BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Gottlieb Fichte

1762 - 1814

 

Der geschlossene Handelsstaat

 

1. Buch

 

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Viertes Capitel.

 

Ob die Abgaben an den Staat

etwas im Gleichgewichte des Gewerbes

ändern.

 

Es müssen Personen angestellt werden, die sich mit Handhabung der Gesetze und Erhaltung der öffentlichen Ordnung, andere, die sich mit dem öffentlichen Unterrichte ausschliessend beschäftigen; endlich solche, die sich in den Waffen üben, und immer fertig stehen, die Nation gegen die Gewaltthätigkeit innerer oder äusserer Feinde zu vertheidigen. Diese können weder das Land bauen, noch fabriciren, noch Handlung treiben; dennoch sollen sie, jeder nach der Natur seines Geschäftes, ebenso gut leben, als die übrigen Bürger. Es bleibt nichts übrig, als dass die übrigen Stände für sie mit arbeiten, und ihnen die nöthigen Producte und Fabricate liefern, ebenso wie es ohnedies jeder arbeitende Stand für den andern thut; nur mit dem Unterschiede, dass der letztere etwas dagegen giebt, diese aber nichts dagegen zu geben haben. Ihre Bedürfnisse müssen ihnen ohne alles sichtbare und fühlbare Aequivalent abgeliefert werden. Ihre Sorge für die Regierung, Erziehung und Belehrung, Vertheidigung der Nation ist das Aequivalent, das sie derselben entrichten. – Dieses ist der Grundbegriff von Abgabe, welcher sowohl hier, als allenthalben ausreicht.

Die Regierung, welche zu berechnen hat, wieviel solcher Personen, die ich im allgemeinen öffentliche Beamte nennen will, sowohl überhaupt, als für jeden Haupt- oder untergeordneten Zweig anzustellen seyen, hat zugleich zu berechnen, auf welche Weise jeder seinem Geschäfte nach, bei diesem bestimmten Grade des Wohlstandes in der Nation, von Rechtswegen leben solle und dürfe. Aus dieser Berechnung geht die Grösse der Abgabe überhaupt hervor, die die Nation zu entrichten hat. Es lässt sich nicht denken, zu welchem Zwecke in einem vernünftigen und wohlgeordneten Staats die Regierung mehr fordern sollte, als sie bedarf. Was aber gebraucht wird, entrichtet die Nation von Rechtswegen; denn sie kann nicht verlangen, dass diejenigen, welche alle anderen bei ihren Rechten schützen, die einzigen seyen, die daran gekränkt werden.

Die Folge dieser Einführung der Abgaben ist keinesweges Störung des aufgestellten Gleichgewichtes zwischen den verschiedenen Ständen und Individuen, sondern lediglich ein, jedoch unvermeidlicher, Abbruch an dem Wohlstande aller, den der öffentliche Beamte selbst ebensowohl mit tragen muss, als alle übrigen Bürger. Es lassen sich, wenn nicht einige Bürger öffentlichen Aemtern und Geschäften ausschliessend gewidmet werden müssten, folgende zwei entgegengesetzte Fälle denken, Entweder, es sollen nach wie vor nur diejenige Menge und diejenigen Arten von Waare geliefert werden, die bisher geliefert worden, und bei welchen bisher die ganze Nation auf ihre Weise gelebt hat; es soll sonach auf der ganzen Oberfläche des Staates ebensoviel, und nicht mehr gearbeitet werden, als bisher: so werden die bisherigen Beamten zur gemeinsamen Arbeit gezogen werden, und das, was durch ihren Zutritt an der Arbeit anderer erspart wird, wird unter alle gleich vertheilt werden müssen: alle werden sonach an Ruhe und Musse gewinnen. Oder diejenigen, welche bisher arbeiteten, und durch ihre Arbeit die ganze Nation, die bisherigen öffentlichen Beamten mit eingeschlossen, auf die gewohnte Weise erhielten, sollen ebensoviel arbeiten wie bisher; so wird eine der Zahl der bisherigen Beamten gleiche Zahl Bürger ihre Arbeit auf feinere Nahrungsmittel und Fabricate wenden können; es wird, da auch durch diese immer etwas an den nothdürftigen erspart wird, selbst ein Theil der Arbeit, die bisher nur auf diese Nothdurft ging, auf das feinere gewendet werden können, und die Nation wird zwar nicht an Ruhe, aber an Wohlleben gewonnen haben. Nehme man den aus beiden Fällen zusammengesetzten Fall an, der ohne Zweifel auch wirklich eintreten würde, so wird für alle mehr Genuss aus weniger Arbeit hervorgehen; ihr Wohlstand sonach wird vermehrt seyn. Dass dieser unter den gegebenen Naturbedingungen allerdings mögliche Wohlstand nicht eintritt, liegt daran, dass öffentliche Beamte da sind, welche leben müssen, ohne dass sie ihren Beitrag zu der Arbeit für dieses blosse sinnliche Leben leisten können. Sie selbst tragen diese Verminderung des öffentlichen Wohlstandes mit; denn sie werden in einem wohleingerichteten Staate nicht nach dem möglichen, sondern nach dem wirklichen Wohlstande der Nation besoldet.

