BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Jean Paul

1763 - 1825

 

Grönländische Prozesse,

oder Satirische Skizzen

 

Zweites Bändgen

 

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IIII.

Bittschrift aller deutschen Satiriker

an das deutsche Publikum, enthaltend einen bescheidnen Erweis von dessen ieziger Armuth an Thorheiten, nebst Bitten und Vorschlägen, derselben zum Besten der deutschen Satire abzuhelfen.

 

Vorrede zum nachstehenden Aufsaze.

Du liest, lieber Leser, nicht gern eine Vorrede; wie viel weniger zwo Vorreden. Allein vielleicht eben, weil du meine erste überschlagen hast, wirst du mir verzeihen, das in der andern lesen zu müssen, was ich in der überschlagnen zu sagen vergessen. Ich vergas nämlich, den folgenden Aufsaz mit einer Entschuldigung zu versehen, ohne die er sich nicht vor deine Augen getraut. Den Titel meines Buchs, welcher dich zu Satiren einladet, straf ich iezt Lügen, da ich einem Aufsaze, der in keiner Rüksicht mit der Satire in Verbindung steht, sondern vielmehr stat spashafter Einfälle, ernstliche Klagen und Bitten und Vorschläge enthält, viele Bogen widme. Vielleicht daß der ernsthafte Leser den Ernst unter dem Scherz nur desto wilkomner heist; aber der lustige wird die Beleidigung seiner Schosneigung wenigstens nicht eher vergeben, als bis sie entschuldigt worden. Auf meine Entschuldigung könte ieder von selbst fallen. Wenn der Satiriker aufhört zu lachen, so läst sich voraussezen, daß andere aufgehöret, lächerlich zu sein: denn seine Kunst kan die Thorheit nicht überleben. Zwar auch alter und abgelegter Narheiten kan er im Nothfal spotten, so wie ich zum Beispiel that. (Denn was ist älter, allein eben darum iezt seltner, als die Schriftsteller, die schlecht schreiben; als Theologen, welche die Vernunft konfisziren, als Philosophen, die keine sind? auch die Thorheit der Weiber, das Echo ieder Mode abzugeben, ist eben so alt als unmodisch, und der adeliche Stolz ist so alt, daß ihn alle Edelleute besassen, die Ahnen und Verdienste hatten, nur die Edelleute ausgenommen, die stat der Ahnen Verdienste hatten und eben deswegen iezt so selten, daß ihn wenigstens die nicht besizen, die stat der Verdienste Ahnen haben.) Nur gefallen solche Satiren gar mit den Vorzügen nicht, die meinen fehlen. Der Mangel am Narrenrükken wäre denn die eine Ursache, warum ich die satirische Peitsche an die Wand gehangen; die andere ist der Vorsaz meiner bessern Kollegen, diesem Mangel abzuhelfen. Sie glaubten der iezigen Vernünftigkeit am besten durch einen Aufsaz steuren zu können, welcher das Publikum mit seiner Armuth an Thorheiten und mit den daraus fliessenden schädlichen Folgen für die deutsche Satire bekanter machte. Vielleicht daß die Wahl des Mittels besser ausgefallen, als die Wahl dessen, der es ausführen müssen. Denn zum leztern wählten sie mich. Ich vermuthe darum, weil sie aus meinen Satiren über lauter veraltete Thorheiten schlossen, daß ich dem Mangel an auffallendneuen Thorheiten, für die keine eigne Scharfsichtigkeit mich durch verbotene entschädigt, eifriger entgegen arbeiten würde, als andre Satiriker, welche die iezige Theurung an Narren gar nicht empfinden, weil sie ihre Augen zu Spürhunden ihrer Zähne machen können, und weil ihr Gesicht, wie bei den Raubvögeln, so scharf wie ihr Schnabel ist. Eine andere Ursache, warum sie den Propheten gerade den Saul und mich bessern Satirikern vorgezogen, ist, weil ich eben ein schlechter bin und daher ein Werk, worin das kleinste Lächeln beleidigend wäre und das angebohrnen Ernst verlangt, glüklicher zu Stande zu bringen die Hofnung gebe, als andre, in deren ernsthaftesten Minen sich immer unwilkührliche Äusserungen ihres satirischen Talents einschleichen würden. Diese zwei Perioden würd' ich aus Has gegen den Egoismus wieder ausstreichen, müst' ich nicht durch die Angabe der gedachten zwo Ursachen die Vermuthung einer dritten (der bessern Tauglichkeit) abwenden, die mir, fals sie auch wahr wäre, schädlich sein würde: Denn es sagt Zizero: Nihil est his, qui placere volunt, tam adversarium, quam exspectatio. Allein der Erweis, daß das Publikum vernünftig ist, ist noch überdies eine Arbeit über meine Kräfte; weil die Stüzen, worauf er ruhet, gleich andern Stüzen ihren Fus in die Erde verbergen, und weil die Anzahl derselben, fals man keine sophistischen mit unterlaufen lassen wil, kleiner ist als man glaubt. Ferner giebt sich das Publikum, da es keine Thorheiten hat, so viele Mühe, um den Schein, einige zu haben, daß es so gar einer geübtern Feder nicht leicht sein würde zu zeigen, daß es keine hat; ja der ganze Beweis hat nach dem ersten Anblik so wenig Wahrscheinlichkeit für sich, daß vielleicht selbst mancher scharfsichtige Leser die Klage über den Mangel an Thorheiten für eine Ironie aufnehmen wird. In der Hofnung, daß der Zuschauer die Holprichkeit der Bahn so gut sieht, als sie der Wetläufer empfindet, und in der andern aus der ersten entstehenden Hofnung, daß man den nachfolgenden Aufsaz nicht so ganz umsonst zur Empfehlung der Thorheiten werde geschrieben sein lassen, kan ich mit dem Versprechen schliessen, künftighin keine ernsthaften Aufsäze mehr in die satirischen Skizzen aufzunehmen und überhaupt meine Feder nimmer zu einem Vorlegelöffel einer fremden Dinte herzuleihen.

 

 

IIII.

Bittschrift aller deutschen Satiriker

an das deutsche Publikum, enthaltend einen bescheidnen Erweis von dessen ieziger Armuth an Thorheiten, nebst Bitten und Vorschlägen, derselben zum Besten der deutschen Satire abzuhelfen.

 

Weises Publikum!

Die Titelblätter wiederhallen noch immer die alte Behauptung: difficile est, satiram non scribere. Und zu den Zeiten dessen, der sie schrieb, war sie auch völlig richtig. Aber einige Blikke in unsre Bitschrift werden doch lehren, daß sie es in unsern nicht mehr ist; daß das goldne Alter der Satire, wo es Juvenale und Narren gab, längst verflossen und daß also die Liebhaber jenes Motto, fals sie nicht die erste Lüge ihres Buchs auf das erste Blat desselben sezen wollen, künftig der Wahrheit das non in dem obigen Verse aufopfern werden müssen. Nicht blos unfigürliche Narrenschellen sieht man iezt selten; auch die figürlichen und unsichtbaren erscheinen nicht häufiger. Und daß man den theuren Hanswurst vom Theater verwiesen, liesse sich auch noch verschmerzen; aber daß er aus dem Parterre und so gar aus den Logen fliehen müssen, das kostet den Deutschen ihre ohnehin geringzähligen Satiriker und nöthiget uns das gegenwärtige wirksame Mittel ab, mit dem buntschekkigten Gegenstand der Satire zugleich sie selbst dem Untergange zu entreissen.

Ehe wir aber das Publikum von seiner Armuth an Thorheiten zu überführen anfangen; müssen wir doch denienigen Theil desselben, der sich auf die Rechte der Satire nicht völlig versteht, über das Recht der Satiriker, vom Publikum Thorheiten zu verlangen, in der Kürze belehren. Die bessern Leser werden die Belehrung über eine schon bekante Sache gütig überschlagen. Die Unentbehrlichkeit unsers Ordens, der zum Wehrstand gehört, sezen wir als eingestanden voraus; vorzüglich da der Naturkündiger Phanias unsre Lobrede, die in unserm Munde stinken würde, mit einer Geschiklichkeit unternommen, die Plinius des folgenden Lobes würdigt: Urtica quid esse inutilius potest? condidit tamen laudes eins Phanias Physicus. Unsre unentbehrlichen Talente nun tragen stat der Früchte, die andre Autoren dem Gaumen des Lesers anbieten, Blätter, die seine Hände stechen; die Gallenblase ist unsre Hippokrene und gleich den Theologen können wir nur die Hölle, aber nicht den Himmel schildern. Die Gegenstände des Spottes aber theilen wir in unsern Kompendien wie natürlich in ehrwürdige und lächerliche, oder in Tugenden und Laster ein, so wie die Richter bald Unschuldige bald Schuldige verdammen, und die Konsistorien bald heterodoxe bald orthodoxe Kandidaten mit einem übeln Testimonium bestrafen. Jedoch müssen wir anmerken, daß wir nur dan ehrwürdige Dinge verspotten, wenn es uns an lächerlichen fehlet; und nur äusserster Mangel an Missethätern und Barnabas zwingt uns zur Geiselung eines gotmenschlichen Rükkens und zur Dornenkrönung eines heiligen Haupts. Die Ursache dieser Weigerung läst sich leicht errathen. Denn wem ist unbekant, daß die Muskeln der Leser das Belachen der Tugend nicht so willig akkompagniren als ihre Vernachlässigung derselben vermuthen liesse, ia daß sie nicht selten diese Göttin durch das Klatschen der Hände für die Unfolgsamkeit der Füsse zu entschädigen suchen? Aller dieser Schwierigkeiten ungeachtet gossen wir neulich auf die heiligsten Gegenstände, auf Religion, Keuschheit und Bibel unsre Galle; woraus das weise Publikum auf den Grad einer Theurung an Thorheiten vorläufig schliessen kan, die uns zur Nährung unserer Galle so wie den Juden im belagerten Jerusalem, nichts als die Beraubung der Altäre übrig gelassen. Eigentlich stehet die Verspottung des Ehrwürdigen einzig und allein den Invaliden des Wizes, kraft eines alten Privilegiums zu. Der Kontrast zwischen dem Grossen und Kleinen, der eben zum Lachen kizelt, läst sich nämlich bei an sich grossen Gegenständen am leichtesten verstärken; (daher alle Parodien ohne Mühe gemacht und mit Vergnügen gelesen werden) warum solte man nun einem erschöpften Satiriker seiner Arbeit einige Erleichterung, die er sich durch die Wahl des Gegenstandes zu verschaffen sucht, noch misgönnen? warum seiner Schwäche Angriffe auf unbewafnete und edlere Gegenstände verdenken, da doch selbst der alte Löwe, nach Plinius, mit seinen abgenuzten Waffen stat der wilden Thiere Menschen zu würgen anfängt? Daher dieienigen, welche dem ehrwürdigen Verfasser der Charlatanerien die Bibelspötterey verübeln, entweder eine schlechte Kentnis der satirischen Regeln oder eine flüchtige Lesung seiner Satiren verrathen: denn es hätte sie nur einen kritischen Blik in die Charlatanerien gekostet, und sie würden darinnen einen Wiz entdekt haben, der weiter keinen als heiligen Gegenständen mehr gewachsen ist. Und wenn sie Leute loben, welche dem Himmel doch wenigstens die Hefen von den Kräften, die ihnen der Dienst des Teufels abgezapft, mit zitternden Händen überreichen; warum wollen sie denjenigen tadeln, der den Bodensaz einer Gallenblase, die der Spot auf den Teufel längst erschöpfte, heiligen Gegenständen weihet und die Bibel mit derselben Schwäche verspottet, womit sie der gedachte Christ befolgt? Doch wir spotten nicht blos über ehrwürdige Gegenstände, sondern auch über Thorheiten; und darüber eben so oft, und eben so gern. Hasen sind unser Ziel und unsre Nahrung und so bald uns hungert, so rufen wir aus dem Bauer zu unserm reichgekleideten Hern: Spizbube und zu seiner treuen Gemahlin: Hure. Nichts können wir daher sehnlicher wünschen, als die Vermehrung der Narren. Ein Gesuch an das Publikum, seine Narheiten zu verdoppeln, ist also nicht blos andern Mitgliedern desselben, sondern auch uns Satirikern erlaubt und so bald wir nur erwiesen, daß es uns die von ieher gewöhnliche Anzahl Narren nicht mehr liefert, so ist es verbunden, dieser Armuth abzuhelfen. Freilich da wir diesen Erweis zu führen niemahls nöthig halten und immer mit der Anzahl der Narheiten der Welt zufrieden sein könten, so zufrieden, daß Swift so gar eine Lobrede auf die ganze Welt versprach: so findet man unsern Gesuch ein wenig auffallend und grübelt deshalb nach gezwungnem Tadel desselben. Daher wendet man denn gegen die Billigkeit unsrer Bitschrift ferner ein: dieienigen, die die Thorheiten vermindern sollen, dürfen sie nicht zu vermehren suchen. Die erste Hälfte liesse sich zugeben, ohne daß es darum von der andern nöthig wäre. Denn schon das Beispiel der Richter würde für uns antworten, die die Lasterhaften, häufiger wünschen, weil sie von der Bestrafung derselben leben und die nicht selten dem unerfahrnen Landman ihre Kunstgriffe für seine Fehler unterschieben, um sie an ihm ahnden zu können. Allein es ist gar nicht einmahl wahr, daß die Satire die Thoren bessern wolle; sie wil sie ia nur vergnügen. Dieses wissen selbst die Thoren so gut, daß sie in ieder satirischen Schilderung das Bild ihres Nachbars, aber nie ihr eignes suchen und darum auch finden: denn geschähe das leztere, so würden sie Vergnügen gegen Besserung vertauschen, stat daß sie iezt so wohl nicht gebessert als nicht betrübt werden. In einer Lobrede sucht man, wie im Spiegel, nie fremde Gegenstände, sondern nur sich selbst zurückgestrahlet; allein bei der Satire ist es umgekehrt. Daher wir bei allen Besizern satirischer Bilderkabinetter umsonst nach ihrem eignen Portrait gefraget, ungeachtet es der nächste Nachbar in duplo besas, so berichtet Moore, daß die meisten Italiener, welche die Gemählde von allen Dingen besizen, ihr eignes nicht besizen. Ist aber einem Satiriker an der Ausrottung der Thorheiten ia etwas gelegen, so tadelt er sie nicht, sondern lobt sie, welches man die Figur der Ironie betitelt; wie die Zauberer nach einem uralten Aberglauben, die Kinder durch Loben töden. Übrigens mag iene falsche Meinung vom Endzwek der Satire durch unsre Vorreden entstanden sein, die man wörtlich auslegte, stat sie mit bessern Lesern wie Träume und Dedikationen durch das Gegentheil auszulegen.

