BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Heinrich von Kleist

1777 - 1811

 

Der zerbrochne Krug,

ein Lustspiel

 

Scene: Die Gerichtsstube

 

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Neunter Auftritt.

 

Walter. Adam. Frau Marthe u. s. w. ohne die Magd.

 

 

Adam.

– Wenn ich freimüthig reden darf, Ihr Gnaden,

Die Sache eignet gut sich zum Vergleich.

Walter.

Sich zum Vergleich? Das ist nicht klar, Herr Richter.

1075

Vernünft'ge Leute können sich vergleichen;

Doch wie ihr den Vergleich schon wollt bewirken,

Da noch durchaus die Sache nicht entworren,

Das hätt' ich wohl von euch zu hören Lust.

Wie denkt ihr's anzustellen, sagt mir an?

1080

Habt ihr ein Urtheil schon gefaßt?

Adam.

Mein Seel!

Wenn ich, da das Gesetz im Stich mich läßt,

[82]

Philosophie zu Hülfe nehmen soll,

So war's – der Leberecht –

Walter.

Wer?

Adam.

Oder Ruprecht –

Walter.

Wer?

Adam.

Oder Lebrecht, der den Krug zerschlug.

Walter.

1085

Wer also war's? Der Lebrecht oder Ruprecht?

Ihr greift, ich seh, mit eurem Urtheil ein,

Wie eine Hand in einen Sack voll Erbsen.

Adam.

Erlaubt!

Walter.

Schweigt, schweigt, ich bitt' euch.

Adam.

Wie ihr wollt.

Auf meine Ehr, mir wär's vollkommen recht,

1090

Wenn sie es alle beid' gewesen wären.

Walter.

Fragt dort, so werdet ihr's erfahren.

Adam.

Sehr gern.

[83]

Doch wenn ihr's herausbekommt, bin ich ein Schuft.

– Habt ihr das Protokoll da in Bereitschaft?

Licht.

Vollkommen.

Adam.

Gut.

Licht.

Und brech' ein eignes Blatt mir,

1095

Begierig, was darauf zu stehen kommt.

Adam.

Ein eignes Blatt? Auch gut.

Walter.

Sprich dort, mein Kind.

Adam.

Sprich, Evchen, hörst du, sprich jetzt, Jungfer Evchen!

Gieb Gotte, hörst du, Herzchen, gieb, mein Seel,

Ihm und der Welt, gieb ihm was von der Wahrheit.

1100

Denk, daß du hier vor Gottes Richtstuhl bist,

Und da[ß] du deinen Richter nicht mit Läugnen,

Und Plappern, was zur Sache nicht gehört,

Betrüben mußt. Ach, was! Du bist vernünftig.

Ein Richter immer, weißt du, ist ein Richter,

1105

Und Einer braucht ihn heut, und Einer morgen.

Sagst du, daß es der Lebrecht war: nun gut;

Und sagst du, daß es Ruprecht war: auch gut!

[84]

Sprich so, sprich so, ich bin kein ehrlicher Kerl,

Es wird sich Alles, wie du's wünschest finden.

1110

Willst du mir hier von einem andern trätschen,

Und dritten etwa, dumme Namen nennen:

Sieh, Kind, nimm dich in Acht, ich sag' nichts weiter.

In Huisum, hol's der Henker, glaubt dir's keiner,

Und Keiner, Evchen, in den Niederlanden,

1115

Du weißt, die weißen Wände zeugen nicht,

Der auch wird zu vertheidigen sich wissen:

Und deinen Ruprecht holt die Schwerenoth!

Walter.

Wenn ihr doch eure Reden lassen wolltet.

Geschwätz, gehauen nicht und nicht gestochen.

Adam.

1120

Verstehen's Ew. Gnaden nicht?

Walter.

Macht fort!

Ihr habt zulängst hier auf dem Stuhl gesprochen.

Adam.

Auf Ehr! Ich habe nicht studirt, Ew. Gnaden.

