BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Novalis

1772 - 1801

 

Gedichte

 

Geistliche Lieder

 

Textgrundlage:

Erstdrucke in: Musenalmanach auf das Jahr 1802,

Tübingen: Cotta, 1801 (Nr. I – Nr. VII), bzw. in:

Novalis, Schriften, hrsg. von F. Schlegel und L. Tieck.

Berlin: Realschulbuchhandlung, 1802

(Quelle: Zenodot Verlagsgesellschaft mbH)

 

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I. Was wäre ich ohne dich

II. Fern in Osten

III. Wer einsam sitzt

IV. Unter tausend frohen

V. Wenn ich ihn nur habe

VI. Wenn alle untreu werden

VII. Hymne

VIII. Weinen muß ich

IX. Ich sag' es jedem

X. Es giebt so bange Zeiten

XI. Ich weiß nicht, was ich

XII. Wo bleibst du Trost

XIII. Wenn in bangen

XIV. Wer einmal, Mutter

XV. Ich sehe dich

Paralipomena

 

______________

 

 

I.

 

Was wär ich ohne dich gewesen?

Was würd' ich ohne dich nicht seyn?

Zu Furcht und Aengsten auserlesen,

Ständ' ich in weiter Welt allein.

5

Nichts wüßt' ich sicher, was ich liebte,

Die Zukunft wär ein dunkler Schlund;

Und wenn mein Herz sich tief betrübte,

Wem thät' ich meine Sorge kund?

 

Einsam verzehrt von Lieb' und Sehnen,

10

Erschien' mir nächtlich jeder Tag;

Ich folgte nur mit heißen Thränen

Dem wilden Lauf des Lebens nach.

Ich fände Unruh im Getümmel,

Und hoffnungslosen Gram zu Haus.

15

Wer hielte ohne Freund im Himmel,

Wer hielte da auf Erden aus?

 

Hat Christus sich mir kund gegeben,

Und bin ich seiner erst gewiß,

Wie schnell verzehrt ein lichtes Leben

20

Die bodenlose Finsterniß.

Mit ihm bin ich erst Mensch geworden;

Das Schicksal wird verklärt durch ihn,

Und Indien muß selbst in Norden

Um den Geliebten fröhlich blühn.

 

25

Das Leben wird zur Liebesstunde,

Die ganze Welt sprüht Lieb' und Lust.

Ein heilend Kraut wächst jeder Wunde,

Und frey und voll klopft jede Brust.

Für alle seine tausend Gaben

30

Bleib' ich sein demuthvolles Kind,

Gewiß ihn unter uns zu haben,

Wenn zwey auch nur versammelt sind.

 

O! geht hinaus auf allen Wegen,

Und holt die Irrenden herein,

35

Streckt jedem eure Hand entgegen,

Und ladet froh sie zu uns ein.

Der Himmel ist bey uns auf Erden,

Im Glauben schauen wir ihn an;

Die Eines Glaubens mit uns werden,

40

Auch denen ist er aufgethan.

 

Ein alter, schwerer Wahn von Sünde

War fest an unser Herz gebannt;

Wir irrten in der Nacht wie Blinde,

Von Reu und Lust zugleich entbrannt.

45

Ein jedes Werk schien uns Verbrechen,

Der Mensch ein Götterfeind zu seyn,

Und schien der Himmel uns zu sprechen,

So sprach er nur von Tod und Pein.

 

Das Herz, des Lebens reiche Quelle,

50

Ein böses Wesen wohnte drinn;

Und wards in unserm Geiste helle,

So war nur Unruh der Gewinn.

Ein eisern Band hielt an der Erde

Die bebenden Gefangnen fest;

55

Furcht vor des Todes Richterschwerdte

Verschlang der Hoffnung Ueberrest.

 

Da kam ein Heiland, ein Befreyer,

Ein Menschensohn, voll Lieb' und Macht

Und hat ein allbelebend Feuer

60

In unserm Innern angefacht.

Nun sahn wir erst den Himmel offen

Als unser altes Vaterland,

Wir konnten glauben nun und hoffen.

Und fühlten uns mit Gott verwandt.

 

65

Seitdem verschwand bey uns die Sünde,

Und fröhlich wurde jeder Schritt;

Man gab zum schönsten Angebinde

Den Kindern diesen Glauben mit;

Durch ihn geheiligt zog das Leben

70

Vorüber, wie ein sel'ger Traum,

Und, ew'ger Lieb' und Lust ergeben,

Bemerkte man den Abschied kaum.

