BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Joseph von Eichendorff

1788 - 1857

 

Aus dem Leben eines Taugenichts,

Das Marmorbild,

Lieder und Romanzen

 

Aus dem Leben eines Taugenichts

 

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[123]

Zehntes Kapitel.

 

Das Schiff stieß an das Ufer, wir sprangen schnell ans Land und vertheilten uns nun nach allen Seiten im Grünen, wie Vögel, wenn das Gebauer plötzlich aufgemacht wird. Der geistliche Herr nahm eiligen Abschied und ging mit großen Schritten nach dem Schlosse zu. Die Studenten dagegen wanderten eifrig nach einem abgelegenen Gebüsch, wo sie noch geschwind ihre Mäntel ausklopfen, sich in dem vorüberfließenden [124] Bache waschen, und einer den andern rasiren wollten. Die neue Kammerjungfer endlich ging mit ihrem Kanarienvogel und ihrem Bündel unterm Arm nach dem Wirthshause unter dem Schloßberge, um bei der Frau Wirthin, die ich ihr als eine gute Person rekommandirt hatte, ein besseres Kleid anzulegen, ehe sie sich oben im Schlosse vorstellte. Mir aber leuchtete der schöne Abend recht durchs Herz, und als sie sich nun alle verlaufen hatten, bedachte ich mich nicht lange und rannte sogleich nach dem herrschaftlichen Garten hin.

Mein Zollhaus, an dem ich vorbei mußte, stand noch auf der alten Stelle, die hohen Bäume aus dem herrschaftlichen Garten rauschten noch immer darüber hin, ein Goldammer, der damals auf dem Kastanienbaume vor dem Fenster jedesmal bei Sonnenuntergang sein Abendlied gesungen hatte, sang auch wieder, als wäre seitdem gar nichts in der Welt vorgegangen. Das Fenster im Zollhause stand offen, ich lief voller Freuden hin und steckte den Kopf in die Stube hinein. Es war Niemand darin, aber die Wanduhr pickte noch immer ruhig fort, der Schreibtisch stand am Fenster, und die lange Pfeife in einem Winkel, wie damals. Ich konnte nicht widerstehen, ich sprang durch das Fenster hinein, und setzte mich an den Schreibtisch vor das große Rechenbuch hin. Da fiel der Sonnenschein durch den Kastanienbaum vor dem Fenster wieder grüngolden auf die Ziffern in dem aufgeschlagenen Buche, die Bienen summten wieder an dem offnen Fenster hin und her, der Goldammer draußen auf dem Baume sang fröhlich [125] immerzu. – Auf einmal aber ging die Thüre aus der Stube auf, und ein alter, langer Einnehmer in meinem punktirten Schlafrock trat herein! Er blieb in der Thüre stehen, wie er mich so unversehens erblickte, nahm schnell die Brille von der Nase, und sah mich grimmig an. Ich aber erschrack nicht wenig darüber, sprang, ohne ein Wort zu sagen, auf, und lief aus der Hausthür durch den kleinen Garten fort, wo ich mich noch bald mit den Füßen in dem fatalen Kartoffelkraut verwickelt hätte, das der alte Einnehmer nunmehr, wie ich sah, nach des Portiers Rath statt meiner Blumen angepflanzt hatte. Ich hörte noch, wie er vor die Thür herausfuhr und hinter mir drein schimpfte, aber ich saß schon oben auf der hohen Gartenmauer, und schaute mit klopfendem Herzen in den Schloßgarten hinein.

Da war ein Duften und Schimmern und Jubiliren von allen Vöglein; die Plätze und Gänge waren leer, aber die vergoldeten Wipfel neigten sich im Abendwinde vor mir, als wollten sie mich bewillkommnen, und seitwärts aus dem tiefen Grunde blitzte zuweilen die Donau zwischen den Bäumen nach mir herauf.

Auf einmal hörte ich in einiger Entfernung im Garten singen:

 

Schweigt der Menschen laute Lust:

Rauscht die Erde wie in Träumen

Wunderbar mit allen Bäumen,

Was dem Herzen kaum bewußt,

Alte Zeiten, linde Trauer,

Und es schweifen leise Schauer

Wetterleuchtend durch die Brust. [126]

 

Die Stimme und das Lied klang mir so wunderlich, und doch wieder so altbekannt, als hätte ich's irgend einmal im Traume gehört. Ich dachte lange, lange nach. – „Das ist der Herr Guido!“ rief ich endlich voller Freude, und schwang mich schnell in den Garten hinunter – es war dasselbe Lied, das er an jenem Sommerabend auf dem Balkon des italienischen Wirthshauses sang, wo ich ihn zum letztenmal gesehn hatte.

