BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Gedichte 1816 - 1819

 

1817

27. Februar: Generalbeichte Brentanos und

Rückkehr zum katholischen Glauben.

Die Erzählung «Geschichte vom braven Kasperl

und dem schönen Annerl» erscheint.

August: Die Erzählung «Die drei Nüsse» erscheint in der Berliner

Zeitschrift «Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz».

Oktober: Die Erzählung «Die mehreren Wehmüller...»

erscheint in der Berliner Zeitschrift «Der Gesellschafter».

Dezember: Brentanos Bruder Christian berichtet von seinem

Aufenthalt bei Anna Katharina Emmerick in Dülmen.

Ende Dezember: Brentano gibt zusammen mit Luise Hensel

Friedrich Spees «Trutz Nachtigall» neu heraus.

Die Druckfassung der «Viktoria» erscheint.

 

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O schweig nur Herz! die rächende Sibille

Die über deiner Zukunft, Wehe! kreischt,

Den giergen Geier, der dich lang zerfleischt,

Bannt ein gottselig Kind, und deckt ganz stille

Die schreinde Wunde dir mit Taubenflügeln,

Weckt dir den Morgenstern auf stummen Hügeln.

 

O schweig nur Herz! horch Klang von Engelschwingen

Was zuckst du so, du mußt fein leise tun,

Wo man dir singet, wie so sanft sie ruhn,

Die Seligen, dahin wird man dich bringen,

Sei still, was schreist du, einsam ist kein Leben,

Kein Grab, schlaf süß, die Liebste träumt daneben.

 

O schweig nur Herz! du hast ja nichts besessen,

Du läßst ja nichts zurück, wem trauerst du?

Auch deines Himmels Augen fallen zu,

Doch seiner Liebe Licht strahlt ungemessen

Brichst du, bricht jenes Herz? wer bleibt, wird sagen,

O schönre Lust, halb hier, halb dort zu schlagen!

 

O schweig mein Herz! Du magst wohl selig schweigen,

Was schreist du nur, dir fiel kein Sünderlos,

Dich wiegt die Unschuld ohne Graun im Schoß,

Aus frommen Augen blickt dein Himmelszeichen.

Sei ihr nicht schwer, sei selig, träume, schwebe,

Wein um die Traube nicht, wein mit der Rebe.

 

O schweig nur Herz! Sonst schimpft dich einen Raben

Die Liebste, die nur Tauben Futter gibt,

O werde rein und fromm, bis sie dich liebt

Werd eine Taube, die nur will sie haben.

O selig! ihr als Taube zu gehören,

So lange sie sich wird der Raben wehren.

 

O schweig nur Herz! Und lerne selger schauen

Als andre in die Huld, die sie umgibt,

Daß sie dir mehr als allen andern gibt,

Das zwinge sie dir einst noch zu vertrauen.

Schweig, dulde, glaube, hoffe, liebe, baue

Dein Elend fromm, daß sie dir ganz vertraue!

 

Januar 1817 (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Ach alles geht vorbei

Selbst dieser Unverstand

Den ich in einer wunderselgen Stunde,

An einer Wand empfand

Hat nicht Bestand.

 

Ja alles geht vorbei,

Doch daß ich auferstand,

Und wie ein Irrstern ewig sie umrunde,

Ein Geist den sie gebannt,

Das hat Bestand.

 

Ja alles geht vorbei,

Nur dieses mag'sche Band

Aus meines Wesens tiefstem Grunde

Zu ihrem Geist gespannt,

Das hat Bestand.

 

Ja alles geht vorbei

Doch ihrer Güte Pfand,

Jed' Wort aus ihrem reinen lieben Munde

Folgt mir ins andre Land,

Und hat Bestand.

 

Ja alles geht vorbei,

Nur eines ist kein Tand,

Der Geist, der mir in diesem heilgen Bunde

Vom Himmel ward gesandt,

Der hat Bestand.

 

Ja alles geht vorbei

Doch Sie, die mich erkannt,

Den Harrenden, wildfremd an Ort und Stunde,

Gieng nicht vorbei, sie stand

Reicht mir die Hand.

 

Ja alles geht vorbei,

Doch diese liebe Hand

Die ich in dunkler freudenheller Stunde

An meinem Herzen fand,

Die hat Bestand.

 

Ja alles geht vorbei,

Nur dieser heiße Brand,

In meiner Brust, die bittre süße Wunde,

Die ihre Hand verband,

Die hat Bestand!

Gut Nacht.

 

Januar 1817 (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Frühes Lied

 

Fahre fort mit Dornenschlägen,

Weiße Rose: meinem Herzen,

Dem verbrannten, quillt ein Segen

Aus den Tränen, aus den Schmerzen.

 

Breche ganz mein altes Leben:

Ich muß dir, die so erschienen,

Einen bessern Bruder geben,

Gott und dir in ihm zu dienen.