 

Noch steht in wunderbarem Glanze

Der heilige Geliebte hier,

75

Gerührt von seinem Dornenkranze

Und seiner Treue weinen wir.

Ein jeder Mensch ist uns willkommen,

Der seine Hand mit uns ergreift,

Und in sein Herz mit aufgenommen

80

Zur Frucht des Paradieses reift.

 

 

II.

 

Fern in Osten wird es helle,

Graue Zeiten werden jung;

Aus der lichten Farbenquelle

Einen langen tiefen Trunk!

5

Alter Sehnsucht heilige Gewährung,

Süße Lieb' in göttlicher Verklärung.

 

Endlich kommt zur Erde nieder

Aller Himmel sel'ges Kind,

Schaffend im Gesang weht wieder

10

Um die Erde Lebenswind,

Weht zu neuen ewig lichten Flammen

Längst verstiebte Funken hier zusammen.

 

Ueberall entspringt aus Grüften

Neues Leben, neues Blut,

15

Ew'gen Frieden uns zu stiften,

Taucht er in die Lebensfluth;

Steht mit vollen Händen in der Mitte

Liebevoll gewärtig jeder Bitte.

 

Lasse seine milden Blicke

20

Tief in deine Seele gehn,

Und von seinem ewgen Glücke

Sollst du dich ergriffen sehn.

Alle Herzen, Geister und die Sinnen

Werden einen neuen Tanz beginnen.

 

25

Greife dreist nach seinen Händen,

Präge dir sein Antlitz ein,

Mußt dich immer nach ihm wenden,

Blüthe nach dem Sonnenschein;

Wirst du nur das ganze Herz ihm zeigen,

30

Bleibt er wie ein treues Weib dir eigen.

 

Unser ist sie nun geworden,

Gottheit, die uns oft erschreckt,

Hat im Süden und im Norden

Himmelskeime rasch geweckt,

35

Und so laßt im vollen Gottesgarten

Treu uns jede Knosp' und Blüthe warten.

 

 

III.

 

Wer einsam sitzt in seiner Kammer,

Und schwere, bittre Thränen weint,

Wem nur gefärbt von Noth und Jammer

Die Nachbarschaft umher erscheint;

 

5

Wer in das Bild vergangner Zeiten

Wie tief in einen Abgrund sieht,

In welchen ihn von allen Seiten

Ein süßes Weh hinunter zieht; –

 

Es ist, als lägen Wunderschätze

10

Da unten für ihn aufgehäuft,

Nach deren Schloß in wilder Hetze

Mit athemloser Brust er greift.

 

Die Zukunft liegt in öder Dürre

Entsetzlich lang und bang vor ihm –

15

Er schweift umher, allein und irre,

Und sucht sich selbst mit Ungestüm.

 

Ich fall' ihm weinend in die Arme:

Auch mir war einst, wie dir, zu Muth,

Doch ich genas von meinem Harme,

20

Und weiß nun, wo man ewig ruht.

 

Dich muß, wie mich ein Wesen trösten,

Das innig liebte, litt und starb;

Das selbst für die, die ihm am wehsten

Gethan, mit tausend Freuden starb.

 

25

Er starb, und dennoch alle Tage

Vernimmst du seine Lieb' und ihn,

Und kannst getrost in jeder Lage

Ihn zärtlich in die Arme ziehn.

 

Mit ihm kommt neues Blut und Leben

30

In dein erstorbenes Gebein –

Und wenn du ihm dein Herz gegeben,

So ist auch seines ewig dein.

 

Was du verlohrst, hat er gefunden;

Du triffst bey ihm, was du geliebt:

35

Und ewig bleibt mit dir verbunden,

Was seine Hand dir wiedergiebt.

 

 

IV.

 

Unter tausend frohen Stunden,

So im Leben ich gefunden,

Blieb nur eine mir getreu;

Eine, wo in tausend Schmerzen

5

Ich erfuhr in meinem Herzen,

Wer für uns gestorben sey.

 

Meine Welt war mir zerbrochen,

Wie von einem Wurm gestochen

Welkte Herz und Blüthe mir;

10

Meines Lebens ganze Habe,

Jeder Wunsch lag mir im Grabe,

Und zur Qual war ich noch hier.