Er sang noch immer fort, ich aber sprang über Beete und Hecken dem Liede nach. Als ich nun zwischen den letzten Rosensträuchern hervor trat, blieb ich plötzlich wie verzaubert stehen. Denn auf dem grünen Platze am Schwanenteich, recht vom Abendroth beschienen, saß die schöne gnädige Frau, in einem prächtigen Kleide und einem Kranz von weißen und rothen Rosen in dem schwarzen Haar, mit niedergeschlagenen Augen auf einer Steinbank und spielte während des Liedes mit ihrer Reitgerte vor sich auf dem Rasen, grade so wie damals auf dem Kahne, da ich ihr das Lied von der schönen Frau vorsingen mußte. Ihr gegenüber saß eine andre junge Dame, die hatte den weißen runden Nacken voll brauner Locken gegen mich gewendet, und sang zur Guitarre, während die Schwäne auf dem stillen Weiher langsam im Kreise herumschwammen. – Da hob die schöne Frau auf einmal die Augen, und schrie laut auf, da sie mich erblickte. Die andere Dame wandte sich rasch nach mir herum, daß ihr die Locken ins Gesicht flogen, und da sie mich recht ansah, brach [127] sie in ein unmäßiges Lachen aus, sprang dann von der Bank und klatschte dreimal mit den Händchen. In demselben Augenblick kam eine große Menge kleiner Mädchen in blüthenweißen kurzen Kleidchen mit grünen und rothen Schleifen zwischen den Rosensträuchern hervorgeschlüpft, so daß ich gar nicht begreifen konnte, wo sie alle gesteckt hatten. Sie hielten eine lange Blumenguirlande in den Händen, schlossen schnell einen Kreis um mich, tanzten um mich herum und sangen dabei:

 

Wir bringen Dir den Jungfernkranz

Mit veilchenblauer Seide,

Wir führen Dich zu Lust und Tanz,

Zu neuer Hochzeitsfreude.

Schöner, grüner Jungfernkranz,

Veilchenblaue Seide.

 

Das war aus dem Freischützen. Von den kleinen Sängerinnen erkannte ich nun auch einige wieder, es waren Mädchen aus dem Dorfe. Ich kneipte sie in die Wangen und wäre gern aus dem Kreise entwischt, aber die kleinen schnippischen Dinger ließen mich nicht heraus. – Ich wußte gar nicht, was die Geschichte eigentlich bedeuten sollte, und stand ganz verblüfft da.

Da trat plötzlich ein junger Mann in feiner Jägerkleidung aus dem Gebüsch hervor. Ich traute meinen Augen kaum – es war der fröhliche Herr Leonhard! – Die kleinen Mädchen öffneten nun den Kreis und standen auf einmal wie verzaubert, alle unbeweglich auf einem Beinchen, während sie das andere in [128] die Luft streckten, und dabei die Blumenguirlanden mit beiden Armen hoch über den Köpfen in die Höh' hielten. Der Herr Leonhard aber faßte die schöne gnädige Frau, die noch immer ganz still stand und nur manchmal auf mich herüber blickte, bei der Hand, führte sie bis zu mir und sagte:

„Die Liebe – darüber sind nun alle Gelehrten einig – ist eine der kuragiösesten Eigenschaften des menschlichen Herzens, die Bastionen von Rang und Stand schmettert sie mit einem Feuerblicke darnieder, die Welt ist ihr zu eng und die Ewigkeit zu kurz. Ja, sie ist eigentlich ein Poeten=Mantel, den jeder Phantast einmal in der kalten Welt umnimmt, um nach Arkadien auszuwandern. Und je entfernter zwei getrennte Verliebte von einander wandern, in desto anständigern Bogen bläst der Reisewind den schillernden Mantel hinter ihnen auf, desto kühner und überraschender entwickelt sich der Faltenwurf, desto länger und länger wächst der Talar den Liebenden hinten nach, so daß ein Neutraler nicht über Land gehen kann, ohne unversehens auf ein Paar solche Schleppen zu treten. O theuerster Herr Einnehmer und Bräutigam! obgleich Ihr in diesem Mantel bis an den Gestaden der Tiber dahinrauschtet, das kleine Händchen Eurer gegenwärtigen Braut hielt Euch dennoch am äußersten Ende der Schleppe fest, und wie Ihr zucktet und geigtet und rumortet, Ihr mußtet zurück in den stillen Bann ihrer schönen Augen. – Und nun dann, da es so gekommen ist, Ihr zwei lieben, lieben närrischen Leute! [129] schlagt den seeligen Mantel um Euch, daß die ganze andere Welt rings um Euch untergeht – liebt Euch wie die Kaninchen und seyd glücklich!“