Diese allgemeinen Gründe wollen wir nur noch durch einige besondre verstärken. Um Thorheiten kan vorzüglich das traurige Schiksal unsrer Schriften betteln, deren Gestank beinahe noch geschwinder verstäubt, als die Nasen, die er züchtigen sollen. Kein Papier reift eiliger zur Hülle des Pfeffers, als das, was schon vorher Hülle von satirischen Pfeffer gewesen; und gegen den Zahn der Zeit verpanzert unsre satirische Zähne die Härte umsonst, die sie mit den längerlebenden Knochen der Esel theilen. Wir sterben nur wenig später als die Thorheiten, die wir töden und gleichen den Pillen, welche mit dem Unrathe, den sie exuliret, fortgehen. Wer liest unsern Rabner noch? niemand vielleicht als sein Verleger in Leipzig. Wer liest unsern noch viel grössern Liskov? nicht einmahl sein Verleger, denn der ist tod. Wenn daher unsre Zähne unsern Magen überleben sollen, oder wenn dein Gedächtnis unsre Geburten nicht durch seine vielen Löcher fallen lassen sol, so müssen wir in dasselbe Vielschreiberei aufschütten, so wie sich in dem löcherichten Siebe die Körner nur durch ihre Menge erhalten, und sonach unsre Fruchtbarkeit mit deiner Vergessenheit weteifern lassen, und mit der Stärke unsrer Phantasie die Schwäche deines Gedächtnisses verbessern. Ein neuer Grund also, warum du deine Thorheiten vermehren must, ist der, damit wir unsre Satiren vermehren können.

Weiter. Der Satiriker sind in kurzem so viele geworden, daß wir, fals nicht bald der Narren eben so viele werden, gegen einander unsre eignen Geiseln kehren und gleich Offiziren, mit unsern Waffen stat zu kriegen duelliren, und wie die Schafe in Island, mit den Zähnen, denen das Gras mangelt, die Wolle der Mitbrüder abscheren werden müssen. An dieser unglücklichen Vermehrung ist blos Sterne schuld, bei dessen Erscheinung auf einmahl alle Kinder unsrer schönen Geister zu zahnen anfiengen und von dessen Augen und Lippen zu gleicher Zeit ein allgemeines Weinen und Lachen auf die deutschen Gesichter flos, welche darauf nicht selten zu gleicher Zeit Zwiebeln für ihre Augen und Risifolium für ihre Lippen, und keine Nieswurz für ihre Nase brauchten. Sonderbar beiläufig! daß zu Einer Zeit in Deutschland alles übertrieben lachen und übertrieben weinen wollte als sonst geschah; so wie in demselben vierzehnten Jahrhundert auf einmal die Sekte der Geiselnden und die Sekte der Tanzenden aufstand. Doch mag auch Paris nicht von aller Veranlassung zu der sternischen Spotsucht rein sein: denn seine Stuzer, die vor etlichen Jahren Dornstökke mit unbeschnittenen Stacheln trugen, haben vielleicht unsre geistigen Stuzer in der alten Nachahmung wenigstens bestärkt, in ihren Schriften mit dem Stokke nicht blos zu gehen, sondern zu stechen. Vielleicht glaubst du iezt, aus der Menge der Satiriker einen Schlus auf die Menge der Thoren erschleichen zu können, allein du irrest dich, weil die sternischen Nachahmer ihre Spashaftigkeit nicht erst an Thorheiten, sondern an verehrungswürdigen Dingen übten und daher mit dem Lachen gar nicht auf deine Freigebigkeit in Thorheiten zu warten brauchten. Auch rechnen wir diese launichten Leute, die blos spasen, nur aus Mitleiden zu unsrer Zunft, die eigentlich spottet. Ferner unterschieden sie sich von uns, die wir gleich den Mahlern seltner uns als fremde Gegenstände mahlen, dadurch, daß sie mehr sich als ihre Leser lächerlich machten. Dieses Verdienst übrigens, das ihnen mit Recht die meiste Achtung und Lesung erwarb, muste ihnen zwar bei ihren Fähigkeiten sehr leicht zu erreichen sein: denn allemal war die schlechtste Satire auf andre die beissendste auf sie, so wie eine übelgemachte oder übelgeladene Flinte in demselben Verhältnis den Schüzen stat des Zieles trift; allein die Höhe, zu welcher sie dieses Verdienst hintrieben und bei der nicht selten das Lachen des Lesers in Mitleiden zerschmolz, war immer eine Seltenheit und rechtfertigt die Leser, die lieber den Lacher als sich belachen, und auch die Schönen, fals man noch das kleine Verdienst der unzüchtigen Reden beifüget, wegen der Wiederhohlung der Auflagen. Auch der Liebling des Publikums, der Verfasser der Raritäten des Küsters von Rummelsburg, bleibt dieser Selbstbelachung troz dem Anschein des Gegentheils getreu: denn wenn er z. B. in irgend einer Stelle seines Buchs einen Dumkopf lobet, so wil er sich doch damit nicht loben – das that er schon in der Vorrede beim Tadel seiner Rezensenten – sondern er wil sich wirklich belachen, nur hat er die Ironie so wenig in seiner Gewalt, daß sein Lob kein verstekter Tadel hebt, und er sich nicht einmal belachen, sondern nur loben kan. Und hierin übertrift ihn der Herausgeber von Hölty's Gedichten, H. Geißler der iüngere (der nun iezt nicht mehr so unbekant wie H. Geißler der ältere ist) in einem hohen Grade. Denn die Satire auf sich selbst, die er in Hölty's Lob einflochte, ist ihm so gut gelungen, daß wir sie vielleicht der iuvenalischen entgegen stellen, ia in der Bitterkeit nicht selten vorziehen können. Stat sich einen Affen zu nennen, macht er ihn vielmehr so gleich und zeigt dadurch, daß er das Tadeln besser als die Rezensenten verstehe, die dem Autor nicht beweisen, sondern nur vorwerfen, daß er ein Esel sei. Er tadelt seinen Stil nicht, aber er läst ihn dafür drukken und erwartet von seinen kritischen Lesern, daß sie eine Schreibart, welche die Fehler der Prose mit den Fehlern der Dichtkunst paret, welche harte und übelgebaute Perioden, lange Allegorien und kühne Metaphern, neue Wörter und einige dem Lessing unglücklich nachgeahmte Idiotismen sucht, zugleich enthält, ohne sein Erinnern von selbst lächerlich finden werden; diese Erwartung drückt er zu Ende der Satire immer noch in demselben Stile so aus: „Über alle Belohnung würde die aus der Ferne flüsternde Ahndung des sanftesten Gefühls fähiger Seelen gehen dem Herausgeber“ – Solte übrigens unsre Vermuthung, daß nicht alle diese Fehler die Fehler seiner eigenen Schreibart sein, sondern daß er einige aus Satiren und Rezensionen über den iezigen affektirten Stil genommen und nur für eigne ausgegeben, gegründet sein: so hätte seine Hand stat einer Satire gar ein Pasquil auf seinen Kopf gemacht und die Selbsterniedrigung bis zu einer Tiefe getrieben, die er vor dem Richterstuhl der Selbstliebe mit der Hofnung des Gewins aus der voreiligen Zusammenstoppelung fremder Gedichte kaum entschuldigen könte. Um die Verschiedenheit des Ganges, den dieselbe Laune in verschiednen Köpfen nimt, bestimter zu zeichnen, fügen wir den Kunstgriffen der gedachten zween Köpfe noch den eines dritten bei, nämlich des Verf. der Charlatanerien, welcher um nicht blos sich, sondern auch seine Leser lächerlich zu machen, in der Vorrede sein ironisches Lob auf sich selbst, mit der geschwinden Vergreifung seines Buchs zu rechtfertigen, die Mine annimt. Er wil nämlich das Herz und den Kopf des Publikum auf eine feine Weise züchtigen, das seine Schriften, welche doch für beides wenig enthalten, so häufig gelesen; daher thut er, als wenn er den Beifal desselben billigte, indem er auf ihn stolz zu sein vorgiebt. – Wir sind aus unserer Bahn gekommen, die iedoch unsre Verirrungen immer durchkreuzet haben.

