BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Romanzen

vom Rosenkranz

 

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Romanze XV

Meliore und Biondetta –

Biondettens hohes Lied

 

Gieße, Mond, dein Silber milder

Durch die blauen Himmelsmeere;

Blicket fromm, ihr Heldenbilder,

Nieder aus dem Sternenheere.

 

Einsam kühle Nachtluft, stille

Grüße aus dem Himmel sende;

Blüten, Blumen, eure Fülle

Duftend sich der Nacht verschwende.

 

Philomela, süßer stimme

Deines Traumes Wonn und Wehe,

Daß es zu den Sternen glimme

Und um Gottes Liebe flehe.

 

Klang der süßberauschten Zither

Unter Liebchens Fenster bebe;

Still eröffne sie das Gitter,

Daß sie Liebesworte gebe.

 

Jünglingen, die schlummernd liegen,

Komm ein Liebestraum entgegen;

Auf die Kindlein in den Wiegen

Senke sich ein Engelsegen.

 

Und die Wünschelrute sinke

Jedem auf des Schatzes Schwelle,

Und dem Durstgen, daß er trinke,

Sei der Schatz die kühle Quelle.

 

All ihr Bronnen, selig zielet

In die mondberauschten Becken;

Leis im West, ihr Blätter, spielet,

Um die Vöglein nicht zu wecken.

 

Nacht, in deines Zaubers Schlingen

Soll sich Liebesscham verketten,

Unter lustbetrauten Schwingen

Bräutliches Entzücken betten.

 

Was die Seele, was die Sinne

Hoch begeistert, tief erreget,

Deines Glücksrads Lustgewinne

Seien alle ausgeleget.

 

Spinnet bei dem Mondenlichte

Eure feinsten Netze, Elfen,

Und die schlauen Zauberwichte,

Alle Zwerge sollen helfen.

 

Felsbewohnende Sibyllen,

Leichte Nymphen flüchtger Quellen,

Einet alle euren Willen,

Diese Netze aufzustellen.

 

Locket, locket, süßer singend,

In die Netze, ihr Sirenen,

Und den Tönen nicht gelingend,

Laßt gelingen es den Tränen.

 

Denn es will uns heut entfliehen

Der melodischste der Schwäne,

Will zu heilgerm Himmel ziehen,

Daß sein Herz sich nicht mehr sehne.

 

Königin der Sternenzinne,

Priesterin verklärter Herzen,

Lehrerin geheimer Minne,

Heldin, Trösterin der Schmerzen,

 

Nacht! durch deines Tempels Mitte

Sehe ich Biondetten gehen,

Scheu verhüllt in züchtger Sitte;

Du wirst sie nicht wiedersehen.

 

Auf dem Platze mondbeschienen

Bleibt sie ruhig schauend stehen,

In die düsteren Ruinen

Noch einmal zurück zu sehen.

 

Sie beginnet leis zu singen;

In der Nachtluft einsam Wehen

Ihre Töne sich verschlingen

Wie der Andacht schwankend Flehen.

 

«Herr, ich steh in deinem Frieden,

Ob ich lebe, ob ich sterbe;

Starb mein Heiland doch hienieden,

Daß ich sein Verdienst erwerbe.

 

Will der Schmetterling zum Lichte,

Muß die Larve er zerbrechen,

So hast du dies Haus vernichtet,

Meine Freiheit auszusprechen.

 

Laß die Flügel mich erquicken,

In der Andacht sie erstrecken,

Und zum Himmelsgarten zücken

Durch der Buße dornge Hecken!

 

O, wie hast du hoch gezieret

Diese Weltnacht, mir die letzte;

Eine Seele triumphieret,

Deren Tod mich hoch ergötzte.

 

Solchen Tod laß mich gewinnen,

Herr, nach einem solchen Leben,

Laß mich mit so klaren Sinnen

Dir die Seele wiedergeben!

 

Denn in deinen Händen liegen

Alle demutvollen Herzen,

Wie die Kindlein in den Wiegen,

Still entschlummert, ohne Schmerzen.»

 

Also sang sie, und geschwinde

Eilt sie auf verschlungnen Wegen,

Und schon höret sie die Linde

Nächtlich grüßend sich bewegen.

