BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Peter Hebel

1760 - 1826

 

Biblische Geschichten

Für die Jugend bearbeitet

 

II. Theil

 

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9.

Von dem Reich Gottes.

 

Von dieser Zeit an verkündigte Jesus das Evangelium von dem Reich Gottes oder von dem Himmelreich, nämlich die gute Botschaft, daß Gott die Menschen lieb habe, und sich über sie erbarme, daß er sie durch seinen Sohn von dem Irrglauben, und von den Gewohnheiten der Sünde erlösen wolle, daß er sie schon auf der Erde fromm und froh in Gott und selig im Himmel haben wolle. Fromme Menschen sind hier auf der Erde schon im Reich Gottes, fromme Kinder zum voraus.

Einst brachten die Leute Kinder zu Jesu, daß er sie möchte anrühren und segnen. Die Jünger wehrten anfänglich den Leuten ab. Als es aber Jesus sahe, sprach er zu ihnen: «Lasset die Kinder zu mir kommen, und wehret ihnen nicht, denn solcher ist das Himmelreich. Wahrlich, ich sage euch, wer das Reich Gottes nicht empfähet, wie ein Kindlein, der kommt nicht hinein.» Als er dieses gesagt hatte, drückte er die Kinder an sein liebevolles Herz, legte die Hände auf sie, und segnete sie.

Mehr als einmal sprach er zu dem Volk und zu seinen Jüngern: «Werdet wie die Kinder,» nämlich wie die guten.

«Hütet euch,» sprach er, «auch, daß ihr keines von diesen Kleinen irre machet, oder zur Sünde verführet, die an mich glauben, denn ich sage euch, ihre Engel im Himmel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel.» Ferner: «Wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.»

Was sagt hiezu mein Herz? Ich will Jesum wieder lieben, der also die Kinder lieb hat und segnet. Ich will seine Ermahnungen zur Gottseligkeit kindlich befolgen und mich seiner schönen Verheissungen erfreuen. Ich will meine Unschuld bewahren, daß ich mein Leben lang und ewig in dem heiligen und seligen Reich Gottes bleibe, in welchem ich bin. Mein Engel im Himmel sieht allezeit das Angesicht seines Vaters im Himmel.

Von dem Jordan gieng Jesus hinweg nach Jerusalem auf das Osterfest, wie einst seine Mutter ihn gelehrt hatte. Gute Mutterlehre geht dem Herzen nicht verloren. Damals kam zu ihm ein Mann in der Nacht mit Namen Nikodemus, ein vornehmer und gelehrter Mann. Er war aufmerksam auf Jesum geworden. Er wollte ihn genauer kennen lernen. Er hatte die Ahnung, daß er derjenige sey, welchen Gott bestimmt hatte, daß er die Menschen von dem Irrthum und von der Sünde befreien sollte. Er sprach zu ihm: «Wir wissen, daß du ein Lehrer bist, den Gott gesendet hat. Denn Niemand kann die Zeichen thun, die du thust, es sey denn Gott mit ihm.» Jesus redete mit ihm ebenfalls von dem Reich Gottes, und wie man gleichsam von neuem geboren und wieder ein Kind werden müsse an Liebe und Vertrauen. Zum Abschied und Andenken gab ihm Jesus nachher das schöne Sprüchlein: «Also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen eingebornen Sohn gab, auf daß Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.»

Auch dieses ist eine Beschreibung des Reichs Gottes mit andern Worten.

Nikodemus hielt von dieser Zeit an Jesum in Ehren, und war wohl einer von seinen getreuen Anhängern, wiewohl in der Stille.