracht werden, in Anlehung daß der Vater durch solches Schauspiel mehr gepeiniget wird, als wenn ihm solches selbst wiederführe Dahero wird vermuthet, der Vater werde zu Verschonung des Sohnes die Wahrheit zuvor eröffnen. Hier wieder aber lehret Guazzin n. 4. daß er diese der Rechtslehrer sonst gemeine Lehre, niemahls in der Erfahrung bekräfftiget gesehen, noch von ihm zur Uebung gebracht worden wäre, weilen nach dem Zeugniß anderer Lehrer der Vater zu Verschonung seines Sohnes, so etwas bekennen könnte, welches von der Wahrheit gar weit entfernet sey; wie denn auch dessentwegen Exempel vorhanden. Nichts destoweniger, weil die meisten der erstern Meynung beyfallen, würde ein Richter nicht fehlen, wenn er nach Beschaffenheit der Sache solcher gleichfalls nachgienge, jedoch müste solch Bekenntniß des Vaters ebenso wohl bestätiget werden als ob es in der Tortur geschehen wäre. [1508] Oder man soll von demjenigen anfangen, welcher mit den mehresten Anzeigungen behafftet ist, item welche in schlimmen Ruf, von übler Gesichtsbildung sind; oder von denjenigen, so zum ersten den Cörper des Ermordeten angetroffen, soferne selbige mit anderwärtigen Anzeigungen noch über dem behafftet seyn: Und diese Lehren haben so wohl bey Torquirung der Missethäter insbesondere, als auch bey den Zeugens-Personen statt. Wiewohl etliche alles dem Richterlichen Ermessen anheim stellen, welchem sie die Tortur am ersten anzuthun vor gut finden würden, welches alsdenn zu verstehen, wenn wieder alle zur Tortur angeschuldigte Personen gleiche Anzeigungen vorhanden, da aber wieder einen nähere oder mehrere vorhanden, soll von selbigen ohne weiteres Nachfragen der Anfang gemacht werden. Julius Clarus qu. 94. n. 28. Es geschieht zuweilen, daß der Delinquent die That zwar gütlich bekennet, jedoch aber einen Umstand vorschützt, krafft dessen das Verbrechen vom bößlichen Vorsatz abgesondert und die ordentliche Straffe vermieden wird: als z. E. der Peter hat zum Paul, indem er ein Pistol von der Wand heruntergenommen, gesagt: Schweig stille oder ich erschiesse dich! Die Pistole gehet loß, der Paul wird erschossen; der Peter wendet ein, er habe nicht vermeynet, daß die Pistol geladen wäre, oder das Pistol sey ohne den Hahn aufzuziehen loßgegangen, oder er habe den Paul wegen abgerungener Nothwehr so nicht erweißlich erschiessen müssen. Oder es sey aus gehabter Vollheit und wieder Willen geschehen etc. Bei solchen Umständen ist bey den Rechtsgelehrten keine geringe Streitfrage, ob die Bekänntniß mit solcher Ausflucht begleitet und vermindert, angenommen werden solle oder nicht? Oder ob nicht vielmehr der Delinquent zu Beweisung solcher seiner Ausflucht in Ermangelung andern Beweises, die Tortur hierüber auszustehen habe? Hierinne wird von ihnen dieser Unterscheid gesetzt: Es gestehet entweder der Delinquent die That oder läugnet solche gleich anfangs, im Fall da er solche läugnet, hernachmahls aber überwiesen wird, und sich mit der Schutz-Rede zu behelffen sucht, er habe den Paul aus abgenöthigten Nothwehr umgebracht, in diesem Fall lehren sie, Julius Clarus qu. 55. n. 17. daß keine Tortur vorgekehret werden möge; jedoch diesem entgegen lehret Guazzin Def. 31. c. 7. n. 3. nebst andern daselbst angezogenen, daß im Fall wieder den läugnenden Inquisiten andere Anzeig- und Muthmassungen vorhanden wären, solcher durch mittelmäßige Tortur jedoch erst nach erhaltener Frist zu seiner Schutz-Schrifft zu wahrer Erzehlung der Sache angehalten werden könne, weilen ein für allemahl die Art also zu antworten eine Sache voller Argwohn, und genug ist, daß der Richter die Wahrheit auf alle mögliche Weise erforsche. Wiewohl der Inquisit zu Darthuung seiner Unschuld andere gegenseitige Ausflüchte vorbringen darff. Oldenkopp Obs. 19. Tit. 4. Da aber der Delinquent gleich anfangs bekennet und sagt: Ja er könnte nicht in Abrede seyn daß er den Peter erschossen etc. allein es sey wieder Willen und abgedrungener Weise geschehen, sind etliche Rechtslehrer [1509] der Meynung daß dergleichen Antwort nicht zuzulassen, sondern der Inquisit zu einfacher purer Antwort anzuhalten sey, sintemahl nur die unerfahrnen Richter dergleichen Aufzug zulassen. Lanfranc in Cap. Quoniam. n. 22. de Confess. ff. Es ist aber der Billigkeit zuwider daß diese zur Vertheidigung des Delinquenten gereichende Antwort, nicht zugelassen werden solle, weilen sich ja dergleichen unversehene Fälle in der Welt, wider eines Thäters Willen, wohl zutragen mögen. Andere hingegen lehren, daß man dem Thäter eine Frist, zu Ausführung der vorgeschützten Ausflucht und Beschaffenheit, anberaume und zulasse, und nach deren Verlauff im Fall nichts erwiesen worden, selbigen mit der Tortur ohne Anstand angreiffe, daß er die That ohne den Umstand bekenne. Ja wenn die Tortur so etwa zu gelinde geschehen, überstanden wäre, sollte man dergleichen Inquisiten völlig auf freyen Fuß stellen. Guatzin d. l. n. 3. Die besten aber sind dießfalls jene, welche lehren, daß dergleichen Antwort für bekannt angenommen werden müsse, mit Verwerffung des angefügten Umstandes; jedoch dergestalt, daß dem Inquisiten eine Frist zu Erweisung seiner Ausflucht zugelassen werde, wenn aber nach Verfliessung solcher und durch geführte Schutz-Schrifft solcher Umstand und Ausflucht nicht erwiesen würde, soll der Delinquent solcher ungeachtet, ohne weitere Tortur gestrafft werden. Julius Clarus quaest. 55. n. 16. Guazzin d. l. n. 3. vers. alii autem. Wie denn auch Oldenkopp nebst dem Galio Lib. de pac. publ. c. 18. n. 6. und c. 17. n. 10. die Tortur in dergleichen vorgeschützten Umstande und Ausflucht vorzunehmen, für unnöthig halten. In dieser Materie aber ist zu wissen, daß niemand muthwillig torquiret werden solle, wenn ein und andere vernünfftige Ursache vorhanden, daraus die Beschirmung und Vertheidigung des Inquisitens abgenommen und geschlossen werden kan. Andreas Fachinäus L. III. Contr. 82. n. 12. Ja ein dergleichen Einwendender, falls er mit Beweisung der abgetrungenen Nothwehr oder anderwärtigen vorgeschützten Umstandes, einkäme, soll nicht mit der ordentlichen, sondern mit einer ausserordentlichen Straffe belegt werden: Es wäre denn das Gegentheil vorgeschützten Umstandes im Processe durch Zeugen bestärcket worden; Siehe Farinac quaest. 81. n. 157. Es ist auch nach gemeinen Rechten eine ausgemachte Regel, daß einer, wiewohl er eine gewisse Uebelthat bekannt hat, über noch mehrere nicht peinlich befragt werden solle, L. 1. in Princ. ff. de quaest. L. milites §. oportet. C. eod. daher vor würcklicher Tortur, nicht vor dem Corpore delicti, Gewißheit, und der Bekennende mit gnugsamen Anzeigen behafftet wäre. Julius Clarus qu. 64. n. 44. Und zwar also, daß die durch dergleichen unrechtmäßiger Weise unternommene Tortur, herausgebrachte Geständniß, null und nichtig, und der Proceß von neuen angefangen werden muß; denn ob zwar Menoch L. II. Cent. 6. Cas. 523. von etlichen Fällen redet, in welchen die Anfrage auf eine andere Uebelthat, aus dem Bekenntniß der einen geschehen mag, so sind doch die Fälle also beschaffen, daß eine That die andere [1510] gleichsam nach sich ziehet; als z. E. Wenn die erste bekennte Uebelthat für ein Anzeigen der andern gehalten werden kan: Einer bekennte einen Ehebruch, und der Ehemann wird todt im Bette gefunden, daraus entspringet sogleich eine Anzeigung des Todschlags auf den bekennenden Ehebrecher: Denn wie Crusius de indiciis lehret; so ist ein Laster eine Anzeige des andern. Oder, da das Bekannte ein Umstand oder vorläuffige Sache von der andern Uebelthat wäre; als wenn einer mit Weibs-Bildern verdächtigen Umgang hätte, könnte selbiger auch wegen fleischlicher Vermischung befragt werden. Jedoch werden auch die Anzeigungen erfordert, welche zur Tortur genug seyn. Denn wie Oldenkopp qu. 8. Decad. 2. lehret, ist nicht genug, daß eine Anzeige von der andern abhangend sey; sondern es wird erfordert, daß selbige eine der That gantz unzweiffelhaffte nächste Anzeige sey, und darüber der Inquisit seine Schutz-Schrifft bereits eingereichet hat, in Ermangelung dessen, könne man ohne Nullität keine Anfrage, wenn es auch nur zufälliger einfallender Weise wäre, währender Tortur, ergehen lassen. Denn obwohl einige Italienische Lehrer des Peinlichen Rechts fürgeben, daß man einen wegen bekennter Uebelthat auch auf die andere martern könne, wenn gleich sonst keine genugsame Anzeigungen vorhanden wäre, so sind sie doch eines theils darinne nicht einig, anderntheils verwerffen die Teutschen solches gäntzlich, Guatzin Def. 3. c. 8. n. 5. es wären denn verleumdte übelbeschriene ärgerliche und Landkündige Mörder, Banditen, Strassen-Räuber, so sich an solchen Orten aufgehalten, alwo verschiedene Uebelthaten begangen worden. Denn dergleichen Leute sind aus Bekenntniß einer Straßenräuberey, auch wegen anderer an solchen Orten vorgegangenen Todschläge und Raubereyen bezüchtiget, also daß man sich zu ihnen mehrerer geschehener Mordthaten wohl versehen kan. Menoch. de arbitr. Cent. 6. Cas. 523. n. 6. Es ist auch ferner nach den Rechten wohl erlaubt, daß der Inquisit in solchen Uebelthaten, welche ohne eines Dritten Beyhülffe und Beystand nicht geschehen können, wegen Benennung solcher Helffer, insgemein, befragt werden möge; allhier aber ist weiter zu sehen, wie ein Delinquent, der die Uebelthat bekennet, oder dessentwegen überwiesen worden. Item ein im Bann und in der Acht betretener Delinquent, wegen der Aufhalter, Verheler und Unterschleiffgeber, bey nicht verfangender Güte, peinlich befragt werden solle. In diesem Fall nun ist mit guter Vorsichtigkeit zu beobachten, ob die Mithelffer, Gespan, Aufhälter, Unterschleiffgeber, oder auch anderwärtige die Uebelthat beschwerende Umstände, nicht ohne diß aus dem Proceß erscheinen, denn wenn solche Erkenntniß ohne die Tortur in Acten zu finden, und einer dennoch torquirt würde, könnte ein Fürsprecher in seiner Schutz-Schrifft einbringen, daß die Tortur unrechtmäßig vorgenommen, und dem Delinquenten, wegen bereits ausgestandener Marter die ordentliche Straffe zu vermindern sey. Guatzin Def. 30. c. 9. n. 5. Da aber ja die Tortur wegen beschwerender Umstände oder Benennung der Mitgespan etc. ergriffen werden müste, soll selbige über eine halbe Stunde lang [1511] nicht zuerkannt werden. Julius Clarus qu. 64. verb. Veritas enim. Denn sonst wenn die Tortur geschärffet oder verlängert würde, und der Delinquent bey seiner Verneinung beharrete, würde solches die ordentliche Straffe mildern, wenn gleich zierliche Protestations-Clausuln beygesetzt worden wären. Julius Clarus qu. 64. n. 8. Ferner soll man bey dergleichen Tortur, so zu Benennung der Mithelffer angesehen, die Haupt-That, so einer bereits bekannt, oder deren er überwiesen worden, nicht berühren, denn sonst würde die Auslegung wieder das Gerichte gemacht, als welches von der einem dergleichen Actui angehängten Protestation gutwillig abgewichen, und der Delinquente über die Haupt-Sache, wäre verhört worden, in welcher Auslegung auch die bereits erhobene Bekenntniß, oder Beweisung, im Fall der Torquirte widerspräche, aufgehoben würde. Gram. Decis. 60. n. 1. Ambrosius L. VI. c. 4. n. 9. Wiewohl dessen Glossator h. t. n. 9. lehret, daß ein Ober-Gericht die durch Bekenntniß der Ueberweisung erhaltene Probe nicht aufheben, noch die ordentliche Straffe mildern, sondern vielmehr die Unerfahrenheit der Obrigkeit an den Tag legen würde, da selbiges dessentwegen eine Milderung der Straffe vorkehrte, so aber nicht allerdings thulich scheinet. Der Delinquent wird aber alsdenn von der Haupt-Sache für angefragt gehalten, wenn er nicht allein von der That selbst, sondern auch von deren anhangenden Umständen und Beschaffenheiten ausgefragt würde. Mod. Tom. qu. 40. n. 33. inf. Ja es kan diese Tortur nicht wiederholt werden, als wie jene, so gegen den Delinquenten auf und für seine Person, fürgekehret wird. Guatzin Def. 30 c. 9. n. 12. Noch weniger soll jemand ohne vorhergegangene Bekenntniß oder Land-Gerichtlicher Ueberweisung, mit dergleichen Protestation angefragt werden, denn in allen Fall, würde auf verharrendes Abläugnen, auch die Haupt-Anzeigung gegen den Delinquenten aufgehoben. Ja wenn gleich der Delinquent bey so beschaffener Tortur, eine Antwort auf die Hauptsache ertheilet, soll man auf Seiten des Gerichts alsofort protestiren, daß man ihn vor dießmahl nicht wegen dieses Puncts der ohnedem schon erwiesen, befrage, sondern er solle sagen, wer ihm geholffen: wie denn dergleichen Antwort mit den Worten anzumercken; von sich selbst meldende: damit man sehen möge, daß er in der Haupt-Sache nicht befragt worden, wie dieses alles aus nachgesetztem Formular zu ersehen.

 

Actum den etc.

Coram etc.

In Beyseyn ut supra.

Ist der N. nach abgelegten Eyde wegen der übrigen die Wahrheit zu sagen, und auf Verwarnung vor dem Meyn-Eyd, weiter befragt worden, wie folget:

Befragter solle nunmehro sagen, was er für Mithelffer gehabt, da er die bekannte Summe Geldes weggetragen?

Er habe keine Mithelffer gehabt, sey alleine gewesen.

Seye nicht wahrscheinlich daß er nur allein gewesen, und keine Mithelffer gehabt habe, weilen aus allen Umständen erscheine, daß ihrer nothwendig [1512] mehr bey dieser Entwendung gewesen seyn müsten, solle also die Mithelffer anzeigen, denn wiedrigen Falls würde er verursachen, daß man wider ihn mit dem gebührlichen Rechts-Mittel verfahre;

Er habe keine Mithelffer gehabt, könne niemand anzeigen, man möge mit ihm machen was man wolle.