 

Rascher flügelt sie die Schritte

Ihres Hauses Tor entgegen,

Da begegnet ihrem Tritte

Klirrend ein entblößter Degen.

 

Ach, und weiter noch zwei Schritte

Liegt, vom Mantel leicht bedecket,

Der den bösen Mord erlitten,

Stumm ein Jüngling ausgestrecket!

 

Da sie zu ihm niederblicket,

Will er noch die Blicke heben;

Den der Tod schon fest umstricket,

Kann die Schönheit noch beleben.

 

Gleich dem frommen Samariter

Hebt die mutige Biondette

Mühsam nun den toten Ritter,

Trägt ihn hin nach ihrem Bette.

 

Lebend konnts ihm nie gelingen,

In ihr Kämmerlein zu sehen,

Und er mußte, einzudringen,

Durch des Todes Pforte gehen.

 

Schnell die Lampe angezündet

Unter bangen Herzensschlägen!

Ach, das Herz, das sie verbindet,

Schlägt noch liebend ihr entgegen!

 

Balsam macht sie aus den Giften,

Die sie sonst im Tanz umgeben,

Mit der Öle süßen Düften

Ruft sie wieder ihn zum Leben.

 

Und sie löset ihm geschwinde

Seinen Koller überm Herzen,

Sauget ihm sein Blut gelinde

Aus der Wunde mit den Schmerzen.

 

Ach! und ihren frommen Lippen

Strömt die Torheit frech entgegen;

Quelle böser Zauberklippen,

Liebesgift war an dem Degen!

 

Auf der Brust ihm eingeschnitten

Ihren Namen liest Biondette,

Und ihr Bild, nach Liebessitte,

Hängt darauf an goldner Kette.

 

Doppelt ihren Schleier windet

Sie, mit Tränen ihn benetzend,

Und die Wunde sie verbindet,

Sich der Blöße nicht entsetzend.

 

Und sie eilt und schmückt das Zimmer,

Zündet an wohl hundert Kerzen,

In der Spiegel Widerschimmer

Gold und Silber freudig scherzen.

 

Ihres Putzschranks Flügeltüren

Öffnet sie mit leichten Händen,

Daß ein eitles Triumphieren

Rings entstrahle allen Wänden.

 

Und die falschen Götterbilder

Schmücket sie mit Flitterkränzen,

Aus dem Schoße goldner Schilder

Läßt sie seidne Röslein glänzen.

 

Reiherbüsche pflanzt sie flitternd

Auf des Boden Purpurdecken,

Diamantne Nadeln zitternd

Zäumt sie ein mit Federhecken.

 

In der Torheit Garten glimmend

Rüstet sie ein Weihrauchbecken,

Daß die Weihrauchwolken schwimmend,

Lüstern halb den Glanz bedecken.

 

Weh! wer hat sie so verrücket?

Alle Blumen muß sie brechen;

Wie des Wahnsinns Braut geschmücket,

Muß ihr keusches Herz erfrechen.

 

Schamlos tritt sie vor den Spiegel,

Ihre Brust zu Tag zu legen,

Weh! da blicket Gottes Siegel,

Die Goldrose ihr entgegen.

 

Doch sie ist so tief verstricket,

Nichts kann ihre Glut erschrecken,

Ihre Blöße sie entzücket,

Und sie mag sich nicht bedecken.

 

Und mit süß vertrauten Blicken

Sitzt sie auf des Jünglings Bette;

Weltlicher nicht konnt sie blicken,

Wenn sie nie gebetet hätte.

 

Und sie fühlt in allen Sinnen

Ein unheiliges Ergötzen

Wild durch ihre Adern rinnen,

Und sie muß die Zucht verletzen.

 

Seine Lippen, seine Stirne,

Ihren Namen ihm am Herzen,

Küsset heiß die arme Dirne

Unter suß berauschten Schmerzen.

 

Und in seinen Locken spielen

Ihre zarten Hände bebend,

Doch umsonst die Küsse zielen,

Seine Lippen nicht belebend.

 

An den Busen ihn zu drücken,

Seinen Namen laut zu nennen,

Fühlet sie ein wild Entzücken,

Doch er will sie nicht erkennen.