Endlich haben dir deine Komödien und Romanenschreiber schon längst deinen Mangel an originellen Thoren vorgeworfen, bei dem auch unsre Zunft künftighin unmöglich mehr bestehen kan. Alle deine Narheiten verschreibst du dir aus Paris und London; und doch zankst du mit uns, den Spot auf diese Thorheiten auch aus London und Paris verschreiben zu müssen. Allein auswärtige Thorheiten können wir so wenig belachen, wie du, weil wir sie ebenfalls wie du bewundern; wenigstens mus die ausländische Narheit erst in eine deutsche verdolmetschet worden sein, eh' unsre Bewundrung in Belachung übergehen kan. Der Mangel an Satire vergrössert überdies wiederum deine Empfänglichkeit für fremde Narheiten: Denn die Ökonomen haben bemerkt, daß nur Vieh, welches man mit Nesseln gefüttert, unter epidemischen Krankheiten ohne Anstekkung lebe. – Wir glauben nun in diesem Präludium unser Recht, dich um Thorheiten zu bitten ausser Zweifel gesezt zu haben; und gehen daher mit der Hofnung, du werdest sie vermehren, so bald du von der Wenigkeit derselben nur genugsam überzeuget worden, zur Bewerkstelligung des leztern über. Vielleicht möchtest du uns den Erweis deiner Vernünftigkeit schenken; vielleicht warst du wohl schon längst von deiner Armuth an den Thorheiten überzeugt; allein die Richter zwischen uns und dir, die Ausländer, welche dich blos nach deinen bessern Gliedern, nach den reisenden Edelleuten nämlich schäzen, sind von dieser Armuth weniger überzeugt. Diese davon zu überzeugen, möchte vielleicht auch schwerer sein, als dich zu überzeugen, der du die Leichtheit unsrer Gründe mit deiner noch allein übrigen Thorheit, nämlich dem Stolze volwichtig zu machen die Güte hast. Fürchte endlich nicht, daß wir, gleich den Selensorgern, deine Vernünftigkeit über die Gränzen der Wahrheit schildern werden. Vielmehr werden wir gerecht genug sein, für iede Handlung, welche du aus Liebe für die deutsche Satire und aus Has gegen die Vernunft gethan, das gehörige Lob dir abzutragen. Denn unser eigner Vortheil gebietet es, jede Gelegenheit, durch gerechte Lobsprüche dich zur häufigern Verdienung derselben, auffodern zu können, nach unsern Kräften zu benüzen, und die Vernunft fordert es, unsre Bitschrift nicht durch eine partheiische Algemeinheit im Tadeln, als die sein würde, wenn wir deine besten Handlungen, auf welche dein Stolz am meisten trozt, (z. B. das neuliche Geniewesen) zu vernünftigen heruntersezen wolten, verdächtig zu machen. Würden wir schlüslich unserm eignen Ziele nicht den Rükken zukehren, wenn wir die Einwurzelung des gesunden Menschenverstandes in derselben Schrift vergrösserten, die zur Ausrottung desselben aufmuntern sollen? Würden wir euch die Besiegung eines Feinds zumuthen, den wir für sehr mächtig hielten oder zu halten vorgäben? Leider! daß wir zu den ersten Gegenständen unsrer Klagen dieienigen machen müssen, die uns durch ihr Beispiel so viel nüzen könten. Denn ihre eigne Thorheiten dürfen wir höchstens nur an ihren Nachahmern verspotten; eine königliche Narheit hält durch Krone und Szepter, aber nicht ihre Kinder durch Stern und Kommandostab, die Satire von sich ab und stat, daß (nach Pope's Bemerkung) der Reiche seinen güldnen Schenktisch nur im Spiegel zu bewundern wagt, bewundern wir umgekehrt die goldnen Schellen einer Krone selbst, und belachen erst ihre zurückgeworfne Abspiegelung an den Hofleuten. Spot also zwar nicht, aber doch Klagen über grosse Häupter gestattet man ihren Unterthanen; und den Schriftstellern sind die Fürsten, wie den Kaldäern die Sterne, nicht blos Gegenstände der Anbetung, sondern auch der astronomischen Beobachtung, wiewohl beides in einer knieenden Stellung geschehen mus. Auf dieses alte Recht wagen wir denn das freimüthige Geständnis, daß wir fast ein wenig bestürzt, auf den Thronen eben so viele Köpfe als Diademe und mehrere Szepter als gnädige Tazen zählen. Freimüthig allerdings mus dieses Geständnis dem vorkommen, der mit den Pflichten der Könige vertrauter ist: denn es schimmert durch dasselbe der Vorwurf hindurch, daß sie ihre Pflichten nicht so gut wie ihre Minister, ia nicht einmal so wie die Könige der vierfüssigen Thiere so wohl als der befiederten erfüllen, welche alle drei (Minister und Löwe und Adler) nie vergessen, daß sie Raubthiere sind. Sonst gab es noch Höfe, wo niemand klug war, als der Hofnar und wo die Schätze Amerika's noch mit gekrönten Thorheiten und Köpfen gestempelt von den Thronen auf die Unterthanen herunterrollen; allein iezt scheinen die königlichen Schatzkammern erschöpft, wenigstens verschlossen zu sein. Die Satire kan mit keinen gemünzten Schellen mehr prahlen; und ihr Nachtrab, das Pasquil, stiehlet nur noch den Goldstükken die Ränder, um daraus mit lügenden Händen falsche Münzen zu prägen. Wer uns die iezige Seltenheit fürstlicher Thorheiten nicht glaubt, der frage Leute, die ihm unpartheiischer und grösser scheinen z. B. die Favoriten, Hofprediger und Hoftänzer iedes Fürsten. Alle werden ihm die Vernünftigkeit des ihrigen mehr genugsam schildern können. So gar iede gedruckte und gepredigte Lobrede auf einen Fürsten treten auf unsre Seite und gehen nur darin von uns ab, daß sie dem Gegenstande ihres Lobs, nicht nur viele, sondern auch alle Thorheiten absprechen. Selbst der Sprachgebrauch spricht für uns und vervielfältigt die vernünftigen Handlungen der Potentaten. Denn wenn ein Fürst die Vorschläge seiner Minister unterschreibt, so hat er sie, fals man den Sprachgebrauch nicht gänzlich Lügen strafen wil, erfunden; wenn er den Akkerbau durch nichts, als die Jagd erschweret, so behaupten so gar die Landleute, daß er ihn unterstüze; und iedes Getraide, das er ihnen nicht wegerntet, verdanken sie ihm als gesäet, wenn er am Tage stat zu donnern schläft, so rühmen nicht blos übertreibende Dichter, sondern auch ernsthafte rectores magnifici, daß er die Nacht für das Wohl des schlummernden Stats durchwache; kurz wenn er kein Henker, sondern ein Stiefvater des Vaterlands ist, so ist er, nach der Versicherung eines ieden klugen Mannes, ein Vater desselben. Daher auch die Erde gekrönte Tyrannen zwar oft bedekt, aber nie getragen hat; und fals auch ein Henker eine königliche Gruft zu erben glüklich genug war, so hatte doch noch keiner das Glük einen königlichen Thron zu erben. Die wenigen Fehler, die mancher Fürst etwan noch hat, kan man, sobald er sie nicht über den Zaun der Klugheit hinauswachsen lässet, sehr gut für ausgerottet erklären; so wie selbst Christus die Bezähmung sündiger Gliedmassen der Ausrottung derselben gleichschäzt, und die eine unter der andern versteht. Was haben wir nun zu thun? alle Potentaten um Thorheiten zu bitten? Nein! einige zwar, aber nicht alle; aber nicht die, welche die Bitte um Vermehrung ihrer Thorheiten ihren beredten Hofleuten schon zu oft abgeschlagen haben, als daß wir sie mit grösserm Glükke zu wiederhohlen hoffen dürften. Sondern diese bitten wir blos um die Erlaubnis, auf sie, da sie die Satire mit keinem Stof begnadigen, wenigstens Pasquille schreiben zu dürfen. Auch waren schon Friedrich und Joseph so gnädig, ungebeten uns durch diese Erlaubnis für ihre Tugenden zu entschädigen. Nur die übrigen hohen Häupter, welche keine Satire, geschweige ein Pasquil auf sich dulden können, flehen wir mit der unterthänigen Knechtschaft, die uns geziemt, um die gnädige Erlaubnis an, auf sie zwar keine Pasquille, aber doch Satiren machen zu dürfen, ohne iedoch wie zeither besorgen zu müssen, ihr goldhartes Szepter werde an unsern harichten Rükken die ungekrönten Opfer unserer Geiseln hart zu rächen belieben. Solten sie aber auf diese Bitte in einem gnädigsten Reskript antworten, daß fürstliche Thorheiten gleich den römischen Bürgern, das Recht haben, nicht gegeiselt zu werden: so wenden wir uns an ihre Kronerben und tragen denselben in aller Unterthänigkeit vor, uns ein Privilegium zu verleihen, kraft dessen ausser dem Leibarzt niemand als wir ihre glorwürdigsten noch iezt lebenden Vorfahren nach ihrem Tode anatomiren darf.