Bin ich euch Herrn aus Utrecht nicht verständlich,

Mit diesem Volk vielleicht verhält sich's anders:

1125

Die Jungfer weiß, ich wette, was ich will.

Frau Marthe.

Was soll das? Dreist heraus jetzt mit der Sprache!

[85]

Eve.

O liebste Mutter!

Frau Marthe.

Du –! Ich rathe dir!

Ruprecht.

Mein Seel, 's ist schwer, Frau Marthe, dreist zu sprechen,

Wenn das Gewissen an der Kehl' uns sitzt.

Adam.

1130

Schweig' er jetzt, Nas'weis, mucks' er nicht.

Frau Marthe.

Wer war's?

Eve.

O Jesus!

Frau Marthe.

Maulaffe, der! Der niederträchtige!

O Jesus! Als ob sie eine Hure wäre.

War's der Herr Jesus?

Adam.

Frau Marthe! Unvernunft!

Was das für –! Laß sie die Jun[g]fer doch gewähren!

1135

Das Kind einschrecken – Hure – Schaafsgesicht!

So wird's uns nichts. Sie wird sich schon besinnen.

Ruprecht.

O ja, besinnen.

Adam.

Flaps dort, schweig er jetzt.

Ruprecht.

Der Flickschuster wird ihr schon einfallen.

Adam.

Der Satan! Ruft den Büttel! He! Hanfriede!

Ruprecht.

1140

Nun, nun! Ich schweig', Herr Richter, laßt's nur sein.

Sie wird euch schon auf meinen Nahmen kommen.

Frau Marthe.

Hör du, mach mir hier kein Spektakel, sag' ich.

Hör, neun und vierzig bin ich alt geworden

In Ehren: funfzig möcht' ich gern erleben.

1145

Den dritten Februar ist mein Geburtstag;

Heut ist der erste. Mach es kurz. Wer war's?

Adam.

Gut, meinethalben! Gut, Frau Marthe Rull!

Frau Marthe.

Der Vater sprach, als er verschied: Hör', Marthe,

Dem Mädel schaff mir einen wackern Mann;

1150

Und wird sie eine liederliche Metze,

So gieb dem Totengräber einen Groschen,

Und laß mich wieder auf den Rücken legen:

Mein Seel, ich glaub, ich kehr' im Grab mich um.

[87]

Adam.

Nun, das ist auch nicht übel.

Frau Marthe.

Willst du Vater

1155

Und Mutter jetzt, mein Evchen, nach dem vierten

Gebot hoch ehren, gut, so sprich[:] in meine Kammer

Ließ ich den Schuster, oder einen dritten,

Hörst du? Der Bräut'gam aber war es nicht.

Ruprecht.

Sie jammert mich. Laßt doch den Krug, ich bitt' euch;

1160

Ich will'n nach Utrecht tragen. Solch' ein Krug –

Ich wollt' ich hätt' ihn nur entzwei geschlagen.

Eve.

Unedelmüth'ger, du! Pfui, schäme dich,

Daß du nicht sagst, gut, ich zerschlug den Krug!

Pfui, Ruprecht, pfui, o schäme dich, daß du

1165

Mir nicht in meiner That vertrauen kannst.

Gab' ich die Hand dir nicht, und sagte, ja,

Als du mich fragtest, Eve, willst du mich?

Meinst du, daß du den Flickschuster nicht werth bist?

Und hättest du durchs Schlüsselloch mich mit

1170

Dem Lebrecht aus dem Kruge trinken sehen,

Du hättest denken sollen: Ev' ist brav,

Es wird sich Alles ihr zum Ruhme lößen,

Und ist's im Leben nicht, so ist es jenseits,

Und wenn wir auferstehn ist auch ein Tag.

Ruprecht.

1175

Mein Seel, das dauert mir zu lange, Evchen.

Was ich mit Händen greife, glaub' ich gern.

Eve.

