BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Novalis

1772 - 1801

 

Philosophische, philologische

und naturwissenschaftliche Studien

Das Allgemeine Brouillon

 

Dritte Gruppe: Nr. 693 - 930

November/Dezember 1798

(Auswahl)

 

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III

Dritte Gruppe (693 - 930)

 

 

698

Theorie der Fantasie. Sie ist das Vermögen des Plastisirens.

 

 

705

Jeder Mensch etc. ist eine Rechnung, wie jede Rechnung ein Mensch.

 

 

713

Freyheit ist das Vermögen einen Bewegungsgrund zu machen. In jeder ächten Wahl rührt der Grund d[er] Wahl vom Wählenden her – nicht vom Gewählten.

 

 

736

(Über den Ausdruck – sich etwas beschlafen.)

Ist der Schlaf – eine Selbstbegattung)

 

 

756

Alle reine W[issenschaften] sind Studien.

 

 

783

W[issenschafts]L[ehre] als Idealsprachschema – Ich – das Urwort z. B. Philosophie der Sprachtheile – der Sprache überhaupt. des Syntaxes. Zuhammenhang mit den Begriffen und Empfindungen.

 

 

805

Man geht mit den Erfahrungen und Experimenten noch viel zu sorglos um – Man versteht sie nicht zu benutzen – Man betrachtet zu wenig die Erfahrungen – als Data zur Auflösung und mannichfaltigen Combinationen zum Calcül – Man überlegt die Erfahrungen, in Beziehung auf Schlüsse, nicht sorgfältig genug – Man nimmt nicht jede Erfahrung, als Function und Glied einer Reihe an – man ordnet – vergleicht – und simplificirt die Erfahrungen nicht genug – man prüft einen Gegenstand nicht mit allen Reagentien – man vergleicht ihn nicht fleißig – und mannichfach genug. (Im Vergl[eich] ist das Untersch[eiden] mit begriffen.)

 

 

807

Der Abstract[ions] Calcül der Phil[osophie] ist vollkommen dem Infinitesimalcalcül zu vergleichen.

 

 

865

Beobachtung und Experimentation (thätige Erfahrung) der Menschen.

Beob[achtungs] und Exp[erimentations] Schema.

 

 

906

Die bloße Analyse – die bloße Experimentation und Beobachtung führt in unabsehliche Räume und schlechthin in die Unendlichkeit – Ist sie poëtischer Natur und Absicht, so mags seyn – sonst muß man absolut einen Zweck – mit Recht Finis genannt – haben oder Setzen – damit man sich nicht in diese Speculation, wie in ein Labyrinth – einem Wahnwitzigen völlig gleich, verliert. Hier ist der Sitz der so berüchtigten Speculation – des verschrieenen, falschen Mystizism – des Glaubens an die Ergründung der Dinge an sich –

Der Kriticism zeigt eben die Nothwendigkeit der Begrenzung – Determination, Innehaltung – weißt auf einen bestimmten Zweck hin – und verwandelt die Speculation in ein nützliches und selbst poëtisches Instrument.

Diese endlose Fortsetzung einer Thätigkeit ist Caracter der Seelen, oder Geistesinerz

(Man denke an jemanden, der eine unendliche Reihe, Bruchreihe z. B. exhauriren wollte – die Quadratoren d[es] Zirckels etc.)

 

 

[911]

Experimentiren mit Bildern und Begriffen im Vorstell[ungs]
V[ermögen] ganz auf eine dem phys[ikalischen] Experim[entiren] analoge Weise. Zus[ammen] Setzen. Entstehn lassen – etc.

 

 

923

Seele ist beynah ein Begriff, wie Materie – am Ende wohl mit ihm in genauer Verbindung. Die Seelenkr[äfte] und Verm[ögen] sind den Kräften der Materie und den speciellen Stoffen zu vergleichen.