Da wir gezeigt, daß die Fürsten, gleich ihren Unterthanen, arm an Thorheiten sind, so haben wir zugleich erwiesen, daß ihre Hofleute es auch sind. Denn alle Lächerlichkeiten, die iene abgelegt, verbergen diese und verlarven alle die schäzbaren Fehler, denen sie treu bleiben, in die Tugenden der erstern wenigstens. Sonach können wir ihnen freilich nicht vorwerfen, daß sie keine Thoren sind, allein doch dies, daß sie keine mehr zu sein scheinen. Ein Unterschied, der uns wenig nüzt! Weit besser war es sonst, als es noch keinen Montesquieu und keinen Voltaire und folglich keine Fürsten gab, die von ihnen verführt waren; als noch der Hofman von seinem Oberhaupte die Schellen geliehen bekam, die er uns auszahlte, als noch die Krone für Sterne und Bänder, wie das Genie für Nachahmer, verschönernde Flekken erfand, und die Gunst des Fürsten noch für Weteifer in seiner Lieblingsschwachheit feil stund. Jezt stellen sich die Hofleute nicht wie sonst lasterhaft, sondern tugendhaft, und gleichen dem Chamäleon, das (nach Linnee) alle Farben nachäffet, die schwarze ausgenommen. Zwar ähnlichen sie hierin gewissen Wilden, welche ihre unehrbaren und empfindlichen Glieder nicht aus Liebe zur Tugend, sondern aus Furcht, sie zu verlezen, verhüllen; allein die Wirkung bleibt für den, der gern einen Priapus abzeichnen möchte, immer gleich verdrüslich. Ja die Schädlichkeit dieser Larven nimt noch durch den Umstand zu, daß wir alle deutsche Höfe, ohne daß sie uns ie gesessen haben, mit unsrer Galle, (wie der Mahler mit Fischgalle,) abmahlen, und Rükken, die wir selbst geschnizt, mit unsern lauten Peitschen röthen müssen. Denn nur selten sind wir so glüklich, mit unsern eignen Augen den Hofman, wie der Geizige den Affen und den Bären aus der nassen Fensterscheibe der Dachstube auf der Gasse beobachten zu können; am seltensten gerathen uns Bücher in die Hände, in denen wir stat der Höfe die Gemählde derselben studieren könten, so wie Delaporte nicht in den Ländern, sondern nur auf ihren Karten zum Behuf seiner Reisen durch die Welt, herumzureisen pflegte. Denn der Romane, die den Höfling mit wahren Farben schildern, haben die Deutschen ia nur wenige, vielleicht nur einen, den vom phlegmatischen Publikum seit vier Wochen schon vergessenen Roman nämlich, der uns von den Höflingen freilich nebst vielen falschen und alten Zügen doch den neuen und wahren liefert, daß ein Hofman, zufolge einer etwas schärfern Beobachtung, sich nicht selten – verstelle. Eines solchen Blick in das hofmännische Herz hätte man sich vom Verfasser dieses Romans, der als Kandidat der Gottesgelahrheit noch keinen Hofman kennen zu lernen Gelegenheit gehabt als den Haman, der zu den Zeiten der apokryphischen Autoren gehangen worden, am wenigsten versehen sollen. Allein nur desto mehr läst sich von ihm versprechen, nur desto grössere Talente sagen uns die Hofnung zu, er werde Lichtenberg's Klagen über den Mangel an Menschenkentnis künftig stillen und zum Besten des noch blinden Beobachtungsgeistes, seine Feder zu einer Starnadel zuspizen. Dem Mangel einer solchen Bekantschaft mit euch ihr Höflinge, müsset ihr es freilich auch anrechnen, wenn wir in der Unzufriedenheit mit der Anzahl eurer Schellen zu weit gehen; und vielleicht ist blos bald Mangel des Lichts schuld, daß wir manche eurer Thorheiten übersehen, bald falsches Licht, daß wir noch mehrere entschuldigen. Gänzlicher Mangel des Lichts und völlige Unwissenheit der Höfe mag vielleicht schuld sein, daß wir noch bis iezt glauben, daß ihr einen Gott, dessen Nichtsein schon die ersten Grundsäze der Vernunft euch lehren, darum noch annehmet, weil der Wiz und Voltaire und euer Herz für dessen Dasein sprechen; von iener Unwissenheit rührt vielleicht auch unsre Überzeugung her, daß ihr ein Herz habt; daß ihr nur dan eine wichtige Mine machet, wenn ihr einen wichtigen Gedanken auf euer Gesicht übertragen wollet; daß ihr euren schönen Gebieterinnen beynahe eben so wenig schmeichelt wie eurem Gebieter und die Weyhrauchswolken nur darum aufsteigen lasset, um dadurch für den Kopf des Fürsten das Licht dioptrisch zu vervielfältigen und von den Herzen der Damen die Erwärmung abzuhalten; daß ihr bei andern euren Fürsten mehr aus Liebe zu ihm als zu euch so lobet; daß ihr eure Freundschaft mit andern Zeichen ausdrükket als eure Feindschaft und den Feind nur darum umarmet, um ihn zu erwürgen, aber nicht um ihn zu liebkosen; und endlich erzeugte wohl blos die Unbekantschaft mit eurem Werth unsern alten Wahn, daß die Hälfte von euch nicht, wie man gewöhnlich glaubt, verdiene gehangen zu werden, sondern vielmehr Ordensbänder anstat des Striks zu erhalten werth sei. Ein falsches Licht aber ists vielleicht, das einer noch grössern Anzahl eurer Thorheiten glänzende Seiten in unsern Augen leihet. So verliehrt z. B. eure lächerliche Ähnlichkeit mit den Schlangen, welche kriechen, allen Nuzen für uns, so bald der Verfolg der Ähnlichkeit uns zu dem Umstand leitet, daß die Schlangen auch springen, um sich der nahen Beute zu bemeistern. Denn so feig die Gewohnheit ist, im Frieden mit stummen Windbüchsen auf den Feind zu schiessen, so muthvol ist die, womit sie gut gemacht wird, nämlich auf ihn im Kriege mit lauten Kanonen zu feuern. So käme uns ferner eure Satire, womit ihr in Geselschaften gewöhnlich fechtet, wirklich stumpf und daher lächerlich vor, wenn nur uns nie einfiele, daß ihr sie an eurem harten Herzen schleift. Denn so lächerlich das Unternehmen ist, wie die Schlangen mit lokkern Zähnen zu beissen; so vernünftig wird es durch den Umstand, daß ihr und die Schlangen den Vorwurf der Unmacht schon durch den Gift vermeidet, dem die lokkern Zähne den Weg nur haben bahnen sollen. Eure schlüpfrigen Erzählungen entschuldigen wir immer mit dem Zustande derer, die ihr damit unterhalten wollet. Um ihnen das Vergnügen an solchen Erzählungen abzugewöhnen, denken wir, freilich vielleicht eben aus Unbekantschaft mit euren Zuhörern, müste man das Vermögen zu den Lastern, deren schwaches Echo iezt nur die Ohren sind, ihren Lenden erst wieder eingiessen. Ihr redet viel; allein da wir uns einbilden, daß ihr eben darum viel redet, warum die Wilden sich einbilden, daß die Affen nichts reden, um nämlich nicht arbeiten zu dürfen; so können wir euch nicht im geringsten mehr lächerlich finden. Euer Hang, Neuigkeiten zu hören und zu erzählen, scheint, unsers Bedünkens, euch als Priestern der Fama zu geziemen: denn diese ist auch gleich den Harpyen, mit einem ewigen Hunger und ewigen Durchfal behaftet, und hat eben so viele und eben so unermüdliche Ohren als Zungen. Da wir weiter aus Unkentnis der Höfe glauben, daß man daselbst am Hofman, wie am Biere, die Gestalt früher als den Geschmak prüfe, so können wir natürlich nichts als Spuren der Vernunft in eurer Sitte entdekken, zum wizigen Kopfe ein wiziges Kleid zu paren, so wie an den schwarzen Kazen die Augen und das Fel im Finstern leuchten. Vielleicht, daß wir auch den Gehalt eures Verstandes in einem falschen Lichte sehen: denn sonst würden wir eure Sucht nach Wiz weniger vernünftig finden, und nicht mit dem Beispiele der klugen Wirthe entschuldigen, die das trübe Bier gern in Schaum verlarven. Wenn wir vermuthen, daß ihr darum in Bildergallerien mit artistischen Termen um euch werft, um die Unbekantschaft mit ihrem Gegenstande selbst euch nicht merken zu lassen; so verfallen wir vielleicht in die gewönliche Täuschung, von sich auf andre zu schliessen: denn gerade so machen wir es, wenn wir die Namen von Grossen, die wir nicht kennen, hersagen, um die Voraussezung ihrer Bekantschaft bei andern zu erschleichen. Wahrscheinlich verleitet uns die Entbehrung eurer Gesellschaft auch vom Vorwurfe lächerlicher Schmeicheleien euch loszusprechen: denn wir sind der Meinung, daß ihr in euren schmeichelhaften Gefälligkeiten Masse zu halten wisset, daß ihr andern zwar schöne Pas, aber nicht saure Schritte opfert, zwar die Höflichkeit, aber nie eine fremde Bürde euren Rükken krümmen lasset, und zwar mit Versprechungen, aber doch nicht gar mit Erfüllungen, nicht mit Handlungen, sondern nur mit ihren Bildern, den Worten, wie die armen Ägypter ihren Göttern stat der Schweine die Bilder derselben opferten, schmeichelt. Zwar lasset ihr oft andre an euch sich anhalten, und reichet auf eurer Höhe denen, deren künftige Undankbarkeit euch wenig verschlagen kan, die Hand zum Nachsteigen; allein dafür scheint ihr uns den Grundsaz zu befolgen, daß es gleich ungerecht und gefährlich ist, eines fallenden Favoriten oder eine fallende Bundeslade zu halten. Wenn ihr einer H- die Entmannung des Fürsten übertraget, so scheint ihr für die Satire zu sorgen: denn was ist lächerlicher als ein gekrönter Kastrat? Aber wenn uns das gemeine Gerücht sagt, daß ihr ihm auch das Ruder des Stats entreisset, so wie Jupiter dem Saturn nicht blos die Hoden, sondern auch den Szepter nahm, so wie man den Kapaunen auf einmal Kam und Hoden raubet, so verschwindet die lächerliche Farbe dieses Verhaltens auf den ersten Blik, und wir müssen das angefangene Lächeln wieder aufgeben. So leiht unsre Unwissenheit selbst eurer neuen Thorheit, der Verstellung nämlich, welche der obige Kandidat zuerst bemerkte, und dem Spotte Preis gab, ein Gegengift gegen die Satire. Dieser Menschenkenner behauptet zwar deutlich, daß Hofleute, gleich dem berühmten Marchiali, eiserne Larven, die sie niemahls ablegen, tragen, stat daß andre nur wächserne und diese nur auf Redouten gebrauchen. Allein auch dieser neue Zuflus hilft unsrer Galle wenig oder nichts: denn wir können uns nicht erwehren, die immerwährende Fortdauer eurer Verstellung zu bezweifeln, weil wir uns Fälle möglich denken, worinnen eine gläserne Maske, welche das Gesicht so wohl zeigt als beschüzt, unentbehrlich ist. Ja wir träumen uns Gönner, welche allen Schein des Verstandes so beneiden und fürchten, daß ihr die Gunst derselben nur durch eure Entlarvung, nur durch den Kunstgrif, nichts anders zu scheinen als was ihr seid, erringen zu können scheint. Und unbekant mit eurer Stärke, trauen wir eurem Herzen zwar, aber nicht eurem Kopf das Vermögen zu, die beständigen Rezidive der Natur zu verheimlichen. So gar den Thieren fält dieses unmöglich. Das Thier z. B. das, wie Plinius von ihm rühmt, 1) als ein lebendiges Farbenklavier, auf seiner Oberfläche alle Noten der Farbenleiter zu geben weis, sol doch häufig zu seiner natürlichen, d. h. zur Eselsfarbe zurükzukommen die Schwachheit haben. So weit unser langer Beweis, daß ihr die Satire mit keinen Narheiten beschenket, wenigstens nur unter der dritten Hand damit beschenket. Da wir zu höflich sind, um nicht der leztern Vermuthung beizupflichten, so enthalten wir uns unsrer gewöhnlichen Bitte um Narheiten und hoffen, von der Unnöthigkeit derselben durch die Erfüllung der folgenden noch fester überzeugt zu werden. Um für eure unbekanten Gefälligkeiten gegen die Satire Dank uns künftig abzugewinnen, so krönet sie mit einer neuen; leget nämlich euren alten Kaltsin gegen deutsche Gelehrte einmal ab, und widerlegt durch eure Geselschaft die Klagen unsrer Bitschrift. Zwar läuft schon iezt das Gerücht auf gelehrten Zungen herum, daß man an deutschen Höfen deutsche Gelehrte zu dulden anfienge und ihr eure Muttersprache zu erlernen versuchtet; allein solche Gerüchte glaubt man nur einer wiederhohlten Bestätigung, die aber zu beschleunigen unsre Bitte vielleicht wirksam genug ist. Solte auch unser Umgang den eurigen nicht verdienen, so hat doch der Niedrige vielleicht noch einige Tugenden, womit er für die Thorheiten des Grossen dankbar sein kan, und beide können einander mit ihren entgegengesezten Eigenschaften wechselseitigen Stof zum Spot anbieten.

