BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Gedichte

in chronologischer Folge

 

1809

 

Textgrundlage:

Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 2, Gedichte nach 1800

Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1953

 

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Wenn aus dem Himmel...

 

Wenn aus dem Himmel hellere Wonne sich

Herabgießt, eine Freude den Menschen kommt,

Daß sie sich wundern über manches

Sichtbares, Höheres, Angenehmes:

 

Wie tönet lieblich heilger Gesang dazu!

Wie lacht das Herz in Liedern die Wahrheit an,

Daß Freudigkeit an einem Bildniß -

Über dem Stege beginnen Schaafe

 

Den Zug, der fast in dämmernde Wälder geht.

Die Wiesen aber, welche mit lautrem Grün

Bedekt sind, sind wie jene Haide,

Welche gewöhnlicher Weise nah ist

 

Dem dunkeln Walde. Da, auf den Wiesen auch

Verweilen diese Schaafe. Die Gipfel, die

Umher sind, nakte Höhen sind mit

Eichen bedeket und seltnen Tannen.

 

Da, wo des Stromes regsame Wellen sind,

Daß einer, der vorüber des Weges kommt,

Froh hinschaut, da erhebt der Berge

Sanfte Gestalt und der Weinberg hoch sich.

 

Zwar gehn die Treppen unter den Reben hoch

Herunter, wo der Obstbaum blühend darüber steht

Und Duft an wilden Heken weilet,

Wo die verborgenen Veilchen sprossen;

 

Gewässer aber rieseln herab, und sanft

Ist hörbar dort ein Rauschen den ganzen Tag;

Die Orte aber in der Gegend

Ruhen und schweigen den Nachmittag durch.