 

Alles muß von dir ich nehmen,

Kann dir nichts, ach gar nichts geben;

Denn du mußt den Drachen zähmen,

Um dem Herrn den Schatz zu heben,

 

Sieh, ich beug mich dir zu Füßen,

Du Erbarmen, weine nieder;

Lehre mich, wie du zu büßen,

Tränenquell der frommen Lieder.

 

All mein Letzen und Verletzen,

All mein Lügen, Trachten, Scheinen,

Darauf sollst den Fuß du setzen

Und so im Triumph erscheinen.

 

Alles, was du still gelitten,

Deine Not, dein fromm Entsagen,

Hat auch mir das Herz durchschnitten,

Doch du, du hast es getragen!

 

Alles, was du je getragen,

Sieh, das hab ich all verschuldet:

Meine Schuld hat dich geschlagen,

Und du hast so fromm geduldet.

 

Und nun trägst du dies versunkne,

Das dich marterte, dies Herz,

O du Gottesmitleidtrunkne,

An dem deinen himmelwärts!

 

Dieses Lied ist eine schöne Entdeckung für mich geworden, nachdem andre Leute von ihr erfahren haben, ich habe mich ganze Tage vor ihr in die Stube niedergelegt, und sie gebeten mich mit Füßen zu treten, und sie habe es dann aus Ekel getan, und ich hätte dann über meine Schlechtigkeit geheult und geklagt.

 

Anfang 1817 (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Frühmorgenlied vom Kirschblütenstrauß,

schweren Stein und des lieben Herzens

Güte und Segen

 

22. Mai 1817

 

Geschämig tritt die falbe

Aurora vor das Himmelshaus,

Da legt die graue Schwalbe

Fromm plaudernd ihr die Träume aus.

 

Da sinken in das Blaue

Der Sterne Geisteraugen ein,

Da wäscht sich in dem Taue

Das Licht den Sonnenschleier rein.

 

Mich weckend summt die Mücke

Am Fenster, möcht zum Licht hinaus,

Da lenk ich meine Blicke

Auf einen Kirschenblütenstrauß.

 

Der Strauß, von dir gepflücket,

Er hielt die Blüten fest bis heut,

Doch hat sich heut gebücket

Und seinen Schmuck umher gestreut.

 

Die Blätter aber strecket

Er frisch noch zu dem Lichte aus,

Zum Licht, das mich erwecket,

Und dich und deinen treuen Strauß.

 

Vergib, geliebtes Leben,

Daß ich zuerst an dich gedacht,

Kann ich zum Licht noch streben,

So ist's, weil mir's in dir erwacht.

 

Was wär mir dann die Sonne,

Schien sie nicht in die Augen dein,

In ihnen wird sie Wonne,

In meinen wird sie Feuerpein.

 

Wohin ich in der Kammer

Die irren Blicke schweifen laß,

Schlägt mahnend mir ein Hammer

Ans schwere Herz, ohn Unterlaß.

 

Die Bücher und die Bilder,

Die geizig ich zusammentrug,

Sie schreien immer wilder,

O stein'ger Acker, stumpfer Pflug!

 

Die Steine wollt ich wälzen

Zu einer freien Aussicht Lust,

Es wuchs daraus ein Felsen,

Der fiel zurück auf meine Brust.

 

Zerschmettert, unbegraben

Lag ich in Wind und Wettersnot,

Es fraßen mich die Raben,

Ich starb und starb doch nie zu Tod.

 

Es wollt kein Vogel singen,

Als wäre dieser Stein verflucht,

Es wollt kein Quell entspringen,

Der meine heiße Kehle sucht.

 

Nur Kröten, Ottern, Schlangen

Umkrochen kalt mir meine Brust,

Daß Kühlung ich empfangen

Selbst von dem grimmen Ekel mußt.

 

Und wenn ich glühend weinte,

Verzweiflung mich zu singen zwang,

Da lobten mich die Freunde

Hohnlächelnd im Vorübergang.

 

Heran wollt keiner treten,

Den Stein zu wälzen von der Brust,

Mit mir wollt keiner beten,

Und ich hab kein Gebet gewußt.

 

Da rang ich endlich blutig

Die rechte Hand mir los und frei,

Und schlug ein Kreuz gar mutig,

Daß Jesus mir barmherzig sei.

 

O wundertätig Zeichen!

Du trugst die Sünde aller Welt,

Ich fühlt die Last auch weichen,

Du warst als Stütze aufgestellt.

 

Ein Vöglein kam gereiset,

Baut mir ein Dornennest ins Herz,

Das Vöglein Buße heißet,

Und sein Gesang heißt: bittrer Schmerz.

 

Ein Gärtlein ich ihm baute

Von herbem Kraut, heißt Reu und Leid,

Da fraß es von dem Kraute,

Trank meine Tränen allezeit.

 

Und heißer ward sein Brüten;

Das Dornennest in meiner Brust

Fühlt ich wie Feuer wüten,

Das dürstend still ich tragen mußt.

