BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Novalis

1772 - 1801

 

Technische Aufzeichnungen und

Schriften aus der Berufstätigkeit

 

16. Bericht über den Ankauf von Kohlengrundstücken zu Mertendorf

Textgrundlage:

Novalis, Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs,

hrsg. von Paul Kluckhohn und Richard Samuel. [Historisch-kritische Ausgabe.]

Band 3: Das philosophische Werk II, hrsg. von Richard Samuel,

Stuttgart: Kohlhammer 1968

 

15. Gradirung

Textgrundlage:

Novalis, Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs,

hrsg. von Paul Kluckhohn und Richard Samuel. [Historisch-kritische Ausgabe.]

Bd. 6, Teilbd. 3/4, Schriften und Dokumente aus der Berufstätigkeit.

Supplementa, Corrigenda; Teilband 3, Text, hrsg. von Gabriele Rommel

Stuttgart: Kohlhammer 2006

 

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Bericht

über den Ankauf von Kohlengrundstücken zu Mertendorf und den deshalb veranstalteten Versuchbau zwischen dem Semmigt und dem Rathshügel betr[effend].

 

[Weißenfels,] den 30sten Aug[ust] 1800.

 

Unterm 20sten Aug[ust] [17]99. befahlen Ew. [Churfürstliche Durchlaucht], daß wir in bevorstehendem Winter einen entscheidenden Versuch zur Bestätigung der Vermuthung, daß das Erdkohlenlager auf dem Semmigte mit dem auf dem Rathshügel Befindlichen zusammenhänge, anstellen, und in Betracht der alsdann vorzunehmenden Acquisition der umliegenden Grundstücke, über den Erfolg mit Eröffnung unsers ohnmaaßgeblichen Gutachtens wegen des weitern Verfahrens gehorsamst einberichten sollten.

In Gemäsheit dieses gnädigsten Anbefohlnisses ließen wir 2 Schächte abteufen, den Einen, der auf beyliegenden Risse mit 10 bezeichnet ist, oberhalb des bisherigen Abraums dicht unter dem Weinberge, und den Andern, der mit m bezeichnet ist, auf dem Rathshügel. Die Teufe des Ersten war 36 Ellen, von denen 24 Ellen im Abraum und 12 Ellen in der Kohle abgesunken wurden. Der andre Versuchschacht auf dem Rathshügel wurde 40 Ellen tief in abwechselnden Thon und Sandgebürge bis auf den Wasserspiegel abgetäuft. Weil man nun hier ohne Pumpen mit der Absinkung nicht weiter fortkommen konnte, so bohrte man vollends die Kohle ab, wobey sich dann fand, daß nachdem noch 2 Ellen im Sand und Thon durchbohrt waren, die Kohle sich mit 15 Ellen Mächtigkeit anlegte. Vom Schacht No. 10. wurde nunmehr eine Strecke auf der Sohle der Kohle in gerader Richtung nach dem Schacht m getrieben, und damit 120¾ Ellen söhlich bis zum Punkte R. continuirt, wo als dann der Thon, der das Dach der Kohle ausmacht, in der Firste angefahren wurde, mithin, da hier die Kohle sichtlich ein stärkeres Fallen annahm und man dicht auf dem Wasserspiegel hingefahren war, überdem Wettermangel nun zu befürchten stand, der Streckenbetrieb eingestellt werden mußte. Um nun auf die bis zum Schachte m noch fehlende Länge von circa 140 Ellen einen sichern Schluß ziehn zu können, ward am Ende dieser Strecke in der Sohle der Kohlenstand abgebohrt und inclus[ive] der Streckenhöhe 10½ Ellen hoch gefunden. Die äußre Oberfläche steigt vom Schachte 10 nach aufwärts bis etwas über den Punct R. wo sie ihre höchste Höhe erreicht, und dann beynah söhlich bis zum Schachte m fortläuft, hinter welchen sie sich wieder abwärts neigt. Man sieht hieraus, wie trüglich ein Schluß aus der jetzigen Oberfläche auf die ehmalige Oberfläche, oder das Fallen dieser Lager ist, da hier die Erstere steigt, während die Leztere fällt. Indeß läßt sich nun nicht zweifeln, da man die Kohle im Punct R. noch 10½ Elle mächtig und im Schachte m, dieselbe wieder 15 E[llen] mächtig gefunden hat, beyde Puncte aber nur 140 Ellen auseinander liegen und in Rücksicht des Niveaus das Kohlenlager sich von R bis m nur wenig mehr zu senken scheint, daß die Kohle ununterbrochen dazwischen fortstreiche. Es wird also kein Bedenken obwalten die Acquisition der Grundstücke zwischen dem Semmichte und Rathshügel für rathsam zu halten. Diese Acquisition wird selbst nach gerade nothwendig, da die bisher acquirirten Grundstücke großentheils abgebaut sind.