Dieser Abbruch an dem öffentlichen Wohlstande trifft alle arbeitenden Stände, und jedes Individuum derselben, bei der beschriebenen Organisation des Verkehrs, in gleichem Maasse, sowie allen die Vortheile der Regieruns, des Unterrichts und der Vertheidigung in gleichem Maasse zu statten kommen. Jeder bezahlt seinen Antheil, wie er soll. Man kann sagen: der Werth jedes in den öffentlichen Verkehr kommenden Dinges sey von nun an nicht mehr bloss nach dem oben angegebenen Maassstabe, dass der Producent, der Fabricant und der Kaufmann, jeder nach seiner Art gleich angenehm dabei bestehen könne, sondern nach dem, dass noch überdies der öffentliche Beamte ebenso dabei bestehen könne, zu bestimmen; man kann annehmen, das für die Abgabe nöthige und dem Beamten rein verbleibende sey aus dem öffentlichen Handel verschwunden, und für das verkehrende Publikum verloren; man kann endlich annehmen, der Producent und der Fabricant müsse von seiner Waare, der Kaufmann von seiner Handelsbesoldung, sich als für eine Schuld etwas im voraus wegnehmen lassen: es ist alles gleich, und das Resultat bleibt immer dasselbe. Nur der Abbruch am öffentlichen Wohlstande ist die wahre Last, welche von allen gemeinschaftlich getragen wird.

Welchen Weg man ergreifen möge, um diese Abgaben zu erheben, das Resultat bleibt immer dasselbe. Ob man beiden, dem Producenten und dem Fabricanten, ihren Beitrag unmittelbar abnehme, und gleichfalls vom Einkauf des Handelsmannes sich etwas abliefern lasse; ob man den ersteren den Beitrag des letzteren zugleich mit abnehme, und den Kaufmann durch Erhöhung des Einkaufspreises an sie zurückzahlen lasse; ob man den einfachsten und am leichtesten zu übersehenden Weg ergreife, und vom Ackerbauer die ganze Abgabe erhebe, diesem aber den Beitrag des Fabricanten und des Kaufmanns durch Erhöhung seines Products zurückzahlen lasse: wenn nur die Waarenpreise erst nach Abrechnung des an den Staat abgegebenen von der Summe der im öffentlichen Verkehre befindlichen Waare, und nach der Bestimmung, aus wessen Händen der Staat sie ziehe, festgesetzt und nach den oben aufgestellten Grundsätzen festgesetzt werden: so bleibt das Gleichgewicht gehalten, und die öffentliche Gerechtigkeit behauptet.