 

So lag ich da alleine

Und hört den Vogel, sah das Kraut,

Als plötzlich von dem Steine

Ein kühler Quell hernieder taut.

 

Da sah ich auf der Spitzen

Des Steines in dem Sonnenschein

Gar still, mitleidig sitzen

Dich, liebes, frommes Jungfräulein.

 

Dem Quell, der mich erquicket,

Erschlossest du das Felsentor,

Aus deinen Augen blicket

Die Gnade all, die ich verlor.

 

Du siehst mit frommen Sinnen

Dem Tanz der kleinen Fliege zu

Und gönnst den goldnen Spinnen

Ihr schwebend Haus in Sonnenruh.

 

Den Käfer auf den Rücken

Gefallen, richtest mild du auf,

Schlägst sichere Blätterbrücken

Der Ameise in ihrem Lauf.

 

Du räumest auf den Stegen

Die Steine aus des Wandrers Schritt

Und tiefst auf irren Wegen

Die Spur mit deiner Füße Tritt.

 

Du richtest längs dem Pfade

Die sturmgebeugte Ähre auf

Und wirfst das zum Gestade

Geführte Fischlein in den Lauf.

 

Du wärmst mit deinem Hauche

Das nestentfallne Vögelein

Und sammelst von dem Strauche

Zum Bett ihm zarte Wolle ein.

 

Und seinen Eltern streuest

Du deines Brotes Krümlein aus,

Weinst mit dem Leid und freuest

Dich mit der Lust in Gottes Haus.

 

Deckst selbst das Nest der Schlangen,

Flehst selbst der Kröte um ein Schild,

Siehst du die Spinne hangen

Feindselig überm Ekelbild.

 

Mein Weh hast du gespüret

Und riefst den Sünder gern zu Gast;

Den Stein hast du gerühret,

Er weichet schon, ich atme fast.

 

Mein Durst hat dich gezogen,

Und deine Tränen flossen mir;

Die ersten Gnadenwogen

Entsprangen mir von dir, von dir.

 

Ich las aus deinen Blicken,

Daß Gottes Lieb unendlich ist,

Dein Mund konnt mich erquicken,

Er sprach und sang von Jesu Christ.

 

Du sprachst: «Wie einst auf Erden

Der Feind den lieben Herrn versucht,

Daß Stein zu Brot soll werden,

Hast du bei Jesu auch gesucht;

 

Du lebst nicht nur vom Brote,

Nein, auch vom Wort aus Gottes Mund,

Dich macht vom innern Tode

Die Liebe Jesu nur gesund.

 

Der Stein, der dich erdrücket,

Ist greulich vor der Seele mein,

Doch hab ich ihn gerücket,

O glaub! und Gott wird gnädig sein.»

 

Da glaubt ich, und den Riegel

Schobst du hinweg vom Himmelstor,

Und gabst dem Felsen Flügel

Und trugst ihn über mir empor.

 

Doch lieg ich noch zerschlagen,

Und treu noch pflegst du mich, lieb Kind,

Bis auf Elias Wagen

Ich endlich deinen Himmel find!

 

So Herz! mußt ich heut morgen,

Als ich zum Lichte aufgewacht,

Die Liebe von dir borgen,

Die ich dem Schöpfer zugedacht.

 

So hab ich Gott gedanket,

Daß er dich auch erwachen läßt,

Wer schwer gefallen, wanket

Und hält den Stab mit Ängsten fest.

 

22. Mai 1817 (Schultz 1995)

 

 

*

 

25. August 1817

 

Einsam will ich untergehn,

Keiner soll mein Leiden wissen!

Wird der Stern, den ich gesehn,

Von dem Himmel mir gerissen,

Will ich einsam untergehn

Wie ein Pilger in der Wüste.

 

Einsam will ich untergehn

Wie ein Pilger in der Wüste!

Wenn der Stern, den ich gesehn,

Mich zum letzten Male grüßte,

Will ich einsam untergehn

Wie ein Bettler auf der Heide.

 

Einsam will ich untergehn

Wie ein Bettler auf der Heide!

Gibt der Stern, den ich gesehn,

Mir nicht weiter das Geleite,

Will ich einsam untergehn

Wie der Tag im Abendgrauen.

 

Einsam will ich untergehn

Wie der Tag im Abendgrauen!

Will der Stern, den ich gesehn,

Nicht mehr auf mich niederschauen,

Will ich einsam untergehn

Wie ein Sklave an der Kette

 

Einsam will ich untergehn

Wie der Sklave an der Kette!

Scheint der Stern, den ich gesehn,

Nicht mehr auf mein Dornenbette,

Will ich einsam untergehn

Wie ein Schwanenlied im Tode.

 

Einsam will ich untergehn

Wie ein Schwanenlied im Tode!

Ist der Stern, den ich gesehn,

Mir nicht mehr ein Friedensbote,

Will ich einsam untergehn

Wie ein Schiff in wüsten Meeren.