Bei den Menschen κατ᾽ ἐξοχήν d. h. bei den Edelleuten mus sich unsre Klage zu einer andern Wendung bequemen. Denn ohne gegen sie ungerecht zu sein, können wir ihnen nicht eben das vorwerfen, dessen sich alle die andern Gegenstände unsrer Klagen schuldig gemacht. Vielmehr müssen wir gestehen, daß die meisten von ihnen auf manchen Thorheiten troz des äussern Widerstands beharren, denn von ihrem Stolze z. B. können sie darthun, daß er wenigstens eben so viele Ahnen wie ihr Blut alt sei. Allein eben diese Einförmigkeit ihrer Schellen ist der Satire nachtheilig und nicht viel weniger nachtheilig als gänzlicher Mangel derselben. Wen ekelt nicht ein uraltes Lachen zu wiederhallen; wen ekelt nicht eine Satire, deren Vergeblichkeit alle ihre Vorgänger zusichern? und wir fragen die Adelichen selbst, ob sie an der Satire über den Ahnenstolz in den grönländischen Prozessen nur wohl so viel Geschmak gefunden haben, wie an einem Vomitiv oder gar so viel wie an einer adeliches Blut reinigenden Arzenei? Wir zweifeln sehr; und doch, wenn auch ihr Lachen kein Aufstossen des Ekels verbittert hätte, blieb darum das Lachen der übrigen vom Nachgeschmak des Unwillens verschont? Unter die übrigen, welche den Ahnenstolz billigen und daher den Spot darüber für unbillig erklären, gehören so gar einige von uns; von denen auch daher der V. der obengedachten Satire sich einige Vorwürfe zugezogen. An ihrer Spize stehet so gar der grosse Swift, der in seinen unsterblichen Satiren den Ahnenstolz (den groben sowohl als den feinen) soviel wir wissen niemahls belacht, sondern alzeit lobt und billigt. Noch deutlicher äusserte er seine Gedanken hierüber in einem noch ungedrukten Aufsaze. „Einige Kautelen, die angehende Satiriker zu beobachten haben“ betitelt. Dieser ernsthafte Aufsaz, der zwar wie alle seine ernsthaften Aufsäze, (wie schon der Graf Orrery bemerkt) tief unter seinen satirischen bleibt, scheint uns doch wegen manches guten Raths seine Unbekantheit (denn selbst der genaue Johnson gedenket desselben in der swiftischen Lebensbeschreibung mit keinem Wort) nicht zu verdienen. Daher wir nicht übel zu thun glauben, wenn wir den Anfang der gedachten Vertheidigung des Ahnenstolzes übersezzen und hier einrükken. In der Mitte der 37. Seite seines Manuskripts fähret er denn so fort: „So unbillig ein Spot über unehlige Geburt iedem Vernünftigen vorkommen mus; eben so unbillig, ia noch unbilliger mus einer über den Stolz auf adeliche Geburt ihm dünken, und es wird mir leicht sein, die Ungerechtigkeit des leztern wenigstens so gut zu erweisen, als ich eben vom erstern erwiesen. Der Stolz macht lächerlich, wenn er sich nicht auf Dinge, die Werth haben, gründet, sondern blos von luftiger Nahrung aufschwillet; gar nicht Lachen aber, sondern neidische Ehrfurcht vielmehr mus der Stolz erwekken, der aus dem Bewustsein schäzbarer Vorzüge erwächst. Hätte nun der Adel die erste Art des Stolzes, brüstete er sich auf den Besiz einer Feder oder eines Stüks Pergaments: so berechtigte er die Satire freilich zum Lachen, und ieder rechtschaffene Edelmann würde mit mir ihn der Geisel willig Preis gegeben sehen. Allein eines solchen dummen Stolzes habt ihr ia selbst, ihr lustigen Leute, weder den hohen noch den niedrigen Adel iemahls noch beschuldigt; sondern ihm vielmehr den edlern Stolz alzeit beigemessen, den Stolz nicht auf ein Wappen, sondern auf das, wovon es Zeichen ist, auf Verdienste der Vorfahren. Auch wird ihn ieder Edelman zu äussern sich nicht schämen: denn ist Tapferkeit keine Eigenschaft, worauf man stolz sein darf? Kan nicht also ieder Edelman, soviel es die Gränzen der Moral erlauben, sich selbst sehr hochschäzen, da ieder die Tapferkeit von wenigstens einigen seiner Ahnen durch heraldische Belege ausser Zweifel sezen kan? Warum habt ihr aber dennoch zeither lachen können? Ich wenigstens kan es hier, so sehr ich es sonst liebe, nicht; denn auch noch folgendes hält mich davon ab. Man kan die schäzbaren Dinge, oder mit einem Wort die Verdienste, auf die ein edler Stolz sich gründen läst, füglich in eigne und fremde, und also in solche eintheilen, die man hat, und in solche, die man nicht hat. Nur alter Adel besizt die leztern, nur die erstern trift man bei neuem an. Fals nun beide die Gegenstände ihres Stolzes gegen einander zu vertauschen nicht thöricht genug sind, so darf die Satire beide nicht anfeinden; den Stolz des neuen Adels auf eigne Verdienste zwar auch nicht, noch weit weniger den des alten auf fremde. Denn wessen Verdienste sind ungezweifelter, des Lord G-s seine, dessen Tapferkeit wir erst auf das Wort der Zeitungen glauben müssen, oder des Lord L-th seine, dessen Vorfahren sich durch ihren Werth das verdienten, was man nachher erst unter dem König Jakob I. für Geld sich kaufen konte? oder wessen Werth ist unvergänglicher, der des Herzog's F-b-d, dessen Statseinsichten troz ihrer Grösse der Raub einer einzigen Krankheit, einer äussern Verlezung und ieder Geringfügigkeit werden können, oder der des Grafen B-ld, dessen Ururahn seinen Scharfsin durch das bekante noch bis iezt unübertroffene und von den grösten Statsmännern noch bewunderte Statssystem der etc. verewigt hat? Ich denke immer des leztern Verdienste sind am gewissesten, und des leztern Werth am dauerhaftesten. Daß er aber diese fremden Verdienste nicht mit eignen vermehrt, ist vielleicht selbst sein einziges eignes Verdienst und zeugt von vieler Klugheit. Denn den Ruhm, welchen man geerbt, nicht vergrössern, sondern geniessen, heist wie ein Man handeln, der die Thorheiten des Geizes in geistlichen und leiblichen Gütern zu vermeiden weis, der die Erbschaft nicht wieder vererbt, und für zweite Erben aufspart, sondern selbst zu verbrauchen und unter seine Gläubiger zu vertheilen klug genug ist. Überdies verträgt ein altes Wappen nicht iede beliebige Einschaltung neuer Figuren; ein Pegasus z. B. würde einem redenden Wappen geradezu widersprechen, und ich hab' es aus dem Munde angesehener Edelleute, daß auf einen Stambaum sich keine Lorberzweige pfropfen lassen. Daher so wie ein Christ seiner Unfähigkeit zu eignen guten Werken durch Zueignung der guten Werke seines Erlösers abhilft, eben so kan ein Edelman die Verdienste seiner Vorfahren zu seinen eignen machen, wenn er sie sich zueignet, unfähig sie sich zu erwerben. Daraus folgt aber auch, daß der Satiriker den Ahnenstolz, welchen die Vernunft so dekt, nicht für unvernünftig und lächerlich erklären dürfe; sondern vielmehr an einem Adelichen das alte Blut, das in dessen Ahnen für grosse Thaten schlug, wenigstens eben so ehren müsse, als man in Madure an den Eseln die Selen ehret, die vorher in verstorbnen Edlen wohnten; kurz, daß adeliche Verdienste darum, weil sie angeboren sind, nicht weniger Achtung verdienen, als Ideen, Sünde, und Krankheiten, die alle gleichfalls angeboren sind.“ So weit Swift; und so weit auch unser Beweis von der Vernünftigkeit des Adels, dessen Stolz nicht einmal, für eine Thorheit gelten kan. Ja auch diesen sogar haben einige schon fahren lassen; wir bemerken an verschiednen Edelleuten, welche die Akademie bezogen, um da einige Romane zu lesen, daß sie den Adelichen so lange nicht spielen, als sie einen Unadelichen zeugen und verschiedne Barons haben den Federhut vorher auf den Tisch gelegt. Ja auch im Umgange mit Manspersonen vergist der iezige Edelman sein Erbbegräbnis, und erst ein zweites von mus ihn an das seinige erinnern und ein andrer bescheidne Edelman seine Bescheidenheit verscheuchen, so wie die lateinischen Negazionen durch Verdoplung eine entgegengesezte Bedeutung annehmen, und ein Federbusch mus dem andern Φίλιππε ἄνθρωπος εἶ zuwinken. – Zwar wolten einige Edelleute dieser empfundnen Armuth an Thorheiten durch Reisen entfliehen und sich mit ausländischen bereichern; allein so viel sie auch damit französischen und englischen Satirikern mögen genüzet haben, so wenig nüzten sie doch damit den Deutschen. Denn das falsche Mittel machte sie ihren Endzwek ganz verfehlen; um Höflichkeit zu lernen, hätten sie nicht nach Frankreich, sondern nach Sina reisen müssen, und Grobheit lehren die Holländer weit besser als die Engländer. Um über Gemählde zu reden, hatten sie eben so wenig nöthig Italien als die Gemählde zu sehen, und um zu lügen, brauchten sie nur die sieben Wunderwerke der Welt in Augenschein genommen zu haben. Sollen daher ihre Reisen zu ihrer Bildung ausschlagen, so müssen sie künftig, soviel wir einsehen, sich der Unbequemlichkeit unterziehen, zu den Wilden selbst zu reisen, weil uns diese Völker doch nicht, wie die Franzosen, Missionaren schikken. Denn weit besser und viel wohlfeiler als von den Franzosen würde alsden ein blühender Graf nebst seinem Hofmeister, von den Grönländern über seinen Nachbar, und von den Kamtschadalen über Got spassen lernen. Ein Kannibale würde ihn die Unterthanen nicht, wie der Finanzpachter, nur aussaugen, sondern fressen lehren. Wie viele Gelegenheit zu huren würden ihm die Hottentoten anbieten, ohne dafür mehr zu fordern als etwas Rauchtobak; und für die Mittheilung der Franzosen würde er nur bunte Gläser zahlen dürfen und die Krankheit so wohlfeil kaufen, daß er sie heilen lassen könte: denn unter den Wilden kosten die Huren noch nicht soviel wie die Ärzte und der Gift nicht soviel wie der Gegengift. Wir bitten daher alle adeliche Eltern, denen Bildung ihrer Kinder nicht ganz gleichgültig ist, diesen Vorschlag näher zu beherzigen und, nach einer günstigen Beherzigung, auszuführen, um dadurch auf einmahl den Klagen über die Vergeblichkeit der Reisen ein Ende zu machen, so wie den unsrigen über den Mangel an Thorheiten.