 

«Meliore,» spricht sie liebend,

«Deine Augen zu mir wende,

Süßen Dank der Huld ausübend,

Die ich zärtlich dir verschwende!

 

Sieh, es will der gütge Himmel

So dich an das Herz mir legen,

Wie ich in des Brands Getümmel

An dem deinen bin gelegen!

 

Wenn du auch nicht wiederküssest,

Winkend nur ein Zeichen gebe,

Mir zum Troste, daß du wissest,

Wie ich dich nicht überlebe!»

 

Und die Harfe nimmt die Süße,

Läßt die Saiten wild erbeben;

Ach, die heißen Liebesgrüße

Können nicht sein Aug erheben.

 

Keuscher Tod, du drückst sie nieder,

Solche Raserei zu sehen,

In dem Klang der giftgen Lieder

Soll er sie nicht wiedersehen.

 

«Ihn, den meine Seele liebet,»

Singt sie, «sucht ich in dem Bette,

Sucht ihn durch die Straßen ziehend,

Fand ihn doch an keiner Stätte.

 

Und ich fragt die Wächter bittend,

Die da durch die Straße gehen:

Ihn, den meine Seele liebet,

Habet ihr ihn nicht gesehen?

 

Und vorübergehend finde

Ich den Liebsten meiner Seele,

Ihn mit Rosenketten binde,

Ihn auf ewig mir vermähle!

 

Und ich halt ihn, laß ihn nimmer,

Den ich fand auf meiner Schwelle,

Führ ihn in der Mutter Zimmer,

Führe ihn in meine Zelle.

 

Sieh, ich bin ein Rauch von Myrrhen,

Auf sich aus der Wüste hebend,

Und, wie Bienenschwärme irren,

Küsse meinem Mund entschweben.

 

Weiß und rot ist, den ich minne,

Golden sich sein Haupt erhebet;

Wenn ich seinen Locken spinne,

Schwarz die Nacht den Mantel webet.

 

Seine Augen mich erquicken

Und die Seele mir erhellen,

Wie die Taubenaugen blicken

Zu den klaren Wasserquellen.

 

Wie Gewürze duftend, grüßen

Seiner Wangen Blumenzellen,

Süße Myrtenöle gießen

Seiner Lippen Rosenquellen.

 

Goldne Türkisringe zieren

Seine klaren Silberhände,

Elfenbeinern und saphieren

Trägt der Goldfuß seine Lende.

 

Und er stehet aufgerichtet,

Wie die Zedern auserwählet,

Wie der Libanon umlichtet,

Der dem Himmel sich vermählet.

 

Wie mein Saitenspiel, erklinget

Süß und lieblich seine Kehle,

Und zu seinen Lippen dringet

Lustberauschet meine Seele.

 

O, du Büschel süßer Myrrhen,

Zwischen meinen Brüsten hängend,

Sag, wo deine Schafe irren,

Sich im Mittagsstrahle drängend.

 

Töchter Zions, meine Bitte

Höret und den Freund mir wecket,

Schlummernd vor der Zedernhütte

Unter Rosen ausgestrecket.

 

Daß er blühend aufgerichtet:

Süße Freundin, zu mir spreche,

Komme her, die Gott gedichtet,

All die Rosen mit mir breche!

 

Sieh, verschwunden ist der Winter,

Und dahin ist Sturm und Regen,

Und die Blumen, Frühlingskinder,

Spielen schon auf grünen Wegen.

 

Meine Wangen lieblich flimmern,

In den Spangen, in der Kette

Sehe meinen Hals erschimmern,

Und es grünet unser Bette!

 

Wie die Traube Copher schwillet

Zu Engeddi in den Gärten,

Und der Lippen Kelch erfüllet,

Küß ich meinen Lustgefährten!

 

Zedern fest das Haus uns stützen,

Unsre Latten sind Zypressen,

In dem Schatten will ich sitzen

Und der Schmerzen all vergessen.

 

Unterm Schatten will ich sitzen;

Des die Seele mir begehret,

Wie der Apfelbaum bei wilden

Bäumen, ist mein Freund verehret.

 

Deiner Lieb Paniere schwinge

Über mir, du Hoch und Heller,

Und du Freundlicher, mich bringe

In des süßen Weines Keller!