Auf solches halsstarrige Abläugnen, weil aus dem Proceß klar erscheinet, daß zu solcher Entwendung ihrer mehr gewesen seyn müssen, wie auch der Zeuge N. in dem Untersuchungs-Proceß ihrer mehr tragen gesehen, aussaget, auch nicht wahrscheinlich, daß dergleichen grosse Summe durch den Delinquenten allein habe fortgebracht werden können, von dem Befragten aber über vielfältiges Ermahnen, keine andere Eröffnung der Wahrheit erhalten werden können, ist von dem Gericht erkennet worden, daß er an den Ort der Tortur geführet, allda entblösset, gebunden mit dem Seil aufgezogen, längstens eine halbe Stunde lang gehalten werden solle, und dieses zwar ohne Nachtheil und Abbruch, aller dem Fisco bereits erhaltenen Rechte, geschehener Bekenntniß, Ueberweisung oder anderer Ursachen, als über welches ein Löbl. Gericht ihn Delinquenten zu torquiren keinesweges Willens ist, wie denn wider dergleichen Auslegung an Seiten des Gerichts ein für allemahl ausdrücklich protestiret wird, sondern allein zu mehrerer Eröffnung der Wahrheit, wer ihm bey der bekannten Dieberey geholffen, Theil gehabt, Unterschleiff gegeben. etc. und auf keine andere Weise noch Wege nochmahlen zierlichst darwider protestiret wird.

Und als der Befragte an den Ort der Tortur gebracht worden, hat man ihn abermahls gütlich ermahnet; er sehe an was für einem Orte er sich befinde, solle GOtt den Allmächtigen für Augen haben, die Wahrheit eröffnen, seiner Seelen Seeligkeit beobachten und doch in Güte sagen, wer ihm zur bekannten Dieberey gerathen, geholffen, darvon genossen,

Antwort: Niemand, habe es schon gesagt.

Auf welche Wiederspenstigkeit denn, mit wiederhohlter Protestation, der Befragte mit Stricken gebunden und in die Höhe gezogen worden.

Welcher also erhöhet, angefangen zu schreyen;

Ach! Ach H. Maria etc.

Und als er von den Gericht ermahnet worden, er solle von seiner Halsstarrigkeit abweichen, und die Wahrheit eröffnen, wer seine Helffer und Mitgespann gewesen etc.

Antwort: Ich habe keine Helffer gehabt, noch Rathgeber.

Von ihm selbst meldend:

Ich hab es nicht gethan, ich hab mich selbst verlogener Weise angegeben.

Delinquent werde nunmehro über die von ihm bereits in Güte bekannte Dieberey, so viel ihn anbetrifft nicht gefragt, sondern soll nur sagen, wer ihm hierzu gerathen, geholffen etc.

Niemand, habe es schon gesagt.

Da nun die zuerkannte Maaß der Tortur und die Zeit vollendet worden, ist selbiger der Tortur entlassen, die Glieder eingerichtet, angekleidet, und an seinen vorigen Ort in Verwahrung geführet worden. [1513] Wenn nun solcher gestalt der Gefangene mit der Tortur angegriffen worden, so erhält man dessen Bekänntniß oder nicht. Ist jenes, so muß solches alsdenn durch dessen weiter gütliche Verhör ratificiret, und alsdenn die ihm deshalber zu dictirende Bestraffung des fördersamsten vollzogen werden, letztern Falls aber wird derselbe nach überstandener Tortur entweder völlig frey und loß gesprochen, oder nach Befinden nur ausserordentlich bestrafft. Und hierinnen bestehet eben dasjenige, was

 

III. Nach der Tortur

 

in den Gerichten zu besorgen vorfällt, und wovon theils unter besondern Artickeln hin und wieder, theils auch besser unten unter dem Artikel Tortur, (Würckungen der) mit mehrern gehandelt wird. So viel aber hiernächst die Chur-Sächsischen Rechte ins besondere betrifft; so wird daselbst die Marter in die blosse Territion und würckliche Torur getheilte Rescript von 1703. Auch hat die letztere drey verschiedene Grade. Ibid. Es werden aber so wohl in der Verbal-Territion, als wenn der erste, andere und dritte Grad denen Delinquenten zuerkannt ist, ihnen die zur Peinlichkeit gehörigen Instrumente allerseits fürgezeiget, Ibid. Wenn ein Inquisit durch Appellation, oder Simulirung einer Kranckheit, oder an irgend einigerley Wege, boßhaffter Weise den Actum der Tortur unterbricht, ist solche hernach wieder von [v]orne anzufangen, Ibid. die Appellation auch nicht zu attendiren, wenn er keine Defension zu führen begehret, Ibid. oder allbereits eine übergeben hat. Ibid. Gestalt, wenn er vorhero keine Defension geführet, er, ob er solche noch führen wolle, in Zeiten ausserhalb des Orts der Tortur zu befragen. Ibid. Wie offt die scharffe Frage zu wiederholen, beruhet darauf, ob die Verbrechen geringe, oder schwer. IX. Sonderl. Constit. Im erstern Fall wird solche über zweymahl nicht zuerkannt, Ibid. im letztern aber bis zum drittenmahle wiederholet. Ibid. Doch müssen allemahl neue, und von den erstern, darauf der Gefangene angegriffen worden, unterschiedene Indizien vorhanden seyn. Ibid. Weiter aber ist die Tortur nicht herzunehmen, obgleich erstern Falls zum 3ten u. letztern Falls auch hernach andere neue sonderliche Indicien vorfielen u. dargethan würden. Ib. Sondern es werden dem Gefangenen in solchem Falle Verweisung u. andere Straffen auferleget. Ibid. Wenn ihre viele einen Todschlag begangen, wird dieselbe nur demjenigen, wider welchen die zur scharffen Frage genugsame Indicien vorhanden, Constit. 7. P. 4. ausser dem aber allen nicht zuerkannt, sondern sie in willkührliche Straffe vertheilet. Ibid. Wegen vorgeschützter Nothwehr wird allein im Mangel des Beweises, die scharffe Frage zuerkannt, Const. 8. P. 4. wenn einer aber nur etwas beweisen kan, oder Vermuthungen vor sich hat, nicht darauf, sondern auf willkührliche Straffe gesprochen. Ibid. Wegen eines Duells, dabey keine Entleibung vorgegangen, wird zur Peinlichkeit nicht verschritten, Mand. 1717. Resol. 1717. sondern nur auf den Reinigungs-Eyd erkannt. Ibid. Nach [1514] Gelegenheit der Umstände wird auch bey dem Verfahren wider Banckquerotirer auf die Tortur erkannt. Banqu. Mand. §. Besondere Abhandlungen Tortura & Quaestionibus haben geschrieben, Johann Zanger, Heinrich Bocer, Thomas Mezger, Johann Otto Tabor, Ambert von Antramonia, und Franz Brunus. Sonst aber können hierbey auch noch nachgelesen werden, Christian Thomasius in Disp. de Tortura ex foris Christianorum proscribenda., Paul Christinäus Vol. IV. Dec. Belg. 204., Ludwig Gilhausen in Arb. Crim. c. 6. Part. 7. fol. 15. u. ff., Jacob Omphal. de Usurp. Leg. Lib. V. c. 17., Bertoch. in Promt. Jur. Vol. II. v. Tortura., wie auch Speidel in Bibl. Jurid. Vol. II. v. Tortura p. 1177. u. ff. nebst vielen andern von diesen wiederum angezogenen Rechts-Lehrern; desgleichen Johann Grevius in Tribunali Reformato, Schaller in Parad. de Tortura in Republ. Christiana non exercenda, Bodinus in Disp. de Torturae abusu & usu, Wilhelm Zacharias Cramer Diss. de Tortura, ejusque usu & effectibus, Leipz. 1742, Johann Heinrich Duyff Disp. Inaug. de Quaestionibus, Gröningen 1714, Böhmer in Disp. de eo. quod justum est circa Torturam Valetudinariorum. Sonst haben auch von dieser Materie disputiret: Tabor zu Giessen 1669. Strauch zu Wittenberg 1652. Theodorici und Richter zu Jena 1659. Meier zu Leipz. 1668. Bodinicus zu Halle 1697. und Ziegler zu Wittenberg1689. Die Weise aber zu torquiren bey den heutigen Russen, beschreibet Adam Olearius in seiner Moscowitischen und Persianischen Reise-Beschreibung Lib. III. p. 272., bey denen Sinesern Juan Gonzales de Mendoza dans Histoire du grand Royaume de la Chine Part. I. Lib. III. Cap. X. Bei denen Japanern mit dem Holländischen Brenn-Wasser, wodurch viel tausend Christen zur Verläugnung gebracht worden, Arnold Montanus in der Gesandschafft an unterschiedliche Kayser von Japan, in fine. So ist die Tortur in Persien auch üblich, und wird daselbst die Wahrheit wohl mit glüenden oder andern Kneip-Zangen heraus zu ziehen gesucht; meistens aber wird das Bekänntniß mit Stockschlägen auf die Fuß-Sohlen, oder mit Riemen- oder Geissel-Streichen, auf den Rücken erzwungen. Allermeist wenn der Obrigkeit daran gelegen ist, die Mitschuldigen oder die Heler, oder andere Umstände zu wissen. Denn zur Bestraffung eines Missethäters selbst, werden Beweißthümer, und kein Ja-Wort oder Bekänntniß desselben erfordert, und zu dem Ende keine Tortur gebraucht. Gegenwärtiger Staat von Persien c. 9. p. 226.

 

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Originalseiten

Bildmaterial Tortur

bibliotheca Augustana
BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Zedlers Universal-Lexicon

1732 - 1754

 

Grosses vollständiges Universallexikon

aller Wissenschaften und Künste

 

Band XLIV (Ti-Trao)

1745

 

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[1451]

Tortur, Lat. Tortura, oder Quaestio rigorosa, und Quaestio criminalis, sonst auch die Folter, Marter, Peinliche Frage, Scharffe Frage, oder die Peinlichkeit genannt, ist eine Gerichtliche Handlung, da man einen verarrestirten und verstockten Uebelthäter durch gewisse an seinem Leib gelegte Instrumente, die Wahrheit zu bekennen, zu bringen und zu nöthigen sucht. Wenn also ein Uebelthäter nicht völlig überwiesen, oder der Uebelthat nicht geständig ist, sondern der wieder ihn vorhandenen Anzeigen ungeacht, die Uebelthat abläugnet, und durch die eingereichte Schutz-Schrifft die wider ihn streitenden Anzeigungen und Vermuthungen, mit Grund Rechtens nicht abgelehnet hätte, alsdenn wäre, wenn die Wahrheit anders nicht erhalten werden könnte, die peinliche Frage zu ergreiffen. Denn obwohl die peinliche Frage gar eine gefährliche Sache, und eine Zubereitung zum Tode ist, wie Oldenkopp sagt, wodurch so wohl ein Unschuldiger wegen nicht zu erleidenden Schmertzen verdammet und hingerichtet, als ein Schuldiger wegen Härtigkeit des Gemüths der ordentlichen Strafe entlediget werden kan; so ist doch die Tortur eine dem gemeinen Besten sehr nützliche, ja nothwendige Sache: Denn wenn die Bösewichter wissen solten, daß sie im Fall nicht zu erlangender Ueberweisung, welche vielmahl gar schwerlich zu erhalten, anderer Gestalt zu Erhaltung der Wahrheit nicht gepeiniget werden könnten, sondern als unschuldig erlassen werden müsten, würde die Welt mit unzählbaren Bösewichtern und Uebelthätern, dem gemeinen Wesen zum höchsten Nachtheil angefüllet werden. Zudem ist fast unmöglich, daß, wenn alle und jede Umstände, so zu Vorkehrung einer Tortur von Rechtswegen erforderlich, in fleißige und rechte Erwägung und Beobachtung gezogen werden, ein gantz Unschuldiger mit der Tortur geplagt werden solte. Zu mehrerer und leichterer Begreiffung dieser Materie, ist zu wissen, daß die peinliche Frage oder Tortur, nichts anders sey, als eine auf allen Fall, und da die Wahrheit anderer Gestalt nicht heraus zu bringen wäre, noch überbleibendes Rechts-Mittel, den Leib des Verbrechers zu martern, damit die Wahrheit an Tag komme. Julius Clarus qu. 63. verb. debet. etiam. Es wird solches im Lateinischen, wie bereits gedacht, Tortura oder Quaestio, auf [1452] Teutsch die Marter, auch die peinliche und scharffe Frage benennet. P. H. G. O. Art. 65. Und ist ein Anzeigen, ja ein Stück der Obergerichtsbarkeit, oder des zu Latein so genannten Meri Imperii, Carpzov P. III. qu. 117. n. 21. als welche denen Unter-Gerichten keinesweges vorzunehmen gebühret. Denn ob zwar in Bürgerlichen Schuld und Geld-Sachen, ein fallirender Kauffmann und Wechsel-Herr, auch anderer Cedent, bey vorhandenen Anzeigungen eines hinterhaltenen und verborgenen Vermögens, solches anzuzeigen gemartert werden kan; So ist doch wahr, daß bey dergleichen Umständen, die Sache in eine peinliche Untersuchung wegen unterlauffender Uebelthat verwandelt werde, und nicht mehr vor Bürgerlich zu halten sey. Carpzov d. l. n. 24. Ehe wir aber so wohl von der Art und Weise der Tortur, als auch von den Pflichten eines Richters bey deren Vorkehrung, handeln; so erachten wir vor nöthig, erstlich von dem Anlasse, Begriffe, Gebrauche, der Sittlichkeit, der heut zu Tage, absonderlich in Deutschland üblichen peinlichen Frage, eines und das andere beyzubringen. Die sich selbst gelassene Menschen halten die Beobachtung, wie überhaupt aller, also auch insbesondere derer in dem Bürgerlichen Staate nothwendigen Gesetze für eine Last, deren Verletzung hingegen für eine Lust, und suchen daher nicht wenige ihren Neben-Menschen am Leben, Ehre, Leib und Gute, Schaden zuzufügen. Gleichwohl wird durch dieses Unheil nicht nur der gesammten menschlichen Gesellschaft, sondern auch einem jeden Mitgliede derselben eine merckliche Hinderniß und eine beständige Unruhe verursachet. Dannenhero erfordert es die Nothdurfft, ein Mittel, solchem Unwesen vorzubeugen, und dergleichen Stöhrern der Ruhe Einhalt zu thun, ausfündig zu machen. Unter diesen aber ist unstreitig das sicherste, daß derjenige, so den Gesetzen gemäß handelt, gebührend belohnet, andere aber, welche denenselben zuwider leben, mit der auf diesen Fall geordneten Straffe unablässig heimgesuchet werden. Doch gleichwie eine Belohnung allein das Gute, so der Gesetzgeber mit einer Handlung verbunden, als ein Bewegungs Grund, sie zu vollbringen, die Straffe im Gegentheil das Uebel, welches derselbe damit verknüpffet, als ein Bewegungs-Grund, sie zu unterlassen, folglich als etwas unangenehmes anzusehen ist; also suchet ein Uebertreter der Gesetze auf alle Weise, dieser zu entgehen, seine Uebelthaten nach Möglichkeit zu verbergen, und, wo nicht zum öfftern gar dieselben einem andern unschuldigen aufzubürden, solche dennoch wenigstens in eine solche Ungewißheit zu setzen, daß ihm dadurch kein Uebel oder nichts unangenehmes zugezogen werde. Nichts desto weniger ist einem wohleingerichteten Staate aus angeführten Ursachen sehr daran gelegen, daß keine böse That ohnbestraffet bleibe, L. 51. §.fin. ad L. Aquil. und demnach alle mögliche Sorgfalt anzuwenden, damit ein Verbrecher durch vorsetzliche Verheelung oder Abläugnung der ausgeübten That die wohl verdiente Busse nicht hindere. c. judicantem. caus. 30. qu. 5. Carpzow. in Pr. Crim. P. III. quaest. 117. n. 1. Die Gesetzgeber haben dannenhero so gleich [1453] bey eingezogener Kundschafft eines begangenen Verbrechens, bewandten Umständen nach bald diese, bald jene Art der Untersuchung verordnet, vor allen Dingen aber den nachforschenden Richter dahin angewiesen, den verdächtigen Uebertreter in Güte zu befragen, uud keinen Fleiß zu sparen, um dessen Bekänntniß, solcher Gestalt, wo möglich, herauszubringen. Besiehe P. H. G. O. Art. 46. u. a. wie auch die Königl. Preuß. Criminal-Ordnung der Chur-Marck Brandenburg c. 4, § 11. Es ist auch von einem jeden redlichen und seiner Pflichten sich erinnernden Richter bekannt, was für Mühe derselbe zu Bewürckung eines solchen gütlichen Geständnißes anwendet. Dem ohngeachtet aber lehret doch leider! die Erfahrung, daß aller nur möglicher Fleiß bei dem summarischen Verhör, Vorhaltung der obwaltenden Umstände und Wahrscheinlichkeiten, Befragung über Artickel, Vernehmung geschworner Zeugen, und derer mitwissenden Verbrecher, und was dergleichen mehr ist, wobey die Acten öffters der gestalt anwachsen, daß sie kaum auf einem Schieb-Karn weggefahren werden können, mehrentheils vergeblich gewesen, der Beschuldigte hingegen von Tage zu Tage frecher, in dem boßhafften Läugnen aber nur unverschämter geworden. Wiewohl dergleichen verstockte Missethäter lassen es wohl nicht einmahl bey dem bloßen Läugnen bewenden, sondern beziehen sich hiernächst, zumahl da sie mehrentheils dem Vorsatz zu sündigen haben, auf so viele vorher schon ausgekünstelte scheinbare Ausflüchte und Entschuldigungen, welche die Wahrheit der Sache immer dunckler, und die angestellte Untersuchung schwerer machen. Denn es darff der Richter dieses Vorwenden des Beschuldigten nicht so oben hin ansehen, und seinen Fleiß nur eintzig und allein auf die Untersuchung oder Feststellung des einmahl offenbahren Verdachts richten; sondern es lieget ihm vielmehr von Amts und Pflicht wegen ob, die Erforschung keines Umstandes zu unterlassen, welcher zur Entschuldigung des Verdächtigen etwas Beytragen kan. P. H, G. O. Art. 47. ibique Kreß p. 152. und ad Art. 28. §2. p. 94. Sintemahl bey der irrdischen Unvollkommenheit sich alle mögliche Fälle äußern, und die beygebrachten Umstände gestalten Sachen nach eben so leichte falsch, als wahr sein können. Daher es denn auch gar öffters geschiehet, daß die Vermuthung vor Inquisiten Unschuld eben so starck, als der Verdacht des begangenen Verbrechens gegründet, zu seyn scheinet, und hat so nach der Richter billig Ursache, alle möglichste Vorsicht zu gebrauchen, damit der Unschuldige nicht widerrechtlich zur Straffe hingerissen werde, inzwischen aber auch das Verbrechen unter dem Vorwande scheinbarer Ausflüchte und Entschuldigungen nicht ohne Straffe bleibe. Kreß ad Ord, Car. Crim. Art. 77. & 78.p. 225. Was aber ist hierbey zu thun? Nichts anders, als daß der Richter auf ein dienliches Mittel, anderer Gestalt hinter die Wahrheit zu kommen, bedacht seyn müsse: maßen sonst der oben festgesetzte Endzweck derer Gesetze keines weges erhalten werden kan, und im Gegentheile b