Gesetzt, es wär der Leberecht gewesen,

Warum – des Todes will ich ewig sterben,

Hätt' ich's dir Einzigem nicht gleich vertraut;

1180

Jedoch warum vor Nachbarn, Knecht und Mägden –

Gesetzt, ich hätte Grund, es zu verbergen,

Warum, o Ruprecht, sprich, warum nicht sollt' ich,

Auf dein Vertraun hin sagen, daß du's warst?

Warum nicht sollt ich's? Warum sollt ich's nicht?

Ruprecht.

1185

Ei, so zum Henker, sag's, es ist mir Recht,

Wenn du die Fiedel dir ersparen kannst.

Eve.

O du Abscheulicher! Du Undankbarer!

Werth, daß ich mir die Fiedel spare! Werth,

Daß ich mit einem Wort zu Ehren mich,

1190

Und dich in ewiges Verderben bringe.

Walter.

Nun –? Und dies einz'ge Wort –? Halt uns nicht auf.

Der Ruprecht also war es nicht?

Eve.

Nein, gnäd'ger Herr, weil er's denn selbst so will,

Um seinetwillen nur verschwieg ich es:

[89]

Den irdnen Krug zerschlug der Ruprecht nicht,

Wenn er's euch selber läugnet, könnt ihr's glauben.

Frau Marthe.

Eve! Der Ruprecht nicht?

Eve.

Nein, Mutter, nein!

Und wenn ich's gestern sagte, war's gelogen.

Frau Marthe.

Hör, dir zerschlag' ich alle Knochen!

(sie setzt den Krug nieder).

Eve.

1200

Thut, was ihr wollt.

Walter (drohend).

Frau Marthe!

Adam.

He! Der Büttel! –

Schmeißt sie heraus dort, die verwünschte Vettel!

Warum soll's Ruprecht just gewesen sein.

Hat sie das Licht dabei gehalten, was?

Die Jungfer, denk' ich, wird es wissen müssen:

1205

Ich bin ein Schelm, wenn's nicht der Lebrecht war.

Frau Marthe.

War es der Lebrecht etwa? War's der Lebrecht?

Adam.

Sprich, Evchen, war's der Lebrecht nicht, mein Herzchen?

[90]

Eve.

Er Unverschämter, er! Er Niederträcht'ger!

Wie kann er sagen, daß es Lebrecht –

Walter.

Jungfer!

1210

Was untersteht sie sich? Ist das mir der

Respekt, den sie dem Richter schuldig ist?

Eve.

Ei, was! Der Richter dort! Werth, selbst vor dem

Gericht, ein armer Sünder, dazustehn –

– Er, der wohl besser weiß, wer es gewesen!

(sich zum Dorfrichter wendend:)

1215

Hat er den Lebrecht in die Stadt nicht gestern

Geschickt nach Utrecht, vor die Commission,

Mit dem Attest, die die Rekruten aushebt?

Wie kann er sagen, daß es Lebrecht war,

Wenn er wohl weiß, daß der in Utrecht ist?

Adam.

1220

Nun wer denn sonst? Wenn's Lebrecht nicht, zum Henker –

Nicht Ruprecht ist, nicht Lebrecht ist – – Was machst du?

Ruprecht.

Mein Seel', Herr Richter Adam, laßt euch sagen,

Hierin mag doch die Jungfer just nicht lügen,

Dem Lebrecht bin ich selbst begegnet gestern,

1225

Als er nach Utrecht ging, früh war's Glock acht,

[91]

Und wenn er auf ein Fuhrwerk sich nicht lud,

Hat sich der Kerl, krummbeinig wie er ist,

Glock zehn Uhr Nachts noch nicht zurück gehaspelt.

Es kann ein dritter wohl gewesen sein.

Adam.

1230

Ach, was! Krummbeinig! Schaafsgesicht! Der Kerl

Geht seinen Stiefel, der, trotz Einem.

Ich will von ungespaltnem Leibe sein,

Wenn nicht ein Schäferhund von mäß'ger Größe

Muß seinen Trab gehn, mit ihm fortzukommen.

