B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Karl Marx
1818 - 1883
     
   


G e d i c h t e   m e i n e m
t h e u r e n   V a t e r   z u m
G e b u r t s t a g e


1 8 3 7

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[...]

Erste Elegie aus Ovid's Büchern der Trauer;
frei übersezt.

Lateinisches Original

     1.)
Kleines Büchlein, du darfst eilen
     Hin zum frohen Siegersitz,
Und ich kann den Weg nicht theilen,
     Denn mich traf des Jovis Blitz.

     2.)
Geh! in dürftigen Gewanden,
     Trag' des Herren Trauerkleid,
Schmucklos, wie es ziemt Verbannten,
     Wie's gebeut der Sturm der Zeit.

     3.)
Purpur'n soll kein Schleier prangen,
     Um dich in Violenblut,
Sehnsucht ach! und leer Verlangen
     Schmückt nicht hohe Freudengluth.

     4.)
Birg den Namen, schamhaft schweigend,
     Dufte nicht von Cedersaft,
Und kein Silberbuckel neigend,
     Stör' das Schwarz' am krummen Schaft.

     5.)
Glückbeseelte Schrift erwählet
     Solcher Zierde selt'ne Pracht,
Nur mein Schmerz sei dir vermählet,
     Und der Trauer, dunkle Nacht.

     6.)
Zotticht rauh magst du erscheinen,
     Wie in wildgelöstem Haar,
Und nicht glättend soll sich einen
     Bimsstein zart und wunderbar.

     7.)
Ist dein bleiches Antlitz trüber,
     Trüber noch durch mich befleckt,
Ach! die Zähre rann hinüber,
     Bis sie heiß dich zugedeckt!

     8.)
Geh' mein Buch und grüß die Räume,
     Grüß' den heilig theuren Ort,
Dorthin tragen mich die Träume,
     Phantasie und Zauberwort.

     9.)
Wenn vielleicht Erinn'rungsahnen
     Manchen faßt, der dich erblickt,
Wenn dich Fragen stürmisch mahnen
     Nach dem Herrn, der dich geschickt;

     10.)
Daß ich lebe, darfst du sagen,
     Daß gerettet, sage nicht,
Selber, daß die Pulse schlagen,
     Gnade sei es, Wohlthat nicht.

     11.)
Und wer mehr will, gieb dich leise,
     Stillbehutsam ihm dahin,
Daß nicht unbedachter Weise,
     Strafbar Wort und Laut entfliehn.

     12.)
Mancher wird dich höhnend schelten,
     Wird erneuen mein Vergehn,
Du auch für Verbrecher gelten,
     Mußt beschämt zu Boden sehn.

     13.)
Kränkt dich Vorwurf und Verdammen,
     Hör' sie stillgelassen an,
Feuer löschen nicht die Flammen,
     Das Vergehn nicht Täuschungswahn.

     14.)
Doch du wirst auch manchen finden,
     Der in Seufzern zu dir spricht,
Zähren werden hold erblinden
     Seines Auges Sehnsuchtslicht.

     15.)
Und aus seiner Brust wird's tönen,
     Leis in vollem Liebesdrang:
«Könnt' er Cäsar'n doch versöhnen,
     Mildern, ach!, der Strafe Zwang.»

     16.)
Und wer immer freundlich redet:
     «Daß der Gott besänftigt sei!»
Sieh! mein Busen für ihn betet:
     «Donner zieht an ihm vorbei!»

     17.)
Möcht' sein Wunsch sich doch gestalten,
     Dürft' ich sterben in dem Sitz,
Den die Götter inne halten,
     Mög' erkalten Cäsar's Blitz!

     18.)
Wenn du so den Gruß entsendet,
     Wirst du selbst wohl angeklagt,
Daß nicht süsse Form gespendet,
     Daß mein Geist nicht aufwärts ragt.

     19.)
Doch der Richter muß erkennen,
     Welche Zeit die That gebar,
Wird man sie erwägend nennen,
     Bist du sicher vor Gefahr;

     20.)
Denn der Dichtung Zauberfülle
     Strömt aus frohbewegter Brust,
Ach und dunkle Nebelhülle
     Deckt die Schläfe, bannt die Lust.

     21.)
Und die Lieder alle trauern,
     Daß der Sänger streng gebannt,
Sturm und Meer und Winter schauern
     Um das Haupt, ihm unbekannt!