 

 

I. Vor der Tortur.

 

Nach eingereichter Schutz-Schrifft fällt dem Richterlichen Amte vielfältig zweifelhafft vor, ob der Inquisit die ihm zugemuthete Uebelthat, völlig oder nur zum Theil abgelehnet, die wieder ihn vorhandene redliche Anzeigungen, oder Muthmassungen, durch solche eingereichte Schrifft entkräfftet, und folglich selbiger als ein Unschuldiger loßzusprechen, oder ob er der Marter oder peinlichen Frage zu unterwerffen, oder aber in Unterlassung derselben, in eine außerordentliche Strafe zu vertheilen sey? Zu Untersuchung dieser Sache und rechtmäßigem weiteren Verfahren, beliebe man nachfolgende Lehr-Sätze zu mercken, die einer Obrigkeit in zweifelhafftigen Fällen ein ziemliches Licht, rechtmäßig und fürsichtig zu verfahren, geben können. Ist demnach zu wissen, daß in denen von Amts wegen gemachten Untersuchungen die Vertheidigung und Schutz-Schrifft des Angeschuldigten höchstgünstig sey, und mehr, als der Nutzen des Fiscals, beobachtet werden solle. L. favorabiliores ff. de R. J. Also, daß im Zweifel jederzeit für den Inquisiten, und wieder den Fiscum die Erkenntniß abzufassen. L. Adrianus ff. de Act. & obl. Sintemahl genug ist, daß die Sache durch die Schutz-Schrifft zweifelhafft geworden, sonderlich wenn sie auf denen in Acten und im Proceß gegründeten Umständen bestehet. Farinac Conf. 78. n. 29. Ja wenn der Beweiß auf beyden Seiten gleich wäre, hätte man doch jederzeit des Inquisiten seinen dem disseitigen vorzuziehen. [1488] L. Absentem. 5. L. Si Praeses. 32. L. Interpretationem 42. ff. de poen. Und ob zwar der Inquisit in Erweisung seiner Schutz-Wehren einen Kläger abgiebt, wird er doch allezeit, so viel die Erweisung der Unschuld anbetrifft, vor einen Beschuldigten gehalten. Boss. de Favore Def. n. 22. Jngleichen wenn vor Einreichung der Schutz-Schrifft der Inquisit zugleich mit genugsamen Anzeigungen zur peinlichen Frage behafftet wäre; durch diese aber eine, solchen Anzeigungen entgegen stehende, und dem Inquisiten zu Nutzen gereichende Sache, an- und ausgeführet worden, müste die peinliche Frage unterlassen werden, Boer Decis. 165. n. 9. sintemahl wie nachgehends angezeiget werden soll, zu einer Anzeige zur peinlichen Frage dreyerley Umstände erfordert werden: 1) Daß jedes derer Anzeigen mit zwei Zeugen erwiesen worden; 2) Daß es eine nahe und der Uebelthat selbst anklebende Anzeige sey: 3) Daß die Anzeige sich in Wahrheit auch also befinde. Guatz Defens. 29. c. 2. n. 1. inf. Denn es ist ausgemachten Rechtens, daß eine Anzeige die Andere aufhebe, und überwinde, eine Wahrscheinlichkeit die andere entkräffte. Barrolus L. Divus de Restit. in integr. Boßius in tit. de Indic. n. 9. Also muß ein Richter allezeit die für seinen Inquisiten streitende Muthmassungen mehr in Acht nehmen, als die wieder ihn lauffen, und die Auslegung zu Ausschliessung einer Uebelhat nehmen, sonderlich wenn der Inquisit guten Leumunds, auch die Vermuthungen so für ihn sind, im Proceß stärcker, klärer und gewisser wären. Gramm. Consil. 13. n. 7. Ja wenn sogar die Ursache und Anzeigungen an Seiten des Fisci stärcker wären, als auf des Inquisiten, so in der Schutz-Schrift angebracht worden; würde doch nichts desto weniger die peinliche Frage durch die geringere und schwächere Vermuthung, als wodurch die Sache zweifelhafft gemacht worden, abgewendet werden. Guatz Def. 29. C. 2. n. 6. Da aber der Inquisit seine Unschuld klar erwiesen hätte, wären dadurch alle widrige Vermuthungen und Anzeigungen gäntzlich aufgehoben, in Betrachtung, daß alle wiederwärtige und disseitige Anzeigungen einer klaren Beweisung weichen müssen. So soll auch ein Richter bey jedem fürkommenden Fall die Sache dergestalt auf die gelindere Seite richten, daß eher eine ausserordentliche, als die ordentliche Strafe erkannt werden könne. Cravetta Consil. 6. n. 69. Auf diese Weise sollen die von dem Inquisiten ausgelassene allgemeine Bedrohungs-Worte, nicht auf unzuläßliche, sondern rechtliche und zuläßliche Mittel verstanden werden. Alex. Consil. 18. n. 7. in f. 1.7. Jngleichen da der Peter dem Paul tödtlich feind wäre, der Johannes aber zu dem Peter sagte, er solte den Paul todt schlagen, wäre der Johannes wegen des gegebenen Raths und Anmahnung allein mit der ausserordentlichen, keineswegs aber wegen eines Befehls oder Bestellung ordentlich zu bestrafen. Denn in dergleichen Fall ist dafür zu halten, daß Peter den Paul, wegen selbst gegen ihn hegender Feindschafft umgebracht. Welches auch wahr bleibet, wenn gleich der Peter und Johannes dem Paul in gleichem Grad feind gewesen wären. Guatz Def. 29. c. 2. n. 10. [1489] Welches denn von andern Umständen auch also zu urtheilen. Weiters ist in der Lehre von denen Schutz-Schrifften zu bemercken, daß ein Zeuge für den Inquisiten eine durch zwey Zeugen wieder ihn bereits vorhandene vollständige Beweisung dergestalt vermindere, daß man zur ordentlichen Straffe nicht kommen könne. Farinac qu. 63. n. 42. Ja ein sonst untüchtiger Zeuge, als z. E. ein Hauß-Genoß, ist zu Erweisung der Unschuld genug. Jedoch will Julius Clarus qu. 24. n. 20. daß nach Beschaffenheit der Untüchtigkeit des Zeugen oder Schwere des Beweises, und der Sachen selbst, wenigstens eine ausserordentliche Straffe noch statt habe; es wäre denn der Zeuge mit mehr als einer Untüchtigkeit behafftet. Denn dergleichen Zeugen beweisen auch für den Beschuldigten nichts. Da aber ein Inquisit mehr als einen untüchtigen Zeugen vor sich hätte, würde dadurch seine Unschuld völlig, durch einen dergleichen Zeugen aber nur zur Helffte erwiesen werden. Haunold T. III. c. 8. Contr. 4. n. 341. Die Beweisung der Unschuld ist auch dergestalt befreyet, daß, nach der Lehre der Criminalisten, ein Zeugniß so pur vom Glauben und Dafürhalten herrühret, wenn auch die Zeugen keine Ursache ihres Glaubens dessentwegen geben könnten, dennoch zuzulassen und erheblich sey; wiewohl andere erfordern, daß sie die Ursache ihres Glaubens müsten anzeugen können: Denn ein Zeuge der etwas ohne Ursache aussagt oder glaubt, ist eines leichten Hertzens, und seine Aussage ohne Vernunfft. Noch andere aber lehren besser, und machen einen Unterscheid, daß genug sey, wenn der Zeuge eine Ursache seiner Glaublichkeit setze, wenn sie gleich nicht schliessend oder bündig sey, daß eben darum die Unschuld klar erwiesen werde; als z. E. da der Zeuge sagte, er glaube nicht, daß der Peter dem Paul freywilliger Weise erstochen habe, denn er kenne die Lebens-Art des Petern von Jugend auf, es sey ein friedsamer und nüchterner Mensch etc. habe gehört, daß der Peter während des Tumults um Hülffe geruffen; Sey wahr, daß der Paul des Peters Tod-Feind gewesen, und ihme öffters aufgepasst habe. Nach allen diesen Umständen ist die Unschuld des Peters nicht schliessend, noch klärlich dargethan, und dennoch wäre eine dergleichen Ursache der Glaublichkeit zu Beweisung der Unschuld in Rechten kräfftig. Siehe Haunold T. III. c. 8. Contr. 4. n. 344. Die Unschuld eines Inquisitens kan auch vermittelst ein u. anderer Muthmassung vernünfftiger Abnehmung u. s. f. erweißlich gemacht werden. Jedoch wird dem Richterlichen Amte die verständige Erkenntniß und Urtheil hiervon, wegen Verschiedenheit der Umstände überlassen: Als z. E. da der Inquisit leicht hätte entfliehen können, und doch nicht flüchtig geworden; wiewohl zu weilen einem Thäter nicht möglich ist zu entfliehen, auch solcher manchmahl so unverschämt und verwegen ist, daß er die Flucht verächtlich hintan setzet: Oder da ein Inquisit sich freywillig für dem Richter stellete, und seine Unschuld öffentlich anzeigte; oder da einer in der Nacht, da ein Todschlag begangen worden, gantz sanfft und ruhig schlaffend in seinem Bette wäre gefunden worden; oder da ein Mitgenoß der Uebelthat auf [1490] seinem Tod-Bette den angegebenen für unschuldig erkläret, und keine stärckere Beweisung der Uebelthat wieder ihn vorhanden wäre; oder da ein Zeuge vorgiebt, er habe eine unwahre Aussage gethan, und dessentwegen eine glaubwürdige Ursache anzeigete, z. E. wenn er die Ehrsucht gegen den Zeugen vorstellete etc. Oder da ein Uebelthäter sich beklagte, er sey unschuldig, es geschehe ihm von GOtt und der Welt unrecht; oder da die Vollziehung des Urtheils sonst wunderbarer Weise verhindert würde, wäre es für eine wundersame Anzeige zu halten, daß solcher unschuldig, und zu entledigen. Wiewohl in dergleichen Fällen in Acht zunehmen, ob nicht ein schwarzes Kunst-Stück und Augen-Bethörung mit unterlauffen. Nichtsdestoweniger soll eine Obrigkeit in dergleichen Begebenheiten, die Vollziehung des Urtheils verschieben, und alles getreulich der höhern Obrigkeit berichten. Menoch L. V. praesumpt. 48. n. 10. Schlüßlich ist zu wisssen, daß ein Vater für seinen Sohn, als ein Theil seines Leibes, und also für sich selbsten, ingleichen die Befreundte, Verschwägerte etc. zur Vertheidigung eines Uebelthäters zuzulassen seyn; ja sogar ein auswärtig und fremder, der dessentwegen das Amt eines Fürsprechers auf sich nehmen wolte. L. 19. ff. de poen. P. H. G. O. Art. 47. Und seynd dergleichen Sachwalter, wenn sie auch von dem Gefangenen keine Gewalt haben, von Richterlicher Macht nicht zu verweisen, sondern die Acten sind ihm zu dem Ende vorzulegen. Julius Clarus qu. 31. n. 16. Jedoch können die mit keiner Vollmacht versehene Sachführer dem Inquisiten zwar nützlich, keineswegs aber schädlich seyn, sonst solcher diese verwerffen kan. Also hat ein Richter nach Anleitung ob angezogenen Artickels dahin zu sehen, daß die Schutz-Schrifft nicht gar zu lange aufgehalten, und der Proceß ohne Noth schwerer gemacht werde. Und dafern der Inquisit vermittelst Einreichung seiner Schutz-Schrifft einen Wiederspruch in denen Aussagen der Zeugen anziehet, muß man, soferne solch Anführen erheblich, die Zeugen aufs neue verhören, gegen einander stellen, oder deren Aussage erklären lassen. Clarus qu. 6. n. 3. Wenn ein Richter den Delinquenten fragt, auf was Weise er sich entschuldigen könne, und begehret, daß er anzeigen solle, was er zu seiner Entschuldigung vorzubringen wisse, ist er nicht verbunden, die vorhandenen Mittel und Ursachen zu eröffnen, damit ihm solche von einem gewissenlosen Richter nicht benommen werden mögen. Noch weniger soll ein Richter den Verbrecher in dergleichen Verweigerungs-Fall alsobald der peinlichen Frage unterwerffen. Clarus qu. 49. n. 50. Farinac. qu. 39. n. 317. Nächst diesem aber hat auch eine Obrigkeit nach eingereichter Schutz-Schrifft dahin zu sehen, was der Missethäter damit erwiesen? Ob die Anzeigen durch zulängliche Mittel entkräfftet worden? Oder ob er, der eingereichten Schutz-Schrifft ohngeachtet, mit der peinlichen Frage zu belegen sey? Ob er völlig loßzusprechen und zu entlassen, oder wenigstens zu einer ausserordentlichen Straffe zu ver[ur]theilen sey? Jedoch weil diese Untersuchung einen geübten, und in peinlichen Sachen wohl unterrichteten Kopff und Verstand erfordern, sollen sich ungelehrte Richter keineswegs unterstehen, auf die eingegebene [1491] Schutz-Schrifft, nach eigenen Gutdüncken mit dem Uebelthäter umzugehen, sondern es geziemet einem solchem Richter, sich zuvor bey den Rechts-Verständigen Raths zu erholen, was in der Sache weiter vorzunehmen sey? Wie solches in der P. H. G. O. nach dem Zeugniß Oldenkops in Obs. 7. n. 11. 