BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Gedichte

in chronologischer Folge

 

1797

 

Textgrundlage:

Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800

Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1946

 

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An Diotima

 

Komm und siehe die Freude um uns; in kühlenden Lüften

Fliegen die Zweige des Hains,

Wie die Loken im Tanz'; und wie auf tönender Leier

Ein erfreulicher Geist

Spielt mit Reegen und Sonnenschein auf der Erde der Himmel

Wie in liebendem Streit

Über dem Saitenspiel' ein tausendfältig Gewimmel

Flüchtiger Töne sich regt,

Wandelt Schatten und Licht in süßmelodischem Wechsel

Über die Berge dahin.

Leise berührte der Himmel zuvor mit der silbernen Tropfe

Seinen Bruder den Strom

Nah ist er nun, nun schüttet er ganz, die köstliche Fülle

Die er am Herzen trug

Über den Hain und den Strom, und ...

 

...

 

Und das Grünen des Hains, und des Himmels Bild in dem Strome

Dämmert und schwindet vor uns

Und des einsamen Berges Haupt mit den Hütten und Felsen

Die er im Schoose verbirgt,

Und die Hügel, die um ihn her, wie Lämmer, gelagert

Und in blühend Gesträuch

Wie in zarte Wolle gehüllt, sich nähren von klaren

Kühlenden Quellen des Bergs,

Und das dampfende Thal mit seinen Saaten und Blumen,

Und der Garten vor uns

Nah und fernes entweicht, verliert sich in froher Verwirrung

Und die Sonne verlischt.

Aber vorübergerauscht sind nun die Fluthen des Himmels

Und geläutert, verjüngt

Geht mit den seeligen Kindern hervor die Erd' aus dem Bade.

Froher lebendiger

Glänzt im Haine das Grün, und goldner funkeln die Blumen,

 

...

 

Weiß, wie die Heerde, die in den Strom, der Schäfer geworfen,

...