     22.)
Furcht darf nimmer eisig fassen,
     Soll der Prachtgesang entglühn,
Und ich weine, dumpf verlassen,
     Seh' das Mordschwerdt schon entsprühn.

     23.)
Was ich immer jezt gegeben,
     Staunen flößt's dem Bill'gen ein,
Und er wird mein Werk erheben,
     Wird gedenken meiner Pein.

     24.)
Gieb mir selbst den Maeoniden,     (Homer)
     Stürz' ihn so in Unglücksschaar,
Hin die Zauberkraft, geschieden,
     Blickt sein Auge die Gefahr.

     25.)
Doch mein Buch, nur hingegangen,
     Sorglos um der Fama Wort,
Und sei nicht von Schaam umfangen,
     Wirft der Leser rauh dich fort.

     26.)
Nicht des Glückes weiche Wellen
     Tragen so mich Liebehold,
Daß nach Lob die Geister schwellen,
     Daß ich werbe Sangessold.

     27.)
Als noch Lust mich süß gebettet,
     Schlug Begeist'rung rieselnd auf,
An des Ruhmes Wahn gekettet,
     An des Namens Weltenlauf.

     28.)
Wenn jezt noch die Zyther klinget,
     Wenn nicht ausgeflammt der Drang,
Dann genug mein Herz erringet,
     Denn mich stürzte der Gesang.

     29.)
Geh' nun, geh', dir ist's verliehen,
     Schau für mich du Romas Pracht,
Dürft' ich jezt statt deiner ziehen,
     Mild von einem Gott bewacht!

     30.)
Glaub' nicht, daß ein Unbekannter
     Du betrittst die grosse Stadt,
Daß ein spurlos nicht genannter,
     Du dem Volke dich genaht!

     31.)
Fehlt dir Titel auch und Zeigen,
     Deine Farbe nennt dich schon,
Wolltest du mich selbst verschweigen,
     Ach! du sprächst dir selber Hohn.

     32.)
Heimlich trete in die Pforte,
     Daß dich nicht mein Lied verlezt,
Nicht mehr singt es Liebesworte,
     Die das trunk'ne Herz ergezt!

     33.)
Wer dich schnöde von sich weiset,
     Weil mein Mühen dich gebar,
Dich Verführer finster heisset,
     Ueppig schwellend von Gefahr;

     34.)
Sag ihm: «lies nur meinen Namen,
     Süsse Liebe lehr' ich nicht,
Ach! die strengen Götter kamen,
     Hielten schon ihr Hochgericht!»

     35.)
Woll' nicht zu der Halle steigen,
     Die zum Himmel stolz sich wagt,
Nicht dich Cäsar's Meuten zeigen,
     Wo die Säule höher ragt;

     36.)
Jene hochgeweihten Sitze
     Kennen Deinen Herren nicht,
Von der Burg entlodern Blitze,
     Traf mein Haupt das Hochgericht!

     37.)
Götter bergen zwar die Hallen,
     Groß und Gnadenreich und mild,
Doch, wenn Stürme ihm entwallen,
     Fürchten wir des Lenzes Bild!

     38.)
Ach! die Taube bebt erschrocken
     Vor dem Zephir, der sich regt,
Küßt sie noch die Wunde trocken,
     Die der Habicht blutend schlägt.

     39.)
Und wenn aus des Wolfes Zähnen
     Aengstlich sich das Lamm entwand,
Wagt es nur sich hinzulehnen
     An des Pferges nied're Wand!

     40.)
Phaeton würd' nimmer schwirren,
     Lebt' er, zu des Aethers Höhn,
Nicht die Rosse thöricht schürren,
     Die der Stolze sich ersehn.

     41.)
Und ich furcht' des Jovis Waffen,
     Flieh' vor seinem Flammenmeer,
Wenn die Himmel donnernd klaffen,
     Glaub' ich, treffe mich sein Speer.

     42.)
Welcher Argoler auch immer,
     Capharischem Strand entsprang,
Seine Segel lenkt er nimmer,
     Zu Euböas Fluthendrang.

     43.)
Und mein Kahn, vom Sturm gesenket,
Wagt der Stätte nicht zu nahn,
     Zaghaft weg von ihr gelenket,
     Kreist er fernwärts seine Bahn.