Der Herr Leonhard war mit seinem Sermon kaum erst fertig, so kam auch die andere junge Dame, die vorhin das Liedchen gesungen hatte, auf mich los, setzte mir schnell einen frischen Mirthenkranz auf den Kopf, und sang dazu sehr neckisch, während sie mir den Kranz in den Haaren festrückte und ihr Gesichtchen dabei dicht vor mir war:

 

Darum bin ich Dir gewogen,

Darum wird Dein Haupt geschmückt,

Weil der Strich von Deinem Bogen

Oefters hat mein Herz entzückt.

 

Dann trat sie wieder ein paar Schritte zurück. – „Kennst Du die Räuber noch, die Dich damals in der Nacht vom Baume schüttelten?“ sagte sie, indem sie einen Knix mir machte und mich so anmuthig und fröhlich ansah, daß mir ordentlich das Herz im Leibe lachte. Darauf ging sie, ohne meine Antwort abzuwarten, rings um mich herum. „Wahrhaftig noch ganz der Alte, ohne allen welschen Beischmack! aber nein, sieh doch nur einmal die dicken Taschen an!“ rief sie plötzlich zu der schönen gnädigen Frau, „Violine, Wäsche, Barbiermesser, Reisekoffer, alles durcheinander!“ Sie drehte mich dabei nach allen Seiten, und konnte sich vor Lachen gar nicht zu Gute geben. Die schöne gnädige Frau war unterdeß noch immer still, und mochte gar nicht die Augen aufschlagen vor Schaam und Ver=[130]wirrung. Oft kam es mir vor, als zürnte sie heimlich über das viele Gerede und Spaßen. Endlich stürzten ihr plötzlich Thränen aus den Augen, und sie verbarg ihr Gesicht an der Brust der andern Dame. Diese sah sie erst erstaunt an, und drückte sie dann herzlich an sich.

Ich aber stand ganz verdutzt da. Denn je genauer ich die fremde Dame betrachtete, desto deutlicher erkannte ich sie, es war wahrhaftig niemand anders, als – der junge Herr Maler Guido!

Ich wußte gar nicht was ich sagen sollte, und wollte so eben näher nachfragen, als Herr Leonhard zu ihr trat und heimlich mit ihr sprach. „Weiß er denn noch nicht?“ hörte ich ihn fragen. Sie schüttelte mit dem Kopfe. Er besann sich darauf einen Augenblick. „Nein, nein,“ sagte er endlich, „er muß schnell alles erfahren, sonst entsteht nur neues Geplauder und Gewirre.“

„Herr Einnehmer,“ wandte er sich nun zu mir, „wir haben jetzt nicht viel Zeit, aber thue mir den Gefallen und wundere Dich hier in aller Geschwindigkeit aus, damit Du nicht hinterher durch Fragen, Erstaunen und Kopfschütteln unter den Leuten alte Geschichten aufrührst, und neue Erdichtungen und Vermuthungen ausschüttelst.“ – Er zog mich bei diesen Worten tiefer in das Gebüsch hinein, während das Fräulein mit der, von der schönen gnädigen Frau weggelegten Reitgerte in der Luft focht und alle ihre Locken tief in das Gesichtchen schüttelte, durch die ich aber doch [131] sehen konnte, daß sie bis an die Stirn roth wurde. – „Nun denn,“ sagte Herr Leonhard, „Fräulein Flora, die hier so eben thun will, als hörte und wüßte sie von der ganzen Geschichte nichts, hatte in aller Geschwindigkeit ihr Herzchen mit Jemandem vertauscht. Darüber kommt ein Andrer und bringt ihr mit Prologen, Trompeten und Pauken wiederum sein Herz dar und will ihr Herz dagegen. Ihr Herz ist aber schon bei Jemand, und Jemands Herz bei ihr, und der Jemand will sein Herz nicht wieder haben, und ihr Herz nicht wieder zurück geben. Alle Welt schreit – aber Du hast wohl noch keinen Roman gelesen?“ – Ich verneinte es. – „Nun, so hast Du doch einen mitgespielt. Kurz: das war eine solche Konfusion mit den Herzen, daß der Jemand – das heißt ich – mich zuletzt selbst ins Mittel legen mußte. Ich schwang mich bei lauer Sommernacht auf mein Roß, hob das Fräulein als Maler Guido auf das andere und so ging es fort nach Süden, um sie in einem meiner einsamen Schlösser in Italien zu verbergen, bis das Geschrei wegen der Herzen vorüber wäre. Unterweges aber kam man uns auf die Spur, und von dem Balkon des welschen Wirthshauses, vor dem Du so vortrefflich Wache schliefst, erblickte Flora plötzlich unsere Verfolger.“ – „Also der bucklichte Signor?“ – „War ein Spion. Wir zogen uns daher heimlich in die Wälder, und ließen Dich auf dem vorbestellten Postkurse allein fortfahren. Das täuschte unsere Verfolger, und zum Ueberfluß auch noch meine Leute auf dem Bergschlosse, [132] welche die verkleidete Flora stündlich erwarteten, und mit mehr Diensteifer als Scharfsinn Dich für das Fräulein hielten. Selbst hier auf dem Schlosse glaubte man, daß Flora auf dem Felsen wohne, man erkundigte sich, man schrieb an sie – hast Du nicht ein Briefchen erhalten?“ – Bei diesen Worten fuhr ich blitzschnell mit dem Zettel aus der Tasche. – „Also dieser Brief?“ – „Ist an mich,“ sagte Fräulein Flora, die bisher auf unsre Rede gar nicht Acht zu geben schien, riß mir den Zettel rasch aus der Hand, überlas ihn und steckte ihn dann in den Busen. – „Und nun,“ sagte Herr Leonhard, „müssen wir schnell in das Schloß, da wartet schon Alles auf uns. Also zum Schluß, wie sich's von selbst versteht und einem wohlerzognen Romane gebührt: Entdeckung, Reue, Versöhnung, wir sind alle wieder lustig beisammen, und übermorgen ist Hochzeit!“