 

Einsam will ich untergehn

Wie ein Schiff in wüsten Meeren!

Wird der Stern, den ich gesehn,

Jemals weg von mir sich kehren,

Will ich einsam untergehn

Wie der Trost in stummen Schmerzen

 

Einsam will ich untergehn

Wie der Trost in stummen Schmerzen!

Soll den Stern, den ich gesehn,

Jemals meine Schuld verscherzen,

Will ich einsam untergehn

Wie mein Herz in deinem Herzen.

 

25. August 1817 (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Abends am 27. Oktober 1817

 

An des Hauses kleiner Türe,

Wo ich all mein Glück verliere,

Hast du lieb das Haupt gewendet,

Und so war der Tag geendet.

 

Alles, alles mögst du geben,

Und doch muß ich sterbend leben,

Armes Kind, du Herz der Güte

Ach zu geben nicht ermüde!

 

Ich will auch nicht müde werden,

Will im Grabe aus der Erden

Reine Blumen zu dir treiben,

Ach, die dürfen bei dir bleiben!

 

Aber ich muß heimwärts wanken

Einsam knieend, weinend danken,

Für die Freuden für die Schmerzen,

Für das Feuer auf dem Herzen.

 

Ach, das ich mit bittern Zähren

Einsam Tag und Nacht muß nähren

Und muß drin so ganz verbrennen,

Daß nur du mich kannst erkennen.

 

Wie du Tiere kennst fern irrend,

Vöglein schnell vorüber schwirrend,

Blumen, Beeren in der Wildnis,

Kenn' auch mich im bleichen Bildnis.

 

Wenn vorbei die andern gehen

Und so scheu nach mir hinsehen,

Wie man nach Gespenstern blicket,

Die den Grenzstein falsch gerücket,

 

Ach dann fliehe nicht mein Winken,

Reiche einmal mir zu trinken,

Und willst du nicht zu mir treten

Kniee, um für mich zu beten.

 

Wenn die andern längst mit Zagen

Den verloschnen Denkstein fragen,

Bist du auch ein Mensch gewesen,

Sollst du klar noch in mir lesen,

 

Daß ich dich mit Schuld betrübet,

Daß ich Buße schwer geübet,

Daß, Versühung zu erwerben,

Ich dich lieben muß zum Sterben.

 

Daß ich mich mit heißen Tränen

Ewiglich nach dir muß sehnen,

Läg' ich auch an deinem Herzen

Wie die Leiche zwischen Kerzen.

 

Weil das Gut, das ich verloren

Mir in dir ward neu geboren,

Weil mein Richter dir gegeben

Mein unschuld'ges tiefes Leben.

 

Daß die reine Himmelsgabe

Ewig ich vor Augen habe,

Daß das Gottesbild im Kinde

Zeige mir den Greul der Sünde.

 

Lies auch im zerbrochnen Herzen:

Habe Dank für alle Schmerzen,

Die du für mein böses Leben

Mir zur Buße mußtest geben.

 

Habe Dank, du blühnde Rute,

Unter der ich still verblute,

Ich verdiente zu verderben,

An dir soll ich ehrlich sterben.

 

Jedem ist ein Amt verliehen,

Richter sitzen, Sünder knieen,

Und ich muß zu deinen Füßen,

Für die schweren Schulden büßen,

 

Gnad' ist mir für Recht ergangen,

Ich darf deine Knie umfangen,

Darf in Tränen zu dir stammlen,

Laß, o laß mich Kräfte sammlen.

 

Kraft den Himmel zu umarmen,

Den mit rührendem Erbarmen,

Ich in deinen Blicken fühle,

Daß ich dieses Feuer kühle.

 

Kraft, die Blumen all zu sehen

Die da auf und untergehen,

Wenn du deine Seele rührest,

Und mich in dein Herz einführest.

 

Kraft, mich über sie zu bücken

Und doch keine zu erdrücken

Tränen, alle zu erfüllen,

Ach und Nacht, mich einzuhüllen.

 

Eine Nacht, wo ich alleine

Um das trübe Leben weine,

Ohne Mond, ohn' Sternenschimmer

Einsam mit dem Worte: Immer!

 

27. Oktober 1817 (Kemp 1978)

 

 

*

 

Wer euch nichts bringt, hat nichts von euch zu hoffen,

Dem Erzschenk habet ihr den Hals gebrochen,

Nur offner Hand stehn eure Ohren offen

Und ohne Klingen hilft bei euch kein Pochen!

 

Ein armer Krieger hat hier nichts zu holen,

Ihr führet keinen Krieg, wo ihr nichts krieget,

Und weil ihr blanken Klingen unterlieget,

So ehrt ihr das Duell auf Goldpistolen.

 

Die Poesie muß hier mit Armut leben;

Sing' ich Sonette euch auch noch so nette:

Ihr werdet nimmer Speise mir und Bette,

Statt Geld für Verse Fersengeld nur geben.