57 mahl denen Richtern auferlegt wird. Ja wenn auch gleich eine Obrigkeit in denen Rechten wohl erfahren und geübt, und in peinlichen Sachen berühmt wäre, würde doch selbige in zweifelhafften Fällen und an Orten, wo das Verfahren in Peinlichen-Sachen nicht zur Revision eingereichtet worden, besser thun, wenn sie einen Rath der Rechts-Verständigen einholte, als wenn sie das gantze Werck auf ihre eigene Kräffte nähme. Denn die peinlichen Urtheil sollen nicht in einer, sondern in mehrern Stimmen und Einstimmung derselben geschehen. Siehe Carpzov P. III. qu. 116. n. 22. Und Oldenkop lehret, Obs. n. 17. t. 11. daß derjenige kein verständiger Richter sey, der sich einbilde, alles allein zu verstehen. Wiewohl eine in Rechten erfahrne Obrigkeit in geringen Verbrechen, allwo das Urtheil keine Todes-Straffe enthält, solches zu Erspahrung der Zeit und Unkosten selbst auf sich nehmen kan. Ja an einigen Orten, sonderlich wo man der P. H. G. O. nachgehen muß, pfleget und muß man die peinlichen Acten und Proceße einer Juristen-Fakultät überschicken. Denn die Wahrheit wird von vielen eher, als von einem eintzigen Lehrer allein, erfunden. C. de quibus Dist. 20. C. prudentiam 21. de offic. & protest. jud. deleg. In Tyrol aber ist genug, daß man den Proceß einem Consulenten und Rechtsgelehrten anvertraue, sintemahl gleichsam aus allen Gerichten der Fürstlichen Grafschafft Tyrol, wenig ausgenommen, die peinlichen Proceße der Hochlöbl. O. O. Regierung zum Durchlesen vor Vollstreckung des Endurtheils eingeschickt werden. Jedoch ist nöthig, daß die Proceße völlig beschlossen, rechtlich eingerichtet, und mit ausgefallenen Urtheil versehen seyn. Denn wenn ein Proceß noch nicht völlig vollendet wäre, würde solcher wieder zurücke geschickt, auch da sich eine Obrigkeit eines Bescheids erholen wolte, was in Sachen zu thun wäre, würde selbige die Formalien gleich in dem gnädigen Rescript zu erlesen haben, daß sie als eine Obrigkeit von selbsten wissen werde, was von Amtswegen vorzunehmen sey, oder da ja die Sache derselben zu schwer fallen würde, sich dessentwegen bey Rechtsgelehrten Raths erholen solte. Da aber ein Gericht die peinlichen Acten einer Hochlöbl. Regierung einzuschicken nicht verbunden wäre, würde eine Obrigkeit sowohl vor GOtt als der Welt, löblicher handeln, wenn sie auch ohne zweiffelhaffte einlauffende Umstände, sich der Rechtsgelehrten Rath bedienete; sintemahl vier Augen, wie man zu sagen pfleget, jederzeit mehr sehen, als zwey, und ein anderer bald an Tag bringet, was vor den Augen der Obrigkeit im Proceße verborgen liegt, wodurch wenigstens die ordentliche Straffe gelindert werden kan. Ja es ist sehr rathsam, daß man das Urtheil, wenn sonst keine offenbare Ungerechtigkeit mit unterlieffe, dem eingeholten Gutachten gemäß einrichte, damit man sich des Syndicats erwehren möge. [1492] Oldenkop Obs. 7. tit. 1. n. 11. Bey Ueberschickung der Acten zum rechtlichen Gutachten und Spruche soll eine Obrigkeit fleißig beobachten, ob nicht etwa, der zu Rathe gefragt wird, dem Inquisiten feind, oder sonst wegen allerhand möglicher Umstände einen Vortheil daher hoffen, oder unerlaubtes Absehen dabey haben, oder dem Inquisiten zuvor verpflichtet seyn möchte? Denn dergleichen Umstände können kein unpartheyisch Gutachten hervor bringen. Zum andern soll man den Consulenten alle Acten, wie sie vom Anfange biß zum Ende verfaßt worden, nebst allen Beylagen, getreulich überschicken, eine Verzeichniß darüber abfassen, und den Inquisiten, daß er sehe, wie der Proceß beleget, und eingepackt werde, für fordern; wiewohl dieser letzte Punct nicht überall in Acht genommen wird. Wenigstens aber wäre der, so die Schutz-Schrifft abgefasset, hierzu einzuladen. Oldenkop Dec. 1. qu. 7. n. 5. Drittens soll man den Consulenten ersuchen, daß er die Sache beschleunige, damit die Sache geendiget und der Inquisit des Gefängnißes entlediget werde. Viertens soll man die Acten vor deren Ueberschickung, zu Erspahrung der Kosten und Zeit, selbst noch einmahl sorgfältig durchgehen, und zusehen, ob alle Umstände genau erkundiget worden, oder ob etwa zu Ertheilung eines verlangten Gutachtens noch etwas möchte erfordert werden? Damit solche von dem Consulenten nicht als mangelhafft möchten wieder zurückgeschickt werden. Oldenkop Obs. 9. tit. 1. n. 6. Fünfftens sollen von dem Richter in das Ersuchungs-Schreiben keine neue und in den Acten nicht gegründete Umstände, oder darüber der Delinquente nicht gefragt worden, gesetzt werden; sintemahl sich das Gutachten nicht auf das Ersuchungs-Schreiben, sondern auf die Acten und den Proceß gründen muß. Sechstens da der Inquisit eine vornehme Person, oder davor man sich zu fürchten hat, muß der Consulent geheim gehalten, ja auch der Bothe in Geheim fortgeschickt werden, damit nicht etwa, wie schon öffters geschehen, die Akten auskundschafftet, dem Bothen abgenommen, verfälschet, oder der Consulent bestochen werden möge. Ja, es sollen dem Delinquenten 3. Doctores oder Facultäten, um eine daraus zu erwählen, benennet, keineswegs aber eine gewisse vorzuschlagen vergönnet werden, Oldenkop Obs. 9. t. 1. n. 6. welches an den Orten, wo man der P. H. G. O. nachgehet, also zu geschehen pfleget. Die auf Einholung des Gutachtens gehende Unkosten sollen nach Verordnung der P. H. G. O. art. ult. von der Obrigkeit bezahlet werden. Aber Matthias Stephan in seinem Comment, sagt, daß solche von dem Inquisiten, so ferne er etwas im Vermögen hat, gut gethan werden müsten, wie es denn auch in Tyrol also gehalten wird. Bey einem armen Inquisiten aber bezahlet eine Landes-Fürstl. oder nach Beschaffenheit der Tractaten, eine Gerichts-Herrschafft die Unkosten. Wenn das Gutachten eingelauffen, ist löblich, daß der Richter solches in Gegenwart des Inquisitens wegen Recognoscirung des Siegels eröffne, den Rechtsgeschwornen Räthen vortrage, so denn erwarte, was sie wegen des Delinquenten, vor ein Bey- oder End-Urtheil abfassen [1493] werden: Ob nehmlich die Anzeigen abgelehnet, oder der Inquisit mit der peinlichen Frage zu belegen sey? sintemahlen in Tyrol eine Obrigkeit und Beysitzer nicht so strenge an das Gutachten gebunden, daß sie wegen einer vernünfftigen und in Acten gegründeten Ursache, nicht ein anders Bey- oder End-Urtheil solten abfassen können. Jedoch weil in den mehresten Processen, sonderlich bey einem nicht überwiesenen halsstarrigen Delinquenten oder Missethäter, die peinliche Frage oder Tortur vorgekehret werden muß, und die Gutachten mehrentheils zur Vornehmung der Tortur hinaus lauffen; als will die Ordnung erfordern, von deren rechtlichen Gebrauch einige Nachricht zu geben. Ehe und zuvor aber ein Richter einen Missethäter der Tortur unterwirfft, soll er zuförderst beobachten, ob da[s] Verbrechen in der That und Wahrheit selbst begangen worden, und dessentwegen unfehlbare Gewißheit in Acten vorhanden sey? Als z. E. ein Todschlag wird durch Findung eines zerhauenen, erdrosselten, oder erschossenen Cörpers rüchtig und kundbar; ein Diebstahl mit Einbrechen wird öffentlich und gewiß, da man an dem Orte des Einbrechens, die Merckzeichen der hinweg gebrochenen Gitter oder anderer Verwahrungen siehet; In andern Diebstählen muß das Corpus delicti bekannt seyn, da man an dem Orte allwo der Dieb die Sachen entwendet zu haben vorgiebt, ordentlich eydliche Erkundigung einholen, ob in Wahrheit die bekannten Sachen entwendet worden seyn oder nicht? L. in cognitione ff. ad SC. Syll. allwo dergestaltige Umstände erfordert werden, daß die Obrigkeit genugsam wissen könne, es sey ein Todschlag begangen worden. Denn in zweifelhafftigem Fall hat die Tortur keine statt; als: Da man nach Aussage eines Arztes nicht wissen könnte, ob der Verstorbene Gifft überkommen habe, oder sonst gestorben sey? Gleichergestalt da ein Dieb in Güte bekennete, daß er 600 Fl. an diesem oder jenem Orte entwendet hätte, jedoch aber ohnmöglich fiele, hiervon eydliche Kundschafft einzuholen, noch auch die eingeholte Kundschafft eintreffen würde; in dergleichen Fällen könnte keine Tortur zu mehrerer Bekräfftigung vorgenommen werden. Carpzov P. III. q. 119 n. 58. In denen Lastern, so kein Merckzeichen nach sich lassen, als da seynd: Die Sodomitische Sünden, Ketzerey, Hexerey etc. kan man bey vorhandenen und die Uebelthat gleichsam nothwendiger Weise nach sich ziehenden Anzeigungen, die Tortur ergreiffen, wenn gleich in der Sache selbst die unfehlbare Wissenschafft geschehener Uebelthat nicht am Tage läge. Gleiche Bewandniß hat es auch mit denen Verbrechern, die zuweilen kein Zeichen nach sich zu lassen pflegen, als in Todschlägen, Kindes-Abtreibungen, und andern Mordthaten, wenn nehmlich die Cörper ins Wasser geworffen, vergraben oder sonst verborgen werden. Siehe die P. H. G. O. Art. 6. Allwo die Formalien zu lesen: Daß eine Obrigkeit, so viel möglich, und nach Beschaffenheit und Gelegenheit einer jeden Sache, geschehen kan, sich vor der peinlichen Frage erkundigen soll, sintemahl die gemeine Wohlfahrt erfordert, eine mit erheblichen Anzeigungen geschehener Uebelthat beschwerte Person, eher zur Tortur zu bringen, als in dergleichen Fall, wo [1494] die That kein Merckzeichen hinterlassen, gäntzlich ledig und loß zu geben, damit das Uebel bestrafft werde. l. 51 ff. §. 2 ff. ad L. Aquil. Farinac L. I. c. 1. qu. 2. n. 12. Das dritte Stück so vor Unternehmung der Tortur erfordert wird, ist dieses, daß der Obrigkeit auf keine andere Weise möglich sey, die Wahrheit zu erhalten, als nehmlich durch Zeugen, Briefschafften oder andere Instrumente, ingleichen gütliche Bekänntniß. Denn wenn etwa Zeugen oder andere Sachen, so die Uebelthat erweißlich machen vorhanden, soll die Tortur, als ein nur in Ermanglung andern Beweises annoch zuläßiges Hülffs-Mittel, nicht ergriffen werden. L. 12 c. de quaest. Ja die Lehrer des peinlichen Rechts lehren, daß sich eine Obrigkeit auf alle mögliche Weise bemühen solle, durch vernünfftig schliessende Fragstücke, das Geständniß des Uebelthäters heraus zu bringen; sintemahl die Practici frey bekennen, daß der gantze Proceß bey Vornehmung der Tortur, vermittelst Ablehnung der Anzeigungen, und Verschweigung der Wahrheit übern Hauffen falle, gleichwie jener bey der Tortur gesagt hat: Es ist besser einen Märtyrer, als einen Bekenner, abzugeben. Das vierte Erforderniß zur peinlichen Frage, sind die vorhandenen und erwiesenen Anzeigungen. Denn es ist keiner Obrigkeit erlaubt, ohne genugsame Anzeigungen, Wahrzeichen und Verdacht, jemand mit peinlicher Frage anzugreiffen. L. 18. §. 2 ff. de quaest. und l. fin. C. eod. P. H. G. O. Art. 21. Nun aber lässet sich billig fragen, wie man zur Wissenschafft kommen könne? Ob ein oder andere vorhandene Anzeigung, Verdacht, Argwohn, zu der Tortur genug sey? Denn ob zwar die Erkänntniß dem Richter und Beysitzern überlassen. Menoch de arbitrar. jud. Quaest. l. 2. c. 270 n. 3. So muß doch die Ueberlassung die Schrancken des Rechts und der Billigkeit nicht überschreiten, sonderlich in einer so schweren und schlüpfrigen Sache, wo es um das Leben eines Menschen zu thun ist. Gleichwie aber auf alle und jede Uebelthaten gewisse Umstände und Regeln vorzuschreiben ohnmöglich ist, weil jede ihre besondere Anzeigung, Wahrzeichen, Argwohn, Verdacht und Vermuthung hat, welche Stücke alle unter dem Nahmen Anzeigen oder Inzichten verstanden werden. P. H. G. O. Art. 19. Also hat diese peinliche Gerichts-Ordnung Art. 24 verordnet: Daß aus denen daselbst nachgesetzten Anzeigen, ein Gleichniß genommen werden solle, und zwar also, daß da ein oder andere Umstände den nachgesetzten gleichförmig der Obrigkeit auch von gleicher Krafft und Nachdruck zu seyn vorkommen würden, ein solches Gleichniß, so gut und viel seyn solle, als wenn es würcklich und ausdrücklich gesetzt worden wäre, auch also beobachtet werden solle; denn in gleichen Sachen ist gleiches Recht zu nehmen. L. Regula ff. de Jur. & facti ignor. Wovon unter dem Artickel Tortur, (Anzeigen zur) ein mehrers nachzusehen. Wenn der Inqusit seine Schutz-Schrifft eingereichet, ist ferner von nöthen, daß der Richter seine geschwornen Beysitzer zusammen ruffen lasse, und selbigen anzeige, was für Anzeigungen wieder ihn, aus dem formirten Proceß, erscheinen, wie kräfftig oder zweiffelhafft solche den Gefangenen beschweren, welchergestalt die Anzeigungen durch glaubwürdige [1495] unverwerfliche Zeugen erwiesen, daß es um eine Sache zu thun, die an Leib und Leben gehe, nicht weniger daß zwar der Gefangene, zu Einreichung einer Schutz-Schrifft zugelassen, selbigen zu dem Ende die Acten getreulich vorgelegt, auch eine solche von ihme würcklich eingereichet worden; nun komme es darauf an, daß ein Rechts-Geding oder Gericht ermesse, ob Inquisit vermittelst solcher seiner eingegebenen Schutz-Schrifft, die wieder ihn vorhandenen Anzeigungen genugsam abgelehnet habe oder nicht? oder ob es nöthig sey solchen mit der würcklichen Marter zu Erhaltung der Wahrheit, auch Abthuung der wieder ihn vorhandenen Anzeigungen, anzufragen, und mit was für einem Grade selbiger den Umständen nach, so wohl dessen Person, der That, als erwiesener Anzeigungen halber anzugreiffen wäre? Auf welchen Eingang ferner aus dem Protocoll des Gerichts-Schreibers zu nehmen seyn möchte, aus was für einem Grunde, Ursachen und Erheblichkeit, die mehrere Beypflichtung zu diesem oder jenem Grade der Tortur mit ihrer Erkenntniß zu votieren, beweget worden? zumahlen nach Art und Form eines Bey-Bescheids dem Protokoll einzutragen ist:

 

 

Bey-Bescheid.

