BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Gedichte 1820 - 1833

 

1827

5. Februar: Protest gegen die «Iris»-Drucke seiner Märchen.

März: Mit Dietz in Angelegenheiten des Ordens der

Barmherzigen Schwestern in Paris und Lothringen.

Mai: In Frankfurt. Beginn der Arbeit an einer

Geschichte der Barmherzigen Schwestern.

August - September: Reisen nach Mainz, Koblenz, Köln,

Bocholt, Düsseldorf und Bonn.

 

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[Wegweiser durch Paris]

 

Nimm hin den Faden durch das Labyrinth,

Das schrecklicher als jenes alte ist,

In dessen ausweglosem Pfadgewind

Ein scheußlich Ungeheu'r den Wandrer frißt.

Denn hier mein Freund! schreckt dich kein greulich Tier,

Hier trägt der Drache menschliche Gestalt;

Hier ist die Schlange Weib, der Teufel Kavalier;

Hier tut dir Glanz und Tanz und Farb und Duft Gewalt,

Hier ist die Sitte Kuppler, Freundschaft Seelverkäufer;

Die Treu Falschmünzer und die Unschuld Werber;

Der Busenfreund Spion, die Ehre Überläufer;

Die Lilie trägt am Hut hier der Verderber,

Mit Rosen deckt sich hier schamlose Schande,

Von Veilchen duftet hier die feile Pest.

Der sichre Weg streift hier am Höllenrande

Und überm Abgrund schwebet hier der Tugend Nest.

Du wagst dich hin! Gott stärke dich zum Helden

Und mach' für Sünd' dich taub und blind und lahm;

Auf daß dies Blatt er möge Lügen schelten,

Wenn besser er hinwegzieht als er kam.

 

1827 (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Ich nahm das Kreuz und zog durchs Labyrinth,

Das wie ein Garten voll von Dornen war,

Drin saß das Mitleid, ein verschleiert Kind,

Und weihte sich als Opfer am Altar,

Erhob sich in jungfräulicher Gestalt,

Und war ein Engel und der Satan bebte,

Denn Huld und Treu und Fleiß tat ihm Gewalt,

Wo die geweihte Jungfrau helfend schwebte.

Den Kreuzweg baute sie am Höllenrande,

Trug dornbekränzt ihr Kreuz dem Herren nach,

Die Rose lehrt erröten da die Schande,

Der Lilie Reinheit teilte Sünder Schmach;

Da ward die Sitte Keuschheit, Freundschaft Jesusliebe,

Die Treue Christentum, die Anmut Himmelswerber,

Der Glaube Werk, Pflichtweihe ward zum Triebe,

Die Hand der Einfalt pfleget den Verderber,

Und führt Verzweiflung in die Kinderlehre,

Der Unschuld Tränen heilten feile Pest;

Um Jesu Kreuz und Schmach war ihre Ehre,

In seiner Seite war der Taube Nest.

Ihr sah ich zu und nicht den Tageshelden,

Für deren Glorie ward ich taub und blind und lahm,

Und konnte Freundes Drohung Lügen schelten,

Weil besser ich hinweggieng, als ich kam.

 

1827 (Frühwald 1968)

 

 

*

 

Ihr wart bei der Heinefetter,

Uns traf hier das Donnerwetter,

Und wir schrieben auf die Bretter:

Haltet hoch ihr guten Götter,

So wie wir in Herz und Sinn,

Willemer und die Willemerin,

Deren Weine hier aus Römern

Der Brentano trank mit Böhmern.

Weil hier trank der Herr von Goethe,

Warn wir beide auch nicht blöde,

Fragt nur bei der Abendröte!

 

Entstanden nicht vor Mai 1827 (Kemp 1978)