 

Gern gilt hier nichts, drum geh' ich gern von hinnen;

Ungern beherbergt ihr, und höchstens Ungern

Aus Kremnitz, doch Erlanger müssen hungern;

Nur für Zechinen ist die Zeche drinnen.

 

Ein Ducka ist mir lieb, doch mit Dukaten!

Souvrainen pflege ich für Severinen –

Baronen ohne Bares nie zu dienen –

Und kann mit Ahnen keine Hahnen braten!

 

So nackt und kahl geh' ich von eurer Schwelle,

So nüchtern, bar und blank in voller Klarheit,

Als wär' ich, die ich singe, – selbst die Wahrheit,

Denn nur Reale sind bei euch's Reelle!

 

Mit Höhnen siehst du wie ich hier vergehe,

Du Hofvolk, fressend Gold und Fleisch, wie Raben,

Von dir ist nichts, du bist zum Narrn zu haben,

Ich stand dein Narre hier, steh du, ich gehe!

 

1817 (Kemp 1978)

 

 

*

 

Vor dem ersten Aderlass,

am Tage vor dem Abendmahl

 

Was ich tue, was ich denke,

Alles, was mit mir geschieht,

Herr nach deinem Auge lenke

Das auf meine Wege sieht.

 

Herr, o wolle auf mein Flehen,

Wenn mein Blut zu Tage springt,

Heut mich wie ein Kind ansehen

Das sein erstes Opfer bringt.

 

Unter scharfen Marterruten,

Unter eines Richters Schwert,

Möcht' ich dir mein Heiland bluten,

Wär' ich deiner Kronen wert.

 

Aber, da mir nicht vergönnet

Solch ein heilender Erguß,

Geb' ich, weil die Fülle brennet,

Ach! nichts, als den Überfluß.

 

Alles doch hast du gegeben,

Gott der zu den Schmerzen kam,

Und im Blut hingab das Leben,

Daß den Tod er von uns nahm.

 

Meines fließt zu meinem Heile,

Fließt zu deinem Ruhme nicht

Herr mir deinen Schmerz mitteile,

Wenn der Stahl die Quelle bricht.

 

Gieb, daß deines Bluts ich denke,

Wenn das meine niederrinnt,

Und in deine Wunden senke

Dein ohnmächt'ges schwaches Kind!

 

Laß, was bös in meinen Sinnen.

Alle heiße Erdenglut,

Heut aus meinen Adern rinnen,

Morgen dann gieb mir dein Blut.

 

O wie hast du's gut bestellet,

Meine Seele faßt es kaum,

Daß dein Blut sich mir gesellet,

Macht das meine heut ihm Raum.

 

All dein Blut hast du vergossen

Mir zu tilgen das Gericht,

Und es ist für mich geflossen,

Aber ich, ich nahm es nicht.

 

Hast auch deinen Leib gegeben,

Für mich in des Richters Zorn,

Und ich zage für das Leben,

Trag' um dich auch keinen Dorn.

 

Und ich weiß doch, es giebt Seelen

Brennend so in reiner Glut,

Daß sie deine Wunden zählen

An sich selbst in Wunderflut.

 

Ach weil ich nicht diesen gleiche

Ist wohl böses Blut in mir,

Gieb daß alles es entweiche,

Jesus dann gefall' ich dir.

 

Und ersetz' es geistlich wieder

Morgen mir mit deinem Blut

Vor dir sink' ich rein dann nieder,

Wo die Büßerin geruht.

 

Herr, du weißt ich wollt' bekennen,

Was die Seele niederdrückt

Felsen von dem Quell mich trennen

Wo die Buße Gnade pflückt.

 

Ich hab' nicht den Zaun durchbrochen,

Herr vergieb uns unsre Schuld,

Wär' durch Dornen gern gekrochen

Heim in deiner Kirche Huld.

 

Und ließ ich denn meine Sünden,

Alle heut in meinem Blut,

Wolle mich in ihm entbinden,

Wie die Erd' in Sündenflut.

 

Mit dem Blute wird verschuldet,

Mit dem Blute wird versühnt,

Du Herr hast die Pein erduldet,

Ich, ich habe sie verdient.

 

Und so komm' ich dann im Glauben

Deines Blutes Gast zu sein,

Keiner soll mir dieses rauben,

Du warst mein, ach, mach mich dein.

 

1817 (Kemp 1978)

 

 

*

 

Es war einmal die Liebe,

Die himmelsklare Liebe,

Wohl in gerechtem Zorn,

Und sprach zum blinden Triebe:

Verzeih! heut kriegst du Hiebe

Ganz recht mit einem Dorn.

 

Da zagt der Trieb betroffen,

Doch kaum hat ihn getroffen

Der Liebe Dornenstreich,

Sind alle Knospen offen,

Der Dorn ganz ohn Verhoffen

Schlug aus voll Rosen gleich.