Da er noch so sprach, erhob sich plötzlich in dem Gebüsch ein rasender Spektakel von Pauken und Trompeten, Hörnern und Posaunen; Böller wurden dazwischen gelöst und Vivat gerufen, die kleinen Mädchen tanzten von neuem, und aus allen Sträuchern kam ein Kopf über dem andern hervor, als wenn sie aus der Erde wüchsen. Ich sprang in dem Geschwirre und Geschleife Ellenhoch von einer Seite zur andern, da es aber schon dunkel wurde, erkannte ich erst nach und nach alle die alten Gesichter wieder. Der alte Gärtner schlug die Pauken, die Prager Studenten in ihren Mänteln musizirten mitten darunter, neben ihnen fingerte der Portier wie toll auf seinem Fagott. Wie ich [133] den so unverhofft erblickte, lief ich sogleich auf ihn zu, und embrassirte ihn heftig. Darüber kam er ganz aus dem Conzept. „Nun wahrhaftig und wenn der bis ans Ende der Welt reist, er ist und bleibt ein Narr!“ rief er den Studenten zu, und blies ganz wüthend weiter.

Unterdeß war die schöne gnädige Frau vor dem Rumor heimlich entsprungen, und flog wie ein aufgescheuchtes Reh über den Rasen tiefer in den Garten hinein. Ich sah es noch zur rechten Zeit und lief ihr eiligst nach. Die Musikanten merkten in ihrem Eifer nichts davon, sie meinten nachher: wir wären schon nach dem Schlosse aufgebrochen, und die ganze Bande setzte sich nun mit Musik und großem Getümmel gleichfalls dorthin auf den Marsch.

Wir aber waren fast zu gleicher Zeit in einem Sommerhause angekommen, das am Abhange des Gartens stand, mit dem offnen Fenster nach dem weiten tiefen Thale zu. Die Sonne war schon lange untergegangen hinter den Bergen, es schimmerte nur noch wie ein röthlicher Duft über dem warmen, verschallenden Abend, aus dem die Donau immer vernehmlicher herauf rauschte, je stiller es ringsum wurde. Ich sah unverwandt die schöne Gräfin an, die ganz erhitzt vom Laufen dicht vor mir stand, so daß ich ordentlich hören konnte, wie ihr das Herz schlug. Ich wußte nun aber gar nicht, was ich sprechen sollte vor Respekt, da ich auf einmal so allein mit ihr war. Endlich faßte ich ein Herz, nahm ihr kleines weißes Händchen – da zog [134] sie mich schnell an sich und fiel mir um den Hals, und ich umschlang sie fest mit beiden Armen.