Die Gegend der bisherigen Abraumsförderung ist auf dem Risse namentlich marquirt. Die unterirrdische Förderung ward zeither auf dem Semmigt, und zwar der sogenannten Lohde vom Schachte 7 herunterwärts, und seitwärts dies und jenseits des Fahrwegs von Mertendorf, auch vom Schachte 9 in gleichen Richtungen bis ans Ausgehende des Kohlenlagers getrieben. Die schlechte Beschaffenheit der Kohle in der Nähe des Ausgehenden[,] der abnehmende Kohlenstand, und der Umstand, daß das Lager ohngefähr da, wo der Mertendorfer Fahrweg an die Felder stößt seine Streichungslinie zu verändern und sich in das Feld hinüber zu wenden scheint, so daß weiter aufwärts nichts mehr zu finden seyn dürfte, werden diese Förderung bald aufheben und uns vielleicht Ende künftigen Jahres nöthigen auf andren Puncten das Lager anzugreifen. Nun hat zwar die Saline vom Schachte 5 und 6 vorwärts, soweit die röthlich angegebne Linie zeigt, noch eigenthümliches Kohlenfeld, wovon aber ein großer Theil der darinn befindlichen Kohlen im Wasser und unter dem Stollen stehn, mithin nur mit großer Beschwerlichkeit und beträchtlichen Wasserhaltungskosten zu erlangen stehn. Solange also die Noth nicht erfodert dergleichen Arbeiten vorzunehmen und bequemere Puncte vorhanden sind, dürfte hierauf kein Absehn zu richten seyn. Das mit rother Einfassung bezeichnete Stück Weinberg ist allerdings noch ein solcher bequemerer Punct, da die Kohle hier über 7 Ellen mächtig und trocken steht, allein der Fleck ist klein, in dem übrigen Weinberg ist das Ausgehende des Kohlenlagers und so bleibt nur das vorliegende Feld hier übrig, auf welches man sichre Rechnung einer vorteilhaften Kohlenförderung machen kann.

Nach einem bereits ehmals gemachten Bohrversuche an den braun-punctirten Fußsteige von Mertendorf scheint es, als wende sich das Lager vom Weinberge nach dem Winkel zu, den der Fahrweg von Mertendorf nach Osterfeld mit dem nach Radewitz macht, indem man kurz vor dem Puncte, wo der obbenannte Fußsteig sich theilt, noch über 4 Ellen Kohlenstand, und in dem alten Schacht p. am Radewitzer Fuhrweg, auf dem der Saline zugehörigen Grundstücke 8¾ Elle Kohle, auf der andern Seite des Fahrwegs aber ...

 

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[Bl. 1a,re.]

Gradirung

 

Die Gradirung ist diejenige Salinenarbeit, wo durch Bewegung, Wärme und sonstige Beschaffenheit der Atmosphaere, der Soole eine beträchtliche Menge Wasser <und> entzogen, und mithin eine Abscheidung des, wegen seiner geringern Auflösbarkeit, in der übrigbleibenden Menge Soole nicht mehr beständigen Gypses bewürckt wird. Sie ist bey denjenigen Salinen oeconomisch anwendbar und vortheilhaft, wo die Soole viel erdige Bestandtheile in einer großen Wasser {menge} mit sich führt, und also deren <Verdampfung> {Abscheidung und} |:resp[ective] Abdampfung.:| durchs Feuer einen großen Aufwand an Feuermaterial erfordern würde. Die Wirckungen des Feuers werden also bey der Gradierung durch die Wirckungen der Atmosphäre <bestimmt> ersezt – und dieses Agens bestimmt auch die Construction dieser Anstaltsgebäude. Der Platz muß trocken, frey, um jeder Bewegung der Atmosphaere theilhaft zu werden, und vorzüglich so ausgesucht seyn, daß die herrschende Richtung der Windströme ihn im rechten Winkel durchschneidet. Die Soole muß um die Atmosphaere <in einem klein> vollständig und in der kürzesten Zeit nutzen zu können, in die grösseste Berührungsfläche mit derselben gebracht werden. Dies zu erreichen und zwar auf einem verhältnißmäßig<e> geringen Raume, hat man seit langer Zeit den sinnreichen Einfall gehabt die Soole durch locker geschichtete Dornenbündel, die in ziemlich hohen Wänden aufgestellt sind, durchträufeln zu lassen, und so dieselbe mög-|| [Bl.1b,re.] lichst verbreitet und zertheilt den Einflüssen der Witterung auszusetzen. So sind die Gradierhäuser entstanden, welches lange, schmale, <bedeckte> hohe |:an den Seiten offne:| und {oben} bedeckte Gebäude sind – in deren Mitte die Dornenwände bis unters Dach stehn – in welchen lange <4 fache> {doppelte} Rinnen über dieselben hinlaufen, und {wo} aus, von Distanz zu Distanz <ange> auf beyden Seiten jeder Rinne, angebrachten hölzernen Hähnen, die durch Hülfe des Kunstthurms und der an den Gradierhäusern stehenden Pumpen in die Höhe gehobne Soole, <die Soole> nach Befinden {in} Tropfen oder Strahlen |:je nachdem der Hahn, wenig, mehr, reichlich oder ganz aufgedreht wird:| in die Dornenwand vertheilt – und unten in einem den Boden des ganzen Gradierhauses ausmachenden Kasten auf gefangen und gesammelt wird. Man sieht leicht, daß die Größe der Gradierhäuser von der Menge zu verdunstenden Wasser abhängt und also ärmere Soole größere Anstalten erfordert<e>. Übrigens besteht nun die Arbeit der Gradierer in Beobachtung der Veränderungen der Atmosphaere, Stellung der Hähne und Dirigirung des Kunstgezeugs zur Vermehrung oder Verminderung der gehobnen Soole nach jedesmaligen Bedürfniß des Hauses. Zu jenen Beobachtungen haben sie die nöthigen meteorologischen Instrumente und eine besondre 30 {sub <sub O> beyliegende} Instruction des Gradiermeisters. <Über> Sie müssen täglich mehrere mal den Stand des Barometers, Thermometers und Hygrometers, sowie die Klarheit des Wetters, Ruhe oder Bewegung der Atmosphaere, eintretende nasse Witterung und Stärke der Bewegungen, sowie den Wasserstand der Saale in Beziehung auf || [Bl.2a,re.] die Umgänge der Kunstgezeuge notiren.