 

Es war einmal die Liebe,

Die himmelsklare Liebe,

Sie war vom Trieb betrübt,

Und sprach zum blinden Triebe:

An dir, du Friedensdiebe,

Wird Rache heut geübt.

 

Doch, als sie sich will rächen,

Entstürzt in Tränenbächen

Das Mitleid ihrer Brust,

Sie kann den Stab nicht brechen,

Die Lieb wird aller Schwächen

Des Triebes sich bewußt.

 

Es war einmal die Liebe,

Die himmelsklare Liebe,

Sie war vom Trieb gekränkt,

Und sprach zum blinden Triebe:

Wenn dir kein Trost auch bliebe,

Heut wird dir's nicht geschenkt.

 

Und, um ihm zu gedenken,

Will sie ein Füllhorn senken

Voll von Gerechtigkeit,

Und hat mit Fahnenschwenken

Den Richtplatz mit Geschenken

Der Gnade überstreut.

 

Ei sag einmal du Liebe,

Du himmelsklare Liebe,

Wer hat dich das gelehrt,

Daß man dem blinden Triebe

Für strenge Dornenhiebe

Nur Rosen mild beschert,

 

Und daß man für die Rute

Dem blinden Übermute

Nur süßen Honig gibt.

Das lehrte dich der Gute,

Der dich mit seinem Blute

In deiner Schuld geliebt.

 

Da sang einmal der Liebe,

Der himmelsklaren Liebe,

Der Trieb dies Liebeslied,

Daß Lieb dem blinden Triebe

Das Licht ins Herz einübe,

Das ihr im Auge blüht.

 

Da sah der Trieb verkläret,

Was Liebe ihm gewähret,

Und beide sprachen fromm:

Du hast mich Trost gelehret,

Du hast mir Licht bescheret,

Trieb sei der Lieb willkomm!

 

Da faßt einmal die Liebe,

Die himmelsklare Liebe

Sich einen frischen Mut

Und ward dem blinden Triebe,

Daß er nicht irrend bliebe,

Ein Blindenführer gut.

 

Da lernt der Trieb das Lieben,

Da ward die Lieb getrieben,

Bis sehend er, sie blind,

Und beide sind's geblieben,

Und ich hab es geschrieben,

Lies du und bleib ein Kind!

 

1817 (Schultz 1995)

 

 

*

 

Jäger und Hirt

 

Durch den Wald mit raschen Schritten

Trage ich die Laute hin,

Liebe singt, was Leid gelitten,

Schweres Herz hat leichten Sinn.

 

Durch die Büsche muß ich dringen

Nieder zu dem Felsenborn,

Und es schlingen sich mit Klingen

Durch die Saiten Ros' und Dorn.

 

In der Wildnis wild Gewässer

Breche ich mir kühne Bahn,

Steig ich aufwärts in die Schlösser,

Schaun sie mich befreundet an.

 

Haus ich nächtlich in Kapellen,

Stört sich kein Gespenst an mir,

Weil sich Wandrer gern gesellen,

Denn auch ich bin nicht von hier.

 

Seh ich Zauberschätze glimmen,

Locket bald durch Sumpf und Moor

Mich der Irrwisch hin und stimmen

Muß mein Lautenschlag dem Chor.

 

Zu der Gnomen Hochzeitfeier,

Zu der Elfen luftgem Tanz

Tönet meine ernste Leier

Unerschreckt im Mondenglanz.

 

In dem Schoß der Wunderberge

In der Zauberfräulein Haus

Führen mich die schlauen Zwerge

Und ich singe ohne Graus.

 

Geister reichen mir den Becher,

Reichen mir die kalte Hand,

Denn ich bin ein kühner Zecher,

Scheue nicht den glühen Rand.

 

Ja beim Mahl zur bösen Stunde

Leert den Becher ich mit Faust,

Wo berührt vom Satansmunde

Höllenglut im Weine braust.

 

Alles ist mir schon geschehen,

Meine Schale ist erfüllt,

Seit ich selber mich gesehen,

Hab das Antlitz ich verhüllt.

 

Zu der Mainacht Hexenreihen

Spiel ich nun ein geistlich Lied,

Daß die Schar mit Maledeien

Vor dem fremden Sänger flieht.

 

In Frau Venus Berg die Leier

Hab mit Keuschlamm ich geschmückt

Und sie hat mich ohne Schleier

An die volle Lust gedrückt.

 

Doch sie konnte mich nicht rühren,

Sie verging in frommer Scham,

Ließ sich leicht von mir verführen,

Daß sie einen Schleier nahm.

 

Die Sirene in den Wogen,

Hätt sie mich im Wasserschloß,

Gäbe, den sie hingezogen,

Gern den Fischer wieder los.

 

Wo der Schwan im Wellenspiegel

In sein Sternbild niedertaucht,

Bricht der Schmerz auch mir das Siegel,

Daß mein Leid im Liede haucht.