 

Und mit Blumen mich erquicke,

Mich zu laben Äpfel gebe;

Krank bin ich vor Liebe; blicke,

Blicke auf, mich zu beleben!

 

Unter deinem Haupt die Linke

Muß dich meine Rechte herzen,

Wenn ich deinen Kuß nicht trinke,

Muß verdürsten ich in Schmerzen!

 

Sieh, die Honigbienen irren

In dem honigsüßen Lenze,

Und die Turteltauben girren;

Komme, mein Freund, daß ich dich kränze!

 

Sieh, dem Feigenbaum entspringen

Knospen; aus dem Aug der Reben

Süße Wollusttränen dringen;

Also weint mein junges Leben!

 

Wie in dunklen Felsenritzen

Turteltauben auf dem Neste,

Also will ich bei dir sitzen

In dem Glanz der Blütenäste.

 

Und es tönet meine Stimme

Süß, o süß ist meine Kehle,

Bis wetteifernd süß ergrimme

und verglimme Philomele.

 

Und ich singe zu dir nieder:

Mein bist du und mir gegeben,

Und es sehn dich meine Lieder

Unter Rosen weidend schweben!»

 

Wie sie also töricht singet,

Spricht Meliore: «Meine Schwester,

Fromme Taube, ach, es schlinget

Sich des Todes Band nur fester!

 

Nachttau mir vom Haupte fließet,

Und es wecket mir im Herzen,

Wenn sich gleich mein Auge schließet,

Deine Liebe bittre Schmerzen!

 

Mein Gewand, ich legt es nieder,

Soll ich wieder an es legen?

Nach dem Bad die Füße wieder

Mir besudeln auf den Wegen?

 

Deine Augen gleichen Blitzen,

Deine Augen von mir wende!

Meinem Herzen Degenspitzen

Scheinen deine zarten Hände!»

 

Aber wehe! nicht vernimmet

Sie den schweren Namen Schwester,

Glühender ihr Wahn entglimmet,

Sie umklammert ihn noch fester.

 

Und sie spricht: «Der Kelch der Lilien

Unserm Bett das Rauchfaß schwenket,

Unser Dursten zu vertilgen

Sich der Traube Becher senket.

 

Unsre Tür umgeben Früchte,

Ich bewahrte dir, mein Leben,

Heurige und fernge Früchte,

Beide kann ich dir nun geben!

 

O, du Liebe in Wollüsten!

O, du schön und lieblich Schweben!

Trauben gleichen meine Brüste,

Trauben wundersüßer Reben!

 

Einer Palme aufwärts dringend

Gleichet meines Leibes Länge,

Wie der Wein hinan sich schlinget:

O, wer sich hinan so schwänge!

 

Laß uns durch die Felder ziehen,

Ob uns sieht das Aug der Reben,

Ich will, wenn Granaten blühen,

Dort dir meine Brüste geben.

 

Dich, der meiner Mutter Brüste

Saugte, Bruder, dich den Schönen,

Wenn ich dort dich brünstig küßte,

Ach, wer wollte mich verhöhnen!»

 

Als sie diesen Frevel singet,

Springt sein Blut ihr neu entgegen;

Der Verband, der Hilfe bringet,

Kann die Raserei nicht legen.

 

Und von ihrem Nonnenbilde

Reißt sie in der Angst die Decke,

Daß damit das Blut sich stillte,

Und es dienet ihrem Zwecke.

 

Als sie zu dem Bilde blicket,

Fühlet sie ein tief Erschrecken,

Scham sie wie ein Schwert durchzücket,

Und sie eilt, sich zu bedecken.

 

Von des Bildes Augen fließen,

Wunder Gottes! bittre Tränen,

In die Arme muß sies schließen,

Ach, sie möchte es versöhnen!

 

Und dem Bilde gegenüber

Sitzt zur Harfe sie am Bette,

Und die Augen strömen über

Der verlorenen Biondette.

 

«Wo ist die, die aus der Wüste

Aufgeht, auf den Freund gelehnet?»

Spricht Meliore nun, und grüßte

Sie, nach der sein Herz sich sehnet.

 

«Auf dein Herz gleich einem Siegel

War sie wahrlich doch gesetzet.

Goldne Rose, deinen Spiegel

Hat die Schlange bös verletzet.