Walter.

1235

Erzähl' den Hergang uns.

Adam.

Verzeih'n Ew. Gnaden!

Hierauf wird euch die Jungfer schwerlich dienen.

Walter.

Nicht dienen? Mir nicht dienen? Und warum nicht?

Adam.

Ein twatsches Kind. Ihr seht's. Gut, aber twatsch.

Blutjung, gefirmelt kaum; das schämt sich noch,

1240

Wenn's einen Bart von weitem sieht. So'n Volk

Im Finstern leiden sie's, und wenn es Tag wird,

So läugnen sie's vor ihrem Richter ab.

Walter.

Ihr seid sehr nachsichtsvoll, Herr Richter Adam,

Sehr mild, in allem, was die Jungfer angeht.

[92]

Adam.

1245

Die Wahrheit euch zu sagen, Herr Gerichtsrath,

Ihr Vater war ein guter Freund von mir.

Wollen Ew. Gnaden heute huldreich sein,

So thun wir hier nicht mehr, als unsre Pflicht,

Und lassen seine Tochter gehn.

Walter.

1250

Ich spüre große Lust in mir, Herr Richter,

Der Sache völlig auf den Grund zu kommen. –

Sei dreist, mein Kind; sag, wer den Krug zerschlagen.

Vor niemand stehst du, in dem Augenblick,

Der einen Fehltritt nicht verzeihen könnte.

Eve.

1255

Mein lieber, würdiger und gnäd'ger Herr,

Erlaßt mir, euch den Hergang zu erzählen.

Von dieser Weig'rung denkt uneben nicht.

Es ist des Himmels wunderbare Fügung,

Die mir den Mund in dieser Sache schließt.

1260

Daß Ruprecht jenen Krug nicht traf, will ich

Mit einem Eid, wenn ihr's verlangt,

Auf heiligem Altar bekräftigen.

Jedoch die gestrige Begebenheit,

Mit jedem andern Zuge, ist mein eigen,

1265

Und nicht das ganze Garnstück kann die Mutter,

Um eines einz'gen Fadens willen, fordern,

Der, ihr gehörig, durch's Gewebe läuft.

[93]

Ich kann hier, wer den Krug zerschlug, nicht melden,

Geheimnisse, die nicht mein Eigenthum,

1270

Müßt ich, dem Kruge völlig fremd, berühren.

Früh oder spät will ich's ihr anvertrauen,

Doch hier das Tribunal ist nicht der Ort,

Wo sie das Recht hat, mich darnach zu fragen.

Adam.

Nein, Rechtens nicht. Auf meine Ehre nicht.

1275

Die Jungfer weiß, wo unsre Zäume hängen.

Wenn sie den Eid hier vor Gericht will schwören,

So fällt der Mutter Klage weg:

Dagegen ist nichts weiter einzuwenden.

Walter.

Was sagt zu der Erklärung sie, Frau Marthe?

Frau Marthe.

1280

Wenn ich gleich was Erkleckliches nicht aufbring',

Gestrenger Herr, so glaubt, ich bitt' euch sehr,

Daß mir der Schlag bloß jetzt die Zunge lähmte.

Beispiele giebt's, daß ein verlohrner Mensch,

Um vor der Welt zu Ehren sich zu bringen,

1285

Den Meineid vor dem Richterstuhle wagt; doch daß

Ein falscher Eid sich schwören kann, auf heil'gem

Altar, um an den Pranger hinzukommen,

Das heut erfährt die Welt zum erstenmal.

Wär, daß ein Andrer, als der Ruprecht, sich

1290

In ihre Kammer gestern schlich, gegründet,

[94]

Wär's überall nur möglich, gnäd'ger Herr,

Versteht mich wohl, – so säumt ich hier nicht länger.

Den Stuhl setzt ich, zur ersten Einrichtung,

Ihr vor die Thür', und sagte, geh, mein Kind,

1295

Die Welt ist weit, da zahlst du keine Miethe,

Und lange Haare hast du auch geerbt,

Woran du dich, kommt Zeit, kommt Rath, kannst hängen.