 

Daß aus vorstehenden der Sachen reiflich überlegten erheblichen Umständen und unabgelehnten schweren Anzeigungen, auch wegen Abscheulichkeit der That, und damit die Wahrheit, zu welcher anderer gestalt nicht zugelangen, an Tag komme, der N. N. an den Ort der peinlichen Frage geführet, der Kleider entblösset, gebunden, mit dem Seil aufgezogen, und den N. N. lang aufgezogen gelassen, auch im Fall seiner Hartnäckigkeit ein N. N. Pfund schwer, Stein, drey Vater Unser lang, an seine Füße gehangen werden solle.

Denn hierinnen soll ein Richter nach Ausweise der Tyr. Landes-Ordn. im 8. Titel 8. Buchs, den mehrern Stimmen folgen, und vor sich selbst nichts vornehmen. Nach solchen abgefaßten Bey-Urtheil soll der Richter und Gerichts-Schreiber, mit Zuziehung dreyer aus dem Rath oder Geschwornen, den Delinquenten nicht gleich an den Ort der Marter führen lassen, sondern zuvor versuchen, ob er zu Bekennung der Wahrheit, in Güte zu bringen sey, und zwar dergestalt:

Nachdem die Obrigkeit, auf das von denen Geschwornen und Beysitzern gefällte Urtheil und zuerkannte peinliche Frage nicht unterlassen hat, in Gegenwart des Gerichts-Schreibers und N. N. als Beysitzern, den Inquisiten in der N. Stube nochmahlen fürzunehmen, und selbigen auf nachfolgende Weise zu Bekennung der Wahrheit gütlich anzumahnen etc.

 

Actum den etc.

Vor etc.

Ist der Inquisit über abgelegten leiblichen Eyd, so viel andere Personen berührt, und geschehene Anvermahnung die Wahrheit zu bekennen, noch mahls befragt worden.

Man habe an Seiten des Gerichts seine eingegebene Schutz-Schrifft zu Entfliehung peinlicher Frage genugsam ersehen, jedoch gefunden, daß die in dem Proceß wieder ihn vorhandene schwere [1496] Anzeigungen nicht abgelehnet worden wären; solle dannenhero die Wahrheit endlich bekennen; ob er nicht den Paulen ermordet habe?

Saget nein; er verhoffe aber er habe seine Unschuld genugsam an den Tag geleget;

Wie Constitut dieses vorgeben möge, indem doch aus so vielen Anzeigungen, Wahrzeichen und Muthmasungen, nichts anders abzunehmen, als daß er der Thäter seyn müsse: Er wisse mit was für unzweiffelhafften und vielfältigen Anzeigungen er beschweret sey, also daß sein beständiges Ableugnen bey so beschaffenen Umständen nicht statt finde. Denn daferne er über diese gütige Vermahnung noch weiter bey seinem frechen Leugnen verharren werde, würde mit ihm von Rechtswegen zur peinlichen Frage geschritten werden, er solle also in sich gehen, GOtt die Ehre geben, und dancken, daß er zu Bußfertiger Bekänntniß seiner Sünden Gelegenheit habe, und sich nicht selbst der Folter und Marter aufopffern.

Antw. Er wisse nichts zu bekennen, man thue ihm vor GOTT und Welt unrecht, etc. er thue darwieder protestiren appelliren, und sich bester massen darüber beschweren.

 

Und hiermit kommen wir nunmehr zu denen Pflichten eines Richters.

 

 

II. In und bey der Tortur.

 

Wenn der Inquisit durch ernstlich Zusprechen und Ermahnen die Wahrheit in Güte zu bekennen, nicht zu vermögen gewesen, bleibt nichts mehr übrig, als daß sich der Richter, der Gerichts-Schreiber und Beysitzer, darauf an den Ort der Tortur verfügen, und den Inquisiten durch die Gerichts-Diener, welche an dem Orte wo kein Freymann oder Scharff-Richter wohnet, die Tortur zu vollziehen pflegen, führen lassen. Zuvor aber soll der Richter etliche kurtze kräfftige Fragstücke aufsetzen, die er dem Inquisiten vorzuhalten vermeynet, damit der arme Mensch in der Marter nicht lange aufgehalten werde. Es verordnet zwar die P. H. G. O. art. 58. daß die Sage des Gefragten, so er in der Marter thut, nicht angenommen oder aufgeschrieben werden solle, sondern er solle seine Sage thun, so er von der Marter gelassen ist. Ob nun zwar an dem angeführten Orten nur von Aufschreibung der Sage die Rede ist; so ziehet doch solches Blumbacher art. 58 n. 9. auch auf die Anfrage, also, daß währender Marter niemand eigentlich und insbesondere auf die That und deren Umstände, sondern nur überhaupt zum Geständniß anermahnet werden solle: Befragter solle nunmehro die Wahrheit bekennen. Carpzov P. III qu. 124 n. 27 u. f. Und zwar dieses darum, weil nicht wahrscheinlich ist, daß der arme Mensch währender Marter mit völligem Verstande begabt sey, auch dessentwegen die Uebelthat mit allen wahrhafftigen Umständen eröffnen könne. Nichts destoweniger aber ist dieses Verfahren in Welschland, auch in Tyrol, nicht üblich; denn es werden manchmahl etliche verschlagene Gesellen gefunden, welche, wenn sie kaum gebunden und in die Höhe gezogen worden, schon zu schreyen anfangen: Ach GOTT! Laßt mich herab, ich [1497] will alles bekennen, und wenn man sie herab gelassen, sagen sie: Ach wolt ich bekennen, ich bin unschuldig: Und damit können sie ihnen die Tortur dergestalt erleichtern, daß sie die Schmertzen, die aus steter Währung der Marter entspringen, nicht sonderlich empfinden, folglich auch nicht genugsam angehalten werden, die Wahrheit zu kennen. Die N. O. L. G. Ordn. tit. 37 §. 4. verbietet nicht, daß man einen in währende Tortur nicht anfragen solle, sondern nur, daß man den Missethäter nach Erlassung derselben nochmahlen anhalte, die Bekänntniß jedoch an dem Orte der Tortur zu wiederhohlen, welche Aussage denn der Gerichts-Schreiber mit allen Umständen zum Protocoll aufzeichnen solle. Die Italiener aber pflegen die Fragstücke währender Tortur abzunehmen, und den Missethäter vor Bekänntniß der That der Tortur nicht zu erlassen, wenn es die zur Tortur anberaumte Zeit leidet, ja wenn er gleich sagte: Laßt mich herab, ich will alles sagen, wird gleich geantwortet, er solle es gleich jetzo thun, und einmahl bekennen und anfangen. Bey der Hochlöbl. O. O. Regierung des Tyrolischen Landes, weil das Statut davon nichts meldet, kan die Italienische Art beobachtet werden, sintemahl die Bekänntniß in der Tortur ohnedem vor der Bestätigung ausserhalb derselben, ungültig, und dem Bekennenden in der Hauptsache nicht schädlich ist. Dieses voraus gesetzt ist weiter zu wissen, daß ein Richter eine Sand-Uhr mit sich nehmen solle, daß er wisse, wenn die zuerkannte Zeit zur Tortur verstrichen sey. Jedoch lehren andere, daß er die Sand-Uhr an einen Ort stellen solle, allwo sie von dem Missethäter nicht gesehen werden möge. Guatz in Def. 30 c. 2 n. 4. Nachgehends soll man dem Delinquenten abermahls zusprechen, und ihm vorhalten:

Er sehe nun, an was für einen Orte er sich befinde, solle GOtt den Allmächtigen vor Augen haben, seiner Seelen Seligkeit beobachten, und nunmehro die Wahrheit einmahl bekennen: Denn wiedrigen Falls, weilen er mit so vielen Anzeigungen beschwert, er mit peinlicher Frage und Marter angegriffen werden müsse.

Antw. Er wisse weiter nichts zu bekennen, man möge mit ihm umgehen wie man wolle.

Wenn die Ermahnung noch nichts fruchtet, kan man die Werckzeuge der Tortur durch den Scharf-Richter oder Gerichts-Diener in Bereitschafft stellen, den Delinquenten niedersitzen, und der Kleider, jedoch mit Bedeckung der Scham, als welche die Natur selbst gleichsam verbergen wollen, Damhoud C. de tort. entblössen lassen: Nachgehends soll eine Obrigkeit abermahls versuchen, ob der Missethäter die Wahrheit ohne fernere Marter zu bekennen geneigt sey. Und also soll ein vernünfftiger Richter einen Grad nach dem andern vornehmen lassen, und jedesmahl durch nachgesetzte Fragstücke versuchen, ob der Delinquent zu Bekennung der Wahrheit nicht zu bewegen sey: Als

Constitut werde ermahnet, die Wahrheit nunmehro einmahl zu bekennen, und solle er selbst zur Würcklichen Marter nicht Ursache geben. [1498]

Antw. Er könne nichts anders bekennen, und solte er 100 Jahr gemartert werden.

Auf welche Antwort, und weil man des Verbrechers Hartnäckigkeit erfahren, ist man zu dem zuerkennten Grad der Tortur geschritten, und hat ihn in die Höhe ziehen lassen. Ueber welcher Aufziehung er geschryen: Ihr möcht machen, was ihr wollt, ich kan nichts bekennen.

Auf diese weitere Hartnäckigkeit, hat man endlich nach Anweisung des zuerkennten Bey-Urtheils den letzten Grad ergriffen, und an die Füße des Missethäters ein 12 Pfund schweren Stein gehängt, worüber der Constitut zu schreyen angefangen: Ach JEsus Maria! Was ist das für eine Tyranney, ich kan nichts bekennen.

Darüber er aber nochmahlen erinnert worden, die Wahrheit zu bekennen:

Antw. Was wolt ihr von mir wissen, ich sterbe, laßt mich herab, ich will alles sagen, was ihr wolt.

Auf welches er aber von neuem ermahnet worden; solle also die Wahrheit einmahl bekennen,

Antw. Laßt mich herab, ich will alles bekennen.

Auf welches ihm gesagt worden, er solle nur einmahl anfangen zu bekennen, hernach wolle man ihn herablassen:

Antw. Er könne in dieser Marter nichts sagen, man solle ihn herablassen, er wolle alles sagen und bekennen. Ach GOTT! Last mich herab so er öffters angezogen.

Ueber diesem Versprechen hat man ihn, Constituten, zu besagtem Ende mit allem weitern Vorbehalt etc. fein gemach und sachte von der Marter herab, und auf einen Stuhl sitzen lassen. Und als er dergestalt herab gelassen, und auf einen Stuhl gesetzt worden, ist weiter angefragt worden:

Constitut solle nun nach seinem Versprechen die Wahrheit bekennen.

Antw. Was will man von mir haben, ich bin unschuldig, und dennoch thut man mich wieder Billigkeit strecken.

Constitut werde ermahnet, daß er sich dergleichen Ausflüchte begeben, einsmahl die Wahrheit bekennen solle, sonst würde die Tortur fortgesetzt werden.

Worüber der Constitut abermahls in die Höhe gezogen worden, der aber gleich nach der Aufziehung zu schreyen angefangen; Ach GOtt! Ich muß zerschnellen, laßt mich der Natur pflegen etc. Zu welchem Ende denn Constitut herab gelassen, und ihme die Erlaubniß gegeben worden, den Leib s. v. zu erleichtern. Und als er über eine kleine Weile ungefehr bey einer halben Viertel-Stunde, wieder zur Marter-Kammer geführet worden, hat er angefangen zu reden; Ach GOtt erbarme es! sagt mir denn, was wolt ihr daß ich sagen soll, ich will alles sagen, was ihr wollet.

Ueber welche blosse Worte und nichtiges Versprechen, die Tortur auf Richterlichen Befehl abermahls [1499] ergriffen, und Constitut in die Höhe gezogen worden, der aber ohneracht vielfältiger Anfrage und Ermahnung nichts mehr sagen wolte. Und als Constitut ein N. Stund nach Anzeige der Sand-Uhr also in der Marter gewesen, und verharret, hat man ihn wiederum fein gemach von der Tortur entbunden, die Arme und Glieder eingerichtet und wieder angekleidet, der bey solcher Herablassung angefangen zu schreyen; halt Brüder! halt, fein gemach! etc. Aus dieser Formul kan man abnehmen, wie nach Verschiedenheit der Marter, auch das Protocoll formiret werden müsse. Und soll dem Missethäter ein mehrers, als was das Bey-Urtheil vermag, nicht zugefüget und ins Protocol verzeichnet werden. Ambrosius Sinogall Lib. IV. c. 8. n. 2. Damit aber ein Richter bey Vornehmung der Tortur keiner Unachtsamkeit beschuldiget, oder dessentwegen zur Verantwortung gezogen werden möge, soll er sich währender Tortur nicht hinweg begeben, sondern auf alle Umstände fleißig aufmercken; ja er soll in das Protocoll setzen lassen, daß dem Scharf-Richter oder Gerichts-Diener ernstlich auferlegt und anbefohlen worden sey, daß er den Inquisiten zuvor an dem Leibe besichtigen und beobachten solle, ob er ein tadelhafftes Glied oder Schaden am Leibe habe? Ob er nach seiner Leibes-Beschaffenheit den zuerkannten Grad der Tortur aushalten könne; ingleichen daß sie sehen solten, ob die Seile gut und frisch und nicht etwa zureissen möchten. Ueberdieß soll man ebenfalls zum Protocoll nehmen, wie sorgfältig die Gerichts-Diener alles besichtiget, wie hart sie den Inquisiten gebunden, denn daran gar viel gelegen. N. O. L. G. Ordn. Tit. von der Tortur Gulatz in Def. 30. C. 34. n. 2. Solten aber die Gerichts-Diener sagen, daß der Inquisit gebrechlich, und zweiffelhafft seyn, ob er die Tortur, ohne ihm am Leben zu schaden, werde aushalten können oder nicht? Soll man einen Arzt oder Bader zu Rathe ziehen, dessen eydliches Gutachten darüber vernehmen, dem Protocoll einverleiben, und sich mit der Tortur nach derselben Vorschrifft richten. Da aber dergleichen Vorsicht nicht gebraucht worden wäre, die Stricke rissen, der Torquirte auf die Erde fiele, und etwa einen Arm oder Bein entzwey bräche, wollen einige, daß der Richter davor zur Verantwortung gezogen werden solle; wiewohl auch andere diesen davon befreyen, und die Schuld demjenigen zuschreiben, dem die Tortur von Rechtswegen zu vollziehen obliegt. Dem sey aber, wie ihm wolle; so ist doch allezeit rathsamer, daß der Richter diese Vorsicht nehme, und die Gerichts-Diener offt mehr als vonnöthen, ihres Amts erinnere, den Inquisiten wegen der Leibes-Mängel selbst befrage, und hierüber nicht allein das Blutbegierige Urtheil den Scharf-Richter, sondern der Aertzte und Barbierer vernehme: Denn eine Obrigkeit soll nicht leicht den Scharf-Richtern und Gerichts-Dienern glauben, als die sich öffters aus Begierde den Inquisiten zu plagen, sehr vergehen, noch weniger selbigen zulassen diesen um die Bekänntniß zu fragen, oder durch Drohungen zu erschrecken: Ja es ist ein schlechtes Lob einen solchen Scharf-Richter zu haben, der die Bekänntniß bey allen Inquisiten erpressen mag, indem [1500] dieses offt aus teuflischer Zubereitung, und andern verborgenen Ursachen herfliesset. Siehe Oldenkopp Obs. 24. tit. 4.

