BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Karl Simrock

1802 - 1876

 

Das Nibelungenlied

 

Siebzehntes Abenteuer

 

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Wie Siegfried beklagt und begraben ward.

 

1034

Da harrten sie des Abends | und fuhren über Rhein;

Es mochte nie von Helden | ein schlimmer Jagen sein.

Ihr Beutewild beweinte | noch manches edle Weib:

Sein muste bald entgelten | viel guter Weigande Leib.

1035

Von großem Uebermuthe | mögt ihr nun hören sagen

Und schrecklicher Rache. | Bringen ließ Hagen

Den erschlagen Siegfried | von Nibelungenland

Vor eine Kemenate, | darin sich Kriemhild befand.

1036

Er ließ ihn ihr verstohlen | legen vor die Thür,

Daß sie ihn finden müße, | wenn morgen sie herfür

Zu der Mette gienge | frühe vor dem Tag,

Deren Frau Kriemhild | wohl selten eine verlag.

1037

Da hörte man wie immer | zum Münster das Geläut:

Kriemhild die schöne | weckte manche Maid.

Ein Licht ließ sie sich bringen, | dazu auch ihr Gewand;

Da kam der Kämmrer Einer | hin, wo er Siegfrieden fand.

1038

Er sah ihn roth von Blute, | all sein Gewand war naß:

Daß sein Herr es wäre, | mit Nichten wust er das.

Da trug er in die Kammer | das Licht in seiner Hand,

Bei dem da Frau Kriemhild | viel leide Märe befand.

1039

Als sie mit den Frauen | zum Münster wollte gehn,

«Frau,» sprach der Kämmerer, | «wollt noch stille stehn:

Es liegt vor dem Gemache | ein Ritter todtgeschlagen.»

«O weh,»sprach daKriemhild,|«was willst du solche Botschaft sagen?»

1040

Eh sie noch selbst gesehen, | es sei ihr lieber Mann,

An die Frage Hagens | hub sie zu denken an,

Wie er ihn schützen möchte: | da ahnte sie ihr Leid.

Mit seinem Tod entsagte | sie nun aller Fröhlichkeit.

1041

Da sank sie zur Erden, | kein Wort mehr sprach sie da;

Die schöne Freudenlose | man da liegen sah.

Kriemhildens Jammer | wurde groß und voll;

Sie schrie nach der Ohnmacht, | daß all die Kammer erscholl.

1042

Da sprach ihr Gesinde: | «Es kann ein Fremder sein.»

Das Blut ihr aus dem Munde | brach vor Herzenspein.

«Nein, es ist Siegfried, | mein geliebter Mann:

Brunhild hats gerathen | und Hagen hat es gethan.»

1043

Sie ließ sich hingeleiten, | wo sie den Helden fand;

Sein schönes Haupt erhob sie | mit ihrer weißen Hand.

So roth er war von Blute, | sie hat ihn gleich erkannt:

Da lag zu großem Jammer | der Held von Nibelungenland.

1044

Da rief in Jammerlauten | die Königin mild:

«O weh mir dieses Leides! | Nun ist dir doch dein Schild

Mit Schwertern nicht verhauen! | dich fällte Meuchelmord.

Und wüst ich, wer der Thäter wär, ich wollt es rächen immerfort.»

1045

All ihr Ingesinde | klagte laut und schrie

Mit seiner lieben Frauen; | heftig schmerzte sie

Ihr edler Herr und König, | den sie da sahn verlorn.

Gar übel hatte Hagen | gerochen Brunhildens Zorn.

1046

Da sprach die Jammerhafte: | «Nun soll Einer gehn

Und mir in Eile wecken | Die in Siegfrieds Lehn

Und soll auch Siegmunden | meinen Jammer sagen,

Ob er mir helfen wolle | den kühnen Siegfried beklagen.»

1047

Da lief dahin ein Bote, | wo er sie liegen fand,

Siegfriedens Helden | von Nibelungenland.

Mit den leiden Mären | die Freud er ihnen nahm;

Sie wollten es nicht glauben, | bis man das Weinen vernahm.