     44.)
Drum mein Buch, mit klugen Sinnen,
     Siehe dich bedachtsam vor,
Woll' nicht höh'ren Ruhm gewinnen,
     Leiht die Masse dir ihr Ohr.

     45.)
Icarus, als er vermessen
     Hoch sich mit dem Flügel schwang,
Seinem Nam' ward nicht Vergessen,
     Den des Meeres Welle sang.

     46.)
Ob die Ruder kühn zu treiben,
     Ob die Segel mild zu schwelln,
Laß es ferner Stunde bleiben,
     Laß es Zeit und Ort erhelln.

     47.)
Wenn die Stirne frei verkläret,
     Wenn sein Antlitz Milde haucht,
Wenn der Zorn, den er genähret,
     Stummgebrochen untertaucht;

     48.)
Wenn dich, das von Furcht erbleichet,
     Das zu nahen nicht gewagt,
Freundeswort und Hand ihm reichet,
     Geh' hinzu, das Dunkel tagt.

     49.)
Milder schlägt des Schicksals Stunde,
     Seel'ger du, als der dich schuf,
Sanfter brennt die heisse Wunde,
     Und es tönt der Gnade Ruf.

     50.)
Denn die Wunde kann nur stillen,
     Der sie selber zürnend schlug,
Wie Telephus von Achillen,
     So den Schmerz, wie Lind'rung trug.

     51.)
Sieh' nur, daß du Gift nicht spendest,
     Wenn du Rettung zugedacht;
Hoffnung! Luftgebild, du wendest
     Vor der Furcht dich bang in Nacht!

     52.)
Ha! verhüthe, daß nicht stürmend,
     Zorn, der leise schlief, erwacht,
Neues Unheil auf mich thürmend,
     Das du thöricht aufgefacht.

     53.)
Doch wirst du beglückt empfangen
     In der Muse Heiligthum,
Darfst du in dem Hause prangen,
     Wo sich Schrift vermählt und Ruhm,

     54.)
Angereiht wirst du erblicken,
     Dort gelehnt der Brüder Schaar,
Die ich zeugt' im Hochentzücken,
     Wenn der Tag geschieden war.

     55.)
Alle tragen stolz und offen
     Ihren Namen, Siegbewußt,
An der Stirne, gleich wie Hoffen
     Prangt er und wie Dichtungslust.

     56.)
Drei nur zögern fern gesellet,
     Rings von Dunkel eingehüllt,
Liebeskunst sie üppig schwellet,      (ars amandi.)
     Und den Busen Scherz erfüllt.

     57.)
Flieh' sie oder ruf' vermessen
     Fluch und Unheilsschwang'ren Rath,
Oedips frevlendes Vergessen,
     Telegons verruchte That!

     58.)
Sänge, neulich kaum gerissen
     Aus der Flamme jähem Tod,
Lassen dich Verwandlung wissen,      (Metamorphoses)
     Und der Welten Geistgebot.

     59.)
Zu verwandelt fremden Wesen,
     Melde, wie mein Wort gebeut,
Sei mein Schicksal auserlesen,
     Und es hab' die Form erneut.

     60.)
Denn wie anders saugt' ich Gluthen
     Von des Glückes Purpurmund,
Wo die Thränen jezt umfluthen,
     Schlössen Götter ihren Bund!

     61.)
Wenn mich deine Blicke fragen,
     Vieles möcht' ich noch bestelln,
Doch die schlanken Hören schlagen
     Weiter ihre raschen Welln.

     62.)
Wollt' ich alles mit dir senden,
     Was den Busen stürmisch faßt,
Ach! ich könnte nimmer enden,
     Und den Träger beugt die Last.

     63.)
Lang der Weg! drum Büchlein eile,
     Denn der Erde fernstes Land,
Ist's, das ich mit Scythen theile,
     Land vom Lande weggewandt!
 

Die Wahnsinnige.
Ballade.

Es tanzt 'ne Frau im Mondesschein,
Die glänzt gar weit in die Nacht hinein,
Ihr Kleid, das wallt, ihr Aug', das blizt,
Wie wenn Demant an Felsen sizt.

«Blau Meer, komm' hergegangen,
Laß dich holdsüß umfangen,
Kränz' mir das Haupt mit Weiden,
Mußt schön grünblau mich kleiden!»

«Ich bring' zart Gold und roth Gestein,
Drin springt und tanzt das Herzblut mein,
Ein Trauter trug's an warmer Brust,
Hat in die Fluth hinweg gemußt.»

