BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Adelbert von Chamisso

1781 - 1838

 

Gedichte in zeitlicher Folge

 

1806

 

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Der Schatz.

 

Fernher aus geheimem Schreine

Winkt ein Schatz so wunderbar;

Weiß allein nur, wen er meine,

Und den Ort, wo er bewahrt.

Und wir streben, und wir meinen,

Streben, meinen immerdar,

Schweifen durch des Lebens Weite,

Und verachten die Gefahr;

Wir begehren nur das Eine,

Wir begehren immerdar;

Immerdar auch will's erscheinen,

Ach verschwinden immerdar.

 

 

Katzennatur.

 

'S war mal 'ne Katzenkönigin,

Ja, ja!

Die hegte edlen Katzensinn,

Ja, ja!

Verstand gar wohl zu mausen,

Liebt' königlich zu schmausen,

Ja, ja! – Katzennatur!

Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

 

Die hatt 'nen schneeweißen Leib,

Ja, ja!

So schlank, so zart, die Hände so weich.

Ja, ja!

Die Augen wie Karfunkeln,

Sie leuchteten im Dunkeln,

Ja, ja! – Katzennatur!

Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

 

Ein Edelmausjüngling lebte zur Zeit,

Ja, ja!

Der sah die Königin wohl von weit,

Ja, ja!

'ne ehrliche Haut von Mäuschen,

Der kroch aus seinem Häuschen,

Ja, ja! – Mäusenatur!

Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

 

Der sprach: in meinem Leben nicht,

Ja, ja!

Hab ich gesehen so süßes Gesicht,

Ja, ja!

Die muß mich Mäuschen meinen,

Sie thut so fromm erscheinen,

Ja, ja! – Mäusenatur!

Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

 

Der Maus: willst du mein Schätzchen sein?

Ja,ja!

Die Katz: ich will dich sprechen allein.

Ja, ja!

Heut will ich bei dir schlafen –

Heut sollst du bei mir schlafen –

Ja, ja! – Katzennatur!

Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

 

Der Maus, der fehlte nicht die Stund,

Ja, ja!

Die Katz, die lachte den Bauch sich rund,

Ja, ja!

Dem Schatz, den ich erkoren,

Dem zieh ich's Fell über die Ohren,

Ja, ja! – Katzennatur!

Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!