 

Da ich so im stillen krankte,

Ewig weint' und wegverlangte,

15

Und nur blieb vor Angst und Wahn:

Ward mir plötzlich, wie von oben

Weg des Grabes Stein gehoben,

Und mein Innres aufgetan.

 

Wen ich sah, und wen an seiner

20

Hand erblickte, frage Keiner,

Ewig werd' ich dieß nur sehn;

Und von allen Lebensstunden

Wird nur die, wie meine Wunden

Ewig heiter, offen stehn.

 

 

V.

 

Wenn ich ihn nur habe,

Wenn er mein nur ist,

Wenn mein Herz bis hin zum Grabe

Seine Treue nie vergißt:

5

Weiß ich nichts von Leide,

Fühle nichts, als Andacht, Lieb' und Freude.

 

Wenn ich ihn nur habe,

Lass' ich alles gern,

Folg' an meinem Wanderstabe

10

Treugesinnt nur meinem Herrn;

Lasse still die Andern

Breite, lichte, volle Straßen wandern.

 

Wenn ich ihn nur habe,

Schlaf' ich fröhlich ein,

15

Ewig wird zu süßer Labe

Seines Herzens Fluth mir seyn,

Die mit sanftem Zwingen

Alles wird erweichen und durchdringen.

 

Wenn ich ihn nur habe,

20

Hab' ich auch die Welt;

Selig, wie ein Himmelsknabe,

Der der Jungfrau Schleyer hält.

Hingesenkt im Schauen

Kann mir vor dem Irdischen nicht grauen.

 

25

Wo ich ihn nur habe,

Ist mein Vaterland;

Und es fällt mir jede Gabe

Wie ein Erbtheil in die Hand;

Längst vermißte Brüder

30

Find' ich nun in seinen Jüngern wieder.

 

 

VI.

 

Wenn alle untreu werden,

So bleib' ich dir doch treu;

Daß Dankbarkeit auf Erden

Nicht ausgestorben sey.

5

Für mich umfing dich Leiden,

Vergingst für mich in Schmerz;

Drum geb' ich dir mit Freuden

Auf ewig dieses Herz.

 

Oft muß ich bitter weinen,

10

Daß du gestorben bist,

Und mancher von den Deinen

Dich lebenslang vergißt.

Von Liebe nur durchdrungen

Hast du so viel gethan,

15

Und doch bist du verklungen,

Und keiner denkt daran.

 

Du stehst voll treuer Liebe

Noch immer jedem bey,

Und wenn dir keiner bliebe,

20

So bleibst du dennoch treu;

Die treuste Liebe sieget,

Am Ende fühlt man sie,

Weint bitterlich und schmieget

Sich kindlich an dein Knie.

 

25

Ich habe dich empfunden,

O! lasse nicht von mir;

Laß innig mich verbunden

Auf ewig seyn mit dir.

Einst schauen meine Brüder

30

Auch wieder himmelwärts,

Und sinken liebend nieder,

Und fallen dir ans Herz.

 

 

VII.

Hymne

 

Wenige wissen

Das Geheimniß der Liebe,

Fühlen Unersättlichkeit

Und ewigen Durst.

5

Des Abendmahls

Göttliche Bedeutung

Ist den irdischen Sinnen Räthsel;

Aber wer jemals

Von heißen, geliebten Lippen

10

Athem des Lebens sog,

Wem heilige Gluth

In zitternde Wellen das Herz schmolz,

Wem das Auge aufging,

Daß er des Himmels

15

Unergründliche Tiefe maß,

Wird essen von seinem Leibe

Und trinken von seinem Blute

Ewiglich.

Wer hat des irdischen Leibes

20

Hohen Sinn errathen?

Wer kann sagen,

Daß er das Blut versteht?

Einst ist alles Leib,

Ein Leib,

25

In himmlischem Blute

Schwimmt das selige Paar. –

 

O! daß das Weltmeer

Schon erröthete,

Und in duftiges Fleisch

30

Aufquölle der Fels!

Nie endet das süße Mahl,

Nie sättigt die Liebe sich.

Nicht innig, nicht eigen genug

Kann sie haben den Geliebten.

35

Von immer zärteren Lippen

Verwandelt wird das Genossene

Inniglicher und näher.

