BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Bettine von Arnim

1785 - 1859

 

Armenbuch

 

Entwürfe

 

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< Das sogenannte Nachwort >

< Variante zum Schluß der vierten Fassung >

 

<hier geht der Seegen des Bettlers> Vergelts Gott tausendfach auf seine eignen Kosten in Erfüllung, denn daß er sein darbendes Leben so fortschleppt und nicht ganz verschmachtet, das muß er tausendfach durch seiner Hände Arbeit dem Wucherer einbringen dieser aber zieht seine Berechnung des Gewinns und Verlust und bringt dabei sein himmlisches Verdienst in Anschlag die kein Teufel ihm bestreiten wird, der macht ihm noch eine Auslegung dazu wie sie zum Handhaben des Regiments dort paßt, denn wollte man Gehör geben dem Jammergeschrei von 70 000 Kehlen, man wär seiner Sinne nicht mächtig man könnte ja sein eigen Wort nicht hören, man könnte ja doch nur sie verderben laßen. so werden Trost und Beweißgründe So werden Angelegenheiten und Ungelegenheiten der Zeit im Bette des Procrustes zurecht gerückt vom Gelehrten Beamten und Politicker an die Wand gemalt und alle Cabinetsordern gehen aus dem Kabinet der Schildereien hervor wozu der Teufel das Licht gehalten, sie verbreiten ein narkotisches Helldunkel mit gemalten Aussichten träumerisch hinhaltend, aber einmal wenn das Blendwerk verwischt ist und die Wahrheit durch den entzauberten Vorhang dringen wird. Wie wird dann der Teufel Euch seine Malergesellen lohnen? als nur womit Ihr wuchert mit der Macht seines Betrugs.

Rede ich zur Armuth so rede ich zum Volk. Denn keiner ist arm der nicht zum Volk gehöre! – Ihr vielen Armen wo ist der kühne Rathgeber der die Chimäre Eures Elendes wie trägen Nebel zertheile der Euch aus Eurem Arbeitschacht heraufbeschwöre ans Licht und aus dem Darrofen des Leibes Euch hervorziehe? – aus der Spinnschule der Lachesis die Euren Lebensfaden abreißt wenn er zu dünn wird für das grausame Staatsgewebe des Wuchers? – Denn das Paradies des freien Geistes, der allein die Lösung vermöchte ist nicht mehr! – Denn die Sinnenbetäubte Armuth die Tag und Nacht den Dornenpfad wandelt der Erbittrung über ihr Elend, und mit überreizter Spannkraft sich durchzureißen arbeitet, die kann nicht frei denken; sie hängt stöhnend am Vaterlandsboden der ihr keine Frucht bringt, aber sie fluchet ihm nicht, sie stürzt schuldlos in den Abgrund, über den hinüber fragt Ihr Autoritäten des Vaterlandes und Behörden gemeinnütziger Wissenschaften

 

Ob die Klage über zunehmende Armuth gegründet sei?

Was die Ursachen und Kennzeichen sind der Verarmung?

Durch welche Mittel einer zunehmenden Armuth könne

gesteuert werden.

 

Diese Fragen welche die Noth des Augenbliks gleich Hirngespinnsten übergehen werden eben so blöde eben so schnöde von einer unterthänigen Antwort übergangen. Durch die Nebel ihrer Vorurtheile ihrer hochmüthigen Philosophie bricht keine Spur lebendiger Geisteswirkung hervor, und zulezt entsteht noch die Frage ob nicht dies Verhängniß des Armen eigne Schuld sei! – Ein Beweiß wie unnütz Ihr fragt! –

Die Schuld von sich abzuwälzen und was zu verbieten ist das versteht sogar der Teufel, aber das Elend auf sich zu nehmen und das rechte Gebot thun, das bekundet den <Geist der vom> Genius der Menschheit erleuchtet gelenkt wird. Der Teufel vertheidigt sich selbst und verwahrt sich gegen alles Mißlingen, dem Hochmenschen so bald er andre zu schützen hat als sich selbst wächst in der Zeit der Bedrängniß der Vertheidigungsmuth. Wer niedrig eigennützig kriegend denckt der ist des Teufels und kein Hüter noch Verfechter der Menschenrechte, wer aber nun dem Genius <der Menscheit anhängt steht auf seiner eigenen Magna Carta die ihm kein Teufel streitig macht. Denn wer die Kraft besitzt, hat das Gefühl derselben, und darf unternehmen> was Andern Vermessenheit wär!

und während die Verflachung es wagt mit platter Kritick die Thaten und Sitten des Genies zu verfolgen bilden diese die Höhen an denen spätere Jahrhunderte aus einer faulenden moderigen Welt eine grünende, aus einem Winter einen Frühling bilden, Was der Begeisterte thut das erhöht und verklärt ihn sein Recht, über den Pferg der Sitte hinauszuschreiten ein Höheres zu wählen als blos Recht nicht Unrecht thun ist er bestimmt durch eine Unendlichkeit von weckenden Reizen die edle lebens linie ist keine die man mit dem Lineal der Convenienz berichtigen kann nein sie ist eine ewig Begeistrung aus sich selbst strömende und in sich verschlingende Wellenlinie, eine große Idee an der sich eine starke Seele erzieht die einem großen Welterfolg sich opfert – ihr Glaubensmuth ist entscheidend. Der Feige hat keine Richtung, er bestimmt seiner Welt die Himmelsgegend mit seinen feuerflügeln schlägt und peitscht er das Wolkenheer der Vorurtheile zunichte. O Seelig wer einer großen Idee lebt die er höher achtet als Ruf und Nachruf, als Ruhm und Tadel. Ich verachte beide. Die reine Idee ist kalt und ruhig denn sie ist ihrer auf ewig gewiß; wo irgend ein moralisch Kraftgenie leicht für einen Abend auflodert <ist> sehr bald die Flamme ausgeweht. Moral ist Nüchternheit, aber nüchtern und bestimmt ist das wesentliche vom Heldenthum! –

Wer in der Despotie Antheil nimt am Schuldlosen der wird ein Opfer seiner Theilnahme auf den Schuldlosen Opfern ruht die Verläumdung. aber die hohe Seele hoffet länger das hohe denn die niedere ich habe mich des Hofman von Fallersleben angenommen, Aber wie wird alles im Rausche der fortziehenden Zeit übertäubt und vergessen, welche hohe Gestalten stiegen nicht aus dem unreinen Strom und blühten und trugen Früchte, der Menschheit, während sie herabgewürdigt wurden Warum sollte der begeisterte Wille durch die höhnende richtende Menge hindurch nicht einen Glaubens und Überzeugungsgenossen finden einen Vertheidiger und Unterstützer, und ich sehe ihn und ich wähle ihn mir, einen einzigen als Märtyrer der Thaten die im Einverständniß mit meinem Willen über meinem Grab noch aufblühen werden, und das Herz das sie aufnimt blüht neu auf über dem Erdentod der Gemeinheit und Zaghaftigkeit entbrennt die Seele und sagt die kühne Wahrheit und opfere was die Hohe That von ihm fordert