BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Gedichte 1820 - 1833

 

1823

Mai: Anna Katharina Emmerick erkrankt schwer.

Juli - September: Aufenthalt in Frankfurt am Main. Freundschaft mit dem

Historiker Johann Friedrich Böhmer. In dieser Zeit Reise nach Regensburg.

 

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Was soll ich auf das Blatt hier schreiben

Das dich und mich recht tief beschämt

Ists Gut, so wirds geschrieben bleiben,

Weil sich das Ueben nicht bequemt. –

 

Die Wahrheit, welche Wahrheit übte

Hängt immer an dem Kreuze da

Wen das noch niemals recht betrübte

Der war noch nie der Liebe nah.

 

Hier in den Reben Labirinthen

Steht einsam oft der Wahrheit Bild.

Ihm seinen Dornenkranz zu winden

Wächst unsre Seele rauh und wild.

 

Die Blumenrancken der Begierde

Die unser Geist so . . . . . . . . treibt,

Wir flechten sie der Welt zu Zierden,

Mein Herr ganz ungeschmücket bleibt.

 

Und ach! wir sollen ihm doch gleichen

Im Lieben, Leiden, Auferstehn,

Gezeichnet nur mit seinem Zeichen

Ihn und die Seinen wiedersehn.

 

Das liegt mir immer in dem Sinne

Und will ichs sagen, klingts zu scharf,

Ich hab es selbst noch nicht recht inne,

Drum ich's auch nicht verkünden darf.

 

Und werd ichs einstens inne haben,

Dann werd ich mit dem Kreuze gehn,

Und werde mit der Welt begraben,

Und durch den Liebsten auferstehn.

 

Wird er mich Lazarus erwecken

Freu dich du flinke Martha du,

Dann will ich dir den Sinn entdecken,

Von: Gieb Geduld Herr, und schlag zu!

 

1823/25 (FBA Bd. 3,3 2002)