1048

Auch kam dahin der Bote, | wo der König lag.

Siegmund der Herre | keines Schlafes pflag,

Als ob das Herz ihm sagte, | was ihm wär geschehn,

Er sollte seinen lieben Sohn | lebend nimmer wiedersehn.

1049

«Wacht auf, König Siegmund, | mich hieß nach euch gehn

Kriemhild, meine Herrin; | der ist ein Leid geschehn,

Das ihr vor allem Leide | wohl das Herz versehrt;

Das sollt ihr klagen helfen, | da es auch euch widerfährt.»

1050

Auf richtete sich Siegmund | und sprach: «Was beklagt

Denn die schöne Kriemhild, | wie du mir hast gesagt?»

Der Bote sprach mit Weinen: | «Sie hat wohl Grund zu klagen

Es liegt von Niederlanden | der kühne Siegfried erschlagen.»

1051

Da sprach König Siegmund: | «Laßt das Scherzen sein

Mit so böser Märe | von dem Sohne mein

Und sagt es Niemand wieder, | daß er sei erschlagen,

Denn ich könnt ihn nie genug | bis an mein Ende beklagen.»

1052

«Und wollt ihr nicht glauben, | was ihr mich höret sagen,

So vernehmet selber | Kriemhilden klagen

Und all ihr Ingesinde | um Siegfriedens Tod.»

Wie erschrak da Siegmund: | es schuf ihm wahrhafte Noth.

1053

Mit hundert seiner Mannen | er von dem Bette sprang.

Sie zuckten zu den Händen | die scharfen Waffen lang

Und liefen zu dem Wehruf | jammersvoll heran.

Da kamen tausend Recken, | dem kühnen Siegfried unterthan.

1054

Als sie so jämmerlich | die Frauen hörten klagen,

Da kam Vielen erst in Sinn, | sie müsten Kleider tragen.

Wohl mochten sie vor Schmerzen | des Sinnes Macht nicht haben:

Es lag in ihrem Herzen | große Schwere begraben.

1055

Da kam der König Siegmund | hin, wo er Kriemhild fand.

Er sprach: «O weh der Reise | hierher in dieses Land!

Wer hat euch euern Gatten, | wer hat mir mein Kind

So mordlich entrißen, | da wir bei guten Freunden sind?»

1056

«Ja, kennt ich Den,» | versetzte die edle Königin,

«Hold würd ihm nimmer | mein Herz noch mein Sinn:

Ich rieth' ihm so zum Leide, | daß all die Freunde sein

Mit Jammer weinen müsten, | glaubt mir, von wegen mein.»

1057

Siegmund mit Armen | den Fürsten umschloß;

Da ward von seinen Freunden | der Jammer also groß,

Daß von dem lauten Wehruf | Palas und Saal

Und Worms die weite Veste | rings erscholl im Widerhall.

1058

Da konnte Niemand trösten | Siegfriedens Weib,

Man zog aus den Kleidern | seinen schönen Leib,

Wusch ihm seine Wunde | und legt' ihn auf die Bahr;

Allen seinen Leuten | wie weh vor Jammer da war!

1059

Es sprachen seine Recken | aus Nibelungenland:

«Immer ihn zu rächen | bereit ist unsre Hand.

Er ist in diesem Hause, | von dem es ist geschehn.»

Da eilten sich zu waffnen | die Degen in Siegfrieds Lehn.

1060

Die Auserwählten kamen | in ihrer Schilde Wehr,

Elfhundert Recken; | die hatt in seinem Heer

Siegmund der König: | seines Sohnes Tod

Hätt er gern gerochen, | wie ihm die Treue gebot.

1061

Sie wusten nicht, wen sollten | sie im Streit bestehn,

Wenn es nicht Gunther wäre | und Die in seinem Lehn,

Die zur Jagd mit Siegfried | geritten jenen Tag.

Kriemhild sah sie gewaffnet: | das schuf ihr großes Ungemach.