 

Meinen weißen Hirsch verloren

Hab ich mit dem Goldgeweih;

Die in ihm war eingeboren

Starb mit ihm die schöne Fei.

 

Weh, mich hatte die Meduse

Mit dem Schlangenblick versteint,

Und seitdem hat meine Muse

Nicht gelachet, nicht geweint.

 

Doch mit scharfen Wünschelruten

Schlug ihr Amor ins Gesicht,

Daß ihr aus in Tränenfluten

Die versteinte Seele bricht.

 

Bittre Meere um mich rannen,

Und wie auch die Phantasie

Mochte bunte Segel spannen,

Nie ach nie, erschifft ich sie!

 

Und nun kehre ich von Thule,

Fand da auf des Meeres Grund

Einen Becher, meine Buhle

Trinkt sich nur aus ihm gesund.

 

Füllet euch ihr ewigen Tage,

Mond und Sonne steigt und sinkt,

Dürstend ich den Becher trage,

Und sie fehlt, die aus ihm trinkt.

 

Suchend geh ich durchs Gedränge

Und die Schuldner mahnen mich,

Und ich singe viel Gesänge,

Doch im Herzen weine ich.

 

Wo die Schätze sind begraben

Weiß ich wohl, Geduld, Geduld,

Einer schwebt am Kreuz erhaben,

Der bezahlet meine Schuld.

 

Während ich dies Lied gesungen

Nahet sich des Waldes Rand,

Aus des Laubes Dämmerungen

Trete ich ins offne Land.

 

Aus der Eichen zu den Myrten,

Aus der Laube in das Zelt,

Hat der Jäger sich dem Hirten,

Flöte sich dem Horn gesellt.

 

Während du die Lämmer hütest,

Zähm ich dir des Wolfes Wut,

Wenn du fromm die Hände bietest

Werd ich deines Herdes Glut.

 

Und willst du die Arme schlingen

Um ein Liebchen zwei und zwei,

Will ich dir den Baum schon zwingen,

Daß er eine Laube sei.

 

Du kannst Kränze schlingen, singen,

Schnitzen, spitzen Pfeile süß,

Ich kann ringen, klingen, schwingen,

Schlank und blank den Jägerspieß.

 

Gib die Pfeile, nimm den Bogen,

Mir ist's Ernst und dir ist's Scherz,

Hab die Sehne ich gezogen,

Du gezielt, dann trifft's ins Herz.

 

Wild getan, wie stolz gesprochen,

Weh der Pfeil flog seine Bahn,

Hat des Lammes Herz durchstochen,

Drohend sah der Hirt mich an.

 

Dorn ward da die Rosenkrone

Um sein göttlich mildes Haupt,

Vater! rief er, ihn verschone,

Denn er hat an mich geglaubt.

 

1817 (Schultz 1995)

vgl. die frühe Fassung von 1803

 

 

*

 

Du

(Erste Fassung)

 

Die Erde war gestorben

Ich lebte ganz allein

Die Sonne war verdorben,

Bis auf die Augen dein.

 

Du bietest mir zu trinken

Und blickest mich nicht an

Läßt du die Augen sinken,

So ists um mich getan

 

Der Frühling regt die Schwingen,

Die Erde sehnet sich

Sie kann nichts wiederbringen,

Als dich, du Gute, dich.

 

1817 (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Du

(Zweite Fassung)

 

Die Erde war gestorben,

Ich lebte ganz allein,

Die Sonne war verdorben,

Zwei Augen gaben Schein.

 

Da bot sie mir zu trinken

Und blickte mich nicht an,

Sie ließ die Augen sinken,

Es war um mich getan.

 

Reg' Frühling nur die Schwingen,

Sehn' nur, du Erde, dich,

Ich kann nichts anders singen,

Als: Jesus, schau auf mich!

 

1817 (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Finkenlied,

von neun Groschen Münze,

Kamelgedanken und Überbeinen

 

Vom Gesange lust'ger Finken

Durch das Fenster aufgeweckt

Lasse ich den Schleier sinken,

Der mir meine Seele deckt.

 

Durch des alten Birnbaums Blüten

Schaut zwar trüber Himmel her

Doch in meiner Brust ist Frieden,

Ach wenn's doch der ew'ge wär'.

 

Nein, jetzt kann ich gar nicht trauern

Alles scheint mir lieb und gut,

Und mir wächst da überm Lauern

Auch ein Finkenliedermut.

 

Wie die kleinen Sänger schweben

Wie es sehnt und lockt und zirpt.

O wie herrlich klingt das Leben

Wenn's zu neuem Leben wirbt.

 

Keiner fällt ohn' Gottes Willen

Von dem Dach, vom Haupt kein Haar,

Und mein Schmerz läßt sich schon stillen,

Weil ich einst unschuldig war.

 

Und bin ich gleich abgefallen

Fiel ich doch in Gottes Schoß

Lieg' da mit den andern allen

Heil in seiner Gnade groß.