«Will Melodien dir singen,
Muß Wind und Woge springen,
Hochauf will Tanz ich schlagen,
Muß Wind und Woge klagen!»

Faßt' einen Weidbaum mit der Hand,
Schlang drum grünblau ein Liebesband,
Begann ihn seltsam anzusehn,
Hieß ihn behutsam seitwärts gehn.

«Nun leih mir deine Schwingen,
Tief Meer hinabzuklingen,
Hast Mutter nicht empfunden,
Wie Sohn gar schön umwunden?»

So trieb sie's nächtig hin und her,
Schmückt jede Weid' am grünen Meer,
Schwingt dann sich stolz hinab, hinauf,
Hat nie vollbracht den Zauberlauf.
 

Blumenkönig.
Phantastische Ballade.

     1.)
     «Männlein im Sonnenschein,
Willst Blumen, Blumenkönig sein?
     Hast gar einen hohen Muth,
     Färb' uns mit rosrothem Blut!»

     2.)
     «Blümchen hell und Blümchen bleich,
Habt getrunken mein Blut, habt getrunken,
     Nun gebt, nun gebt mir mein Königreich,
Laßt in den Kelch, in den Kelch mich tunken!»

     3.)
     «Männlein, dein Blut war gar schön,
     Laß uns tief Herzlein jezt sehn,
Willst Blumen, Blumenkönig sein,
Muß glänzen dein Herz im Sonnenschein!»

     4.)
«Herz mein, Herz mein pocht mir gar sehr,
     Strahlt fein durch die Augen, die beiden,
Herz mein geb' ich euch nimmermehr,
     Kann sonst den Blick ja nicht weiden!»

     5.)
«Männlein, wir springen hier,
All' in den Busen dir,
Laß glänzen Dein Herz im Sonnenschein,
Sollst unser Blumenkönig sein!»

     6.)
Männlein zuckt und Männlein denkt,
     Hat die Brust sich rosroth zerrissen:
«Da habt ihr, da habt ihr mein Herz geschenkt,
     Nun laßt mich Kron' und Scepter nicht missen!»

7.)
«Männlein im Sonnenschein,
Kannst nicht der Blumenkönig sein,
Blut, rosroth Blut kannst nicht sprühn,
Herzlein, tief Herzlein muß uns jezt glühn.»

8.)
Männlein riß sich die Augen aus,
     Fing an, mit den Händen zu schaben,
Baut' sich tief still ein Todtenhaus,
     Da liegt er, da liegt er begraben.
 

Erwachen.

     I.)
Bricht dein strahlendes Auge
Entzückt und bebend,
Wie wallender Saitenton,
Der gebannt an der Lyra
Sinnend geschlummert,
Empor durch den Schleier
Urheiliger Nacht,
Dann blitzen von oben
Ewige Sterne
Liebend hinein.

     II.)
Du versinkest bebend,
Es klopft Dein Busen,
Du schaust unendliche
Ewige Welten,
Ueber Dir, unter Dir,
Unerfaßbar, unendbar,
Schwebend im Reihentanz
Rastloser Ewigkeit,
Und ein Atom
Versinkst du im Weltall.

     III.)
Dein Erwachen
Ist unendliches Aufgehn,
Dein Aufgehn
Ewiger Fall.

     IV.)
Schlägt Deiner Seele
Rieselnde Flamme
In die eigene Tiefe,
In den Busen zurück,
Dann taucht unabgrenzbar,
Von Geistern gehoben,
Getragen von süssem
Schwellendem Zauberton,
Der Seele Geheimniß
Empor aus der Seele
Dämonischem Abgrund.

     V.)
Dein Untersinken
Ist unendliches Aufgehn,
Dein unendliches Aufgehn,
Ist mit bebenden Lippen,
Vom Aether gerötheter,
Flammender, ewiger
Liebkuß der Gottheit.
 

Des Verzweiflenden Gebet.

«Hat ein Gott mir alles hingerissen,
     Fortgewälzt in Schicksalsfluch und Joch,
Seine Welten – alles – alles missen!
     Eines blieb, die Rache blieb mir doch.»

«An mir selber will ich stolz mich rächen,
     An dem Wesen, das da oben thront,
Meine Kraft sei Flickwerk nur von Schwächen,
     Und mein Gutes selbst sei unbelohnt!»