Eine andere Art eines solchen peinlichen Verhörs findet sich auch in Schülins Theatr. Consc. Crim. Part. l. c. 11. welches daselbst also lautet:

Wenn ein Richter aus trifftigen Anzeigen, Umständen und andern Ursachen, so denn aus dem Corpore delicti findet, daß der Beschuldigte des Verbrechens genugsam verdächtig und überzeugt, also daß nichts als dessen Geständniß annoch ermangelnd sey, so mag er ihn nochmahls fürfordern und durch die beweglichsten Zuredungen zur gütlichen Bekenntniß zubringen suchen, auch nochmahlen über alle peinliche Fragstücken gütlich befragen, wo selbiges nun auch nichts bey dem Verdächtigen verfängt zur Schreckung mit Worten schreiten, und ihn dem Scharfrichter vorstellen, durch selbigen die peinlichen Werckzeuge vorlegen, und die daraus entstehenden unerträglichen Schmertzen, genüglich erklären lassen, selbsten aber dem Verdächtigen aufs beweglichste zu reden, und bedrohen wo er nicht bekennete, er würcklich durch den Scharfrichter angegriffen werden solte, welchen Verlauff der Actuarius mit allen dabey vorkommenden Umständen, eigentlichen Gebehrden und Worten des Inquisitens auf folgende Art zum Protocoll niederschreiben muß:

 

Actum N. d. 22 Mart. Anno etc.

Gütliche Verhör.

 

Praesentes:

Herr Richter N.

Ego der Actuarius N.

Herr Assessor N.

Herr Assessor N.

Herr Assessor N.

     

Nach dem eingelangten Hochfürstlichen gnädigstem Befehl (oder Urtheil der Universität N) wurde der Inquisit Krumfinger vorgebracht und über folgende Umstände unter beweglichem Zureden noch einmahlen gütlichen befragt.

1.

Ob er nicht bekennen wolle, daß er den Raub zu N. begehen helffen?

     

Nein sein lebtag nicht.

2.

Wer mehr dabey gewesen?

     

Nescit.

3.

Ob er nicht bekennen müsse, daß er die Keller-Mauer mit einem Brech-Eisen gewaltsam erbrochen?

     

Negat.

4.

Ob er nicht gestehen müsse, daß er den N. gerädelt und gebunden?

     

Nein.

5.

Ob er nicht sagen müsse, daß er selbigen das Messer auf das Hertz gesetzt?

     

Negat.

6.

Ob er nicht gestehen müsse, daß er diesen würcklich ermordet?

     

Nein, sein lebtag nicht.

 

[1501] Weilen nun aus dem verstockten Inquisiten in der Güte, alles beweglichen Zuredens ohnangesehen, keine Bekenntniß zu bringen, wurde der Scharf-Richter N. N. von N. vorgelassen und bedeutet, dem Inquisiten die peinlichen Instrumenke vorzulegen, und ihm die daraus entspringenden unerträglichen Schmertzen zu erklären. Scharf-Richter N. N. leget sodenn sein bey sich habendes Folterzeug, dem Inquisiten vor, und expliciret ihm alle daraus zu empfinden habende unleidentliche Schmertzen.

Inquisit, Krumfinger, erschrickt (oder ist frech) bey dessen Vorzeichung weinet, (oder schweiget) und saget: Er sey unschuldig, er sey in GOttes und der Obrigkeit Händen, könne nichts gestehen, man möge mit ihm machen was man wolle, wenn man ihm alle seine Glieder vom Leibe risse, könne er doch nichts gestehen.

Wird ihm vom Gericht beweglich zugeredet und bedrohet, daß er bey anhaltender Läugnung mit der Folter angegriffen worden solte, weilen aber alles nichts verfangen, ist selbiger einstweilen abgeführet worden. Wenn nun der Inquisit abgeführet ist, kan der Richter sodenn dem Scharf-Richter sagen, wie und auf welche Art der Inquisit befraget werden solle, nicht weniger sich mit demselben dahin unterreden, wie und wenn, bey welchem Fragstück er Scharf-Richter die Schmertzen aufs Höchste treiben solle. Damit solches der Inquisit aber nicht vermercke, mag er ihm dessen ein Zeichen sagen, welches der Scharf-Richter zu bemercken hat, z. E. wenn der Richter Schnupf-Toback schnupffe, oder sonst den Inquisiten rauer anrede. Nicht weniger soll er dem Scharf-Richter eyfrig befehlen, daß derselbe in der peinlichen Frage wohl in Obacht nehmen und dem Inquisiten keine Röhre oder Bein entzwey sprengen solle. Gleichwie aber an geschickten tüchtigen und erfahrnen Personen, eine glückliche Verrichtung gelegen; also kömmt solches hierinnen auch hauptsächlich auf einen guten Scharf-Richter an. Dahero sich ja der Richter nach einen solchen umzusehen, und zu gebrauchen hat, und sollen die Eigenschafften des Scharf-Richters anderswo angezeiget werden. Auch soll ein Richter mit dem gantzen Gericht genau Acht haben, daß der Scharf-Richter mit dem Inquisiten weder zu gelinde noch zu scharf verfahre. Denn die Erfahrung lehret, daß öffters der Scharf-Richter mit dem Inquisiten ein Verständniß hat, etc. die Instrumente nicht recht zuziehet, zuschraubet oder ansetzet, den Inquisiten dargegen zum hefftigen Schreyen anweiset, und dadurch das Gerichte betrügt, oder der arme Inquisit wird durch des Scharf-Richters Grimm und Rachgier erbärmlich zugerichtet. Nach diesem ist nichts mehr übrig, als daß der Richter den Inquisiten zur Folter-Kammer bringen und durch den Scharf-Richter selbigem seine habende völlige Kleidung ausziehen und dafür ein apartes schwartzes Folter-Hemd und Hosen (welche einem jeden Richter anzuschaffen zu rathen, weilen der Inquisit offters durch diese furchtsame Ankleidung zum Bekenntniß beweget und der Schmertzen also überhoben wird) anziehen, auch die Haare am Kopff, unter der Achsel und denen heimlichen Stätten abschneiden und genau besichtigen [1502] läßt, ob Inquisit nichts bey sich oder eingeheilet habe, damit er die Tortur überstehe. Denn es giebt dergleichen Leute, welche allerhand teuflische Seegen oder Wurtzel und anders eingeheilet haben, damit sie nur die Schmerzen überhärten. Findet ein Scharf-Richter ein verdächtiges Zeichen, oder Merckmahl an des Inquisiten Leib, mag ihm der Richter wohl erlauben, entweder mit einer Steckenadel zu versuchen, ob Inquisit daran Schmerzen habe oder nicht, ja er kan befindenden Dingen nach, zulassen, daß der Scharf-Richter den verdächtigen Ort aufschneide, und sehe ob nichts eingeheilet. Hierauf führet der Scharf-Richter den Inquisiten zum Stuhl und bindet selbigem die Hände, leget ihm auch die Daumenstöcke an, jedoch noch ohne Zuschraubung und dieses wird von den Rechtsgelehrten die thätliche Bedrohung genennet. Es soll aber nach Ausweise der P. H. G. O. Art. 181. 182. 183. 184. 185. 186. 187. 188. ein Gericht-Schreiber alle dasjenige fleißig aufschreiben, was der Gemarterte sagt, wie sich selbiger bey der Hineinführung in das Folter-Gewölbe, bey Angreiffung des Scharf-Richters, Bindung in der Marter, aufgeführet, was er bekennet oder läugnet, mit welchen Worten und Gebärden, ingleichen den gantzen Handel der Tortur, mit ausdrücklicher Bemeldung, was vor eine Marter gebrauchet worden, in was Schärffe und wie lange. Auch hat er ausdrücklich zu bemercken, daß bey dem Geständniß sofort das peinliche Instrument abgenommen, oder das die Marter, und warum zertheilet, damit man hieraus ersehen könne, ob die Marter recht und Gesetzmäßig verrichtet, und der Sache nicht zu wenig oder zuviel gethan worden. Damit aber ein Anfänger und neuer Actuarius wissen möge, wie ein solches Protocoll zu führen sey, so will ich hiervon folgendes Formular anschließen:

 

 

Actum N. d. Anno.

Horis antemeridianis.

Praesentes.

Herr Richter N.

Ego der Actuarius N.

Herr N., Herr N., Herr N. sämmtliche Gerichts-Assessores.

Dieweilen nun bey dem Verstockten Inquisiten Krumfinger, alle Güte fruchtloß abgelauffen, wurde selbiger ohne fernern Anstand, in locum torturae gebracht, und über die vor convenable befundene (oder gnädigst befohlne) Fragstücke, peinlich vernommen, so denn applicirt der

I. Gradus.

Der Daumen-Stock.

Scharf-Richter.

Bindet den Inquisiten [1503] auf dem Stuhl die Hände und stößt selbigen den Daumen-Stock an.

Schraubet.

Schraubet.

Schraubet.

Schraubet.

     

Inquisit.

Selbiger sagt, er habe nichts Unrechts gethan, sey unschuldig.

 

ad. I. Er wisse nichts.

ad. II. Nein. Inquisit schreyet, Nein o! Herr Jesus.

ad. III. Nein. Schreyet erbärmlich.

ad. IV. Ich weiß nichts, Herr Jesus!

Wird hierauf der Daumenstock abgenommen und hingegen applicirt

II. Gradus.

Der Spanische Stiefel.

Scharf-Richter.

Leget solchen dem Inquisiten an den rechten Fuß.

Klopfft.

Klopfft.

Klopfft.

     

Inquisit.

 

ad. I. Nein.

ad. II. Nein Herr Jesus!

ad. III. Nein, o Gott!

ad. IV. Ich will bekennen.

Weilen sich hier der Inquisit zur Bekänntniß erkläret, ist selbigem sogleich der Spanische Stiefel abgenommen, der Inquisit aufgebunden und befragt worden.

1.

Ob er bekennen wolle, daß er den Raub zu N. mit verüben helffen?

     

 

Ja.

2.

Wer mehr dabey gewesen?

     

Der Schnabsack, der lange Abraham, der Polack.

NB. Wenn nun der Inquisit nicht bekennet, so wird das Protocoll ferner also continuiret.

Klopfft.

Klopfft.

     

ad. V. Nein.

ad. VI. Nein.

Wird dem Inquisiten der Spanische Stiefel abgethan, und vorgenommen

III. Gradus.

Der Aufzug.

Scharf-Richter.

Bindet selbigen die Hände auf dem Rücken, und einen schweren Stein an die Füsse.

Ziehet ihn auf.

 

Schläget auf die Schnür und an den Inquisiten die erste Spitzruthe entzwey.

     

Inquisit.

Schreyet: O GOtt! o GOtt! ich bin unschuldig.

 

 

ad. I. Nein.

Inquisit schreyet entsetzlich. [1504]

ad. II. Nein.

Dieser schreyet jämmerlich.

Hier stellet sich der verstockte Inquisit ohnmächtig, und giebt lange keine Antwort, deshalben der Scharf-Richter diesen mit Eßig bestreichet, da er sich denn wieder recolligiret und gantz munter bezeiget, wird also tortura continuiret.

ad. III. Nein.

ad. IV. Schweiget und giebt weiter keine Antwort.

NB. Hier zeigt der Scharf-Richter an, es wäre heute bey dem verstockten Inquisiten alle Tortur umsonst, und fühle derselbe theils aus Verstockung, theils aber wegen des Frostes keine Schmertzen, dahero von ihm kein Geständniß zu hoffen. Wenn also die Tortur nicht fruchtloß abgehen, und die Kosten nicht umsonst seyn solten, möchte die fernere peinliche Frage bis auf Morgen verschoben werden. Weilen nun der Augenschein des Scharf-Richters Vorbringen bekräfftige, & cum perito in sua arte credendum, wurde darein gewilliget, und vor dißmahl die Tortur aufgehoben.

 

Actum N. d. Anno.

Iisdem Praesentibus.

Nachdem oberwehnter auf des Scharf-Richters nachdrückliche Vorstellung bey der 4ten Frag des Gradus tertii abgebrochen und die weitere Tortur auf heute verschoben worden, wurde dahero folgender damit fortgefahren:

ad. V. Ich weiß von nichts.

ad. VI. Nein.

Alldieweilen nun der Inquisit alles verstockt abgeläugnet, ist selbiger nach abgenommenen peinlichen Instrument, in Custodiam zurücke geführet, somit dieser Actus beschlossen worden, Actum ut supra.

Sobald aber vielleicht der Inquisit währender Tortur ohnmächtig würde, so aus dessen Erbleichung, übermäßigen Schweiß, schäumenden Mund, und verlohrner Rede abzunehmen, soll man alles gleich zum Protocoll anmercken. Diesen Zeichen aber soll eine Obrigkeit nicht so leicht glauben, als darauf böse Leute genug abgerichtet, damit sie die Tortur dadurch von sich ablehnen möchten, hingegen sollen sie auch nicht gar zu ungläublich seyn, und solcher Zeichen ohnerachtet mit der Tortur fortfahren, sondern wenn Zweiffel und Gefahr vorhanden den Delinquenten herabnehmen; da sich aber solcher bößlich verstellete, und nichts redete, soll man dem Gerichts-Diener fein laut zu sprechen, den Strick erschüttern, Schwefel, Rauch, Papier, oder Hadern anzünden, solches in die Nase des Delinquenten räuchern lassen, damit man sehe ob eine wahre Ohnmacht vorhanden oder nicht? Ambrosius Senogall. Wie denn hierdurch die erdichtete Schwachheit bald vertrieben, und der Redlose offt redend gemacht worden. Wie die Glosse ad Ambrosium n. 15 bezeuget. Jedoch ist dieser Materie allezeit löblich und rathsam, daß man alsobald, wenn man vermerckte, daß eine Ohnmacht vorhanden, den Inquisiten der Tortur erlasse, als ihn länger damit aufzuhalten, die Entlassung aber, [1505] soll mit dem ausdrücklichen Verbot und Ausnahm, die Tortur nach überstandener Ohnmacht wieder anzufangen, geschehen, denn sonst würde dieTortur, wenn dieser Vorbehalt nicht erwehnet worden, nicht wi[e]der angefangen werden können, sondern ein solcher würde genugsam und überflüßig gemartert worden seyn: Wiewohl auch dießfals rathsammer einen Artzt oder Barbierer hierinnen zu fragen, und nach dessen Aussage entweder zu wiederholen oder zu unterlassen. Guayin Def. 3. c. 16. n. 3 und 4. Die Formul aber wie ein Ohnmächtiger der Tortur entlassen werde, ist diese:

Nachdem nun Inquisit drey oder vier Vater Unser lang in der Höhe gehangen, hat er angefangen gantz zu erbleichen, und ohnmächtig zu werden, worüber die Obrigkeit befohlen, selbigen fein gemach von der Tortur, jedoch mit Vorbehalt, selbige nach Norhdurfft zu wiederholen, herab zulassen, und den Delinquenten auf den Lehn-Stuhl zu setzen, welcher denn nach geschehenen Herabthun und Niedersitzen einen Halbtodten gleich gesehen, jedoch auf angesprützten Rosen-Essig, angestrichenen Balsam etc. wieder zu ihm selber gekommen, worauf er weiters gefragt worden etc.

Da man aber befindet, daß der Inquisit sich nur durch erdichtete Schwachheit von der Tortur loß gewürcket, macht man den Inhalt des Protocolls also:

Dieweil man auf fleißige Besichtigung gnugsam wahrgenommen, daß die bezeigte Ohnmacht nur ein verstelltes Werck gewesen, als ist er aufs neue aufgezogen worden etc.

Oder man kan zu mehrerer Versicherung einen Artzney Erfahrnen herbey hohlen, und selbigen am Leibe fleißig besichtigen lassen, welcher so denn eydlich aussage was ihm bedüncke: Und dieses ist also zum Protocoll zu nehmen: .