1062

Wie stark auch ihr Jammer, | wie groß war ihre Noth,

Sie besorgte doch so heftig | der Nibelungen Tod

Von ihrer Brüder Mannen, | daß sie dawider sprach:

Sie warnte sie in Liebe, wie immer Freund mit Freunden pflag.

1063

Da sprach die Jammerreiche: | «Herr König Siegmund,

Was wollt ihr beginnen? | Euch ist wohl nicht kund,

Es hat der König Gunther | so manchen kühnen Mann:

Ihr wollt euch all verderben, | greift ihr solche Recken an.»

1064

Mit auferhobnen Schilden | that ihnen Streiten Noth.

Die edle Königstochter | bat und gebot,

Daß es meiden sollten | die Recken allbereit.

Daß sie's nicht laßen wollten, | das war ein grimmiges Leid.

1065

Sie sprach: «Herr König Siegmund, | steht damit noch an,

Bis es sich beßer fügte: | so will ich meinen Mann

Euch immer rächen helfen. | Der mir ihn hat benommen,

Wird es mir bewiesen, | es muß ihm noch zu Schaden kommen.

1066

«Es sind der Uebermüthigen | hier am Rhein so viel,

Daß ich euch zum Streite | jetzt nicht rathen will:

Sie haben wider Einen | immer dreißig Mann;

Laß ihnen Gott gelingen, | wie sie uns haben gethan.

1067

«Bleibt hier im Hause | und tragt mit mir das Leid,

Bis es beginnt zu tagen, | ihr Helden allbereit:

Dann helft ihr mir besargen | meinen lieben Mann.»

Da sprachen die Degen: | «Liebe Frau, das sei gethan.»

1068

Es könnt euch des Wunders | ein Ende Niemand sagen,

Die Ritter und die Frauen, | wie man sie hörte klagen,

Bis man des Wehrufs | ward in der Stadt gewahr.

Die edeln Bürger kamen | daher in eilender Schar.

1069

Sie klagten mit den Gästen: | sie schmerzte der Verlust.

Was Siegfried verschulde, | war ihnen unbewust,

Weshalb der edle Recke | Leben ließ und Leib.

Da weinte mit den Frauen | manchen guten Bürgers Weib.

1070

Schmiede hieß man eilen | und würken einen Sarg

Von Silber und von Golde, | mächtig und stark,

Und ließ ihn wohl beschlagen | mit Stahl, der war gut.

Da war allen Leuten | das Herz beschwert und der Muth.

1071

Die Nacht war vergangen: | man sagt', es wolle tagen.

Da ließ die edle Königin | hin zum Münster tragen

Diesen edeln Todten, | ihren lieben Mann.

Mit ihr giengen weinend, | was sie der Freunde gewann.

1072

Da sie zum Münster kamen, | wie manche Glocke klang!

Allenthalben hörte | man der Pfaffen Sang.

Da kam der König Gunther | hinzu mit seinem Lehn

Und auch der grimme Hagen; | es wäre klüger nicht geschehn.

1073

Er sprach: «Liebe Schwester, | o weh des Leides dein;

Daß wir nicht ledig mochten | so großen Schadens sein!

Wir müßen immer klagen | um Siegfriedens Tod.»

«Daran thut ihr Unrecht,» | sprach die Frau in Jammersnoth.

1074

«Wenn euch das betrübte, | so wär es nicht geschehn.

Ihr hattet mein vergeßen, | das muß ich wohl gestehn,

Als ich so geschieden ward | von meinem lieben Mann.

Wollte Gott vom Himmel, | mir selber war es gethan.»

1075

Sie hielten sich am Läugnen. | Da hub Kriemhild an:

«Wer unschuldig sein will, | leicht ist es dargethan,

Er darf nur zu der Bahre | hier vor dem Volke gehn:

Da mag man gleich zur Stelle | sich der Wahrheit versehn.»

1076

Das ist ein großes Wunder, | wie es noch oft geschieht, |

Wenn man den Mordbefleckten | bei dem Todten sieht,

So bluten ihm die Wunden, | wie es auch hier geschah;

Daher man nun der Unthat | sich zu Hagen versah.