«Einen Thron will ich mir auferbauen,
     Kalt und riesig soll sein Gipfel sein,
Bollwerk sei ihm übermenschlich Grauen,
     Und sein Marschall sei die düst're Pein!»

«Wer hinaufschaut mit gesundem Auge,
     Kehre todtenbleich und stumm zurück,
Angepackt vom blinden Todteshauche,
     Grabe selbst die Grube sich sein Glück.»

«Und des Höchsten Blitze sollen prallen
     Von dem hohen, eisernen Gebäu,
Bricht er meine Mauern, meine Hallen,
     Trotzend baut die Ewigkeit sie neu.»

[...]
 

Weltgericht.
Scherz.

Ach! vor jenem Todtenleben,
     Vor der Heil'gen Preißgesang,
Muß mein Haar sich sträubend beben,
     Ist mir in der Seele bang.

Denn, wenn alles abgeschnitten,
     Aufgehört der Kräfte Spiel,
Und versunken, was wir litten,
     Und erreicht das lezte Ziel.

Soll'n wir Gott, den ew'gen loben,
     Hallelujah ewig schrein,
Haben nie genug erhoben,
     Kennen nicht mehr Lust und Pein.

Ha! mir schaudert vor der Stufe,
     Die zu der Vollendung trägt,
Und ich schaud're vor dem Rufe,
     Wenn er mir an's Sterbbett schlägt.

Einen Himmel kann's nur geben,
     Und der eine ist besezt,
Muß mit alten Weibern leben,
     Die der Zahn der Zeit gewezt.

Ihre Körper liegen unten,
     Schutt und Moder obendrauf,
Und die Seelen jezt, die bunten,
     Hüpfen wirr im Spinnenlauf.

Alle sind so dünn und mager,
     Recht ätherisch und recht fein,
Leiber war'n wohl nie so hager,
     Schnürten sie auch tüchtig ein.

Doch ich störe keck die Feier,
     Heule rasend Lob und Preiß,
Und der Herrgott hört den Schreier,
     Und ihm wird's im Kopfe heiß.

Und er winkt dem ersten Engel,
     Winkt dem langen Gabriel,
Der erfaßt den lauten Bengel,
     Expedirt ihn schnell.

Seht! das alles träumt' mir heute,
Von dem lezten Reichsgericht,
Darum zürnt nicht, gute Leute,
Denn der Träumer sündigt nicht.

[...]
 

Epigramme.

     I.)
     In seinem Sessel, behaglich dumm,
     Sizt schweigend das deutsche Publikum.
Braust der Sturm herüber, hinüber,
Wölkt sich der Himmel düster und trüber,
     Zischen die Blitze schlangelnd hin,
     Das rührt es nicht in seinem Sinn.
Doch wenn sich die Sonne hervorbeweget,
Die Lüfte säuseln, der Sturm sich leget,
     Dann hebt's sich und macht ein Geschrei,
     Und schreibt ein Buch: «der Lärm sei vorbei.»
Fängt an darüber zu phantasieren,
Will dem Ding auf den Grundstoff spüren,
     Glaubt, das sei doch nicht die rechte Art,
     Der Himmel spasse auch ganz apart,
Müsse das All systematischer treiben,
Erst an dem Kopf, dann an den Füssen reiben,
     Gebärd't sich nun gar, wie ein Kind,
     Sucht nach Dingen, die vermodert sind,
Hätt' indessen die Gegenwart sollen erfassen,
Und Erd' und Himmel laufen lassen,
     Gingen ja doch ihren gewöhnlichen Gang,
     Und die Welle braust ruhig den Fels entlang.
 
[...]


Schlußepigramm
an den pustenden Meister.


So knete deine Kuchen nur zurecht,
Dann bleibst du immer doch ein Bäckersknecht.
     Wer wollte auch von dir verlangen,
     Du solltest dich an Göthen hangen?
Er hat ja selbst dein Handwerk nicht gekannt,
Wie kam er zu Genie dann und Verstand?

 
Harmonie.
An Jenny.
(auch im Buch der Lieder und in Geburtstagsgedichten)

Kennst Du das süsse Zauberbild,
     Wo Seelen in einander fliessen,
     In einem Hauche sich ergiessen,
Melodisch voll und freundlich mild?

Sie glühen auf in einer Purpurrose,
Und bergen sich verschämt im weichen Moose.