Geschmükt mit grossen Schnallen, einem grossen Hute und grossen Stokke, mit einem kleinen Harbeutel, kleinen Rökgen und kleinen Westgen, nicht ohne Wohlgeruch und ohne Puder, die Geisel in der Tasche, das Schnupftuch oder halb ausser derselben, trit unser satirisches Kor dem schönen Geschlechte näher, macht mit seinen beschuhten Boksfüssen die gewöhnlichen Sprünge der Höflichkeit, und greift mit gebognem Rükken nach den schönen Händen, um die noch schönern Handschuhe zu küssen. Schönes Geschlecht! das uns hasset und doch auch nachahmet; das den Satyrn den angebohrnen Ungehorsam gegen zwei Gebote der andern Geseztafel nur halb vergibt, den Ungehorsam gegen das achte Gebot nämlich nicht vergiebt – womit haben wir eine so heftige Rache deines Pinsels verschuldet, daß er uns aus Satyren zu Teufeln umwandelt und seine ungerechten Zeichnungen noch in giftige Farben kleidet? Wir haben nur Boksfüsse; und du leihest uns Pferdefüsse. Wir tragen nur kleine und gerade Hörngen; aber du krönest uns mit so grossen und so krummen Hörnern, wie sie der Teufel vom Ochsen und dein Her vom Aktäon entlehnet. Wir haben gewis keinen sonderlichen Schwanz; aber du verlängerst unser Steisbein so sehr wie deine Schleppen. Zwar so weis, wie du dich, können wir uns nicht mahlen; aber du mahlst uns doch so schwarz wie den bösen Feind. Noch einmal also: wodurch haben wir diese Schilderung verdient? Durch unsern häufigen Spot vermuthlich? Aber wir haben doch über dich nicht mehr gespottet, als über die, die dich anbeten; und immer zehn Satiren über unser eignes Geschlecht gegen Eine über dich geschrieben. Oder durch unsern bittern vielleicht? Aber so zanke dich mit den Rezensenten, die uns dazu zwingen. Gleich den Offizieren, deren spanisches Rohr an dem Soldaten die Menschlichkeit bestraft, womit er die Spiesruthe über die Wunden seines Kameraden geschwungen, geben sie uns mit dem Dolche oder dem Degen der Kritik alle die Streiche wieder, die dir unsre galante Geisel schenken wollen; daß wir aber deinen schönen Rükken auf Kosten des unsrigen schonen sollen, kanst du wenigstens, so lange in der gelehrten Republik das salische Gesez noch gilt, nicht fordern. Pope's Bitterkeit entschuldige zwar nicht mit der Empfindung von Rükkenschmerzen, aber doch von Kopfschmerzen; Boileau's Bisse rechne dem Schnabel eines indianischen Hahnes an 2) und eh' du Voltairens Spot auf dich verdammest, so verdamme auch vorher seine Lobreden auf dich. Oder hassest du iede Satire überhaupt? Aber du liebst sie doch an dir so sehr! Denn lieben must du sie, weil du auf die Schmeicheleien der Männer immer mit Spot antwortest, deine Lippen eben so gern, wie deine Wangen mit Eßig schminkest; und als Göttin Europens mit deinem Gesicht, auf welches die Natur bunte Reize pflanzte, und mit deinem Munde, in welchen die Mode satirische Nesseln säete, den Göttinnen der Ägypter, den Zwiebeln nämlich zu gleichen kein Bedenken trägst, deren schöne Blumen auf einer scharfen Wurzel blühen und die zugleich beissen und gefallen. Dieser ungerechte Zorn aber ist es dennoch, der die Satire um deine bisherige Wohlthätigkeit brachte, der die Rache dir eingab, vernünftig zu werden, um unserm Lachen die Nahrung zu entziehen. Da, wie wir eben erwiesen, dein Zorn ungerecht ist; so mus es auch deine Rache sein. Wie hart du dich aber an uns gerächt, wollen wir iezt darthun. Wir können auf dein geneigtes Gehör um desto gewisser rechnen, da wir in unserm Erweis vor iedem satirischen Zuge uns hüten, und deine Thorheiten iezt nicht belachen, sondern nur die Verminderung derselben erweisen und ihre Vermehrung erbitten werden, kurz da wir unsre Satirn weniger den Teufeln als den Affen d. h. den Stuzern, welche ebenfalls deine Unfruchtbarkeit an Thorheiten täglich dir kniend vorwerfen, ähnlich machen werden. –