 

Um den Apfelbaum sich schlingend,

Der die Mutter dir bedeckte,

Als sie rang, zur Welt dich bringend,

Bös die Schlange mich erweckte!»

 

Aber traurend sitzt die Süße,

Läßt die Harfe leis erbeben,

Daß ihn schön das Leben grüße,

Das die Liebe ihm gegeben.

 

Wie die Töne sich ergießen,

Fühlt die Jungfrau in dem Herzen

Wunderbaren Zauber fließen

Und so süße, wilde Schmerzen.

 

Höher sie die Saiten schwinget,

Denket nicht mehr des Gesellen;

Wie der Schwan im Tode singet,

Glühend ihre Töne schwellen.

 

Tausend Töne, die sonst schliefen,

Aus der Harfe lebend brechen,

Und in allen Herzenstiefen

Hört sie laut das Echo sprechen.

 

In dem Tode hallt es wider;

Schüchtern zu des Lebens Schwelle

Rufen ihn die Zauberlieder,

Seine Blicke werden helle.

 

Wer erklärt ihm die Gesichte,

Wer ergießt des Himmels Segen?

Ist so mild das Weltgerichte,

Kommt die Gottheit ihm entgegen?

 

«Süßer Tod, den ich erlitten!

Goldne Töne zu mir gehen,

Selig in des Himmels Mitten

Soll ich wieder auferstehen!»

 

Aus Biondettens frommen Mienen

Strömet ihm das selge Wähnen,

Gottes Mutter sei erschienen,

Und er betet unter Tränen.

 

Doch die arme Jungfrau singet

Unter bittren, bittren Tränen,

Während sie die Hände ringet:

«O, welch schmerzlich glühes Sehnen!

 

Schwarz bin ich, doch voller Liebe,

Wie die Hütten Kedars stehen,

Wie die bunten Teppche schimmernd

Salomons im Tempel wehen.

 

Die Weingärten zu behüten,

Setzten sie mich ein zum Wächter,

Meinen konnt ich nicht behüten,

Von Jerusalem ihr Töchter!

 

Wie der Tod so stark ist Liebe,

Fest der Eifer wie die Hölle,

Glut und Feuer meine Triebe,

Wie des Herren Blitz so schnelle.

 

Und wenn alle Wasser stiegen,

Und wenn alle Ströme rännen,

Würden sie sie nicht besiegen,

Nimmer sie erlöschen können!

 

Was in meinem Haus sich findet,

Alles Gut, wenn ichs wollt geben

Um die Liebe, die mich bindet,

Ach, ich hätte nichts gegeben!

 

Schön und lieblich meine Füße

In den goldnen Schuhen stehen,

Und mein Haupt, wenn ich ihn grüße,

Ist wie eines Helmbuschs Wehen!

 

Wie zwo Spangen schön sich schwingend,

Von des größten Meisters Händen

Eben aneinander dringend,

Stehen freudig meine Lenden!»

 

Doch nun lischt der Kerzen Schimmer

Und Biondette singet: «Wehe,

Wehe, Wehe, Lebensschimmer,

Holdes Leben, nicht vergehe!

 

Sterbet nicht, ihr süßen Lieder,

Wollt, o wollt nicht von mir schweben!

Sterbet nicht, ihr raschen Glieder,

Laßt euch froh zum Tanze heben!»

 

Eh die Lampe auch verglimme,

Will sie freudig nochmals schweben;

Doch sie hört nicht ihre Stimme,

Fühlt nicht ihrer Füße Schweben.

 

Weh! es walten böse Künste,

Laut die frühen Hähne krähen;

Kehrt, ihr Geister, aus dem Dienste,

Denn der Tag will auferstehen!

 

Und Meliore kömmt zu Sinnen.

Licht und Lied und Lieb entschweben,

Mächtig fühlt er sich von hinnen

Auf die öde Straße heben.

 

Kühl umwehn ihn Morgenwinde,

Wunderbar ist ihm geschehen,

Denn er kann noch ihre Binde

Auf der frischen Wunde sehen.

 

Und die nahe Glocke klinget,

Und er hört die ersten Messen:

Bete, bete, nie gelinget,

Die Geliebte zu vergessen!