Heißere Wollust

Durchbebt die Seele.

40

Durstiger und hungriger

Wird das Herz:

Und so währet der Liebe Genuß

Von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Hätten die Nüchternen

45

Einmal gekostet,

Alles verließen sie,

Und setzten sich zu uns

An den Tisch der Sehnsucht,

Der nie leer wird.

50

Sie erkennten der Liebe

Unendliche Fülle,

Und priesen die Nahrung

Von Leib und Blut.

 

 

VIII.

 

Weinen muß ich, immer weinen:

Möcht' er einmal nur erscheinen,

Einmal nur von Ferne mir.

Heilge Wehmuth! ewig währen

5

Meine Schmerzen, meine Zähren;

Gleich erstarren möcht' ich hier.

 

Ewig seh ich ihn nur leiden,

Ewig bittend ihn verscheiden.

O! daß dieses Herz nicht bricht,

10

Meine Augen sich nicht schließen.

Ganz in Thränen zu zerfließen,

Dieses Glück verdient' ich nicht.

 

Weint denn keiner nicht von allen?

Soll sein Name so verhallen?

15

Ist die Welt auf einmal todt?

Werd' ich nie aus seinen Augen

Wieder Lieb' und Leben saugen?

Ist er nun auf ewig todt?

 

Todt, – was kann, was soll das heißen?

20

O! so sagt mir doch ihr Weisen,

Sagt mir diese Deutung an.

Er ist stumm, und alle schweigen,

Keiner kann auf Erden zeigen,

Wo mein Herz ihn finden kann.

 

25

Nirgend kann ich hier auf Erden

Jemals wieder glücklich werden,

Alles ist ein düstrer Traum.

Ich bin auch mit ihm verschieden,

Läg' ich doch mit ihm in Frieden

30

Schon im unterirdschen Raum.

 

Du, sein Vater und der meine,

Sammle du doch mein Gebeine

Zu dem seinigen nur bald.

Grün wird bald sein Hügel stehen

35

Und der Wind darüber wehen,

Und verwesen die Gestalt.

 

Wenn sie seine Liebe wüsten,

Alle Menschen würden Christen,

Ließen alles andre stehn;

40

Liebten alle nur den Einen,

Würden alle mit mir weinen

Und in bitterm Weh vergehn.

 

 

IX.

 

Ich sag' es jedem, daß er lebt

Und auferstanden ist,

Daß er in unsrer Mitte schwebt

Und ewig bei uns ist.

 

5

Ich sag' es jedem, jeder sagt

Es seinen Freunden gleich,

Daß bald an allen Orten tagt

Das neue Himmelreich.

 

Jetzt scheint die Welt dem neuen Sinn

10

Erst wie ein Vaterland;

Ein neues Leben nimmt man hin

Entzückt aus seiner Hand.

 

Hinunter in das tiefe Meer

Versank des Todes Graun,

15

Und jeder kann nun leicht und hehr

In seine Zukunft schaun.

 

Der dunkle Weg, den er betrat,

Geht in den Himmel aus,

Und wer nur hört auf seinen Rath,

20

Kommt auch in Vaters Haus.

 

Nun weint auch keiner mehr allhie,

Wenn Eins die Augen schließt,

Vom Wiedersehn, spät oder früh,

Wird dieser Schmerz versüßt.

 

25

Es kann zu jeder guten That

Ein jeder frischer glühn.

Denn herrlich wird ihm diese Saat

In schönern Fluren blühn.

 

Er lebt, und wird nun bei uns seyn,

30

Wenn alles uns verläßt!

Und so soll dieser Tag uns seyn

Ein Weltverjüngungs-Fest.

 

 

X.

 

Es giebt so bange Zeiten,

Es giebt so trüben Muth,

Wo alles sich von weiten

Gespenstisch zeigen thut.

 

5

Es schleichen wilde Schrecken

So ängstlich leise her,

Und tiefe Nächte decken

Die Seele zentnerschwer.

 

Die sichern Stützen schwanken,

10

Kein Halt der Zuversicht;

Der Wirbel der Gedanken

Gehorcht dem Willen nicht.

 

Der Wahnsinn naht und locket

Unwiderstehlich hin.

15

Der Puls des Lebens stocket,

Und stumpf ist jeder Sinn.