 

Munter, Herz, schwing dein Gefieder

Auf, wohl auf zum Kreuzesbaum

Täglich Sonne, täglich Lieder,

Alle Nacht ein frommer Traum!

 

Und ein Nest in seine Wunden

Meiner Leidensbrut ich bau',

Grün liegt seine Erde unten

Oben schwebt sein Himmel blau.

 

Und ich seh' auf grüner Aue

Eine fromme Magd hinziehn

Primlen bricht sie schwer vom Taue,

Bis der jüngste Tag erschien.

 

Bricht die Blumen, bricht die Blüte

Bricht ihr Herz, die Heilandsfrucht

Bietet es dem Gott der Güte

Der den dürren Baum verflucht.

 

Und sie spricht mit schwerem Herzen

Gestern war mein Leiden schwer,

Und ich fragte sie mit Schmerzen

Was ihr dann begegnet wär'.

 

Bange zagten meine Ohren,

Was sie wohl für Leid angiebt,

Weil neun Groschen ich verloren,

Sagt sie, bin ich so betrübt.

 

War's Courant? – Ei Gott behüte,

Münze war's, dem Herrn sei Dank! –

O du Spiegel aller Güte!

Machst du mich doch freudenkrank.

 

Denk, vom Dache fällt kein Sperling,

Ohne Gott, vom Haupt kein Haar,

Aus dem Beutel kein Pfund Sterling,

Oder auch neun Groschen bar.

 

Denk, was hatt' ich all verloren

Leib und Seel und Gut und Heil

Alles ward mir neu geboren

Und noch mehr ward mir zuteil.

 

Dich zu kennen, dich zu lieben,

Dir zu folgen treu und still,

Was mir wird, was mir geblieben,

Alles ich dir teilen will.

 

Leben, Kämpfen, Siegen, Sterben

Abendrot und Morgenrot,

Mitleid mit den armen Erben,

Ihnen bleibt die Erdennot.

 

Als die Magd mein Lied vernommen

Hat sie freundlich mir genickt,

Und der Nebel schien verschwommen,

Und ein bißchen Sonne blickt.

 

O lieb Herz! um Jesu willen

Fasse einen frischen Mut

Laß dich doch sein Herzblut stillen

Bist ja Pelikanenbrut.

 

Himmel, Himmel werd' doch heiter,

Ach, herrje! da regnet's gar!

Liebe Finklein, singt doch weiter,

Da versteckte sich die Schar.

 

Liebes, liebes Linum denke

An neun Groschen Münze nicht.

Doch sie spricht: zur Erde senke

Ich des Opfers Fruchtgewicht.

 

Doch es nimmt mit meinen Blüten

Ja mein Heiland schon vorlieb,

Apfel brauch' ich nicht zu hüten

Vor dem schlauen Apfeldieb.

 

Als ich sonst mit brünst'gen Ranken

Auch auf goldne Frucht gehofft

Hatte ich Kamelgedanken

Über mich wohl selber oft.

 

Arme Näherin mußt' lesen

Vom Kamel und Nadelöhr

Und gab dann dem eiteln Wesen

Nimmer wieder ein Gehör.

 

Bin jetzt eine arme Made,

Matte Fliege, Stäublein klein,

Bin ein Ekel, der aus Gnade

Höchstens trägt ein Überbein.

 

Wer giebt um solch schlechte Dinge

Wohl neun Groschen Münze hin

Drum mir mehr verloren gienge,

Als ich selber wert ja bin.

 

So? doch ist der armen Made

Keine Speise je zu gut,

Selbst für Jesu Leib nicht schade,

Schade nicht für Jesu Blut.

 

Ja ganz wohl! die matte Fliege

Sitzt auf Gottes Angesicht,

Wenn ein Engelsflügel schlüge,

Er vertriebe sie da nicht.

 

Stäublein klein! o ja! um nimmer

Abzutreten von dem Tanz,

Sonnenstäubchen tanzen immer

Ohn' zu sinken aus dem Glanz.

 

Ei du Ekel! ja ich eckle

Seit ich dich im Herzen trug

Vor der Welt, an allem mäckle

Ich, nur nie an mir genug.

 

Überbeines Gnaden zähle

Überige Gnaden ein

Überfleisch und Überseele,

Überhimmelsschlüsselbein.

 

Wer kann es dem Herrn verdenken

Daß er Milde an dir übt,

Dir, die ihm ihr Fleisch will schenken,

Dafür Überbeine giebt.

 

War doch Eva auch im Schlafe

Nur des Adams Überbein,

Eva umgekehrt ward Ave,

Mögst du auch gegrüßet sein.

 

Und weil ein Kameles Rücken

Nur ein großes Überbein,

Mag's drum, wenn die Schuh' dich drücken

Gotts Kamelgedanken sein.

 

Und so soll mein Mut nicht wanken

Wenn er deinen hinken sieht,

Also aus Kamelgedanken

Sang ich dir dies Finkenlied.

 

1817 (Kemp 1978)