BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Hermann Kurz

1813 - 1873

 

Genzianen

Ein Novellenstrauß

 

1837

 

Textgrundlage:

Hermann Kurz: Genzianen. Ein Novellenstrauß

Stuttgart: Karl Erhard, 1837

 

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Nachlass.

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Ich werde so von hinnen eilen

Mit tiefgeschlossenem Visier,

Und ein paar arme, stumpfe Zeilen

Die bleiben dann der Welt von mir.

 

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Nach diesen werden sie mich wägen,

Verdammung sprechen oder Lob,

Nicht ahnend, ach, mit welchen Schlägen

Sich oft mein Herz in meinem Busen hob,

Wie ich am schönen Tag, in guter Stunde,

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Verschmelzend Geist in Geist gewebt,

Mit einem kleinen Menschenbunde

Ein ganzes, volles Leben durchgelebt;

Wie wir das Herz, wie wir die Welt gemessen,

Wie manch gewichtig Wort in Lethe's Wellen fiel,

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Und wie wir dann in seligem Vergessen

Manch kecken Scherz geübt, manch übermüthig Spiel.

Vor solchem Leben frisch und reich

Wie sind die Lettern todt und bleich!

 

Doch was ich mir in mir gewesen,

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Das hat kein Freund gesehn, wird keine Seele lesen.