 

Wer hat das Kreuz erhoben

Zum Schutz für jedes Herz?

Wer wohnt im Himmel droben,

20

Und hilft in Angst und Schmerz?

 

Geh zu dem Wunderstamme,

Gieb stiller Sehnsucht Raum,

Aus ihm geht eine Flamme

Und zehrt den schweren Traum.

 

25

Ein Engel zieht dich wieder

Gerettet auf den Strand,

Und schaust voll Freuden nieder

In das gelobte Land.

 

 

XI.

 

Ich weiß nicht, was ich suchen könnte,

Wär jenes liebe Wesen mein,

Wenn er mich seine Freude nennte,

Und bei mir wär', als wär' ich sein.

 

5

So Viele gehn umher und suchen

Mit wild verzerrtem Angesicht,

Sie heißen immer sich die Klugen,

Und kennen diesen Schatz doch nicht.

 

Der Eine denkt, er hat's ergriffen,

10

Und was er hat, ist nichts als Gold;

Der will die ganze Welt umschiffen,

Nichts als ein Nahme wird sein Sold.

 

Der läuft nach einem Siegerkranze

Und Der nach einem Lorbeerzweig,

15

Und so wird von verschiednem Glanze

Getäuscht ein jeder, keiner reich.

 

Hat er sich euch nicht kund gegeben?

Vergaßt ihr, wer für euch erblich?

Wer uns zu Lieb' aus diesem Leben

20

In bittrer Qual verachtet wich?

 

Habt ihr von ihm denn nichts gelesen,

Kein armes Wort von ihm gehört?

Wie himmlisch gut er uns gewesen,

Und welches Gut er uns bescheert?

 

25

Wie er vom Himmel hergekommen,

Der schönsten Mutter hohes Kind?

Welch Wort die Welt von ihm vernommen,

Wie viel durch ihn genesen sind?

 

Wie er von Liebe nur beweget

30

Sich ganz uns hingegeben hat,

Und in die Erde sich geleget

Zum Grundstein einer Gottesstaat?

 

Kann diese Bothschaft euch nicht rühren,

Ist so ein Mensch euch nicht genug,

35

Und öffnet ihr nicht eure Thüren

Dem, der den Abgrund zu euch schlug?

 

Laßt ihr nicht alles willig fahren,

Thut gern auf jeden Wunsch Verzicht,

Wollt euer Herz nur ihm bewahren,

40

Wenn er euch seine Huld verspricht?

 

Nimm du mich hin, du Held der Liebe

Du bist mein Leben, meine Welt,

Wenn nichts vom Irdischen mir bliebe,

So weiß ich, wer mich schadlos hält.

 

45

Du giebst mir meine Lieben wieder,

Du bleibst in Ewigkeit mir treu,

Anbetend sinkt der Himmel nieder,

Und dennoch wohnest du mir bei.

 

 

XII.

 

Wo bleibst du Trost der ganzen Welt?

Herberg' ist dir schon längst bestellt.

Verlangend sieht ein jedes dich,

Und öffnet deinem Segen sich.

 

5

Geuß, Vater, ihn gewaltig aus,

Gieb ihn aus deinem Arm heraus:

Nur Unschuld, Lieb' und süße Schaam

Hielt ihn, daß er nicht längst schon kam.

 

Treib ihn von dir in unsern Arm,

10

Daß er von deinem Hauch noch warm;

In schweren Wolken sammle ihn

Und laß ihn so hernieder ziehn.

 

In kühlen Strömen send' ihn her,

In Feuerflammen lodre er,

15

In Luft und Oel, in Klang und Thau

Durchdring' er unsrer Erde Bau.

 

So wird der heil'ge Kampf gekämpft,

So wird der Hölle Grimm gedämpft,

Und ewig blühend geht allhier

20

Das alte Paradies herfür.

 

Die Erde regt sich, grünt und lebt,

Des Geistes voll ein jedes strebt

Den Heiland lieblich zu empfahn

Und beut die vollen Brüst' ihm an.

 

25

Der Winter weicht, ein neues Jahr

Steht an der Krippe Hochaltar.

Es ist das erste Jahr der Welt.

Die sich dies Kind erst selbst bestellt.

 

Die Augen sehn den Heiland wohl,

30

Und doch sind sie des Heilands voll,

Von Blumen wird sein Haupt geschmückt,

Aus denen er selbst holdselig blickt.