Und walle weit durch Flur und Land,
     Das Zauberbild wirst Du nicht finden,
     Kein Talisman vermag's zu binden,
Und keine Sonne je es fand.

Es ist in ihrem Scheine nicht entsprossen,
Hat keine Erdennahrung je genossen.

Drum bleibt es ewig prangend stehn,
     Ob schwingt die Zeit den raschen Flügel,
     Apollo fast der Rosse Zügel,
Und Welten stumm im Nichts vergehn.

In sich hat's eine Kraft sich selbst erzeuget,
Die keine Welt, die selbst kein Gott ihm beuget.

Es ähnelt wohl dem Zytherklang,
     Gespielt auf einer ew'gen Leier,
     In stetem Glühen, steter Feier,
In hohem, sehnsuchtsvollem Drang.

O! horch den Saiten, die in Dir erschallen,
Zu suchen wird Dein Fuß nicht weiterwallen.
 

Die Zerrißne.
Ballade.
(auch im Buch der Liebe I und in Sophies Notizbuch)

     I.
Sie steht im Prachtgewande,
     Von Purpurkleid geziert,
In zartem Atlasbande,
     Das sich im Busen verliert.

Und spielend in den Locken
     Ein Rosenkranz ihr ruht,
Die einen gleich Schneesflocken,
     Die andern, wie Feuer und Blut.

Doch nimmer der Rose Flammen
     In ihrem Antlitz spielt,
Sie sinket gebeugt zusammen,
     Wie ein Wild, das der Pfeil erzielt.

Sie blicket so bleich und so bebend
     In vollem Demantenschein,
     Das Blut von der Wange strebend,
Es schlägt in's Herz hinein.

«Schon wieder mußt' ich eilen,
     Zu stürzen in leere Lust,
Die Schritte schwebend theilen,
     Gepreßt in tiefer Brust!»

«Mir schlägt ein ander Verlangen
     Durch der Seele wogend Meer,
Als mich an Pracht zu hangen,
     So kalt, so liebeleer!»

«Ich weiß mir nicht zu erklären,
     Was in dem Busen brennt,
Der Himmel kann's nur gewähren,
     Kein irdischer Laut es nennt.»

«Und keinem darf ich's vertrauen,
     Sie spotten meiner nur,
Vermögen nicht zu schauen
     In tiefere Natur.»

«Ach! dürft' ich fliehen, fliehen
     Zum Aether hoch hinauf,
Doch Stürm' und Wogen ziehen
     Mich fort im Erdenlauf.»

«Ich möcht' so gerne sterben,
     Im Schmerze untergehn,
Den Himmel zu erwerben,
     Und schöner Land zu sehn!»

Sie schlägt den Blick mit Thränen,
     Hinauf zum Himmelslicht,
Und ihres Busens Wähnen
     In stummen Seufzern bricht.

Dann legt sie leis sich nieder,
     Und spricht ein tief Gebet,
Und Schlaf umhüllt die Glieder,
     Und ein Engel über ihr steht.

     II.
Und Jahre zogen herüber,
     Die Wangen fielen ein,
Sie wurde still und trüber,
     Sank mehr in sich hinein.

Vergebens sucht sie zu kämpfen,
     Zu stillen den tiefen Schmerz,
Die Riesengewalten zu dämpfen,
     Es springt das volle Herz.

Sie lag einst wieder versunken
     Im Bette ohne Rast,
Schien schon im Nichts ertrunken,
     Vom Schlage tief erfaßt.

Der Blick ist aufgerissen,
     Er schaut so hohl und irr,
Scheint nicht mehr von sich zu wissen,
     Sie redet geisterwirr.

Und aus dem Auge quillet
     Ein Blutstrom ohne Wahl,
Da scheint der Schmerz gestillet,
     Da blizt es wie Geistesstrahl:

«Ich seh' den Himmel offen,
     Mich faßt's so seltsam an,
Zum Wesen wird mein Hoffen,
     Ich darf den Sternen nahn.»

So bebt's von den Lippen, den bleichen,
     So hallt die Seele aus,
Die zarten Geister weichen,
     Und fliehn zum Aetherhaus.

Hin trieb sie ein tiefes Streben,
     Dort zog sie's wie Zauberband,
Zu kalt war ihr das Leben,
     Zu arm das Erdenland.

[...]