Wir musten aufhören zu lachen; weil unsre Schönen aufhörten, zu weinen. Wer nur vor zehn Jahren der deutschen Satire auf den Zahn fühlte, der gestand die Nothwendigkeit, ihr Gebis durch verbessertes Futter zu schärfen; wer kurz darauf noch einmahl fühlte, der fand eine neue Schärfe, und rieth auf die Wirksamkeit des Empfindungswesen. Daher gab der Untergang des lezten der Satire einen unheilbaren Stos und das Mittel, das Sterne in seiner Empfindsamkeit den Deutschen anbot, die Engländer in der Satire zu erreichen, gefiel den deutschen Schönen zu unserm unersezlichen Schaden nur auf eine kurze Zeit. Nicht zwar als ob man der Empfindsamkeit das ganze Bedlam aufgekündigt hätte; allein sie logirt doch nur noch parterre, schwellet stat der Herzen unter unbedekten Busen, doch nur noch Herzen unter groben Halstüchern, klagt nur in der weichen Köchin über die harte Madame und quillet nur aus aufrichtigen Thränendrüsen. Was bleibt uns sonach übrig? nichts als die Fortsezung unsrer Satiren. Ungeachtet das Miserere der Augen nachgelassen, so müssen wir doch mit unsern Purganzen noch hausiren gehen. So wie der Teufel in dem Körper des Studenten, den er getödet hatte, auf Befehl des Magikers Agrippa einige Zeit die Stelle der Sele vertrat, und mit den fremden Füssen einen Tag spazieren gieng; eben so schenkt unsre Ironie der Empfindsamkeit, die sie hingerichtet, verlängertes Leben, und redet die tode Sprache der weinerlichen Makulatur. Ja die Verminderung des satirischen Stofs hat noch überdies eine unglükliche Vermehrung der Satiriker nach sich gezogen. Ein guter Theil der Autoren nämlich, welche sich vom Schimpfen auf uns länger nicht ernähren konten, schlugen sich zu uns, um ihre Ebenbilder zu geiseln; die Armuth hatte ihre Gallenblase gegen ihr Herz aufgewiegelt und dem Kiele stat der Thränen, die weniger Goldkörner als bisher aus dem Beutel der Verleger herauszuspühlen anfingen, nahrhafte Galle eingeflösset; und derselbe Hunger weinte im zwanzigsten Jahre mit den Weinenden und lachte im dreissigsten mit den Lachenden. So diente iener Eselskinbakken dem Simson sowohl zur verwundenden Waffe als zur wasserreichen Quelle. Auch die Schönen lachen iezt über ihre vorigen Thränen, belohnen die „physiognomischen Reisen“ mit lachenden Zähren, satirisiren über ihre Nachahmerinnen, und lassen den Pankrazius Selmar den Siegwart von der Toilette schieben. So weinen die Reben Wasser, bevor sie die Trauben liefern, die unser Gleichnis versäuert, oder den Wein, den es zu Essig kocht. So versteht das Kind sogleich nach seiner Geburt zu weinen, aber das Lachen lernt es erst später fremden Gesichtern ab. Von dieser scheinbaren Ausschweifung kommen wir auf den Versuch zurük, die zu sehr verschriene Empfindsamkeit von ihr[er] verkanten Seite darzustellen; und das schöne Geschlecht zu überreden, daß es auch sein eigner Vortheil sei, so viel wie sonst zu weinen. Das stärkste, womit man die Empfindsamkeit angepriesen und was wir iezt wiederhohlen, ist unstreitig dies, daß sie die Bevölkerung, auf welcher das Wohl eines ieden States ruhet, nicht wenig befördere. Wie bei der Beschneidung, so ist es bei ihr nur das kleinere Verdienst, die Sele geheiligt zu haben; wenn man es mit dem zweiten vergleichet, die Fruchtbarkeit des Körpers vernichtet zu haben; wenigstens nüzen beide der Erde eben soviel wie dem Himmel. Die arithmetische Fortsezung unsers Beweises überlassen wir einem zweiten Süßmilch, auf den wir uns hier im voraus beziehen. Wahrscheinlich blieb dieser Vortheil der Empfindsamkeit, der alle ihre übrigen Unbequemlichkeiten aufwiegt, manchen harten Schönen unbekant; und vielleicht wäre dieselbe ohne den Widerstand des Vorurtheils noch allgemeiner geworden, daß man den Mond anbete, ohne seine schöne Anbeterin mit anzubeten, und daß die Diana keine andern Bitten gewähre als die Bitte um ewige Jungferschaft. Erhöret ia doch diese Schwester Apollo's schon auch die, die um Hebammenhülfe flehen, um Makulatur zu gebähren. 3) Zwar müssen wir gestehen, daß unsre Zeiten dem schönen Geschlecht willig den nonnenartigen Schleier erlassen, den es sonst über die Mittheilung seiner Reize werfen müssen, daß in unsern Tagen die Liebe iede Larve und folglich auch die Empfindsamkeit entbehren könne; allein wir glauben unsern schönen Leserinnen eine keusche Verachtung solcher Freiheiten und eine Erhebung über die Zügellosigkeit ihrer Zeitgenossen, zutrauen zu dürfen, und wir hoffen, daß wenigstens die meisten von ihnen zu edel denken werden, ihre höchsten Freuden nicht mit dem Schleier von Religionsempfindungen zu heiligen, da selbst heidnische Mädgen nur dem Priester, der sich für den Got ausgab, die Umarmung erlaubten; die Tugend zu sehr lieben werden, ihr ein schönes Sterbekleid von weissem Atlas und von rothen Bändern zu versagen, und die büffonsche Liebe zu innig hassen werden, als daß sie nicht über dieselbe, um sich ihren widrigen Anblick zu erspahren, die Larve der platonschen hängen solten. Jedes Glied des Weibes ist zu schön für eine Enthüllung; aber vorzüglich wird das Herz desselben durch Naktheit entstellet, und solte eine Schöne den Busen unbekleidet tragen dürfen, so darf sie doch das Herz, zu dessen schöner Larve ihn die Natur geschaffen, nicht allen Augen Preis geben. Kehret also, ihr deutschen Mädgen, die ihr euch über die grössere Anzahl erheben wolt, wieder zur vernachlässigten Diana zurük und zaubert, gleich andern Zauberinnen, künftig wieder nur zu Nachts. Verrathet eure Geschiklichkeiten nicht mehr dem geschwäzigen Phöbus und lasset ihn künftig bei euch, zur Stillung seiner Neugierde nach euren Reizen, höchstens nur eine späte Morgenvisitte im Bette abstatten; aber nur die Luna freue sich der Vertraulichkeit derer, mit denen sie das Geschlecht theilet, nur ihren matten Schimmer lasset dem Haus Zeuge dessen sein, was er zu keusch und zu kalt ist zu verrathen und niemand als nur die Liebhaberin des Endymions wisse von euch, daß ihr sie nachahmet. – Wir wiederhohlen noch einmahl die obige Versicherung, daß nicht Eigennutz uns diesen Rath diktire. Gerade das Gegentheil würde uns dieser diktiren; er würde allen Schönen die Keuschheit anzupreisen versuchen, über die man in unsern Tagen, ungeachtet sie unter die abgelegten Thorheiten gehört, dennoch mit grösserm Beifal zu spotten hoffen darf als über die Hurerei, deren Rükken der Schmuk verpanzert und die Mode bewacht. Eine Hure nüzet uns warlich wenig: denn lächerlich ist sie höchstens nur dan uns, so wie der ganzen Stad, wenn sie so unglüklich ist, keine mehr zu sein, wenn entweder ein kleiner Engel diese Gotheit, ein kleiner Amor diese Venus entgöttert und der gereifte Samen den Sallat um die Gunst eines ieden Gaumens gebracht hat, oder wenn die Meisterin der Schülerin das Laster abtreten müssen, oder wenn die Zeit die Schönheit skelettirt hat. Indes kan demungeachtet eine Person, für deren Tugend ihre Juwelen und vergoldete Wägen Bürgschaft leisten, dem gemeinen Wesen nüzlich sein. Denn stat daß man sonst die Gunst eines Ministers erst aus der Hand seiner Gemahlin kaufen muste, kan man iezt dieses Umwegs entübrigt sein, wenn man sich sogleich an seine H- wendet. Den H- der Könige, die zu Priamus Zeiten regierten, kan man ein solches Lob nicht zugestehen; denn nach den Berichten der damahligen Schriftsteller war selten eine Königin, sondern immer eine H-, die der Staub gebohren hatte, schuld, daß ein König sein Land vernachlässigte und sich ihm entzog; so wie der Erde der Mond (Weib) seltner als ihre eignen Dünste die Sonne (Man) verschatten und trübe Tage häufiger als Sonnenfinsternisse sind. Glüklicher sind unsre Zeiten, wo die Keuschheit auf die Thronen und die Asträa zu den Sternen geflohen! – Man wird sich freilich wundern, daß die Schönen, welche dem deutschen Parnasse die griechischen Musen so gut zeither ersezten, indem sie mit ihren Reizen sowohl den Pinsel unserer Anakreons als auch den Pinsel Rabners bereicherten, der Satire zu sizen und derselben mit ihren entkleideten Schönheiten zu Modellen zu dienen sich almählig zu weigern anfangen. Die Verwunderung mus bei dem noch höher steigen, der die deutschen Schönen schon vor dem Zeitpunkte ihrer Verfeinerung und ihrer Vernünftigkeit zu kennen das Glük hatte. Denn von allen Thorheiten der vorigen Schönen, z. B. des Tages sich nur einmahl anzukleiden, alle die Reize, welche für mehrere blühen, von einem einzigen brechen zu lassen, und die Schönheit, die zur Untreue bestimt ist, durch häusliche Geschäfte für den Man abzunuzen, das feine Gefühl der Sele und der Hände durch arbeitsamen Geiz abzuhärten, nicht blos gemeinen Menschenverstand, sondern auch eine unpolirte Sprache zu haben, an Gedichten so wenig Geschmak zu finden wie an Dichtern, und in der Litteratur und den Moden gleich unwissend zu sein, u. s. w. von allen diesen und noch andern Thorheiten, sagen wir, wird man iezt in der schönen Welt mit Erstaunen wenig oder keine Spuhren finden. Noch mehr: an die Stelle dieser abgelegten Thorheiten hat man nicht einmahl neue treten lassen und die inwendige Seite der vorigen Weiber haben die iezigen uns nicht einmahl durch die äussere ersezt: denn was den Puz oder die äussere Seite anbelangt, so können wir gegen die gemeine Meinung erweisen, daß er im höchsten Grad vernünftig und zum Belachen daher nicht tauglich sei. Wir wünschten freilich selbst lieber, denen beipflichten zu können, die den Chamäleontismus der weiblichen Moden für die lächerlichste Narheit erklären; allein folgende Betrachtung zwingt uns, hierin andrer Meinung zu sein und der allgemeinen Überzeugung von der Lächerlichkeit der Moden unsre unbedeutende Stimme zu versagen. Den ganzen Irthum hätte man durch eine genauere Entwiklung der Verschiedenheit, die zwischen den Bestimmungen der zwei Geschlechter vorwaltet, ohne Mühe abwenden können. Allein man vergas über die Wahrheit, der Man ist für seinen Geist geschaffen, die eben so gewisse Wahrheit, die Frau ist für ihren Körper geschaffen; und wiewohl einige französische Dichter den lezten Saz wenigstens den Weibern, in Madrigalen einzusingen suchten, so glaubte man ihn dennoch nicht und sezte ihn blos zu einer französischen Schmeichelei herab. Eine Schmeichelei zwar ist er, ja, aber keine französische, sondern eine wahre. Von dieser Meinung nun irre geführt, kont' es freilich nicht anders kommen, als daß man am schönen Geschlechte eben das tadelte, was man hätte loben sollen und die Bestimmung desselben in etwas anderm als in der Verschönerung des Körpers suchte. Zu einer langen Widerlegung fehlet uns hier der Raum; auch ist unser Saz, daß die weibliche Sele von dem weiblichen Körper sichtbar übertroffen werde, und sie folglich, so grosse Ansprüche sie auch auf Ausbildung und Hochschäzung machen könne, dem leztern doch noch grössere zugestehen müsse, eine von den Wahrheiten, die sich selbst beweisen. Zu anstössige Lükken indessen in unserm Erweise dieser Wahrheit werden die Schönen, wenn sie in Geselschaften unsre Bitschrift rezensiren, selbst zu ergänzen so gütig sein; und die bekante Beredsamkeit ihrer Reize sichert uns schon im voraus eine so allgemeine Annahme unsrer Meinung zu als sie verdient. Alle Rektoren bekennen einmüthig, daß man einen Knaben so erziehen müsse, als ob er keinen Körper hätte, und alle Gouvernanten fügen noch hinzu, daß man umgekehrt ein Mädgen so erziehen müsse, als wenn ihm die Sele fehlte; und von diesen alten Grundsäzen entfernen sich denn beide auch nur selten. Hätte also auch nicht die Natur dem weiblichen Körper die überwiegende Vortreflichkeit gegeben, die wir ihm zusprechen, so würde er sie doch durch die Erziehung erhalten haben, die über die bessere Verschönerung desselben lieber seine Sele ganz vergessen wil. Auch die ersten Christen, die uns in keinen Höflichkeiten gegen das andre Geschlecht nachstehen als in den geringfügigern, waren so galant, dem herlichen Körper des Weibs die schuldige Achtung zu entrichten und ihm den Vorrang vor der Sele sogar in Religionssachen, wo man sonst nur auf den Werth der leztern sieht, zuzugestehen. Sie nanten nämlich, schmeichelhaft genug, die weiblichen Märtyrer Callimartyres, schöne Märtyrer. An manchen Orten heist man einen schlechten Porträtmahler einen Selenmahler. Diese Benennung, die Sulzer nicht zu rechtfertigen wuste, läst sich ungezwungen durch das Übergewicht des weiblichen Antlizes über das weibliche Gehirn, der sichtbaren Reize über die unsichtbaren, veranlagt denken: denn der Mahler mahlet nämlich allerdings das Angesicht einer Schönen schlecht, welcher durch dasselbe den Geist, den es eben verlarven sollen, durchschimmern und die geistigen Reize die körperlichen schwächen läst; seinen Endzwek der Verschönerung sezt er bei einer solchen Verrätherei gänzlich aus den Augen. Beiläufig! wie sehr beschämt auch hier die Natur die Kunst! Kaum daß dieser das Gehirn mit einer Aussenseite nur zu bedekken gelingt, so kan iene es damit sogar verschönern, kan den Kopf mit lügenden Reizen tapezieren, kan zwischen die Lippen die schlangenförmige Schönheitslinie eines schlangenartigen Wizes wallen heissen, der, gleich den mit Queksilber angefülten Nachtschlangen aus Glas, glänzet und drohet und nicht beisset, und kan Augen, denen kein Gehirn entspricht, zu blinden Fenstern ausmahlen, welche den innern Bewohner nicht erleuchten, und doch zu erleuchten scheinen. Aus unsrer Behauptung läst sich auch ferner die Häslichkeit der gelehrten Schönen begreiflich machen, der Sappho z. B., deren Sele ihre Gestalt so weit hinter sich gelassen; wie nicht minder die Gehirnlosigkeit der Stuzer, welche sich nach der äussern Gestalt des andern Geschlechts so glüklich bilden. Daraus folgt weiter, daß den Werth ieder Schönen schon der erste Anblik entscheidet und daß die, welche am Nachttisch die Geliebte stat zu loben, erforschen wollen, ziemlich unschiklich die Heroldskanzlei in eine Entzifferungskanzlei verwandeln. Daraus folgt endlich das, um was uns hier am meisten zu thun gewesen, die Rechtfertigung des Puzes nämlich: denn sobald die sichtbaren Reize des Meisterstüks der Schöpfung einen so erwiesnen und so beträchtlichen Vorzug vor seinen unsichtbaren haben, so ist auch seine Verbindlichkeit zur Verschönerung seines edlern Theils ins alte Licht gesezt. Daß aber der Körper keine andre Verschönerung als die des Puzes annehme, wird man uns gern zugeben. Folglich fordert es die von der Natur so gewählte Bestimmung einer Schönen, daß sie auf die Bekleidung alle ihre Neigungen zu richten suche, und derselben wenigstens die meisten Stunden und die besten Kräfte widme, daß sie über geringere Arbeiten nie die edlere und ihren Fähigkeiten mehr angemessene Beschäftigung, sich zu puzen, vergesse, und Langweile, Verdrus und Ausgaben, die die Vervolkomnung des Körpers so oft erschweren, lieber mit Gedult ertrage, als dadurch in der Erfüllung ihrer Pflichten lasser werde. Wir wollen iezt, um die vielen Pasquille auf den weiblichen Puz in allen ihren ungerechten Seiten bloszustellen, und auf eine gewisse Art unsern Spot, den uns die Schönen so oft vorgeworfen, durch ihre Vertheidigung gut zu machen, die Schritte, welche das weibliche Geschlecht in der Ausbildung seines Körpers thut, mit den ähnlichen, welche das mänliche in der Ausbildung seiner Sele thut, vergleichen und rechtfertigen. Kleider sind dem schönen Geschlecht, was dem unsrigen Gedanken sind; der Kleiderschrank ist die Bibliothek, das Ankleidezimmer die Studierstube desselben. Schäzen wir einen Leibniz wegen seiner Erfindungen; so schäzt die Frau eine Puzhändlerin nicht weniger wegen der ihrigen und der Volkommenheit wird sie von dieser vielleicht noch näher als wir von ienem gebracht. Es gereicht dem Mann nicht zur Schande, daß er den Autoren Frankreichs die wizigste Einkleidung seiner Gedanken ablernt; es kan daher der Frau zu nichts anders als zur Ehre gereichen, wenn sie, ihrerseits, die Puppen Frankreichs, wie Antiken studirt, sie zum Muster sich wählet und mit der geschmakvollen Kleidung derselben auch ihren Körper zu verschönern strebt. Fast alle unsre Autoren lassen sich von den Franzosen zu einer glänzenden Verschwendung des Wizes hinreissen; dieser Fehler ist ihr einziger und ein liebenswürdiger. Solte man es nun den deutschen Schönen weniger zu gute halten, daß sie die Schminke, die iezt in Paris für antiken Firnis gilt, nicht als eine überflüssige Verschönerung von ihren Wangen abgewiesen? weniger zu gute halten, da sie vor den Autoren einige Entschuldigungen noch voraus haben? Diese nämlich, daß sie nur an die Stelle der Rosen, welche die Sense der Zeit von den Wangen abgemähet, Vorstekrosen kleben, oder daß die Schamhaftigkeit manchem Gesichte zu schön lasse, als daß es von derselben nicht iährlich ein Par Töpfgen verbrauchen dürfe, und endlich, daß man nur aus Liebe zu den schönen Künsten dem Zeuxis den Pinsel entwende, um hungrige Vögel mit gemahlten Trauben anzuködern. Ein guter Kopf lässet nicht selten die Worte die Gedanken spielen und den Schmuk an die Stelle des gesunden Verstandes treten; warum solte eine Schöne mit minderm Beifal ihren Kopfpuz, wie hohe Häupter ihre Krone, den Kopf ersezen lassen? Ein Dichter, der gleich einem musivischen oder musaischen Mahler nach und nach aus gefärbten Steingen und bunten Glasscherben d. h. aus entlehnten Metaphern ein Gemählde zusammenklebt, wird in unsern Zeiten der verbesserten Kritik dem weit vorgezogen, der sein Gemählde nur – mahlt, dessen Schöpfung nur auf einmal von dem Pinsel fliest. Um derselben Ursache willen kan eine Schöne, deren Reize nicht weit her sind, nicht den Ruhm einer andern fordern, die an jedes Glied eine besondre ausländische Schönheit anzieht, die vom Schwanze des Pferdes und des Straußes den Schmuk des Kopfs entlehnet, die gleich dem Spiritus einsprizenden Anatomiker, den unsichtbaren Adern eine blaue Farbe und der leren Zahnlade stat des beinernen einen goldnen Zahn zu schenken weis und die den Seidenwurm die Seite des Walfisches mit seinem Gespinst zu schliessen heist. 4) Für die meisten geistigen Thätigkeiten leihen körperliche Dinge figürliche Namen her; umgekehrt führen die modischen Puzarten Benennungen, die geistigen Eigenschaften gehören; ein neuer Beweis, daß bei der Frau der Körper die Sele spiele. 5) Die wizige Schalkheit hat der Man, wenn er sie hat, im Gehirn; die Frau in einer bekanten Koeffüre. Die Melancholie, die beim Manne nur das Herz aufschwelt, ist bei der Schöne in den Kopfpuz genähet und in die Frisur gebauet. Der Geist jenes Kammerhern, und der Hut seiner Mätresse haben beide etwas Erhabenes und es ist zweifelhaft, ob das Herz dieses Jünglings oder die Robbe seiner Geliebte die meiste verliebte Standhaftigkeit besizt. Auch hat von der Minerva dieser mänliche Kopf und dieser weibliche Kopfpuz viel Ähnlichkeiten geschenkt bekommen; die Orthodoxie hat endlich Gehirne gegen Koeffüren vertauscht und orthodoxe Nadeln stechen anstat orthodoxer Federn. – Wir müssen die Vergleichung der verschiednen Ausbildung der beiden Geschlechter noch etliche Schritte weiter begleiten: denn so unwidersprechlich, wie wir hoffen, wir auch die Vernunftmäßigkeit des weiblichen Puzes dargethan, so ist doch noch die Veränderlichkeit desselben zu rechtfertigen übrig. Und eben um die Wechsel der Moden dreht sich gemeiniglich der ungerechte Spot auf das schöne Geschlecht. Allein wenn Verschönerung des Körpers so sehr Bestimmung der Frau ist, als des Mannes Ausbildung der Sele: so mus iener eine neue Mode, diesem eine neue Meinung ihre unähnlichen Bestimmung gleich sehr erfüllen helfen und ein höherer Schuhabsatz hebt die eine auf keine niedrigere Staffel von menschlichen Werth als den andern eine vermehrte Auflage eines guten Buchs. Die Schönen können sich eben so wenig als andre Menschen über das Lob der endlichen Wesen, zu grössern Volkommenheiten erst von kleinern aufzusteigen, hinwegsezen und die Moden vom Jahre 1782. konten unmöglich das Reizende, das Geschmakvolle und Natürliche schon haben, das erst das 1783ste Jahr den seinigen gegeben. So sind z. B. die Bänder der erstern würklich schön; aber der letzern ihre haben freilich eine sanftere Farbe: die erstern frisirten (besonders gewisse Arten von Schürzen) immer gut genug, aber uns dünkt ein wenig zu schmal, welches erst die leztern glüklich vermieden; auch gaben manche von den erstern den Seitenlokken reizende Lagen; allein wir fragen jeden Perükkenmachersjungen, ob sie von den iezigen nicht in falschen Touren übertroffen werde? Oder wil man auch von den iezigen schon die Volkommenheit fordern, zu der erst sie den Weg gebahnet, und die freilich die Moden, welche der auerbachische Hof in der künftigen Michaelismesse gebähren wird, unsern schönen Leserinnen (dies können wir ihnen im voraus versprechen) so unwiderstehlich aufdringen mus, daß sie die brünstigste Liebe gegen die iezigen Moden werden fahren lassen müssen? Das obige fordern hiesse von den Autoren der vergangenen Ostermesse denselben Scharfsin und denselben Wiz schon fordern, den wir erst an den Autoren der künftigen Michaelismesse bewundern werden; hiesse dem ersten Theil eines Buchs die künftige Volkommenheit seines zweiten zumuthen. Nur das Thier erhält sich immer auf derselben Stuffe; aber darum auch auf einer so niedrigen. Denn was hebt den Man über den klugen Urangutang anders hinaus als die unaufhörliche Erweiterung seiner Ideen? Eben so; wodurch würde sich die Frau, die für die Bekleidung ihres Körpers gebohren wurde, von der Motte, die ebenfalls dafür gebohren wurde, unterscheiden, wenn es nicht durch den Wechsel der Moden wäre? Aber eben dieser Wechsel rükt sie hoch über die in ihre abgelegten Kleider gekleidete Motte hinaus, die Son- und Werkeltage und lebenslang denselben Rok, dessen Zuschnit zuerst im Paradies erschien, zu tragen vom Instinkt gezwungen wird. Neue Meinungen zu konfisziren steht dem Fortgange der Menschheit also nicht mehr entgegen als neue Moden zu konfisziren und nur wer das mänliche Geschlecht auf symbolische Bücher schwören zu lassen sich unterstünde, könte auch das weibliche in eine Nazionalkleidung gefangen zu nehmen sich unterstehen. Folglich sind die Moden so lächerlich gar nicht als sie einige fanden, und eine größere Abwechselung derselben ist vielmehr ein Wunsch, den jeder Gutgesinte mit uns, aber so lange umsonst, thun wird, als man die Erfinder von Dingen, worauf die Vervolkomnung der halben Menschheit beruht, nicht besser zu belohnen und zu unterstüzen anfängt. Und so lange gehört denn auch der Wunsch einiger Städte, Paris einzuhohlen, das im Jahre 1782. zweihundert Arten von Modehauben und zwei und funzig Manieren von Kleiderbesazungen zählte, noch unter die Neuiahrswünsche, die so wenig als Flüche in Erfüllung gehen. Daß iede neue Mode ein neuer Schrit in der weiblichen Vervolkomnung sei, vergessen wir doch oben gegen einige Einwürfe, die unverdientes Gewicht bey manchen haben könnten, zu erweisen. Man stöst sich erstlich an die Auferstehung veralteter Moden. Allein ist eine Mode, die schon einmal getragen worden, darum weniger werth, iezt getragen zu werden? So müste auch ein Saz, weil ihn Jacob Böhme geglaubt, darum unwerth sein, von heutigen Köpfen geglaubt zu werden. Verdienen aber Jacob Böhme's Meinungen den neuen Beifal unserer Autoren, so verdienen auch alte Moden den Beifal der iezigen Weiber. Sollen die Poschen z. B. ihre allgemeine Hochschäzung etwan deshalb nicht verdienen, weil sie schon zu den Zeiten der Kreuzzüge, wo man sie den Morgenländern abgesehen, Mode gewesen? und sol man über ihr Alter ihre schäzbare Tauglichkeit vergessen, selbst ungestalte Hüften zu verschönern, selbst die magerste Taille zu heben und an den weiblichen Körpern die schöne Fettigkeit, die die genanten Morgenländer so lieben, wenigstens scheinbar zu ersezen? Sol man das? so mus man auch, um sich in thörichten Urtheilen gleich zu bleiben, den Autoren die Aufnahme einer andern alten Mode, die figürlich der obigen in allem gleicht, verübeln: d. h. in seine geschmaklose Verurtheilung auch alle die vortreflichen Männer mit einschliessen, welche die Schwülstigkeit der Morgenländer aus ihrer unverdienten Verachtung zu reissen so viele Mühe sich gegeben und es wenigstens dahin zu bringen gesucht, daß der Deutsche durch prächtige Worte die morgenländigen Gedanken (wie die Schönen durch Kleider die morgenländische Fettigkeit) erseze. – Neue Moden von niedern Ständen entlehnen kan man, ohne den Endzwek der Mode zu vernachlässigen, ebenfalls: Denn diese Stände hatten sie selbst erst von den höhern bekommen. So senken sich die Gipfel mancher Bäume auf die Erde herunter, wurzeln in dem niedrigen Boden ein, und wachsen dan aus demselben zur alten Höhe wieder hervor. Doch sind die Schranken, die sich unsre Schriftsteller in der Nachahmung der bäuerischen Sprache eigenhändig sezen, auch in der Nachahmung des bäurischen Puzes anzuempfehlen und wir bemerken mit Vergnügen, daß doch die meisten Schönen sich weniger die Landleute als die Wilden zum Muster ihres Anzugs wählen, welche es auch in der Verschönerung der obern Theile des Körpers am weitesten gebracht. Nur müssen die Schönen, ihren wilden Lehrmeisterinnen schon alles abgelernt zu haben, sich noch nicht schmeicheln und es fehlen ihnen zur volkomnen Ähnlichkeit mit einer gepuzten Wilden zwar nicht viele, aber doch noch einige Zierrathen; daher der noch ungedrukte und viele Kupfer fodernde Aufsaz unsers Mitbruders  * * betittelt: „Beschreibung und Abbildung derjenigen Theile des Puzes der Wilden, die von unsern Damen noch nicht nachgeahmt worden,“ alle Unterstüzung des schönen Geschlechts verdient und neben den Kalendern mit den Abbildungen der neuesten Damenmoden, vielleicht das nüzlichste Geschenk ist, das ein Man seiner Frau am künftigen Neuiahrstag machen kan. – Diese Gründe, die einer noch grösseren Schärfe fähig sind, reichen, wie uns dünkt, zur Rechtfertigung der Moden völlig zu. Die Ausbildung des Körpers ist folglich das Vernünftigste, was die Schönen nur vornehmen können; und sich lächerlich zu machen, bleibt ihnen sonach nichts übrig als die Ausbildung der Sele, indem sie nämlich Journale lesen und die Theaterzeitung in Berlin, indem sie poetische Blümgen pflükken und zusammenbinden, und den neuesten Almanach nicht sogleich vergessen und den Versen Reime geben oder auch keine. Um alles dieses werden wir sie weiter unten bitten, wo wir zugleich Gründe beizubringen hoffen, die sie vielleicht überreden werden. Nun solten wir noch von ihrem Eigensin, von ihrer Veränderlichkeit, von ihrem Stolze über Schönheit, und von ihrer Eitelkeit aus Häslichkeit, von ihrer Verstellungssucht, von ihrem Hasse gegen das Ernsthafte u. s. w. beweisen, daß alle diese Eigenschaften sehr leicht mit der Vernunft sich aussöhnen lassen. Allein fodern auch wohl die Schönen oder ihre Anbeter diesen Beweis? sind die erstern nicht selbst überzeugt, daß jene Dinge keine Thorheiten sind? und haben nicht die andern sie sogar zu ihren Reizen gezählet? Unsre gewöhnliche Bitte werden sie errathen und auch, da sie so gerecht ist, erfüllen. Wir haben überdies, weil wir die Almacht des Lobs über die Schönen sehr gut kennen, uns des Tadelns ganz enthalten, und wenn iener Wundarzt die Leute verwundete, um sie salben zu können, so hoffen wir das umgekehrte Verfahren gegen sie beobachtet zu haben. Wir verlassen sie, bis wir sie unten wieder sehen, beugen nicht nur unsern Rükken und küssen ihre Hände, wie oben, sondern schwören auch, daß wir sie anbeten, und gehen mit dem schmeichelhaften Gedanken fort, sie zu ihrer Bereicherung an Thorheiten vielleicht bald durch das freimüthige Geständnis ihrer Armuth daran wenigstens die ersten Schritte machen zu sehen. 6)