1077

Die Wunden floßen wieder | so stark als je vorher.

Die erst schon heftig klagten, | die weinten nun noch mehr.

Da sprach König Gunther: | «Nun hört die Wahrheit an:

Ihn erschlugen Schächer; | Hagen hat es nicht gethan.»

1078

Sie sprach: «Diese Schächer | sind mir wohl bekannt:

Nun laß es Gott noch rächen | von seiner Freunde Hand!

Gunther und Hagen, | ja ihr habt es gethan.»

Da wollten wieder streiten | Die Siegfrieden unterthan.

1079

Da sprach aber Kriemhild: | «Ertragt mit mir die Noth.» |

Da kamen auch die Beiden, | wo sie ihn fanden todt,

Gernot ihr Bruder | und Geiselher das Kind.

Sie beklagten ihn in Treuen; | ihre Augen wurden thränenblind.

1080

Sie weinten von Herzen | um Kriemhildens Mann.

Man wollte Messe singen: | zum Münster heran

Sah man allenthalben | Frauen und Männer ziehn,

Die ihn doch leicht verschmerzten, | weinten alle jetzt um ihn.

1081

Geiselher und Gernot | sprachen: «Schwester mein,

Nun tröste dich des Todes, | es muß wohl also sein.

Wir wollen dirs ersetzen, | so lange wir leben.»

Da wust ihr auf Erden | Niemand doch Trost zu geben.

1082

Sein Sarg war geschmiedet | wohl um den hohen Tag;

Man hob ihn von der Bahre, | darauf der Todte lag.

Da wollt ihn noch die Königin | nicht laßen begraben:

Es musten alle Leute | große Mühsal erst haben.

1083

In kostbare Zeuge | man den Todten wand.

Gewiss daß man da Niemand | ohne Weinen fand.

Aus ganzem Herzen klagte | Ute das edle Weib

Und all ihr Ingesinde | um Siegfrieds herrlichen Leib.

1084

Als die Leute hörten, | daß man im Münster sang

Und ihn besargt hatte, | da hob sich großer Drang:

Um seiner Seele willen | was man da Opfer trug!

Er hatte bei den Feinden | doch guter Freunde genug.

1085

Kriemhild die arme | zu den Kämmerlingen sprach:

«Ihr sollt mir zu Liebe | leiden Ungemach:

Die ihm Gutes gönnen | und mir blieben hold,

Um Siegfriedens Seele | verteilt an diese sein Gold.»

1086

Da war kein Kind so kleine, | mocht es Verstand nur haben,

Das nicht zum Opfer gienge, | eh er ward begraben.

Wohl an hundert Messen | man des Tages sang.

Von Siegfriedens Freunden | hob sich da mächtiger Drang.

1087

Als die gesungen waren, | verlief die Menge sich.

Da sprach wieder Kriemhild: | «Nicht einsam sollt ihr mich

Heunt bewachen laßen | den auserwählten Degen:

Es ist an seinem Leibe | all meine Freude gelegen.

1088

«Drei Tag und drei Nächte | will ich verwachen dran,

Bis ich mich ersättige | an meinem lieben Mann.

Vielleicht daß Gott gebietet, | daß mich auch nimmt der Tod:

So wäre wohl beendet | der armen Kriemhilde Noth.»

1089

Zur Herberge giengen | die Leute von der Stadt.

Die Pfaffen und die Mönche | sie zu verweilen bat

Und all sein Ingesinde, | das sein billig pflag.

Sie hatten üble Nächte | und gar mühselgen Tag.

1090

Ohne Trank und Speise | verblieb da mancher Mann.

Wers nicht gern entbehrte, | dem ward kund gethan,

Man gab ihm gern die Fülle: | das schuf Herr Siegmund.

Da ward den Nibelungen | viel Noth und Beschwerde kund.

1091

In diesen dreien Tagen, | so hörten wir sagen,

Muste mit Kriemhilden | viel Mühsal ertragen,

Wer da singen konnte. | Was man auch Opfer trug!