 

Er ist der Stern, er ist die Sonn',

Er ist des ewgen Lebens Bronn,

35

Aus Kraut und Stein und Meer und Licht

Schimmert sein kindlich Angesicht.

 

In allen Dingen sein kindlich Thun.

Seine heiße Liebe wird nimmer ruhn,

Er schmiegt sich seiner unbewußt

40

Unendlich fest an jede Brust.

 

Ein Gott für uns, ein Kind für sich

Liebt er uns all' herzinniglich,

Wird unsre Speis' und unser Trank,

Treusinn ist ihm der liebste Dank.

 

45

Das Elend wächst je mehr und mehr,

Ein düstrer Gram bedrückt uns sehr,

Laß, Vater, den Geliebten gehn,

Mit uns wirst du ihn wieder sehn.

 

 

XIII.

 

Wenn in bangen trüben Stunden

Unser Herz beinah verzagt,

Wenn von Krankheit überwunden

Angst in unserm Innern nagt;

5

Wir der Treugeliebten denken,

Wie sie Gram und Kummer drückt,

Wolken unsern Blick beschränken,

Die kein Hoffnungsstrahl durchblickt:

 

O! dann neigt sich Gott herüber,

10

Seine Liebe kommt uns nah,

Sehnen wir uns dann hinüber,

Steht sein Engel vor uns da,

Bringt den Kelch des frischen Lebens,

Lispelt Muth und Trost uns zu;

15

Und wir beten nicht vergebens

Auch für die Geliebten Ruh.

 

 

XIV.

Wer einmal, Mutter, dich erblickt,

Wird vom Verderben nie bestrickt,

Trennung von dir muß ihn betrüben,

Ewig wird er dich brünstig lieben

5

Und deiner Huld Erinnerung

Bleibt fortan seines Geistes höchster Schwung.

 

Ich mein' es herzlich gut mit dir.

Was wir gebricht, siehst du in mir.

Laß, süße Mutter, dich erweichen,

10

Einmal gieb mir ein frohes Zeichen.

Mein ganzes Daseyn ruht in dir,

Nur einen Augenblick sey du bei mir.

 

Oft, wenn ich träumte, sah ich dich

So schön, so herzensinniglich,

15

Der kleine Gott auf deinen Armen

Wollt' des Gespielen sich erbarmen;

Du aber hobst den hehren Blick

Und gingst in tiefe Wolkenpracht zurück:

 

Was hab' ich, Armer, dir gethan?

20

Noch bet' ich dich voll Sehnsucht an,

Sind deine heiligen Kapellen

Nicht meines Lebens Ruhestellen?

Gebenedeite Königinn

Nimm dieses Herz mit diesem Leben hin.

 

25

Du weißt, geliebte Königinn,

Wie ich so ganz dein eigen bin.

Hab' ich nicht schon seit langen Jahren

Im Stillen deine Huld erfahren?

Als ich kaum meiner noch bewußt,

30

Sog ich schon Milch aus deiner selgen Brust.

 

Unzähligmal standst du bei mir,

Mit Kindeslust sah ich nach dir,

Dein Kindlein gab mir seine Hände,

Daß es dereinst mich wieder fände;

35

Du lächeltest voll Zärtlichkeit

Und küßtest mich, o himmelsüße Zeit!

 

Fern steht nun diese selge Welt,

Gram hat sich längst zu mir gesellt,

Betrübt bin ich umher gegangen,

40

Hab' ich mich denn so schwer vergangen?

Kindlich berühr' ich deinen Saum,

Erwecke mich aus diesem schweren Traum.

 

Darf nur ein Kind dein Antlitz schaun,

Und deinem Beistand fest vertraun,

45

So löse doch des Alters Binde

Und mache mich zu deinem Kinde:

Die Kindeslieb' und Kindestreu

Wohnt mir von jener goldnen Zeit noch bei.

 

 

XV.

 

Ich sehe dich in tausend Bildern,

Maria, lieblich ausgedrückt,

Doch keins von allen kann dich schildern,

Wie meine Seele dich erblickt.

 

5

Ich weiß nur, daß der Welt Getümmel

Seitdem mir wie ein Traum verweht,

Und ein unnennbar süßer Himmel

Mir ewig im Gemüthe steht.