 

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1) Hist. N. L. 8. c. 34. 

2) Nach dem l'année litteraire wurde Boileau in seiner Kindheit von diesem Thiere an einem empfindlichen Orte verwundet; nach Helvezius läst sich aus dieser Verwundung seine Bitterkeit gegen Weiber u. s. w. erklären. 

3) Nach der Mythologie ist die Diana oder Luna Hebamme und ewige Jungfer. 

4) Eine Anspielung auf den Ausdruk, „er schloß die Stätte zu mit Fleisch.“ Daß man hier von den Posche, seiner Nachahmung der mänlichen Pumphosen rede, werden die meisten von selbst sehen. 

5) Alles, was iezt folgt, spielt auf die sonderbaren Benennungen der weiblichen Moden an. 

6) Die Fortsezung dieser Bitschrift wird im dritten Bändgen folgen und es vielleicht wol füllen. Solte man das Versprechen in der Vorrede, in der Vereinigung der starken Schreibart mit der ironischen einen erbärmlichen Versuch zu machen, noch zu wenig gehalten finden, so wisse man, daß wir erst im künftigen Theile der Bitschrift zu den Materien kommen werden, die eine bessere Erfüllung ienes Versprechens erlauben. Noch steht es bei den Kunstrichtern, uns durch eine gute Rezension dieses Theils der Bitschrift die künftige Bitte um Vermehrung ihrer Thorheiten zu ersparen.

 

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Nachschrift zur zweiten Auflage.

Gott sei Dank, daß sie durch ihr Schweigen wenigstens mir das Vermehren der meinigen ersparten.