Die eben arm gewesen, | die wurden nun reich genug.

1092

Was man fand der Armen, | die es nicht mochten haben,

Die ließ sie mit dem Golde | bringen Opfergaben

Aus seiner eignen Kammer: | er durfte nicht mehr leben,

Da ward um seine Seele | manches Tausend Mark gegeben.

1093

Güter und Gefälle | vertheilte sie im Land,

So viel man der Klöster | und guter Leute fand.

Silber gab man und Gewand | den Armen auch genug.

Sie ließ es wohl erkennen, | wie holde Liebe sie ihm trug.

1094

An dem dritten Morgen | zur rechten Messezeit

Sah man bei dem Münster | den ganzen Kirchhof weit

Von der Landleute | Weinen also voll:

Sie dienten ihm im Tode, | wie man lieben Freunden soll.

1095

In diesen vier Tagen, | so hört ich immerdar,

Wol an dreißigtausend Mark | oder mehr noch gar

Ward um seine Seele | den Armen hingegeben,

Indes war gar zerronnen | seine große Schöne wie sein Leben.

1096

Als vom Gottesdienste | verhallt war der Gesang,

Mit ungefügem Leide | des Volkes Menge rang.

Man ließ ihn aus dem Münster | zu dem Grabe tragen.

Da hörte man auch anders | nichts als Weinen und Klagen.

1097

Das Volk mit lautem Wehruf | schloß im Zug sich an:

Froh war da Niemand, | weder Weib noch Mann.

Eh er bestattet wurde, | las und sang man da:

Hei! was man guter Pfaffen | bei seiner Bestattung sah!

1098

Bevor da zu dem Grabe | kam das getreue Weib,

Rang sie mit solchem Jammer | um Siegfriedens Leib,

Daß man sie mit Wasser | vom Brunnen oft begoß:

Ihres Herzens Kummer | war über die Maßen groß.

1099

Es war ein großes Wunder, | daß sie zu Kräften kam.

Es halfen ihr mit Klagen | viel Frauen lobesam.

«Ihr, meines Siegfrieds Mannen,» | sprach die Königin,

«Erweist mir eine Gnade | aus erbarmendem Sinn.

1100

«Laßt mir nach meinem Leide | die kleinste Gunst geschehn»,

Daß ich sein schönes Angesicht | noch einmal dürfe sehn,»

Da bat sie im Jammer | so lang und so stark,

Daß man zerbrechen muste | den schön geschmiedeten Sarg.

1101

Hin brachte man die Königin, | wo sie ihn liegen fand.

Sein schönes Haupt erhob sie | mit ihrer weißen Hand

Und küsste so den Todten, | den edeln Ritter gut:

Ihre lichten Augen | vor Leide weinten sie Blut.

1102

Ein jammervolles Scheiden | sah man da geschehn.

Man trug sie von dannen, | sie vermochte nicht zu gehn.

Da lag ohne Sinne | das herrliche Weib:

Vor Leid wollt ersterben | ihr viel wonniglicher Leib.

1103

Als der edle Degen | also begraben war,

Sah man in großem Leide | die Helden immerdar,

Die ihn begleitet hatten | aus Nibelungenland:

Fröhlich gar selten | man da Siegmunden fand.

1104

Wohl Mancher war darunter, | der drei Tage lang

Vor dem großen Leide | weder aß noch trank;

Da konnten sie's nicht länger | dem Leib entziehen mehr:

Sie genasen von den Schmerzen, | wie noch Mancher wohl seither.

1105

Kriemhild der Sinne ledig | in Ohnmächten lag

Den Tag und den Abend | bis an den andern Tag.

Was Jemand sprechen mochte, | es ward ihr gar nicht kund.

Es lag in gleichen Nöthen | auch der König Siegmund.

1106

Kaum daß ihn zur Besinnung | zu bringen noch gelang.

Seine Kräfte waren | von starkem Leide krank:

Das war wohl kein Wunder. | Die in seiner Pflicht

sprachen: «Laßt uns heimziehn: | es duldet uns hier länger nicht.»