BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Peter Hebel

1760 - 1826

 

Allemannische Gedichte

Für Freunde ländlicher Natur und Sitten

 

1803

 

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[31]

Die Irrlichter.

 

Es wandlen in der stille dunkle Nacht

wohl Engel um, mit Sterneblume gchrönt,

uf grüne Matte, bis der Tag verwacht,

und do und dört e Betzit-Glocke tönt.

 

Sie spröche mitenander deis und das,

sie machen öbbis mitenander us;

's sin gheimi Sache, niemes rothet, was?

Druf göhn sie wieder furt, und richte's us.

 

Und wenns so finster wird, wie in're Chue,

und wemme nümme sicht, wo d' Nußbäum stöhn,

was gschieht? se mü'en die füürige Manne zu

und mü'en den Engle zünde, wo sie göhn.

 

[32]

Und iedem hangt e Bederthalben a,

und wenns em öd wird, lengt er ebe dri,

und biißt e Stückli Schwefelschnitten a,

und trinkt e Schlückli Treber-Brenntewi.

 

Druf puzt er d' Schnören amme Tschäubli ab;

Hui, flackeret's in liechte Flammen uf,

und, hui, gohts wieder d' Matten uf und ab,

mit neue Chräfte, d' Matte ab und uf.

 

's isch chummliger so, wenn eim vorem Fuß

und vor den Auge d' Togge selber rennt,

aß wemme sie mit Hände trage muß,

und öbbe gar no d' Finger dra verbrennt.

 

Und schritet spot e Mensch dur d' Nacht derher,

und sieht vo witem scho die Kerli goh,

und betet lisli: «Das walt Gott der Her» –

«Ach bleib bei uns» – im Wetter sind sie do.

 

[33]

Worum? So bald der Engel bete hört,

se heimelets en a, er möcht derzu.

Der füürig Marcher blieb io lieber dört,

und wenn er chunnt, se hebt er d' Ohre zu.

 

Und schritet öbsch e trunk'ne Ma dur d' Nacht,

er fluecht und sappermentet: «Chrütz und Stern,»

und alli Zeichen, aß der Bode chracht,

sel hörti wohl der füürig Marcher gern.

 

Doch wirds em nit so gut; der Engel seit:

«Furt, weidli furt! Do magi nüt dervo!»

Im Wetterleich, sen isch der wiit und breit

kei Marcher me, und au kei Engel do.

 

Doch goht me still si Gang in Gottis G'leit,

und denkt: «Der chönnet bliben oder cho,

ne iede weiß si Weg, und 's Thal isch breit,»

sel isch's vernünftigst, und sie lön ein go.

 

[34]

Doch wenn der Wunderwitz ein öbbe brennt,

me lauft im Uhverstand den Engle no,

sel isch ene wie Gift und Poperment;

im Augenblick se lön sie alles stoh.

 

Z'erst sage sie: «Denkwol es isch si Weg,

er goht verbey, mer wen e wenig z'ruck!»

So sage sie, und wandle still us weg,

und sieder nimmt der füürig Ma ne Schluck.

 

Doch folgt me witers über Steg und Bort,

wo nummen au der Engel goht und stoht,

se seit er z'lezt: «Was gilts i find en Ort,

du Lappi, wo di Weg nit dure goht!»

 

Der Marcher muß vora; mit stillem Tritt

der Engel hinterher, und lauft me no,

se sinkt men in e Gülle, 's fehlt si nit.

Jez weisch di B'richt, und iez chasch wieder goh!

 

[35]

Nei, wart e wenig, 's chunnt e guti Lehr!

Vergiß mers nit, schribs lieber in e Buch!

Zum Erste sagi: Das walt Gott der Her,

isch alliwil no besser, aß e Fluch.

 

Der Fluch iagt d' Engel mittem Heil dervo;

e christli Gmüet und 's Bette zieht si a;

und wemme meint, me seh ne Marcher cho,

's isch numme so d' Laterne vorne dra.

 

Zum anderen, und wenn en Ehre-Ma

ne Gschäft für ihn ellei z'verrichte het,

so loß en mache! Was gohts di denn a?

Und los nit, wemme mittem Nochber redt!

 

Und goht me der us Weg, se lauf nit no!

Gang diner Wege fort in Gottis Gleit!

's isch Uhverstand, me merkts enanderno,

und 's git en Unehr; sag, i heig der's gseit!