Zur Prüfung des Einflusses der <Witt> jedesmaligen Witterung hat jeder Gradirer einen Araeometer oder eine gläserne mit einem Gewicht und einer Skala versehene Spindel bey sich, durch deren Einsenkung er die specifische Schwere <:der:> Soole erfährt.

Je mehr nun die Atmosphaere wirckt, desto schwerer wird die <Soole,> durchgeträufelte Soole, d[as] ist, desto mehr nimmt das Verhältniß des Salzes <in derselben> gegen das Wasser in derselben zu. Sie wirckt aber desto mehr, je reiner, trockner, wärmer und agitirter sie zugleich ist – Je mehr sie aber wirckt, desto mehr Soole kann man auch mit ihr in Berührung bringen um den bestimmten Grad der Concentration zu erlangen. Ist das Wetter also günstig so müssen die Kunstgezeuge stärker angegriffen werden – um mehr <W> Soole zu heben, die Hähne werden weiter geöffnet, und man erhält nun in der nemlichen Zeit mehr Soole zu bestimmter Schwere, als wenn ungünstige Witterung ist, und man also in dem geringern Verhältnisse der Kraft auch eine geringere Quantität Wasser <abdempfen> {verdunsten}, also auch weniger Soole durchträufeln lassen kann. In diesem Fall werden die auf <den> {die} Kunsträder einfallenden Wasser verringert und die Hähne auf den Häusern mehr zugedreht. <Ist der Wind sehr> Ganz ungünstige Witterung z. B. heftige Kälte und Nässe, schwächt<e> den auflösenden Einfluß der Atmosphaeren oft bis auf Null und führt<e> auch andre Nachtheile bey sich, als das Zusammenfrieren der Dornen, <die An> das Zerspringen der Zuführungskanäle, die Veränderung der chemischen Beschaffenheit der || [Bl.2b,re.] Soole, die Anfeuchtung der Dornen etc., und erbricht mithin die Gradierung gänzlich. Ist der Wind zu stark so können nicht alle Reihen Hähne geöffnet |:und die Geöffneten nicht alle gleich weit geöffnet:| werden, weil der Wind sonst die Soole, die aus den Reihen der seiner Richtung entgegengesezten Seite der Dornenwand träufelt nicht durch die dünnere Dornenschicht fortreisen und außerhalb des Gradierhauses verstieben würde. Zu diesen Behinderungen {und Störungen} der {vollkommnen} Gradierung kommt noch zu geringer und zu hoher Wasserstand der Saale, welcher die zweckmäßige Direction des Kunstgezeugs alterirt und oft einen Soolenmangel auf den Gradierhäusern bey vortheilhafter Witterung verursacht. Endlich kann auch in einzelnen Jahren contrairer Wind die Gradierung wieder ergiebig machen. Es <sind> {stehn} nämlich die Gradierhäuser, wie oben gedacht worden, im rechten Winckel mit der gewöhnlichen Richtung des Windes in den hiesigen Gegenden <erbaut>. Diese gewöhnliche Richtung ist hier von <Morgen> {Abend} nach Morgen und von Morgen nach Abend – mithin sind die Gradierhäuser <vor> {ziemlich} in der Mittagslinie erbaut. Aller Nord und Südwind trift daher <auf> die {schmalen} Giebel der Gradierhäuser und kann also nicht würcksam seyn. Sind also in ungewöhnlichen Jahren diese Winde die herrschenden, so <büßt> {bleibt} die Gradierung bey allem Winde demnach zurück. Gradierhäuser für solche ungewöhnliche Zeiten zu bauen würde jedoch wohl nicht rathsam seyn. Ehmals kam zu diesen Behinderungen noch die Unzulänglichkeit der Vorrathskästen unter den Gradierhäusern <hinzu> in den Sommermonaten hinzu. Dieser Behin- || [Bl.3a,re.]derung ward aber seit dem Jahre 1789 durch Erbauung eines abgesonderten Reservoirs gehoben, {in} welches jezt der Überschuß der Gradirung in der günstigern Sommerwitterung gesammelt werden kann. Ob ihr für immer {dadurch} abgeholfen worden ist, und ob nicht die seitdem beträchtlich vermehrte Fabrication und der so sehr gestiegne Vertrieb, da das Reservoir nur auf ein Etatsquantum von 160000 Stück Salz eingerichtet wurde, im leztern Jahre aber nicht einmal 187099 St[ück] zugereicht haben, |:eine Vergrößerung dieser Reservoirs nöthig machen dürften:| wird im Verfolg der Untersuchungen über den künftigen Salinenhaushalt näher erörtert werden. |:Außerdem können noch andre Behinderungen der Gradirung eintreten, als Reparaturen der Kunstgezeuge, der Dächer, {und} der Kästen, allein sie sind zufällig und selten und verdienen daher nur eine Erwähnung in Rücksicht der Vollständigkeit.:|

