BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Gedichte

in chronologischer Folge

 

1828

 

Textgrundlage:

Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 2, Gedichte nach 1800

Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1953

 

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Der Frühling

 

Wie seelig ists, zu sehn, wenn Stunden wieder tagen,

Wo sich vergnügt der Mensch umsieht in den Gefilden,

Wenn Menschen sich um das Befinden fragen,

Wenn Menschen sich zum frohen Leben bilden.

 

Wie sich der Himmel wölbt, und außeinander dehnet,

So ist die Freude dann an Ebnen und im Freien,

Wenn sich das Herz nach neuem Leben sehnet,

Die Vögel singen, zum Gesange schreien.

 

Der Mensch, der offt sein Inneres gefraget,

Spricht von dem Leben dann, aus dem die Rede gehet,

Wenn nicht der Gram an einer Seele naget,

Und froh der Mann vor seinen Gütern stehet.

 

Wenn eine Wohnung prangt, in hoher Luft gebauet,

So hat der Mensch das Feld geräumiger und Wege

Sind weit hinaus, daß Einer um sich schauet,

Und über einen Bach gehen wohlgebaute Stege.