Damit man aber in der Sache weder zu viel noch zu wenig thue, hat man den N. herbey gehohlt, und ihm anbefohlen den Delinquenten fleißig zu besichtigen, welcher denn nach abgelegten Eyd, die Wahrheit seinem Gutachten nach, zu sagen, eröffnet, daß der Delinquent ohne Gefahr des Lebens nicht gemartert werden könne, auf welche Anzeige man ihn der Tortur entbunden, und ihn zur Verwahrung an seinen Ort führen lassen. Und also siehet man wie bey Vornehmung der Tortur das Protocoll geführet werde, und wie der Actus zu vollbringen sey. Da auch der Delinquent wegen vermuthender Schwartzkünstlerey, zu keinem Bekänntniß zu bringen, welche sonderlich von dem lasterhafften Hexen-Geschmeiß offt und viel gebrauchet werden, und dessentwegen viel Exempel vorzulegen wären, mit was für Worten dergleichen Zettel geschrieben werden; wie vielfältig selbige erfunden, und was sie für Krafft nach sich ziehen; sintemahl dem Tausendkünstler nicht zu viel, daß er durch gewisse auch natürliche Mittel den Leib unempfindlich mache, die Seile unvermercklich nachlasse, etwas verborgenes dazwischen stelle, und die Rede verhalte; ja er kan den Constituten dergestalt entfärben, aufbäumen und verstellen, daß man meynen solte, er sterbe augenblicks davon. Bey solchen Fällen hat eine Obrigkeit sicher zu gehen und nicht alles so gleich Teuflischer Verzauberung und Verblendung zuzuschreiben, sondern die Sache wohl zu untersuchen, aus was für Ursachen, [1506] Delinquent die Tortur überstehe, denn es giebt solche verruchte Leute, welche gleich zuvor von ihren Mitgesellen, dahin abgerichtet werden, daß sie die Tortur als eine gewöhnliche Sache, etwa auf begebenden Fall, ausstehen möchten; ja es kan sich aus natürlichen Ursachen fügen, daß der Leib wegen Anspannung der Nerven gleichsam todt, und in schwehrster Ohnmacht stecken bleibe, oder dem Leidenden nicht möglich sey entweder zu reden oder zu weinen. Oldenkopf Decad. 5. quaest. 10. mit dem daselbst angeführten Zachia. Da aber der Richter nebst seinen Beysitzern erachten, und vermercken kan, daß die Sache nicht recht zugehe, indem der Delinquente die Marter gleichsam verlacht und zu schlaffen anfängt, oder sich übernatürlich aufbäumet etliche Wörter heimlich brummelt, soll man sich nachfolgender Mittel gebrauchen: Vornehmlich lasse man die Hexen und dergleichen Leute durch die Geistlichen ermahnen, daß sie einmahl die Teuflischen Pacte von sich thun, und ihre Seligkeit befördern sollen. Wenn aber solch Zureden nicht verfangen will, pflegt man die verdächtige Person, und zwar Hexen, durch andere Weibs-Personen, die Männer aber durch die Gerichts-Diener, aller und jeder Kleidung gantz mutternackend auszuziehen, sodann mit neuer Bekleidung an den Ort der Tortur zu führen, damit alle Teuflische den Kleidern und Unterhemd anhängende Charakteren, eingedruckte Sprüche, hinweg gethan werden. Wenn dieses aber auch nicht hinlänglich, soll man alle Haare am gantzen Leibe auch an heimlichen Orten, durch jedes Geschlechts hierzu bestellte Personen, abscheren lassen. Denn es sind bisweilen einige Zettel mit besondern Buchstaben geschrieben, in den, in den heimlichen Orten gefunden worden, nach deren Hinwegnehmung der Inquisit so gleich bekennen müssen. Ambrosius Senogall L. 4. c. 7. n. 6. Einige rathen, daß man die etwa an dem Leibe des Delinquenten gebrauchte Salbe, mit warmen Wasser soll abwaschen lassen. Ja man soll wohl acht geben, daß man den Inquisiten an dem Tage der Tortur, kein Brodt, Kuchen, oder dergleichen zukommen lasse, denn in dergleichen Speise sind offtmahls verschiedene Sachen eingebacken gefunden worden. Bey denen Catholischen wird die Krafft des Weyh-Wassers, darein ein und andere Tropffen von geweyhten Kertzen gelassen worden, und andere dergleichen Geistliche Mittel gar sehr gelobt, und auch ihrem Vorgeben nach auch nützlich gebraucht. Wie Johann Christian Frölich von Frölichsburg in seinem Com. über die P. H. G. O. wieder Brunnemann c. g. n. 89. behauptet. Jedoch soll man zu Auflösung dergleichen Stillschweigens keine Teuflische Gegen-Mittel und abergläubische Sachen brauchen, oder dem Henckers-Knechte zulassen, daß sie zu dem Ende einige Suppen vor den Inquisiten zu trincken, zurichten mögen. Oldenkopp Tr. 4. Obs. 54. Oder man pfleget den Delinquenten von dem ersten Gefängniß hinweg und in ein anders zu legen. Oder so einige seyn, die gewisse Worte darunter brummeln, die soll man irre machen, stets anfragen, und nicht zulassen, daß sie die Worte völlig ausmurmeln mögen. Ambrosius c. 4. l. 7. Allwo er auch [1507] ein Exempel erzehlet, von solchen mit allerhand Buchstaben angefüllten Unterhemden, so man einem Delinquenten zugeschickt, ehe die Tortur mit ihm vorgenommen worden. Bey Gelegenheit dieser Materie lehret Guatz in Def. 30. c. 43. daß man bey dergleichen erfundenen Teuflischen heimlichen Pacten die fernere Untersuchung thun und fragen solle, wer ihm, Delinquenten dergleichen zugebracht und gelernet? wie denn solche Leute, nach Beschaffenheit der Sachen, mit einer Todes-, Galeren- oder anderer Straffe belegt werden mögen, jedoch wenn der Zettel nur pure heilige Wörter, aus den Evangelien, oder der Heiligen Bibel enthielte, wenngleich der Inquisit dessentwegen Redloß gemacht würde, lehret angezogener Guazzin, daß er niemahls erlebt habe, daß einer in dergleichen Fällen sey gestraft worden. Wenn die Tortur wieder mehrere mit gleichmäßigen Anzeigen beschwerte Gefangene vorzunehmen wäre, soll die Obrigkeit mit derjenigen Person zu förderst den Anfang machen, von welcher die Wahrheit am leichtesten zu hoffen, dessentwegen soll man von dem furchtsam, schwachen, geringen, anfangen, als von welchen man die Wahrheit eher als von den Starcken zu erwarten hat; daher soll man eher den jungen als den alten martern, denn die Jugend ist unbeständig. Julius Clarus quaest. 64. Ambros. c. 6. n. 2. Ingleichen wenn es Nachbars Leute wären, soll der Nähere zuvor herbey gebracht werden; denn man vermuthet daß dieser vor dem weitern eine bessere Erkenntniß der Wahrheit habe. Ferner soll ein Weib vor einer Manns-Person gemartert werden. Julius Clarus qu. 64. n. 30. Etliche lehren, die Weiber wären halsstarriger, als die Männer, dannenhero es dem richterlichen Willkühr billig zu überlassen ist. Cavolo de Brach. regio. p. 3. n. 133. Oder man soll von dem den Anfang machen der einen liederlichen abgeschmackten Beynahmen hat, denn aus der gleich Zu- und Beynahmen muthmasset man einen schlechten Lebens-Wandel. Item die Person welche sonst in einer üblen Nachrede ist, soll zuerst gemartert werden. Julius Clarus qu. 64. Oder da Vater und Sohn in einer Sache auf die Marter gebracht werden müsten, soll der Sohn im Angesicht des Vaters auf die Marter gebracht werden, in Anlehung daß der Vater durch solches Schauspiel mehr gepeiniget wird, als wenn ihm solches selbst wiederführe Dahero wird vermuthet, der Vater werde zu Verschonung des Sohnes die Wahrheit zuvor eröffnen. Hier wieder aber lehret Guazzin n. 4. daß er diese der Rechtslehrer sonst gemeine Lehre, niemahls in der Erfahrung bekräfftiget gesehen, noch von ihm zur Uebung gebracht worden wäre, weilen nach dem Zeugniß anderer Lehrer der Vater zu Verschonung seines Sohnes, so etwas bekennen könnte, welches von der Wahrheit gar weit entfernet sey; wie denn auch dessentwegen Exempel vorhanden. Nichts destoweniger, weil die meisten der erstern Meynung beyfallen, würde ein Richter nicht fehlen, wenn er nach Beschaffenheit der Sache solcher gleichfalls nachgienge, jedoch müste solch Bekenntniß des Vaters ebenso wohl bestätiget werden als ob es in der Tortur geschehen wäre. [1508] Oder man soll von demjenigen anfangen, welcher mit den mehresten Anzeigungen behafftet ist, item welche in schlimmen Ruf, von übler Gesichtsbildung sind; oder von denjenigen, so zum ersten den Cörper des Ermordeten angetroffen, soferne selbige mit anderwärtigen Anzeigungen noch über dem behafftet seyn: Und diese Lehren haben so wohl bey Torquirung der Missethäter insbesondere, als auch bey den Zeugens-Personen statt. Wiewohl etliche alles dem Richterlichen Ermessen anheim stellen, welchem sie die Tortur am ersten anzuthun vor gut finden würden, welches alsdenn zu verstehen, wenn wieder alle zur Tortur angeschuldigte Personen gleiche Anzeigungen vorhanden, da aber wieder einen nähere oder mehrere vorhanden, soll von selbigen ohne weiteres Nachfragen der Anfang gemacht werden. Julius Clarus qu. 94. n. 28. Es geschieht zuweilen, daß der Delinquent die That zwar gütlich bekennet, jedoch aber einen Umstand vorschützt, krafft dessen das Verbrechen vom bößlichen Vorsatz abgesondert und die ordentliche Straffe vermieden wird: als z. E. der Peter hat zum Paul, indem er ein Pistol von der Wand heruntergenommen, gesagt: Schweig stille oder ich erschiesse dich! Die Pistole gehet loß, der Paul wird erschossen; der Peter wendet ein, er habe nicht vermeynet, daß die Pistol geladen wäre, oder das Pistol sey ohne den Hahn aufzuziehen loßgegangen, oder er habe den Paul wegen abgerungener Nothwehr so nicht erweißlich erschiessen müssen. Oder es sey aus gehabter Vollheit und wieder Willen geschehen etc. Bei solchen Umständen ist bey den Rechtsgelehrten keine geringe Streitfrage, ob die Bekänntniß mit solcher Ausflucht begleitet und vermindert, angenommen werden solle oder nicht? Oder ob nicht vielmehr der Delinquent zu Beweisung solcher seiner Ausflucht in Ermangelung andern Beweises, die Tortur hierüber auszustehen habe? Hierinne wird von ihnen dieser Unterscheid gesetzt: Es gestehet entweder der Delinquent die That oder läugnet solche gleich anfangs, im Fall da er solche läugnet, hernachmahls aber überwiesen wird, und sich mit der Schutz-Rede zu behelffen sucht, er habe den Paul aus abgenöthigten Nothwehr umgebracht, in diesem Fall lehren sie, Julius Clarus qu. 55. n. 17. daß keine Tortur vorgekehret werden möge; jedoch diesem entgegen lehret Guazzin Def. 31. c. 7. n. 3. nebst andern daselbst angezogenen, daß im Fall wieder den läugnenden Inquisiten andere Anzeig- und Muthmassungen vorhanden wären, solcher durch mittelmäßige Tortur jedoch erst nach erhaltener Frist zu seiner Schutz-Schrifft zu wahrer Erzehlung der Sache angehalten werden könne, weilen ein für allemahl die Art also zu antworten eine Sache voller Argwohn, und genug ist, daß der Richter die Wahrheit auf alle mögliche Weise erforsche. Wiewohl der Inquisit zu Darthuung seiner Unschuld andere gegenseitige Ausflüchte vorbringen darff. Oldenkopp Obs. 19. Tit. 4. Da aber der Delinquent gleich anfangs bekennet und sagt: Ja er könnte nicht in Abrede seyn daß er den Peter erschossen etc. allein es sey wieder Willen und abgedrungener Weise geschehen, sind etliche Rechtslehrer [1509] der Meynung daß dergleichen Antwort nicht zuzulassen, sondern der Inquisit zu einfacher purer Antwort anzuhalten sey, sintemahl nur die unerfahrnen Richter dergleichen Aufzug zulassen. Lanfranc in Cap. Quoniam. n. 22. de Confess. ff. Es ist aber der Billigkeit zuwider daß diese zur Vertheidigung des Delinquenten gereichende Antwort, nicht zugelassen werden solle, weilen sich ja dergleichen unversehene Fälle in der Welt, wider eines Thäters Willen, wohl zutragen mögen. Andere hingegen lehren, daß man dem Thäter eine Frist, zu Ausführung der vorgeschützten Ausflucht und Beschaffenheit, anberaume und zulasse, und nach deren Verlauff im Fall nichts erwiesen worden, selbigen mit der Tortur ohne Anstand angreiffe, daß er die That ohne den Umstand bekenne. Ja wenn die Tortur so etwa zu gelinde geschehen, überstanden wäre, sollte man dergleichen Inquisiten völlig auf freyen Fuß stellen. Guatzin d. l. n. 3. Die besten aber sind dießfalls jene, welche lehren, daß dergleichen Antwort für bekannt angenommen werden müsse, mit Verwerffung des angefügten Umstandes; jedoch dergestalt, daß dem Inquisiten eine Frist zu Erweisung seiner Ausflucht zugelassen werde, wenn aber nach Verfliessung solcher und durch geführte Schutz-Schrifft solcher Umstand und Ausflucht nicht erwiesen würde, soll der Delinquent solcher ungeachtet, ohne weitere Tortur gestrafft werden. Julius Clarus quaest. 55. n. 16. Guazzin d. l. n. 3. vers. alii autem. Wie denn auch Oldenkopp nebst dem Galio Lib. de pac. publ. c. 18. n. 6. und c. 17. n. 10. die Tortur in dergleichen vorgeschützten Umstande und Ausflucht vorzunehmen, für unnöthig halten. In dieser Materie aber ist zu wissen, daß niemand muthwillig torquiret werden solle, wenn ein und andere vernünfftige Ursache vorhanden, daraus die Beschirmung und Vertheidigung des Inquisitens abgenommen und geschlossen werden kan. Andreas Fachinäus L. III. Contr. 82. n. 12. Ja ein dergleichen Einwendender, falls er mit Beweisung der abgetrungenen Nothwehr oder anderwärtigen vorgeschützten Umstandes, einkäme, soll nicht mit der ordentlichen, sondern mit einer ausserordentlichen Straffe belegt werden: Es wäre denn das Gegentheil vorgeschützten Umstandes im Processe durch Zeugen bestärcket worden; Siehe Farinac quaest. 81. n. 157. Es ist auch nach gemeinen Rechten eine ausgemachte Regel, daß einer, wiewohl er eine gewisse Uebelthat bekannt hat, über noch mehrere nicht peinlich befragt werden solle, L. 1. in Princ. ff. de quaest. L. milites §. oportet. C. eod. daher vor würcklicher Tortur, nicht vor dem Corpore delicti, Gewißheit, und der Bekennende mit gnugsamen Anzeigen behafftet wäre. Julius Clarus qu. 64. n. 44. Und zwar also, daß die durch dergleichen unrechtmäßiger Weise unternommene Tortur, herausgebrachte Geständniß, null und nichtig, und der Proceß von neuen angefangen werden muß; denn ob zwar Menoch L. II. Cent. 6. Cas. 523. von etlichen Fällen redet, in welchen die Anfrage auf eine andere Uebelthat, aus dem Bekenntniß der einen geschehen mag, so sind doch die Fälle also beschaffen, daß eine That die andere [1510] gleichsam nach sich ziehet; als z. E. Wenn die erste bekennte Uebelthat für ein Anzeigen der andern gehalten werden kan: Einer bekennte einen Ehebruch, und der Ehemann wird todt im Bette gefunden, daraus entspringet sogleich eine Anzeigung des Todschlags auf den bekennenden Ehebrecher: Denn wie Crusius de indiciis lehret; so ist ein Laster eine Anzeige des andern. Oder, da das Bekannte ein Umstand oder vorläuffige Sache von der andern Uebelthat wäre; als wenn einer mit Weibs-Bildern verdächtigen Umgang hätte, könnte selbiger auch wegen fleischlicher Vermischung befragt werden. Jedoch werden auch die Anzeigungen erfordert, welche zur Tortur genug seyn. Denn wie Oldenkopp qu. 8. Decad. 2. lehret, ist nicht genug, daß eine Anzeige von der andern abhangend sey; sondern es wird erfordert, daß selbige eine der That gantz unzweiffelhaffte nächste Anzeige sey, und darüber der Inquisit seine Schutz-Schrifft bereits eingereichet hat, in Ermangelung dessen, könne man ohne Nullität keine Anfrage, wenn es auch nur zufälliger einfallender Weise wäre, währender Tortur, ergehen lassen. Denn obwohl einige Italienische Lehrer des Peinlichen Rechts fürgeben, daß man einen wegen bekennter Uebelthat auch auf die andere martern könne, wenn gleich sonst keine genugsame Anzeigungen vorhanden wäre, so sind sie doch eines theils darinne nicht einig, anderntheils verwerffen die Teutschen solches gäntzlich, Guatzin Def. 3. c. 8. n. 5. es wären denn verleumdte übelbeschriene ärgerliche und Landkündige Mörder, Banditen, Strassen-Räuber, so sich an solchen Orten aufgehalten, alwo verschiedene Uebelthaten begangen worden. Denn dergleichen Leute sind aus Bekenntniß einer Straßenräuberey, auch wegen anderer an solchen Orten vorgegangenen Todschläge und Raubereyen bezüchtiget, also daß man sich zu ihnen mehrerer geschehener Mordthaten wohl versehen kan. Menoch. de arbitr. Cent. 6. Cas. 523. n. 6. Es ist auch ferner nach den Rechten wohl erlaubt, daß der Inquisit in solchen Uebelthaten, welche ohne eines Dritten Beyhülffe und Beystand nicht geschehen können, wegen Benennung solcher Helffer, insgemein, befragt werden möge; allhier aber ist weiter zu sehen, wie ein Delinquent, der die Uebelthat bekennet, oder dessentwegen überwiesen worden. Item ein im Bann und in der Acht betretener Delinquent, wegen der Aufhalter, Verheler und Unterschleiffgeber, bey nicht verfangender Güte, peinlich befragt werden solle. In diesem Fall nun ist mit guter Vorsichtigkeit zu beobachten, ob die Mithelffer, Gespan, Aufhälter, Unterschleiffgeber, oder auch anderwärtige die Uebelthat beschwerende Umstände, nicht ohne diß aus dem Proceß erscheinen, denn wenn solche Erkenntniß ohne die Tortur in Acten zu finden, und einer dennoch torquirt würde, könnte ein Fürsprecher in seiner Schutz-Schrifft einbringen, daß die Tortur unrechtmäßig vorgenommen, und dem Delinquenten, wegen bereits ausgestandener Marter die ordentliche Straffe zu vermindern sey. Guatzin Def. 30. c. 9. n. 5. Da aber ja die Tortur wegen beschwerender Umstände oder Benennung der Mitgespan etc. ergriffen werden müste, soll selbige über eine halbe Stunde lang [1511] nicht zuerkannt werden. Julius Clarus qu. 64. verb. Veritas enim. Denn sonst wenn die Tortur geschärffet oder verlängert würde, und der Delinquent bey seiner Verneinung beharrete, würde solches die ordentliche Straffe mildern, wenn gleich zierliche Protestations-Clausuln beygesetzt worden wären. Julius Clarus qu. 64. n. 8. Ferner soll man bey dergleichen Tortur, so zu Benennung der Mithelffer angesehen, die Haupt-That, so einer bereits bekannt, oder deren er überwiesen worden, nicht berühren, denn sonst würde die Auslegung wieder das Gerichte gemacht, als welches von der einem dergleichen Actui angehängten Protestation gutwillig abgewichen, und der Delinquente über die Haupt-Sache, wäre verhört worden, in welcher Auslegung auch die bereits erhobene Bekenntniß, oder Beweisung, im Fall der Torquirte widerspräche, aufgehoben würde. Gram. Decis. 60. n. 1. Ambrosius L. VI. c. 4. n. 9. Wiewohl dessen Glossator h. t. n. 9. lehret, daß ein Ober-Gericht die durch Bekenntniß der Ueberweisung erhaltene Probe nicht aufheben, noch die ordentliche Straffe mildern, sondern vielmehr die Unerfahrenheit der Obrigkeit an den Tag legen würde, da selbiges dessentwegen eine Milderung der Straffe vorkehrte, so aber nicht allerdings thulich scheinet. Der Delinquent wird aber alsdenn von der Haupt-Sache für angefragt gehalten, wenn er nicht allein von der That selbst, sondern auch von deren anhangenden Umständen und Beschaffenheiten ausgefragt würde. Mod. Tom. qu. 40. n. 33. inf. Ja es kan diese Tortur nicht wiederholt werden, als wie jene, so gegen den Delinquenten auf und für seine Person, fürgekehret wird. Guatzin Def. 30 c. 9. n. 12. Noch weniger soll jemand ohne vorhergegangene Bekenntniß oder Land-Gerichtlicher Ueberweisung, mit dergleichen Protestation angefragt werden, denn in allen Fall, würde auf verharrendes Abläugnen, auch die Haupt-Anzeigung gegen den Delinquenten aufgehoben. Ja wenn gleich der Delinquent bey so beschaffener Tortur, eine Antwort auf die Hauptsache ertheilet, soll man auf Seiten des Gerichts alsofort protestiren, daß man ihn vor dießmahl nicht wegen dieses Puncts der ohnedem schon erwiesen, befrage, sondern er solle sagen, wer ihm geholffen: wie denn dergleichen Antwort mit den Worten anzumercken; von sich selbst meldende: damit man sehen möge, daß er in der Haupt-Sache nicht befragt worden, wie dieses alles aus nachgesetztem Formular zu ersehen.