Walter.

Ruhig, ruhig, Frau Marthe.

Frau Marthe.

Da ich jedoch

Hier den Beweis noch anders führen kann,

1300

Als bloß durch sie, die diesen Dienst mir weigert,

Und überzeugt bin völlig, daß nur er

Mir, und kein Anderer den Krug zerschlug,

So bringt die Lust, es kurz hin abzuschwören,

Mich noch auf einen schändlichen Verdacht.

1305

Die Nacht von gestern birgt ein anderes

Verbrechen noch, als bloß die Krugverwüstung.

Ich muß euch sagen, gnäd'ger Herr, daß Ruprecht

Zur Conscription gehört, in wenig Tagen

Soll er den Eid zur Fahn' in Utrecht schwören.

1310

Die jungen Landessöhne reißen aus.

Gesetzt, er hätte gestern Nacht gesagt:

Was meinst du, Evchen? Komm. Die Welt ist groß.

Zu Kist' und Kasten hast du ja die Schlüssel –

Und sie, sie hätt' ein wenig sich gesperrt:

1315

So hätte ohngefähr, da ich sie störte,

– Bei ihm aus Rach', aus Liebe noch bei ihr –

Der Rest, so wie geschehn, erfolgen können.

Ruprecht.

Das Rabenaas! Was das für Reden sind!

Zu Kist' und Kasten –

Walter.

Still!

Eve.

Er, austreten!

Walter.

1320

Zur Sache hier. Vom Krug ist hier die Rede. –

Beweis, Beweis, daß Ruprecht ihn zerbrach!

Frau Marthe.

Gut, gnäd'ger Herr. Erst will ich hier beweisen,

Daß Ruprecht mir den Krug zerschlug,

Und dann will ich im Hause untersuchen. –

1325

Seht, eine Zunge, die mir Zeugniß redet,

Bring' ich für jedes Wort auf, das er sagte,

Und hätt' in Reihen gleich sie aufgeführt,

Wenn ich von fern geahndet nur, daß diese

Die ihrige für mich nicht brauchen würde.

1330

Doch wenn ihr Frau Brigitte jetzo ruft,

Die ihm die Muhm' ist, so genügt mir die,

[96]

Weil die den Hauptpunkt just bestreiten wird.

Denn die, die hat Glock halb auf eilf im Garten,

Merkt wohl, bevor der Krug zertrümmert worden,

1335

Wortwechselnd mit der Ev' ihn schon getroffen;

Und wie die Fabel, die er aufgestellt,

Vom Kopf zu Fuß dadurch gespalten wird,

Durch diese einz'ge Zung', ihr hohen Richter,

Das überlaß' ich selbst euch einzusehn.

Ruprecht.

1340

Wer hat mich –?

Veit.

Schwester Briggy?

Ruprecht.

Mich mit Ev'? Im Garten?

Frau Marthe.

Ihn mit der Ev', im Garten, Glock halb eilf,

Bevor er noch, wie er geschwätzt, um eilf

Das Zimmer überrumpelnd eingesprengt:

Im Wortgewechsel, kosend bald, bald zerrend,

1345

Als wollt er sie zu etwas überreden.

Adam (für sich).

Verflucht! Der Teufel ist mir gut.

Walter.

Schafft diese Frau herbei.

[97]

Ruprecht.

Ihr Herrn, ich bitt' euch:

Das ist kein wahres Wort, das ist nicht möglich.

Adam.

O wart, Hallunke! – He! Der Büttel! Hanfried! –

1350

Denn auf der Flucht zerschlagen sich die Krüge –

– Herr Schreiber, geht, schafft Frau Brigitt' herbei!

Veit.

Hör, du verfluchter Schlingel, du, was machst du?

Dir brech ich alle Knochen noch.

Ruprecht.

Weshalb auch?

Veit.