<Die hiesige Soole> Der hiesige Gradierhaushalt ist gegenwärtig auf ein dreymaliges Durchfallen der Soole durch die Dornenwände eingerichtet. Erst durch dreymaliges Durchfallen erlangt die Soole den <geh> der Siedung vortheilhaftesten Concentrationsgrad. [Bl.3a,li.] |:welche<r>n {man} zu 3½ – 3¾ Grad an<genommen wird> {nimmt}. Höher Graedige Sohle bewürckt in den Pfannen eine gleichzeitige Kristallisation des lezten hartnäckig anhängenden Gypses <mit> und des Kochsalzes <und>, <verhindert gar> {wodurch} die Krystallisation des leztern gehindert und ein schmieriges Salz erzeugt wird.:| [Bl.3a,re.] Die Gradierhäuser sind deshalb in 3 Abtheilungen gebracht – die man Fälle nennt.

Für jeden Fall ist de<n>m Gradier<ern>{er} ein bestimmter Grad der Verdichtung [Bl.3a,li.] |:nach Maaßgabe des bestimmten Grades siedbarer Soole und:| |:nach {gegenseitigen} Verhältniß der Größen dieser Fälle, <sowie> {in} welche durch die Größe des ersten F<ä>all<e>s, sowie diese durch die Quantität des gesammten Soolzuflusses bestimmt wird,:| [Bl.3a,re.] vorgeschrieben, welchen er <den> nach oftmaliger Prüfung {des Grades} der durchgefallnen Soole, mittelst Stellung der Hähne und der Gezeuge zu erreichen suchen muß. [Bl.3a,li.] |:Die Regel, nach welcher die Gradiermeister bey ihrem Geschäfte zu verfahren angewiesen sind, ist, daß, wenn geringe oder gar keine Soolenvorräthe <3¾ grädiger> 3¾ grädiger Soole vorhanden sind, hingegen Salz nöthig seyn sollte, <daß> täglich soviel Werk Soole, als zum Sieden nöthig sind, und so lange bis der Etatsatz erreicht worden ist, jedes mal, in den, nach Beschaffenheit der Witterung, bestmöglichsten Gehalte gradirt werden. Wenn bessere Witterung wird, als dann wird der Soolenvorrath auf reichern Gehalt gebracht, und dadurch auch der Etat in dieser Rüksicht zu erfüllen gesucht, und erst (vid. die andre Seite):| [Bl.3b,li.] |:(auf der vorigen Seite) bey der Fortdauer guter Witterung auf gäntzliche Anfüllung der Reservoirs in 3½ grädigen Gehalte gearbeitet, um durch diesen überétatmäßigen Zustand die im folgenden Jahre etwa einfallenden Lücken auszufüllen.:| [...]