 

Actum den etc.

Coram etc.

In Beyseyn ut supra.

Ist der N. nach abgelegten Eyde wegen der übrigen die Wahrheit zu sagen, und auf Verwarnung vor dem Meyn-Eyd, weiter befragt worden, wie folget:

Befragter solle nunmehro sagen, was er für Mithelffer gehabt, da er die bekannte Summe Geldes weggetragen?

Er habe keine Mithelffer gehabt, sey alleine gewesen.

Seye nicht wahrscheinlich daß er nur allein gewesen, und keine Mithelffer gehabt habe, weilen aus allen Umständen erscheine, daß ihrer nothwendig [1512] mehr bey dieser Entwendung gewesen seyn müsten, solle also die Mithelffer anzeigen, denn wiedrigen Falls würde er verursachen, daß man wider ihn mit dem gebührlichen Rechts-Mittel verfahre;

Er habe keine Mithelffer gehabt, könne niemand anzeigen, man möge mit ihm machen was man wolle.

Auf solches halsstarrige Abläugnen, weil aus dem Proceß klar erscheinet, daß zu solcher Entwendung ihrer mehr gewesen seyn müssen, wie auch der Zeuge N. in dem Untersuchungs-Proceß ihrer mehr tragen gesehen, aussaget, auch nicht wahrscheinlich, daß dergleichen grosse Summe durch den Delinquenten allein habe fortgebracht werden können, von dem Befragten aber über vielfältiges Ermahnen, keine andere Eröffnung der Wahrheit erhalten werden können, ist von dem Gericht erkennet worden, daß er an den Ort der Tortur geführet, allda entblösset, gebunden mit dem Seil aufgezogen, längstens eine halbe Stunde lang gehalten werden solle, und dieses zwar ohne Nachtheil und Abbruch, aller dem Fisco bereits erhaltenen Rechte, geschehener Bekenntniß, Ueberweisung oder anderer Ursachen, als über welches ein Löbl. Gericht ihn Delinquenten zu torquiren keinesweges Willens ist, wie denn wider dergleichen Auslegung an Seiten des Gerichts ein für allemahl ausdrücklich protestiret wird, sondern allein zu mehrerer Eröffnung der Wahrheit, wer ihm bey der bekannten Dieberey geholffen, Theil gehabt, Unterschleiff gegeben. etc. und auf keine andere Weise noch Wege nochmahlen zierlichst darwider protestiret wird.

Und als der Befragte an den Ort der Tortur gebracht worden, hat man ihn abermahls gütlich ermahnet; er sehe an was für einem Orte er sich befinde, solle GOtt den Allmächtigen für Augen haben, die Wahrheit eröffnen, seiner Seelen Seeligkeit beobachten und doch in Güte sagen, wer ihm zur bekannten Dieberey gerathen, geholffen, darvon genossen,

Antwort: Niemand, habe es schon gesagt.

Auf welche Wiederspenstigkeit denn, mit wiederhohlter Protestation, der Befragte mit Stricken gebunden und in die Höhe gezogen worden.

Welcher also erhöhet, angefangen zu schreyen;

Ach! Ach H. Maria etc.

Und als er von den Gericht ermahnet worden, er solle von seiner Halsstarrigkeit abweichen, und die Wahrheit eröffnen, wer seine Helffer und Mitgespann gewesen etc.

Antwort: Ich habe keine Helffer gehabt, noch Rathgeber.

Von ihm selbst meldend:

Ich hab es nicht gethan, ich hab mich selbst verlogener Weise angegeben.

Delinquent werde nunmehro über die von ihm bereits in Güte bekannte Dieberey, so viel ihn anbetrifft nicht gefragt, sondern soll nur sagen, wer ihm hierzu gerathen, geholffen etc.

Niemand, habe es schon gesagt.

Da nun die zuerkannte Maaß der Tortur und die Zeit vollendet worden, ist selbiger der Tortur entlassen, die Glieder eingerichtet, angekleidet, und an seinen vorigen Ort in Verwahrung geführet worden. [1513] Wenn nun solcher gestalt der Gefangene mit der Tortur angegriffen worden, so erhält man dessen Bekänntniß oder nicht. Ist jenes, so muß solches alsdenn durch dessen weiter gütliche Verhör ratificiret, und alsdenn die ihm deshalber zu dictirende Bestraffung des fördersamsten vollzogen werden, letztern Falls aber wird derselbe nach überstandener Tortur entweder völlig frey und loß gesprochen, oder nach Befinden nur ausserordentlich bestrafft. Und hierinnen bestehet eben dasjenige, was

 

III. Nach der Tortur

 

in den Gerichten zu besorgen vorfällt, und wovon theils unter besondern Artickeln hin und wieder, theils auch besser unten unter dem Artikel Tortur, (Würckungen der) mit mehrern gehandelt wird. So viel aber hiernächst die Chur-Sächsischen Rechte ins besondere betrifft; so wird daselbst die Marter in die blosse Territion und würckliche Torur getheilte Rescript von 1703. Auch hat die letztere drey verschiedene Grade. Ibid. Es werden aber so wohl in der Verbal-Territion, als wenn der erste, andere und dritte Grad denen Delinquenten zuerkannt ist, ihnen die zur Peinlichkeit gehörigen Instrumente allerseits fürgezeiget, Ibid. Wenn ein Inquisit durch Appellation, oder Simulirung einer Kranckheit, oder an irgend einigerley Wege, boßhaffter Weise den Actum der Tortur unterbricht, ist solche hernach wieder von [v]orne anzufangen, Ibid. die Appellation auch nicht zu attendiren, wenn er keine Defension zu führen begehret, Ibid. oder allbereits eine übergeben hat. Ibid. Gestalt, wenn er vorhero keine Defension geführet, er, ob er solche noch führen wolle, in Zeiten ausserhalb des Orts der Tortur zu befragen. Ibid. Wie offt die scharffe Frage zu wiederholen, beruhet darauf, ob die Verbrechen geringe, oder schwer. IX. Sonderl. Constit. Im erstern Fall wird solche über zweymahl nicht zuerkannt, Ibid. im letztern aber bis zum drittenmahle wiederholet. Ibid. Doch müssen allemahl neue, und von den erstern, darauf der Gefangene angegriffen worden, unterschiedene Indizien vorhanden seyn. Ibid. Weiter aber ist die Tortur nicht herzunehmen, obgleich erstern Falls zum 3ten u. letztern Falls auch hernach andere neue sonderliche Indicien vorfielen u. dargethan würden. Ib. Sondern es werden dem Gefangenen in solchem Falle Verweisung u. andere Straffen auferleget. Ibid. Wenn ihre viele einen Todschlag begangen, wird dieselbe nur demjenigen, wider welchen die zur scharffen Frage genugsame Indicien vorhanden, Constit. 7. P. 4. ausser dem aber allen nicht zuerkannt, sondern sie in willkührliche Straffe vertheilet. Ibid. Wegen vorgeschützter Nothwehr wird allein im Mangel des Beweises, die scharffe Frage zuerkannt, Const. 8. P. 4. wenn einer aber nur etwas beweisen kan, oder Vermuthungen vor sich hat, nicht darauf, sondern auf willkührliche Straffe gesprochen. Ibid. Wegen eines Duells, dabey keine Entleibung vorgegangen, wird zur Peinlichkeit nicht verschritten, Mand. 1717. Resol. 1717. sondern nur auf den Reinigungs-Eyd erkannt. Ibid. Nach [1514] Gelegenheit der Umstände wird auch bey dem Verfahren wider Banckquerotirer auf die Tortur erkannt. Banqu. Mand. §. Besondere Abhandlungen Tortura & Quaestionibus haben geschrieben, Johann Zanger, Heinrich Bocer, Thomas Mezger, Johann Otto Tabor, Ambert von Antramonia, und Franz Brunus. Sonst aber können hierbey auch noch nachgelesen werden, Christian Thomasius in Disp. de Tortura ex foris Christianorum proscribenda., Paul Christinäus Vol. IV. Dec. Belg. 204., Ludwig Gilhausen in Arb. Crim. c. 6. Part. 7. fol. 15. u. ff., Jacob Omphal. de Usurp. Leg. Lib. V. c. 17., Bertoch. in Promt. Jur. Vol. II. v. Tortura., wie auch Speidel in Bibl. Jurid. Vol. II. v. Tortura p. 1177. u. ff. nebst vielen andern von diesen wiederum angezogenen Rechts-Lehrern; desgleichen Johann Grevius in Tribunali Reformato, Schaller in Parad. de Tortura in Republ. Christiana non exercenda, Bodinus in Disp. de Torturae abusu & usu, Wilhelm Zacharias Cramer Diss. de Tortura, ejusque usu & effectibus, Leipz. 1742, Johann Heinrich Duyff Disp. Inaug. de Quaestionibus, Gröningen 1714, Böhmer in Disp. de eo. quod justum est circa Torturam Valetudinariorum. Sonst haben auch von dieser Materie disputiret: Tabor zu Giessen 1669. Strauch zu Wittenberg 1652. Theodorici und Richter zu Jena 1659. Meier zu Leipz. 1668. Bodinicus zu Halle 1697. und Ziegler zu Wittenberg1689. Die Weise aber zu torquiren bey den heutigen Russen, beschreibet Adam Olearius in seiner Moscowitischen und Persianischen Reise-Beschreibung Lib. III. p. 272., bey denen Sinesern Juan Gonzales de Mendoza dans Histoire du grand Royaume de la Chine Part. I. Lib. III. Cap. X. Bei denen Japanern mit dem Holländischen Brenn-Wasser, wodurch viel tausend Christen zur Verläugnung gebracht worden, Arnold Montanus in der Gesandschafft an unterschiedliche Kayser von Japan, in fine. So ist die Tortur in Persien auch üblich, und wird daselbst die Wahrheit wohl mit glüenden oder andern Kneip-Zangen heraus zu ziehen gesucht; meistens aber wird das Bekänntniß mit Stockschlägen auf die Fuß-Sohlen, oder mit Riemen- oder Geissel-Streichen, auf den Rücken erzwungen. Allermeist wenn der Obrigkeit daran gelegen ist, die Mitschuldigen oder die Heler, oder andere Umstände zu wissen. Denn zur Bestraffung eines Missethäters selbst, werden Beweißthümer, und kein Ja-Wort oder Bekänntniß desselben erfordert, und zu dem Ende keine Tortur gebraucht. Gegenwärtiger Staat von Persien c. 9. p. 226.

 

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Bildmaterial Tortur