Sie machte sich aber geschwind wieder los und legte sich ganz verwirrt in das Fenster, um ihre glühenden Wangen in der Abendluft abzukühlen. – „Ach,“ rief ich, „mir ist mein Herz recht zum Zerspringen, aber ich kann mir noch alles nicht recht denken, es ist mir alles noch wie ein Traum!“ – „Mir auch,“ sagte die schöne gnädige Frau. „Als ich vergangenen Sommer,“ setzte sie nach einer Weile hinzu, „mit der Gräfin aus Rom kam, und wir das Fräulein Flora glücklich gefunden hatten, und mit zurückbrachten, von Dir aber dort und hier nichts hörten – da dacht' ich nicht, daß alles noch so kommen würde! Erst heut zu Mittag sprengte der Jokey, der gute flinke Bursch, athemlos auf den Hof und brachte die Nachricht, daß Du mit dem Postschiffe kämst.“ – Dann lachte sie still in sich hinein. „Weißt Du noch,“ sagte sie, „wie Du mich damals auf dem Balkon zum letztenmal sahst? das war grade wie heute, auch so ein stiller Abend, und Musik im Garten.“ – „Wer ist denn eigentlich gestorben?“ frug ich hastig. – „Wer denn?“ sagte die schöne Frau und sah mich erstaunt an. – „Der Herr Gemahl von Ew. Gnaden,“ erwiederte ich, „der damals mit auf dem Balkon stand.“ – Sie wurde ganz roth. „Was hast Du auch für Seltsamkeiten im Kopfe!“ rief sie aus, „das war ja der Sohn von der Gräfin, der eben von Reisen zurückkam, und es traf grade auch mein Geburtstag, da führte er mich mit [135] auf den Balkon hinaus, damit ich auch ein Vivat bekäme. – Aber deshalb bist Du wohl damals von hier fortgelaufen?“ – „Ach Gott, freilich!“ rief ich aus, und schlug mich mit der Hand vor die Stirn. Sie aber schüttelte mit dem Köpfchen und lachte recht herzlich.

Mir war so wohl, wie sie so fröhlich und vertraulich neben mir plauderte, ich hätte bis zum Morgen zuhören mögen. Ich war so recht seelenvergnügt, und langte eine Hand voll Knackmandeln aus der Tasche, die ich noch aus Italien mitgebracht hatte. Sie nahm auch davon, und wir knackten nun und sahen zufrieden in die stille Gegend hinaus. – „Siehst Du,“ sagte sie nach einem Weilchen wieder, „das weiße Schlößchen, das da drüben im Mondschein glänzt, das hat uns der Graf geschenkt, sammt dem Garten und den Weinbergen, da werden wir wohnen. Er wußt es schon lange, daß wir einander gut sind, und ist Dir sehr gewogen, denn hätt' er Dich nicht mitgehabt, als er das Fräulein aus der Pensions=Anstalt entführte, so wären sie beide erwischt worden, ehe sie sich vorher noch mit der Gräfin versöhnten, und alles wäre anders gekommen.“ – „Mein Gott, schönste, gnädigste Gräfin,“ rief ich aus, „ich weiß gar nicht mehr, wo mir der Kopf steht vor lauter unverhofften Neuigkeiten; also der Herr Leonhard?“ – „Ja, ja,“ fiel sie mir in die Rede, „so nannte er sich in Italien; dem gehören die Herrschaften da drüben, und er heirathet nun unserer Gräfin Tochter, die schöne Flora. – Aber was nennst Du mich denn Gräfin?“ – Ich sah sie groß an. – [136] „Ich bin ja gar keine Gräfin,“ fuhr sie fort, „unsere gnädige Gräfin hat mich nur zu sich auf's Schloß genommen, da mich mein Onkel, der Portier, als kleines Kind und arme Waise mit hierher brachte.“

Nun war's mir doch nicht anders, als wenn mir ein Stein vom Herzen fiele! „Gott segne den Portier,“ versetzte ich ganz entzückt, „daß er unser Onkel ist! ich habe immer große Stücke auf ihn gehalten.“ – „Er meint es auch gut mit Dir,“ erwiederte sie, „wenn Du Dich nur etwas vornehmer hieltest, sagt er immer. Du mußt Dich jetzt auch eleganter kleiden.“ – „O,“ rief ich voller Freuden, „englischen Frack, Strohhut und Pumphosen und Sporen! und gleich nach der Trauung reisen wir fort nach Italien, nach Rom, da gehn die schönen Wasserkünste, und nehmen die Prager Studenten mit und den Portier!“ – Sie lächelte still und sah mich recht vergnügt und freundlich an, und von fern schallte immerfort die Musik herüber, und Leuchtkugeln flogen vom Schloß durch die stille Nacht über die Gärten, und die Donau rauschte dazwischen herauf – und es war alles, alles gut!

 

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