Warum verschwiegst du, daß du mit der Dirne

1355

Glock halb auf eilf im Garten schon scharwenzt?

Warum verschwiegst du's?

Ruprecht.

Warum ich's verschwieg?

Gott's Schlag und Donner, weil's nicht wahr ist, Vater!

Wenn das die Muhme Briggy zeugt, so hängt mich.

Und bei den Beinen sie meinthalb dazu.

Veit.

1360

Wenn aber sie's bezeugt – nimm dich in Acht!

Du und die saub're Jungfer Eve dort,

Wie ihr auch vor Gericht euch stellt, ihr steckt

[98]

Doch unter einer Decke noch. S' ist irgend

Ein schändliches Geheimniß noch, von dem

1365

Sie weiß, und nur aus Schonung hier nichts sagt.

Ruprecht.

Geheimniß! Welches?

Veit.

Warum hast du eingepackt?

He? Warum hast du gestern Abend eingepackt?

Ruprecht.

Die Sachen?

Veit.

Röcke, Hosen, ja, und Wäsche;

Ein Bündel, wie's ein Reisender just auf

1370

Die Schultern wirft?

Ruprecht.

Weil ich nach Utrecht soll!

Weil ich zum Regiment soll! Himmel=Donner –!

Glaubt er, daß ich –?

Veit.

Nach Utrecht? Ja, nach Utrecht!

Du hast geeilt, nach Utrecht hinzukommen!

Vorgestern wußtest du noch nicht, ob du

1375

Den fünften oder sechsten Tag wirst reisen.

Walter.

Weiß er zur Sache was zu melden, Vater?

[99]

Veit.

– Gestrenger Herr, ich will noch nichts behaupten.

Ich war daheim, als sich der Krug zerschlug,

Und auch von einer andern Unternehmung

1380

Hab' ich, die Wahrheit zu gestehn, noch nichts,

Wenn ich jedweden Umstand wohl erwäge,

Das meinen Sohn verdächtig macht, bemerkt.

Von seiner Unschuld völlig überzeugt,

Kam ich hieher, nach abgemachtem Streit

1385

Sein ehelich Verlöbniß aufzulösen,

Und ihm das Silberkettlein einzufordern,

Zusamt dem Schaupfennig, den er der Jungfer

Bei dem Verlöbniß vor'gen Herbst verehrt.

Wenn jetzt von Flucht was, und Verrätherei

1390

An meinem grauen Haar zu Tage kommt,

So ist mir das so neu, ihr Herrn, als euch:

Doch dann der Teufel soll den Hals ihm brechen.

Walter.

Schafft Frau Brigitt' herbei, Herr Richter Adam.

Adam.

– Wird Ew. Gnaden diese Sache nicht

1395

Ermüden? Sie zieht sich in die Länge.

Euer Gnaden haben meine Kassen noch,

Und die Registratur – Was ist die Glocke?

Licht.

Es schlug soeben halb.

[100]

Adam.

Auf eilf!

Licht.

Verzeiht, auf zwölfe.

Walter.

Gleichviel.

Adam.

Ich glaub', die Zeit ist, oder ihr verrückt.

(er sieht nach der Uhr)

1400

Ich bin kein ehrlicher Mann. – Ja, was befehlt ihr?

Walter.

Ich bin der Meinung –

Adam.

Abzuschließen? Gut –!

Walter.

Erlaubt! Ich bin der Meinung, fortzufahren.

Adam.

Ihr seid der Meinung – Auch gut. Sonst würd' ich

Auf Ehre, morgen früh, Glock neun, die Sache,

1405

Zu euerer Zufriedenheit beend'gen.

Walter.

Ihr wißt um meinen Willen.

Adam.

Wie ihr befehlt.

[101]

Herr Schreiber, schickt die Büttel ab; sie sollen

Sogleich ins Amt die Frau Brigitte laden.

Walter.

Und nehmt euch – Zeit, die mir viel werth, zu sparen –

1410

Gefälligst selbst der Sach' ein wenig an.

(Licht ab).